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Test: PMI Grandioso Bösendorfer 290, Piano-Library

Stärken und Schwächen liegen nah zusammen

13. Januar 2004

Schon beim bloßen Erwähnen des Namens „Bösendorfer“ tritt man in zahlreichen Musikerkreisen ein ehrfürchtiges Raunen los. Selbst prominente Klaviervirtuosen wie z.B. Tori Amos sprengen den Ton des artigen Endorsers, wenn sie in ihren Credits dem Wiener Klavierbauer überschwänglich für sein Instrument danken. Das ohnehin schon reichlich beeindruckende Erlebnis, auf einem ausgewachsenen Flügel zu spielen, soll nach Meinung vieler Pianisten auf einem Bösendorfer Imperial Modell 290 zum musikalischen Paradies schlechthin werden. Wenn nun ein Hersteller antritt, diesen Traum-Flügel naturgetreu zu sampeln und auf einer DVD als virtuelles Instrument anzubieten, regt sich beim elektronischen Musiker mit Interesse an Piano-Sounds natürlich die Neugier. Getestet wird hier die Version mit 16 Bit /48 KHz für Native-Instruments Kontakt-Software.

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Bescheidene Aufmachung

Von ihrer Aufmachung her frönt die Daten-DVD dem hemmungslosen Understatement. Cover und Labeldruck sehen nach handgestricktem Tintenstrahlausdruck aus, und ein Booklet sucht man vergebens. Auf der DVD selbst finden sich 34 Kontakt-Instruments sowie 2,3 Gigabyte Sampledaten. Auf jede Art von Dokumentation wurde verzichtet, sodass man noch nicht einmal die Systemanforderungen erfährt. Auf Nachfrage erhält man aber beim Hersteller eine PDF-Datei, die zwar zu einem anderen Produkt gehört, aber wenigstens das Konzept der Sample-DVD erklärt.

Das Schwergewicht

Der Anspruch ist alles andere als bescheiden. Ziel war es, das 2 Meter 90 lange Flaggschiff der Bösendorfer-Familie in bestem Zustand, perfekt gestimmt und in einem konzertanten Raum naturgetreu Taste für Taste aufzunehmen. Dabei war Klotzen und nicht Kleckern angesagt. Um nämlich die „Direct-from-Disk“-Funktion der Kontakt-Software mal so richtig auszureizen, wurde jede Taste in 16 Anschlagsstärken gesampelt. Wer dabei im Hinterkopf behält, dass der Imperial 290 im Original über volle 8 Oktaven verfügt, also 97 Tasten, kann sich leicht ausrechnen, wie viele Einzelsamples da zusammenkommen. Doch das ist nur der Anfang. Beim Aufnehmen des Instruments fuhr man zweigleisig, indem man sowohl ganz nah am Instrument einen Satz Mikrofone platzierte als auch eine weitere Mikrofonierung in einigem Abstand parallel abnahm. So hat man nun die Möglichkeit, die Dosis des beigemischten Original-Raumklangs selbst zu justieren. Um auch einen weiteren Multiplikator nicht zu umgehen, wurde jeder Ton in jeder Dynamikstufe auch noch im Zustand des heruntergedrückten Sustain-Pedals aufgenommen. Natürlich wurden bei all dem Aufwand dann auch Dinge mit berücksichtigt wie das Geräusch, das entsteht, wenn man die Taste losläßt und die entsprechenden Saiten vom Filz abgedämpft werden. Die Kontakt-Instruments sind letztlich verschiedene Zusammenstellungen der so entstandenen Sample-Flut, wobei zum Teil auch die Kontakt-internen Effekte zum Einsatz kommen. Das Sample eines einzelnen Tastenanschlags umfaßt etwa 15 Sekunden. Das reicht absolut, um alles an Klanginformation einzufangen, was während eines klingenden Klaviertons geschieht.

Installation der Sound-Library

Nimmt man die DVD zum erstem Mal zur Hand, stellt man fest, dass jegliche Dokumentation fehlt und noch nicht mal ein Read-Me-Text zu finden ist. Also kopiert man die Instruments und Samples auf die Festplatte, wobei etwa 2,3 Gigabyte freier Speicherplatz benötigt wird. Die ersten Probleme tauchen auf, wenn man die Kontakt-Instruments auf einem Mac unter OS9 laden möchte. Die Kontakt-Software findet hier nämlich die Pfade zu sämtlichen Samples nicht, da bei der Erstellung der DVD nicht auf Crossplattform-Kompatibilität geachtet wurde. Dass der Datenträger im reinen PC-Format erstellt wurde und zum ordnungsgemäßen Installieren auf einem Mac eine kostenpflichtige Shareware benötigt wird, die das korrekte Anzeigen der Sample-Namen gewährleistet, findet man erst durch Nachhaken beim Hersteller heraus. Die Lust auf hemmungsloses Flügel-Paradies bekommt hier ihren ersten Dämpfer. Nachdem dieses Problem umschifft wurde, werden zwar die Sample-Namen korrekt angezeigt, aber Kontakt findet noch immer nicht die richtigen Pfade. Auf Nachfrage schickt der Hersteller neue Dateien der Instruments und erklärt, wo man diese auf der Festplatte deponieren muss, damit man einen angeblichen Bug in Kontakt umschiffen kann. Schön wäre es gewesen, diese Informationen bereits in einem Booklet oder einer Read-Me-Datei zu finden.

Die Testumgebung

Nachdem nun die Instruments von Kontakt geladen werden können, dürfen die zwei Testrechner zeigen, wie gut sie mit der Flut an WAV-Dateien klarkommen. Zum einen geht ein Apple G4/800 mit 1,25 GB RAM unter OS9 ins Rennen. Die Hammerfall DSP PCI-Karte von RME mit dem dazugehörigen Multiface stellen für diesen Test die Hardware. Der zweite Testrechner ist ein Powerbook G4/1 GHz mit 1 GB RAM, RME Cardbus Card und Multiface. Auf dem G4/800 läuft Kontakt im Standalone-Betrieb, während es im Powerbook als Audio Units Plugin unter OSX Panther in Logic 6.3.2 arbeitet. Naturgemäß dauert es ein Weilchen, bis die große Menge an Sampledaten von Kontakt geladen ist. Doch dann geht es endlich los. Als Klaviatur kommt das RD-700 Stagepiano von Roland zum Einsatz. Die Nahfeldmonitore Genelec 1030A dienen als Abhöre.

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Mehr Informationen

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Das Spielerlebnis: PMI Grandioso Bösendorfer 290

Was sofort nach wenigen Takten des Spielens auffällt, ist der transparente Grundklang der Samples. Anders als beispielsweise das Grand Piano auf Rolands SRX-Kartenserie wirkt der Bösendorfer weniger warm und bauchig sondern eher drahtig und durchsichtig. Vom eingestrichenen C an aufwärts wirkt das elegant und hilft bei flirrenden Arpeggios, einen Wasserfall edler Perlen zu verströmen, um es einmal etwas blumig auszudrücken. Leider wirkt der Klang unterhalb des eingestrichenen C dünn und unnatürlich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier leider mal wieder das passierte, was beim Sampeln von Pianos oft zu beobachten ist. Das reine Signal, das ein Mikrofon am Instrument auffängt, unterscheidet sich stark von der klanglichen Auswirkung, die man spürt, wenn man selbst vor dem Instrument sitzt. Dort umspült einen nämlich das Konglomerat verschiedener Klänge und Luftbewegungen auf eine Weise, die ein Mikrofon so nicht erfassen kann. Das sinnliche Erleben unterscheidet sich also eklatant vom reinen Nutzsignal. Und das könnte ein Grund dafür sein, dass den Samples des Bösendorfer im Bereich von C1 bis C3 die Wärme und der Druck fehlen. Dabei wirkt das Piano hier bei weitem nicht mehr so natürlich wie in den oberen Lagen. Es erinnert an die älteren Roland-Stagepianos der PF-Serie. Vorteil dieser Charakteristik ist die Tatsache, dass man auch in tieferen Lagen noch harmonisch reiche Akkorde spielen kann, ohne dass der Gesamtklang zum Matschen neigt. Auf eine solche Weise kann man das bei echten Klavieren so gut wie nie erleben. Wer also mit dicken Akkorden weit unten noch eine differenzierte Transparenz erzielen möchte, könnte das als Feature betrachten. Für alle, die aber die Urgewalt eines realistischen Flügels spüren möchten, dürfte das eher weniger euphorisierend wirken.

Integration in Native-Instruments Kontakt

Die Kontakt-Software wird nicht nur als bloßer Abspieler von Samples eingesetzt. Vielmehr hat der Hersteller die Möglichkeiten der Software genutzt, um dem Musiker z.B. ein Ineinanderblenden von trockenen Samples und solchen mit Raumanteil an die Hand zu geben. Das Ausschöpfen der Kontakt-Features mag an manchen Stellen Sinn machen. Aber wenn dann ein Instrument „Cheap Bosie“ heißt und sich dadurch auszeichnet, dass man mit einem aggressiven Filter aus den hochwertigen Samples einen Klavierklang auf Niveau eines General MIDI Billig-Expanders gebastelt hat, scheint das eher fragwürdig oder eher lustig. An anderer Stelle hat sich der Hersteller hingegen interessante Detaillösungen einfallen lassen. So kann man beispielsweise mit Hilfe des Modulationsrads in manchen Instrumenten die Release-Zeit regeln.

Qualitätssicherung

Insgesamt wurde die Verwaltung der riesigen Menge an Samples sorgfältig in den Kontakt-Instrumenten angelegt. Aber leider stolpert man dann nach kurzer Zeit doch immer mal wieder über Fehler, die bei solch einem Produkt nicht passieren dürften. So klingen in einem der Instruments zwei nebeneinander liegende Tasten identisch, weil die Root Key Einstellung vergessen wurde. Das heißt: Das H klingt wie ein H, und das B klingt leider auch wie ein H. Dieses Instrument lässt sich somit nicht fehlerfrei spielen. Ein weiterer Mangel besteht darin, dass in einem der Instruments zwei Tasten bei lautem Anschlag unnatürlich grell klingen. Ob der Anwender das nur zu umspielen versucht oder ob er in die Ursachenforschung einsteigt – es hält ihn vom unbeschwerten Musizieren ab. Kurioserweise tauchte an einer Stelle ein Phänomen auf, das sich nicht so recht fassen ließ. Beim Spielen im „Direct-from-Disk“-Modus hinkte bei vier Tasten eine Art Delay hinterher, wobei das Sample ohne Tastendruck automatisch wiederholt wurde. Beim Umschalten in den „Sampler“-Modus blieb dieses Verhalten aus. Als Tester fühlt man sich in solchen Situationen so, als ob man dem Hersteller das Beta-Testing abnehmen würde. Das Preissegment, in welchem das Produkt hier antritt, gestattet aber für solche Nachlässigkeiten keine Nachsicht, wenngleich der Preis während der Testphase um ein Fünftel gesenkt wurde.

Nur die schnellsten Rechner

Die Performance-Anforderungen von PMI Grandioso Bösendorfer 290 sind immens. Der G4/800 gab sich geschlagen. Zwar konnte man den Flügel spielen. Aber eine hohe Polyphonie mit geringen Latenzen war nicht zu erreichen. Besser sah das schon auf dem Powerbook aus. Der zusätzliche Level 3 Cache wird da wohl seinen Teil beigetragen haben. Aber selbst auf diesem Rechner ließ sich das Testfile des bekannten Piano Shootout nicht in Echtzeit abspielen, ohne Knackser und Dropouts zu produzieren. Wer also den Bösendorfer so richtig praxistauglich einsetzen will, sollte sichergehen, dass sein Rechner da mitspielt. Der Hersteller macht auch auf seiner Website keine Angaben über die Systemanforderungen. Auf der DVD selbst steht, dass sowohl der Mac als auch der PC etwas mit dem Produkt anfangen können.

Arbeitsspeicher

Da Kontakt imstande ist, WAV-Files direkt von der Festplatte abzuspielen, ist es nicht zwingend erforderlich, so viel RAM zur Verfügung zu haben, dass ein komplettes Instrument, das locker mal über 500 MB haben kann, in den Arbeitsspeicher passt. Beim testweisen Umschalten in den „Sampler“-Modus, wo nicht nur die Anfänge der Samples indiziert werden, sondern jeder Bestandteil des Instruments komplett in den RAM geladen wird, konnte man keine deutliche Performancesteigerung feststellen.

Liebe zum Detail

Beeindruckend an dem Produkt ist die Detailverliebtheit, mit der man sich unter Inkaufnahme erheblicher Mühen daranmachte, auch die charakteristischen Feinheiten des Bösendorfer Flügels zu erfassen. Die Tatsache, dass das Geräusch des Filzes, der beim Loslassen der Taste die entsprechenden Saiten wieder abdämpft, extra gesampelt wurde, vermittelt einem den Eindruck, dass hier jemand sehr gründlich an die Sache heranging. Leider wurde dieses Geräusch so laut in den Instruments eingestellt, dass es schon wieder unnatürlich störend daherkommt. Schon nach kurzem Spielen stellt man irritiert fest, dass diese Release-Samples ständig hinterher poltern. Spätestens da würde man dann selbst in die Programmierung von Kontakt-Instrumenten einsteigen, um dieses Phänomen zu beseitigen. In der Tatsache, dass man sämtliche Samples als ungeschützte WAV-Files vorliegen hat, besteht auch ein Vorteil gegenüber ROM-Expansion-Boards: man kann noch selbst in die Verwendung der Samples eingreifen.

Subjektives Spielgefühl

Was beim Testen eines Instruments nach allen technischen und ergonomischen Erwägungen im Kern als Wichtigstes bleibt, ist das subjektive Spielgefühl. Gerade bei einem Konzertflügel kann man erwarten, dass sich das Instrument inspirierend verhält und einen beim Spielen fesselt. Ob das der Fall ist, hängt stark von den eigenen Vorlieben und Erwartungen ab. Im Falle des Grandioso Bösendorfer 290 stellte sich bei mir leider zu keiner Zeit die richtige Spielfreude ein. Das Instrument klingt in manchen Lagen schon sehr gut und recht realistisch. Aber den anregenden Charakter, der einem Ideen zuwirft und immer wieder neu zum Weiterspielen herausfordert, vermisste ich. Nur um anzudeuten, welche Art von Klavierklang diesen packenden Faktor für mich besitzt, möchte ich hier die Concert Grand Soundkarte aus Rolands SRX-Serie nennen. Mir persönlich klingt der Bösendorfer 290 in der Version von PMI zu drahtig. Es fehlt mir das bauchige Fundament in den zwei Oktaven unterhalb des eingestrichenen C. In manchen der Instruments auf der DVD wurde versucht, durch den Einsatz des Kontakt-Equalizers etwas mehr Druck in diesen Tastenbereich hineinzulegen. Dabei neigen diese Instrumente dann recht schnell dazu, etwas mumpfig oder gar matschig zu klingen. Schön wäre es natürlich gewesen, wenn bereits die Samples den entsprechenden Druck und die dichte Wärme mitgebracht hätten, ohne dass man da mit der Klangregelung etwas hineindrücken muss, was nicht vorhanden ist.

Mögliche Anwender

Für wen macht die Anschaffung von PMI Grandioso Bösendorfer 290  also Sinn? Grundvoraussetzung ist natürlich ein enorm leistungsstarker Rechner. Wer einen sehr klaren, fast schon dünnen Klavierklang sucht, um sich damit beispielsweise innerhalb des dichten Arrangements einer Band durchzusetzen, könnte das Instrument klanglich zu schätzen wissen. Allerdings gehen in einem solchen Kontext sämtliche Feinheiten verloren. Hier braucht man an sich kein virtuelles Instrument, das über 500 MB an verwendeten Samples pro Instrument umfasst.

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Fazit

Die Macher von Grandioso Bösendorfer 290 treten mit einem äußerst ambitionierten Anspruch an, indem sie den gerne genommenen Satz „It sounds as good as the real thing!“ verströmen. Man ist versucht, zurückzurufen: „Technically maybe, but it doesn’t FEEL like the real thing!“ Aber was letztlich zählt, ist das Ohr des einzelnen und seine persönliche Erwartung. Der Bösendorfer Imperial 290 zählt zu den luxuriösesten Flügeln überhaupt. Je nach persönlichem Geschmack kann die Sample-DVD für den einen oder anderen Sinn machen, wenn ein ganz bestimmter Klang erzielt werden soll oder man die durchdachte Integration in die Möglichkeiten der Kontakt-Software nutzen möchte.

Plus

  • große Anzahl an Samples
  • viele extra gesampelte Dynamikstufen
  • originalgetreue Details (Abdämpfgeräusch, Raumklang)
  • doppelte Mikrofonierung (trocken/nah und Distanz/Raumklang)
  • Möglichkeiten der Kontakt-Software genutzt
  • verschiedene Varianten als Instruments vorprogrammiert

Minus

  • z.Zt. fehlerhafte Instruments
  • unnatürlicher Klang an manchen Stellen
  • fehlende Dokumentation
  • Dateinamen und Pfade nicht uneingeschränkt multiplattformkompatibel

Preis

  • 199,-€
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