Sounds mit Andromeda A6, Poly Evolver und Kawai K5000 - wie bei den Surrealisten, nur mit Tönen
Die Lust zum Experimentieren in Musik und Sprache ist für Lina und Markus alias .LiMA der rote Faden ihrer künstlerischen Entfaltung. Das Musikerpaar, im kreativen und privaten Leben miteinander verheiratet, erschafft an ihren analogen, digitalen und modularen Synthesizern polyphone Klangwelten, bei denen Melodie und Muster miteinander verschmelzen und sich gegenseitig bereichern. Radiotaugliche Track-Längen? Genre-Zugehörigkeit? Rhythmische Normen? Unrelevant für die Beiden. Lieber den Ideen und deren Impulsantworten freien Lauf lassen.
Inhaltsverzeichnis
Wahrmonisch, melodynamisch, klangwellig, träumlich – mit diesen experimentellen Adjektiven beschreibt sich das Synthesizer-Duo .LiMA aus Wien, das wir in seinem gemütlichen Tonstudio 4rea52 im Wienerwald zum Interview treffen.
Ihr musikalischer Approach erscheint zunächst einander diametral entgegengesetzt: Lina, die intuitive Musikerin, gelernte Klavierspielerin, hauptberufliche Texterin und emotionale Echtzeitkomponistin, die DAWless ihren Synthesizern melodisches Leben einhaucht und mit Tönen malt. Markus, der versierte Techniker, gelernte Ingenieur, unangepasste Lyriker und detailverliebte Musterentwickler, der mathematische Relationen akustisch erlebbar macht. Sie adressiert das Herz der Hörenden, er das Hirn der Scannenden. Aber in genau dieser Dialektik liegt der Reiz ihrer Musik.
Wie Harmonie und Dissonanz, Kunst und Konstruktion, Emotion und Relation bei .LiMA in Synthese gehen, wann ihr gemeinsamer Weg begann und wo die Herausforderungen liegen – wir haben Lina und Markus persönlich gefragt. Und einen kleinen Einblick in ihren Mikrokosmos erhalten.
.LiMA – Wie alles begann
Sonja:
.LiMA steht ja als Abkürzung für eure Vornamen Lina und Markus. Wie habt Ihr musikalisch zusammengefunden?
Lina:
Uns gibt es als musikalisches Duo schon seit 2007. Damals bin ich von Köln zu Markus, der 2008 mein Ehemann wurde, nach Wien gezogen. Ich hatte zuvor in Köln bereits viele Jahre mit Synthesizern gearbeitet und war seit 2002 Synthesist der Kölner Avantgarde Band 2 1 3.
In Wien fingen Markus und ich dann gemeinsam an, mit Synthesizern zu arbeiten und bauten peu à peu über viele Jahre unser eigenes Studio auf. Angefangen haben wir beide mit dem Vertonen eigener Lyrik. Dann kamen kleinere Independent-Kurzfilme und schließlich unser bislang größtes und umfangreichstes Werk, die Vertonung des Theaterstücks ANSTOSS im Jahr 2019 für die Wiener TheaterArche.
Als LiNA veröffentliche ich eigentlich nur auf Facebook und Instagram, was sich einfach so entwickelt hat. Ich liebe es, spontan an meinen Synths zu improvisieren und mich dabei ganz von meinen Gefühlen navigieren zu lassen. Irgendwann mal habe ich all meinen Mut zusammengenommen und von einer solchen Impro-Session ein Video auf Facebook gestellt, ich glaube das war im Jahr 2017. Das wurde zigmal geteilt und schien den Leuten zu gefallen, und von da an ging es los und ich publiziere auf meinem Facebook-Kanal ab und an Videos von Synthesizer-Livesessions. Mal alleine, meist mit Markus, manchmal mit Freunden an der Gitarre.
Da ich vom klassischen Klavier komme und einen emotional-empathischen Zugang zur Musik habe, übernehme ich in unserer Zusammenarbeit immer den melodischen Part.
Markus:
Ich habe früher mal in einer Band Schlagzeug gespielt. Lina hat dann irgendwann mal 2007 zu mir gesagt, warum ich nicht Schlagzeug zu ihrer Synth-Musik spiele. Da dachte ich mir, das ist mir zu Equipment-lastig, ein ganzes Schlagzeug zu kaufen und wenn man auf ein Schlagzeug schlägt, macht es immer nur einen Ton. Lieber wäre es mir, wenn ich wo draufschlage, und daraufhin bellt beispielsweise ein Hund. So kam ich vom Schlagzeug zum Drum Sampler Roland SPDS. Mit der Zeit wurden aus dem Hundebellen neue Sound-Effekte, die bei unseren Lesungen unsere Gedichte untermalten. So kam ich zur Synthese.
Sonja:
Für diejenigen, die eure Musik und eure Projekte noch nicht kennen – holt ihr uns mal ins Boot.
Lina:
Wir machen atmosphärische elektronische Musik an Hardware-Synthesizern und meist auch DAWless, ich zumindest, da ich einen anderen musikalischen Approach als Markus habe. Oft werden wir nach einem konkreten Genre gefragt, aber diese Frage kann und mag ich nicht beantworten, da Genres Schubladen sind. Und damit tu ich mich als Freigeist schwer. Unsere Musik kann Rhythmus haben, muss sie aber nicht. Kann flächig und schwer sein oder luftig leicht. Zum Tanzen animieren oder zum Nachdenken stimulieren. Wir komponieren hypnotische Musik mit Melodien in allen Formen der Klangsynthese, die trotz oder gerade wegen der besonderen Synthesizer immer emotional und organisch ist.
Markus:
Unsere Musik ist: „wahrmonisch“, „melodynamisch“, „klangwellig“ und „träumlich“. Sie erzeugt Flächen und Räume, die es dem Zuhörer ermöglichen, eigenen Gedanken und Assoziationen auf der zur Verfügung gestellten Bühne freien Lauf lassen zu können.
Die Arbeit mit Tönen als eine Art „Ecriture automatique“ wie bei den Surrealisten, nur mit Tönen
Ein altes Piano und aktuelle Synthesizer
Sonja:
Weil ihr den Zugang zur Musik erwähnt habt: Wie genau sieht dieser unterschiedliche Approach von euch Beiden aus?
Lina:
Mein Zugang ist der intuitiv-musikalisch-emotional-organische. Ich liebe elektronische Musikinstrumente, seit ich als kleines Kind zum ersten Mal mit meinem Vater an seiner Yamaha D-85 gesessen habe. Die vielen bunten Taster, die ungewöhnlichen Taster haben mich damals komplett fasziniert.
Aber eigentlich komme ich vom Klavier und habe mit 6 Jahren damit angefangen. Ich hab schon als kleines Kind jede Melodie nachspielen können, die ich irgendwo gehört habe, was meine Familie (und mich) gewundert hat. Heute weiß ich, dass ich ein absolutes Gehör habe. Zwar nicht so eines, womit ich gleich die Tonart bestimmen kann, aber ich kann überall mitspielen und treffe sofort den richtigen Ton. Das ist schon ziemlich praktisch.
Ich bin durch und durch Melodikerin. Nichts berührt das Herz so sehr wie eine gute Melodie. Sie ist der Fokus meines gesamten musikalischen Schaffens. Eine Melodie, die immer im Moment entsteht. Durch einen emotionalen Reiz, eine spezielle Stimmung, die ich in diesem Augenblick fühle oder einen Gedanken, der mich bewegt.
Dann setze ich mich an das Tasteninstrument meiner Wahl – meist mein uraltes Piano aus dem Jahr 1916, welches ich in Wien 2007 erworben habe. (Anekdote dazu: Dieses Klavier war das allererste „Möbelstück“ in unserer ersten gemeinsamen Wohnung! Es dauerte nach meinem Umzug von Köln nach Wien nämlich noch einige Wochen, bis der Möbeltransporter ankam. Da war mein geliebtes und leicht verstimmtes neues altes Klavier aber schon lange da!)
Ich setze mich einfach an das Klavier und gebe mich dem Moment hin. Ich lasse es geschehen, lasse die Töne aus meinem Kopf durch meine Finger fließen und werden. Ohne nachzudenken. Eine Art „Ecriture automatique“ wie bei den Surrealisten, nur mit Tönen. So entstehen alle meine Melodien. Wenn sie mir gefällt, entwickle ich um sie herum eine Struktur. Ich bette die Melodie auf wohlig-weiche Sound-Schichten, die ich an verschiedenen Synthesizern entwickle.
Ab da beginnt die Subversion. Denn die Melodie darf ruhig von Störgeräuschen und gewollten Kakophonien in ihrer Harmonie gestört werden.
Markus:
Als Techniker, Ingenieur und Konstrukteur ist mein primärer Zugang durch Formalismen, Proportionen, Relationen und Strukturen bestimmt, deren Ursprung auf mathematischen Beziehungen ruht.
Mein Zugang ist also die Schönheit der Muster. Muster eignen sich besonders dazu, Gerüste, Anhaltspunkte und Wegmarken verfügbar zu machen, die es Lina ermöglichen sollen, ihren assoziativ-kompositorischen Gedanken völlig freien Lauf lassen zu können, ohne sich in der endlosen Möglichkeit des klanglichen Raumes zu verlieren.
Neben der Schönheit der Muster ist es die minimalistische Positionierung einzelner Klangereignisse, die meine ästhetische Herangehensweise charakterisiert. Weniger ist bei mir mehr. Wiederholungen mit gezielten Abwandlungen. Wiederkehr, Abkehr, Abwendung, Wiederfindung – so schweift das Muster um ein imaginäres Gerüst. Es gibt Halt, ohne monoton zu sein.
Da Lina in der Lage ist, völlig frei improvisiert zu musizieren, ich hingegen oft tagelang an einem vierschlägigen Muster feile, bis es mir gefällt, war unser anfängliches musikalisches Zusammenspiel schwierig. Als Entwickler und Ingenieur habe ich mich mit selbstgebauten technischen Hilfsmitteln dieser Problematik angenommen.
Ich entwickle seither ein Werkzeug, beginnend auf dem Nord Modular G2. Dessen Grenzen zwangen mich später allerdings dazu, auf Native Instruments REAKTOR umzusteigen und den G2 nur mehr als Frontend für die Bedienung meines Werkzeugs zu verwenden. Dieses Tool befindet sich aktuell in ArbeitsVersion 30. Es ist also zu zirka 46,3 % fertig und wächst im Umfang des Backends, während ich versuche, das Frontend immer weiter zu vereinfachen, sodass mir ein gemeinsames Spiel mit Lina möglich wird, ohne Musiker zu sein.
Meine Synthesizer sollen atmen
Sonja:
Wer übernimmt bei euch musikalisch welche Parts?
Lina:
Ich übernehme als Musikerin den künstlerisch-kreativen Part und bin für die gesamte Dramaturgie und Aufbau der Komposition von der Idee bis zur Umsetzung verantwortlich.
Ich komponiere alle Lead-Melodien und entwerfe meine speziellen, eigenen Sounds, mit denen ich weite Drone-Flächen mit langen Releases und Delays entwickle, die ich ohne DAW händisch moduliere und via Ableton live aufzeichne.
Ich baue nichts am PC, sondern entwickle alles mit meinen Händen. Denn bei allen meinen Musikstücken ist mir besonders wichtig – das ist mein künstlerischer Zugang! – dass der Mensch in seiner wunderbaren Unperfektion, Spontaneität und Menschlichkeit – Ecce Homo! – durch die Maschine transzendiert. Daraus ergibt sich für mich die besondere Spannung.
Nur Pattern und Arpeggios automatisch ablaufen zu lassen, finde ich langweilig. Ich will meine Maschinen zum Leben erwecken. Meine Synthesizer sollen atmen, flüstern, selbstoszillieren – so perfekt-unperfekt sein, wie das menschliche Leben selbst.
Markus:
Einerseits zeichne ich für das Bassfundament verantwortlich. Dieses stellt in rhythmischen Sektionen jene Wegmarken zur Verfügung, zwischen denen Lina ihren gekonnten akustischen Flugmanövern freie Bahn lassen kann, ohne dabei schwindlig zu werden. Unter ihrem polyphon-multitimbralem Spiel scheinen dann vereinzelt meine monophonen Bass-Rhythmen hindurch.
Andererseits übernehme ich die Aufgabe, Sound-effektliche Einzelereignisse in tagelanger Kleinarbeit zu entwickeln, die im Kontext des Klangraums kurz aufblitzen, Halt geben und verstummen.
Weiters bin ich unser Techniker und Operator für das komplette Hardware-Equipment und kümmere mich um dessen Verkabelung, Signalverkettung, Abmischung, räumliche Verteilung, Effektbelegung und Aufzeichnung.
Besondere Herausforderungen bei der Vertonung von Text und Theater
Sonja:
Ein Fokus eurer Arbeit liegt in der Vertonung von Text und Theater. Ihr habt 2019 das Theaterstück „ANSTOSS“ vertont, das für den NESTROY-Preis nominiert war. Wie kam es dazu und was war dabei die Herausforderung?
Lina:
Alles! Das Theaterstück ANSTOSS aus der Feder des Wiener Regisseurs und Schauspielers Jakub Kavin, Direktor der TheaterArche in Wien, war gleichzeitig das Eröffnungswerk für das neu gegründete Theater.
In diesem anspruchsvollen, intermedialen und textexperimentellen Stück mit 17 Schauspielerinnen und Schauspielern ging es um reale, hochbrisante Themen: Macht und Missbrauch im Leistungssport. Darüber hinaus – im zweiten Akt – morphte die Thematik in eine futuristische, transhumanistische Dystopie.
Schwierig war zum einen, nur mit dem Drehbuch in der einen Hand und der Stoppuhr in der anderen für jeden einzelnen der unterschiedlichen Charaktere seinen eigenen Signature-Sound zu entwickeln, der den gesprochenen Text musikalisch inszeniert, ohne vom Inhalt abzulenken. Andererseits sollte eine emotionale Spannung erzeugt werden, die den Zuschauer in den Bann zieht und die Figur der Schauspielerin oder des Schauspielers optimal in Szene setzt.
Der schwierigste Part war für mich jedoch die Neu-Vertonung der „Arie der Olympia“ von Jaques Offenbach! Diese Arie wurde von der japanischen Sopranistin Manami Okazaki live auf der Bühne am Ende des zweiten (und letzten) Akts gesungen.
Als wir den Kompositionsauftrag erhielten, hatte ich außer der Tonart keinen Anhaltspunkt bezüglich Länge der Arie
Also bat ich Manami, mir die Arie in ungefährer Originallänge auf dem Handy einzusingen. Um diese simple Aufnahme herum komponierte ich dann das komplette fast 13 Minuten lange Finale.
Das war ein ziemlicher Blindflug. Denn ich konnte nicht wissen, wie lange der Gesang live auf der Bühne tatsächlich dauerte, wir hatten keine gemeinsame Erarbeitungszeit, nichts. Ich hatte nur mich, mein absolutes Gehör und mein Gefühl. Dementsprechend unsicher war bei ich dann bei unseren ersten gemeinsamen Proben. Aber am Ende waren alle super zufrieden mit diesem dramatischen Finale, das das Theaterstück wie ich hoffe würdig beendet hat.
Markus` Part hierbei war die Entwicklung der akustischen Effekte und Einzelereignisse, die die Musik einerseits unterstützt und andererseits die Handlung psychoakustisch verstärkt, sodass musikalisches und dramaturgisches Spiel miteinander verwebt wird.
Sonja:
Ihr nennt Euch ja „.LiMA Soundart“, wobei das Art im Namen sich nicht nur auf die Welt der Musik beschränkt, sondern bewegt Euch auch im Bereich der…
Lina:
Lyrik! Markus und ich haben uns übers Schreiben kennengelernt. Sprache hat neben der Musik für uns daher naturgemäß eine verbindende Kraft und einen hohen Stellenwert. Bei mir war Sprache Inhalt meines Studiums (ich habe in Bonn Komparatistik und Germanistik studiert und ist bis heute mein Beruf, ich bin selbstständige Texterin und Redakteurin).
Ich habe schon immer kreativ geschrieben. Lyrik, Kurztexte, viel Experimentelles (siehe meine sprachkreative Website www.wortfeld.net). Das Spiel mit Worten und das Jonglieren mit Wortelementen ist ein kreativer Teil von mir. Ich befasste mich schon im Studium am liebsten mit Avantgarde-Autorinnen und -Autoren. Christian Morgenstein, Gertrude Stein, ganz viel Wiener Gruppe um Gerhard Rühm und Co. bis Jenny Holzer.
Die Grenzen der Sprache auszuloten und gerne auch zu überschreiten ist das, was mich triggert. Ich halte es da mit Wittgenstein: die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.
Markus:
Ich zeichne, denke, dichte, entwickle, male und baue Mathematik.
Ein Blick auf das .LiMA-Setup:
Andromeda A6, Poly Evolver und Kawai K5000
Sonja:
Wie sieht euer aktuelles Setup aus?
Lina:
Bei mir liegt der Fokus ganz klar auf polyphonen Tasteninstrumenten mit vielen Potis: der 16-fach polyphone fantastische Andromeda A6, Dave Smith Poly Evolver PE inklusive Rack Erweiterung für 8-Stimmigkeit, den CS-80 Klon Deckard’s Dream Black Corporation, den ich über den Kawai K5000 wegen seiner geilen anschlagsdynamischen Klaviatur spiele.
Yamaha CK-61 und Roland System-8. Und natürlich mein bester kleiner Klangfreund, der Yamaha Reface CP mit seinen fantastischen Wurlitzer- und Rhodes-Sounds – mein Synth-to-go, quasi mein Lagerfeuer-Synth”, den ich überall mit hinnehmen kann und den ich gleich mehrmals habe und auf dem alle meine melodischen Ideen entstehen, wenn mein Klavier nicht in Reichweite ist.
Markus: Native Instruments REAKTOR 6, Nord Modular G2 , Motu Midi Express XT für die Erzeugung und Verteilung der musikalischen Muster.
Moog Sub37, Moog Minitaur, Roland System 1m und Synthstrom Deluge für die erwähnten monophonen Bassgerüste.
Prophet 10 Desktop, Roland JV 2080 und Roland Integra i7 für polyphone Muster.
Presonus StudioLife 32 SX, UAD Apollo Twin USB Duo, Mutable Instruments Clouds, Zoom H4, Neumann KH 80 für Aufnahme und Wiedergabe.
Sonja:
Welches Projekt hat Euch bisher am meisten begeistert?
Lina:
Da gibt es zwei. Natürlich die Vertonung des besagten Theaterstücks.
Aber auch ein ganz anderes Projekt, das an uns herangetragen wurde: die Wiener Filmproduktion Gold Bonded Film fragte uns eines Tages via Facebook, wo ich sehr aktiv bin, ob wir Lust hätten, für eine mehrteilige Doku-Serie über die österreichische Kunstszene filmisch portraitiert zu werden, genau genommen für die 45-Minütige Folge über spezielle Musiker:innen. Da haben wir nicht nein gesagt.
Wir haben allerdings nicht damit gerechnet, in welchem Umfang die Dreharbeiten stattfinden sollten … Bevor das Filmteam zu uns nach Hause in den Wienerwald kam, haben wir mit dem Regisseur nur ein paar Mal über WhatsApp hin und her geschrieben und waren uns zu keiner Zeit darüber bewusst, dass ein Filmteam mit riesigem Equipment anreisen sollte.
Als es dann im Mai 2022 morgens an unserer Tür klingelte, war schon wenig später unser komplettes Wohnzimmer und Studio voller Film-Equipment, Scheinwerfern und Stativen. Wir wurden mit Mikrofonen verkabelt im Wohnzimmer das Setting für ein die Interviewsituation aufgebaut.
Der Dreh an Tag 1 dauerte dann ca. 12 Std. Wir improvisierten an den Synthesizern, am alten Klavier, wo ich mir eine Melodie aus dem Ärmel geschüttelt habe. Denn in der Doku sollte es darum gehen, uns beim Entstehen unseres musikalischen Schaffensprozesses zu begleiten und unsere unterschiedlichen Zugangsweisen darzustellen.
Tatsächlich sind zwei ganze Drehtage à 12 Stunden daraus geworden. Wir in allem erdenklichen Situationen beim Musikmachen. Im Entstehungsprozess von der ersten Idee über Markus’ Field Recordings von Sounds aus der Natur, Drohnen Overflights über unser Haus, Außenaufnahmen auf der Terrasse mit mir an meinem Andromeda A6 und im Garten mit meinem Yamaha Reface CP. Dann wieder lange Interview-Drehs, in denen wir über unseren musikalischen Weg erzählen.
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Das alles war eine unvergessliche Erfahrung, zumal unser ohnehin schon mit Technik gut bestücktes Studio umso viel mehr Kameratechnik erweitert wurde. Der totale Technik-Overkill!
Sonja:
Wovon träumt ihr?
Lina:
Unser erstes Album zu releasen, für das wir schon ein paar fertige Stücke haben, am liebsten ganz traditionell auf einem Label.
Markus:
Einen Tag pro Woche exklusiv an der Weiterentwicklung meines Musikwerkzeugs arbeiten zu können.
Vielen lieben Dank an Lina und Markus, für dieses tolle Interview mit einem ungewöhnlichen Duo, das ganze eigene Wege beschreitet.
Hab zuerst gedacht ein falsches Video, aber es ist das Gartenprojekt bzw. die musikalische Untermalung zur Doku Artstories, so wie ich das verstanden habe. Bin dann allerdings in YT und sah ein klangkosmisches Livevideo von .LiMA. Nachdem ich das sah, hatte ich Schwierigkeiten mit dem Begriff „Songwriting“, aus einem einfachen Grund: Sounds kann jeder, Songs (mit feeling) aber kaum! Ist aber nur meine persönliche Interpretation und Ansicht von Musik. Allerdings macht der Klavierspieler in dem Video vom Bericht einen guten Job. So möchte ich auch spielen können. Weiterhin viel Spaß weil es ist meiner Ansicht nach das allerwichtigste und dadurch entstehen die besten Ergebnisse. 😀
@Filterpad 👍+1!
@Filterpad Es tut mir leid, ich teile deine Auffassung nicht. Sounds kann nicht jeder, ausser man ist ein Preset Jockey. Sounds und besonders die Entwicklung im Live Setup ist eine schwere Angelegenheit. Ganz besonders, wenn es kein Murks werden soll. Und Improvisationskunst ist darüberhinaus mal eine ganz andere Welt. Die Performance Videos von Lina (Euphonia, Epitasis, Elegia) sind ganz großes Kino. Gefällt mir sehr gut. Und man sieht und hört, dass Lina die Performance 100% im Griff hat.
Ich möchte dich nicht angreifen, bitte nicht falsch verstehen. Nur damals hat man Tangering Dream, Kraftwerk und Co auch als Improvisationsgedudel abgetan. Durch den Erfolg haben sie Kultstatus erhalten. Neue Künstler mit Sound Design Charakter haben es heute noch schwerer. Einfach mal die Scheuklappen wegreißen und sich darauf einlassen. Dann erkennt sehr schnell, was bei solchen Produktionen dahinter steckt. Kreativität in Echtzeit und die Oberhand bei den Maschinen und bei der Performance. Probiere es mal aus, Du wirst sehen wie schwer das ist.
@ Sonja Vielen Dank für diesen Bericht. Man sieht hier ein Tolles Paar aus Wien, die ihre Visionen ausleben und zu gehör bringen.
@Round Robin Alles cool, hast ja normal und respektvoll erklärt. 👍
@Filterpad Ich glaube, ich weiß, wie Du es meinst. Deswegen möchte ich das Folgende auch nicht als miese Meckerei verstanden wissen. Aber bei Deinem »Sounds kann jeder« bin ich schon ein klitzekleines Bischen zusammen gezuckt. 😀
Ich bin ebenfalls (wie @Round Robin) nicht der Meinung, dass Sounds jeder »kann«. Im Gegenteil, ich bin sogar der Meinung, dass das die Wenigsten »können«, das genau deswegen die Meisten Presets verwenden, und dass deswegen die Klangästhetik unserer aktuellen Musik fast immer die selbe ist. Selbst Presets sinnvoll im Arrangement verteilen, ihnen also einen »Sinn« geben, können die Wenigsten. Deswegen finde ich die Herangehensweise von .LiMA sehr erfrischend (nur den Namen finde ich höchst unglücklich gewählt, denn wenn man auf YouTube ».LiMA« sucht bekommt man natürlich alles über die Stadt in Peru und nichts über die beiden).
Für mich geht es darum, aus Sounds Atmosphären entstehen zu lassen – sphärische, mystische, entspannende, düstere, was auch immer. Aber das ist für mich der Unterschied zwischen guter und weniger guter Instrumentalmusik. Transportiert mich die Musik an einen imaginären Ort oder eben nicht, das ist hier die Frage.
Lima sind aus meiner Sicht ein Glücksfall für die Synthszene. Die Symbiose aus rational-mathematischer Konstruktion und offenkundig synästhetisch geprägter Intuition gepaart mit ihren apparativen Fähigkeiten und dem perfekt dafür geeigneten Equipment ist ziemlich einzigartig in dieser Kombination. Es ermöglicht ihnen aus dieser Reibung heraus, ein tolles individuelles musikalisches Profil zu entwickeln, das sich weit weg vom sogenannten Mainstream bewegt. Wirklich interessant ist für mich der Ansatz, mathematische Proportionen, die ganz klaren Regeln folgen, in Reaktor akustisch zu realisieren und sie mit der emotionalen, intuitiven und improvisatorischen Kreativität plus den instrumentalen Skills Linas zu verknüpfen. Super ambitioniert, erschließt sich vielleicht nicht jedem allein übers Hören sofort, funktioniert aber am besten im Kontext mit Lyrik oder Theater, das sozusagen als Katalysator dient. Gesamtkunstwerk in Sicht. Wirklich schön, hier zu lesen, dass es solche Künstlerpaare gibt, die weitaus mehr wollen, als nur leicht vermittelbar Kost abzuliefern. Sie entwickeln eine eigene musikalische Sprache und das brauchen wir vielleicht mehr als je zuvor in der zu oft mediengeschwängerten Mainstreamzeit. Time will tell – die Gemeinde für solche Kunst wächst gerade wieder. Danke für das anregende Interview!