Test: Celemony, Melodyne Editor 2, Software

True Scale

True Scale

So heißt die neue Freiheit beim Arbeiten mit Tonskalen in Melodyne 2. Für viele Musiker ist das ganz interessant, wenn sie mit fixen Tonskalen arbeiten wollen. Mit True Scale können sie nun nicht nur die Blobs der Audioaufnahmen auf die passenden Noten einer Tonskala setzen oder alle Noten, die nicht zu einer Tonart gehören sperren, sondern auch die mit dem Selektionswerkzeug ausgewählten Noten in eine andere Tonart überführen. Dafür stehen dem geneigten Musiker mehrere Dutzend Tonarten zur Verfügung. Doch dabei bleibt es nicht. Die eigentliche Tatsache, welche das True Scale zur absolut bahnbrechende Sache macht, liegt darin im Micro Tuning begründet. Micro Tuning wird benötigt, wenn Sie nicht mit der westlich tradierten chromatischen Tonskala arbeiten wollen oder können – was eigentlich genau genommen auf den größeren Teil der Musik dieser Welt zutrifft. Doch beim bloßen Micro Tuning bleibt es nicht.
Denn Sie sind bei True Scale nicht auf die mitgelieferten Tonarten-Presets angewiesen. Stattdessen können Sie diese frei definieren und individuell festlegen, wie viele Noten in einer Oktave enthalten sind. Wer also nun Stockhausens „Studie V“, die mit 25 Noten pro Oktave komponiert ist, nachbauen will, findet bei Melodyne das richtige Werkzeug dafür. Die Oktave ist ja quasi eine natürliche Markierung, bei der sich die Frequenz verdoppelt und der damit einhergehende Ton doppelt so hoch erklingt. Das ist zunächst mal physikalisch definiert. Aber ist es auch möglich, dieses Oktaven-Verhältnis musiksoziologisch zu hinterfragen? Zumindest lässt sich der Begriff“ Oktave“ erweitern, denn es kann einem niemand verbieten, eine Oktave mit einem anderen Verhältnis als „1:2“ zu definieren, ob es dann noch Oktave zu nennen ist, steht auf einem anderen Blatt. Doch es ist mit True Scale möglich, da nun selbst nicht-zyklische Oktaven sowie Oktaven mit gespreizten oder anderweitigen unregelmäßigen Notenabständen möglich sind. Doch Melodyne setzt selbst hier noch eins drauf. Mit dem Scale Detective können Sie transferierte Audiodaten analysieren lassen, und Melodyne erstellt dazu ein passendes Tonhöhenraster. Als Anwendung nehmen wir mal an, Sie haben eine wirklich außergewöhnliche, eventuell atonale Stimm-Performance aufgenommen. Nun möchten Sie daraus ein Acapella machen oder sogar eine instrumentale Begleitung hinzufügen. Nur leider haben Sie keinen Schimmer, in welcher Tonart die Performance ist oder ob sie überhaupt eine Tonart hat. Mit Scale Detective haben Sie große Chancen, hier ein brauchbares System aus den Aufnahmen zu extrahieren, denn reine Frequenzen kennen keine Tonarten. Das ist nicht im geringsten Sinne verspielter Firlefanz. Celemony hat sich mit dem Thema nicht nur auseinandergesetzt, sondern eine mächtige, flexible und ebenso einfache Lösung geschaffen, die professionelle, kommerzielle und experimentellen Interessen gleichermaßen bedient.
Es geht aber noch eins weiter. Die Tonskalen sind nicht nur auf eine Instanz von Melodyne beschränkt, sondern können zwischen den Spuren ausgetauscht werden. Sie haben irgendwelche Loops zusammengeklebt, die aber nicht so recht passen. Nun analysieren Sie die Spur, welche die Tonart enthält, die Sie haben wollen und fügen das gewonnene Raster in die andern Melodyne Instanzen ein und korrigieren die Blobs entsprechen der neuen Tonart und Ihrer Wünsche.