Wretch Machine
Röhren sind schon seit längerer Zeit keine ausschließliche Domäne von E-Gitarristen und Studio-Profis. Man findet sie wegen ihres besonderen Klangcharakters vereinzelt auch in einigen modernen Synthesizern verbaut. Die kleine kalifornische Firma Metasonix geht aber noch einen Schritt weiter: Sie fertigt einen halbmodularen Röhren-Synthesizer, bei dem alle wesentlichen Komponenten auf Röhrenschaltungen basieren.
Für eine kleine Firma ist teures Marketing nicht finanzierbar, also gibt man sich ein punkiges Images und benennt des Gerät schlichtweg S-1000 Wretch Machine (Schurkenmaschine). Und das wirkt noch halbwegs bieder im Vergleich zu den anderen Metasonix-Produkten. Das Hauptmotto dabei: weg von langweiliger Mainstream-Perfektion der Großindustrie, hin zur organischen Musikelektronik.
Das Gerät steckt in einem massiven Metallgehäuse und hat schön große Drehknöpfe. Die sichtbaren Röhren glimmen und blinken edel im Takt der LFOs und der Tonhöhe. Eine Plexiglas-Blende schützt die Röhren im rauen Alltag und ist abnehmbar, denn zum Fingerverbrennen heiß wird es doch nicht, und man kommt dann besser an einige Regler ran.
Erstaunlich, dass insgesamt nur 13 Röhren benötigt werden! Aber das ist Teil des Programms: Die Schaltungen so einfach wie möglich und die schrägen Eigenheiten der Röhren nicht durch Kompensationsschaltungen kaschieren.
Betonung Imperfekt
Der Metasonix S-1000 verwendet auch Schaltungen, die bereits in anderen Metasonix-Produkten zum Einsatz kamen. Daraus wurde eine konventionelle subtraktive Architektur konstruiert: zwei Oszillatoren, Waveshaper, VCF, VCA und zwei LFOs. Dazwischen liegen zwei Modulationsbusse und Steckfelder für zwanzig 6,35 mm Klinken.
Man kann den S-1000 auspacken und gleich spielen. Ein eingebauter X/Y/Z-Joystick steuert die Tonhöhe bzw. Filterfrequenz und feuert die Hüllkurven ab, wenn er gedrückt wird. Allerdings schmerzt nach einer Stunde der Daumen, und um ein Keyboard oder Sequenzer einzusetzen, muss ein MIDI-to-CV-Wandler her. Aber nicht ganz so schnell, zuerst wollen die VCOs auf die Hz/V-Spannung gestimmt sein! Das ist nicht ganz so einfach. Ein passender Schraubendreher muss durch vier kleine Öffnungen zum jeweiligen Schräubchen der 10-Gang-Potentiometer hinein gefummelt werden. Nach etwa 200-maligem Fummeln und Drehen ist die Stimmung am Optimum und die Laune am Minimum.
Es wird immer darauf hingewiesen, dass bei der Wretch Machine keine Perfektion gewollt ist, d.h. weder in der Tonhöhe, noch in der perfekten Filterantwort, perfekte Wellenformen etc. Dies wäre irrelevant, schließlich wird auch niemand mit einem Audio-Messplatz Musik machen wollen. Und diese Imperfektionen im heutigen wissenschaflich-technischen Computerzeitalter sind recht immens, also der Reihe nach:
VCOs
Die 2 Thyratron-Oszillatoren erzeugen einen Röhrensägezahn, deren Klang mich sehr an die Klangbeispiele des urzeitlichen Hammond Novachord erinnert. Die Wellenform ist auf eine Rechteck-ähnliche Form übersteuerbar, und einen Suboszillator gibt es auch noch. Die VCOs haben einen spielbaren Tonumfang von etwa zwei Oktaven, sind aber durch einen Schalter um weitere zwei Oktaven erweiterbar. Die Stimmung bleibt auch nach dem besten Stimmen stets schlecht, der Ton kippt auch mal gerne in eine andere Harmonische oder in chaotische Muster. Irgendwann wird klar: Die VCO-Steuerung ist zunächst nur für geräuschhafte Sounds geeignet, Melodien lassen sich damit nicht spielen.
Aber es gibt ein Bonbon, und hier kommt das halbmodulare Konzept zum Tragen: Durch den VCO CV-Eingang lassen sich die VCOs soft-syncen. Es wird ein Audiosignal eines externen Synthesizers angeschlossen, und die VCOs synchronisieren dann relativ sauber auf die externe Frequenz in einem Bereich von 2-3 Oktaven. Auch ein Soft-Synth aus dem PC reicht aus, am besten zwei VCO-Signale getrennt auf zwei Kanäle.
Waveshaper
Diese Schaltung wurde aus den Metasonix-Geräten TM-1 und TS-21 „Hellfire Modulator“ übernommen. Das Signal der VCOs wird verzerrt, und ein weiterer Oszillator kann zusätzliche Impulse aufmodulieren. Dieser Oszillator synchronisiert sich mit dem Eingangssignal, wenn er Lust dazu hat. Heraus kommen Rausch- und Ringmodulator-ähnliche Klänge
VCF
Das Multimode-Filter stammt aus dem Metasonix Effektgerät TM-6. So ein schmutziges, quietschendes Filter habe ich noch nicht gehört, aber darin liegt ja der Reiz. Die Bedienungsanleitung (deren Lektüre ist selbst schon sehr unterhaltend) schlägt vor, dass man sich mindestens eine Stunde mit dem Filter beschäftigen soll, um eine Ahnung zu den störrischen Vorgängen dieser Röhrenschaltung zu bekommen.
VCA
Der VCA fügt noch mal eine brave Röhrenwärme hinzu. Etwas störend wirkt trotz aller LoFi-Ambitionen ein periodisches Knacksen, das aus der LFO-Schaltung stammt. Der VCA erzeugt ferner ein starkes Donnern (DC-Anteil) bei schnellen Attack-Zeiten.
Modulationsgeneratoren
Es stehen zwei separate Hüllkurvengeneratoren zur Verfügung: AR und AD, selbstverständlich auch auf Röhrenschaltungen basierend, ist ja Ehrensache. Deren Geschwindigkeit ist relativ gemächlich.
Zwei LFOs mit ausschließlich Dreieckwellen versorgen zusammen mit den AR/AD die beiden Modulationsbusse. Das sind zwei Reihen an Potentiometern, die die anderen Module mit Steuerspannungen versorgen bzw. für ein weites Betätigungsfeld sorgen. Sechs Potis versorgen die Übersteuerung der VCOs und des Waveshapers, die internen Signale des Busses sind jedoch zu schwach, um einen hörbaren Effekt zu erzeugen. Ein Signalverstärker im externen Modularsystem, über welches jeder moderne Haushalt verfügt, müsste Abhilfe schaffen.
Charakter in allen Ehren, aber 2.600 € für eine Maschine zu verlangen, deren Stimmstabilität nicht zu den Kriterien gehört, die sie auszeichnet ist ein mutiger Schritt. Ich liebe zwar analoges und trickreiches Instrumentarium in aller Form, aber ein gewisses Preis-/Leistungsverhältnis sollte schon gegeben sein, Bauteile hin oder her. In dieser Preisklasse wird z.B. ein Cwejman S1 Mk.II angeboten, der zwar vom Charakter anders klingen mag, aber doch wesentlich universeller einsetzbar ist und mit dem man versehen mit entsprechenden Effekten ähnliches produzieren kann. Der Test hat jedenfalls die Stärken und klar die Schwächen dieses Gerätes deutlich gemacht.
Da stimme ich voll zu. Zu dem Preis ist, selbst in der weitaus teureren Röhrentechnik gehalten, alleine der technische Gegenwert zu dürftig, und der Nutzwert noch geringer. Auch wenn ich sagen muss, dass mir der derb rotzige Sound der Röhrenoszillatoren schon sehr gut gefällt. Eine Alternative mit mehr Nutzwert könnte sein, einen „normalen“ Modularen zu nehmen und hinter jedem Oszi eine eigene kleine Röhrenanzerrung zu schalten. Hierfür würde sich z.B. sowas wie der Presonus Bluetube anbieten, der eine recht günstige Möglichkeit darstellt, seine zwei Eingänge unabhängig und kontrolliert anzuzerren, allerdings nur mit Maßen. Da ich leider selber keinen Modularen besitze kann ich das Ergebnis hier nicht überprüfen, aber ich stelle es mir interessant vor, wenn man wohl versucht, nach dem Anzerren die Oszis zu syncen. Möglicherweise steigt da auch so manch andere Maschine aus und fängt an, tonal umzukippen. Wenn jemand hier einen Modularen hat, probiert doch mal sowas aus und schreibt hier rein, was dabei rauskommt. Würde mich auch sehr über ein paar Samples freuen!
…hmmm „Didgeridoos, Flatulenzen und Kreissäge“ – das klingt mir ja genau dem Klangmaterial, das man als ungeübter Novize auf so jedem Synth als erstes herstellt :)
Ich denke auch, daß diese komische Rotzigkeit und Unstabilität eher ein historisierend-verkitschtes Verständnis von Röhrentechnik – und Klangästhetik seitens des Herstellers verrät.
Dann hätte ich lieber eine schön restaurierte Echolette oder Ähnliches, um dann einen präzisen aber voluminösen Jupiter-6 Sound durchzuschicken… und hätte immer noch Geld übrig.