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Amazing Readers Music: UAP und Katie Tich, Synth-Folk-Duo

Bandproben trotz 6500 km Distanz

14. September 2024

UAP und Katie Tich Interview

UAP und Katie Tich im Interview: Im Gespräch mit zwei Musikern, die sich über das Internet gefunden und eine ganz besondere musikalische Beziehung über die Distanz von 6500 km aufgebaut haben. Rainer Aschemeier ist seit mehr als 30 Jahren in der Synthesizer-Szene zu Hause. Unter dem Namen UAP veröffentlicht er seine eigene Musik im Internet und traf eben hier auf Katie Tich.

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Im AMAZONA.de Interview spreche ich mit den beiden über ihre musikalischen Wurzeln, die Tücken des gemeinsamen Musizierens über das Internet und warum Seekarten hilfreich sein können, um Latenzproblemen zu begegnen. Auch sprechen Rainer und Katie ganz offen über die Vor- und Nachteile des gemeinsamen Musikzierens via Internet.

Und solltet ihr nun selbst Lust bekommen haben, euch selbst in dieser Serie mit eurem Album und/oder eurer Band zu finden, dann schickt eure Infos mit Links zu eurer Musik einfach an die Redaktion, Stichwort AMAZONFG READER MUSIC. Nun aber los:

30 Jahre Synthesizer-Musik

UAP über die Suche nach dem Yamaha DX7 und einer Stimme für einen Song

Sonja:
Rainer, du machst seit 30 Jahren Synthesizer-Musik. Erzählst du uns einen Schwank aus deiner musikalischen Entwicklung und verrätst uns auch, wofür die Buchstaben UAP stehen?

UAP:
Die Frage nach dem Kürzel „UAP“ wird mir am häufigsten gestellt. Also, das kam so: Ich habe früher Musik immer nur „für mich“ gemacht. Wie für so viele Musiker stellte aber die Zeit der Covid-Pandemie einen Wendepunkt für mich dar: Da beschloss ich, dass ich meine Musik auch mal öffentlich machen wollte, aber nicht unter meinem „Klarnamen“, weil ich beruflich im Bereich der klassischen Musik arbeite. Also suchte ich nach einem griffigen Pseudonym.

Damals gab es in den USA diese Aufregung um neue UFO-Sichtungen. Nur nannte man UFOs nicht mehr „UFO“, sondern „UAP“ – Unidentified Aerial Phenomena. Und ich dachte mir: „Cool, ein ganz frischer Begriff, der gerade von Tausenden Menschen gegoogelt wird und der auch noch so einen gewissen „Science Fiction-Kniff“ hat!“ Außerdem ist ja Musik streng genommen auch ein „Luftphänomen“ – Schall breitet sich durch Wellen in der Luft aus. Ich hatte also meinen „Projektnamen“ gefunden.

Was den „Schwank“ aus der Vergangenenheit betrifft, da erzähle ich mal, wie ich zum Synthesizer gekommen bin. Ich habe 1983 nämlich auf der Heimorgel angefangen. Mein Instrument war eine schon damals steinzeitliche und ganz zu Recht nie berühmt gewordene „Farfisa Partner“ – wirklich kein Ruhmesblatt in Farfisas ansonsten sehr beeindruckender Orgelbaugeschichte.

Während ich also zuhause auf der Farfisa Polkas, Ländler und Walzer üben musste, sah ich im Fernsehen diese coolen Bands mit diesen flachen Keyboards. Ein Freund meinte zu mir: „Das sind Synthesizer – mit denen kannst du klingen wie Alphaville!“

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Ab dem Zeitpunkt startete die Kampagne „Ich will einen Synthesizer!“ Mein absoluter Traum war ein Yamaha DX7, da hatte ich mich so richtig „festgebissen“. Nach Jahren war es dann endlich so weit: 1990 fuhren wir zu „Musik Aktiv“ nach Paderborn. Die ganze Autofahrt malte ich mir aus: „Ich werde diesen Laden nicht ohne einen Yamaha Synthesizer verlassen!“

UAP Katie Tich

UAP (Rainer Aschemeier) mit seiner Synthesizer-Sammlung (Foto: Nina Schiefelbein)

Große Überraschung: Die hatten zu dem Zeitpunkt gerade nicht einen einzigen Yamaha Synthesizer im Laden! Ich erinnere mich noch, dass da alles Mögliche rumstand, aber kein Yamaha. Darauf war ich nicht vorbereitet. Haha… Außerdem war alles sehr teuer und ich sah meinen Traum schon schwinden.

Da kam einer vom Laden zu uns und meinte zu mir: „Pass auf, für junge Leute wie dich haben wir was Neues: Einen Workstation-Synthesizer! Und der ist auch nicht so teuer.“ Er zeigte mir den Ensoniq SQ1 und den habe ich dann auch genommen. Der hatte einen eingebauten 8-Track-Sequencer, eine abgespeckte Version der VFX-Synth-Engine und eine wirklich geniale Effektsektion, die später auch als Standalone-Gerät (DP4) berühmt werden sollte.

Mit dem Sequencer vom SQ1 konnte ich meine ersten eigenen Songs machen und wer weiß, ob ich je zum Songwriting gekommen wäre, hätte ich nicht diese Möglichkeit gehabt. Ich bin dem Verkäufer bei „Musik Aktiv“ also bis heute dankbar, dass er mich auf dieses Gleis gesetzt hat. Das ist einer von diesen wunderbaren Zufällen im Leben, für die man einfach nur dankbar sein kann.

Musikalische Beziehung via Internet

Wie Folk und Synthesizer zusammenfanden

Sonja:
Irgendwann hattest du dann aber keine Lust mehr, alleine Musik zu machen und hast dich auf die Suche nach einer Sängerin begeben. Nimm uns doch mal mit auf diese Reise.

Rainer:
2022 hatte ich schon ein paar Singles bei den Streaming Services draußen und das fing gerade alles an, so richtig Spaß zu machen. Ich hatte einen Song fertiggestellt und der hatte irgendwie so dieses „gewisse Etwas“. Allerdings hatte ich das „Kunststück“ vollbracht, dass ich den in einer Tonart geschrieben hatte, die ich selbst nicht singen konnte.

Ich dachte mir: „Okay, es gibt zwei Lösungen – entweder ich transponiere den Song oder ich suche mir jemanden, die oder der das singen kann!“ Da ich schon immer mal mit einer Sängerin zusammenarbeiten wollte, habe ich mich im Internet bei einer Plattform umgesehen, wo man, ich sag jetzt mal, „Session-Musiker“ buchen kann.

Doch selbst, als ich die Genre-Suche mehrfach eingeschränkt hatte, blieben bestimmt noch 100 Sängerinnen übrig. Ich dachte: „Wie suchst du da jetzt nach der Richtigen“, zumal die sich auf ihren Profilbildern auch alle irgendwie ähnlich sahen: Meistens versuchten sie, irgendwie „profimäßig“ rüberzukommen: Die lehnten da so lässig an einem riesigen Studio-Mischpult oder wie durch Zufall ragte so ein ganz tolles, edles Studio-Mikro mit ins Bild, usw.

Eine war aber dabei, die sah ein bisschen anders aus. Ich sag immer: Die stand einfach mit Gitarre im Wald. Haha … naja, das war Katie.

Ich habe mir dann ihre Musik angehört und fand darin, was man heute leider zu selten findet: authentische Emotion! Ihre Songs haben direkt zu mir gesprochen, es wirkte alles einfach so echt und ehrlich. Damit wusste ich: Ich habe die richtige Sängerin gefunden. Ich habe Katie einfach angeschrieben, sie hat sich den Song angehört und sagte zu. Ich habe dann erwartet, dass ich eine Lead-Vocal-Spur von ihr zurückbekommen würde.

Doch zu meiner Überraschung bekam ich Lead-Vocals und zusätzlich noch drei Spuren Harmony-Vocals und als absolutes und komplett überraschendes Highlight noch ein Flöten-Solo, denn zu meiner Überraschung stellte sich Katie auch als hervorragende Flötistin heraus. Ich war baff!

Na ja und dann dachte ich mir: „Das ist so cool, das muss jetzt irgendwie weitergehen mit uns!“ Ich habe mich aber kaum getraut, zu fragen, weil ich wusste, dass Katie auch viele Kooperationen mit anderen Musikern macht, darunter auch ein paar richtig große Namen, wie zum Beispiel Peter Lewis von Moby Grape. Ich fühlte mich total winzig im Vergleich dazu.

Zu meiner Überraschung hörte ich dann von Katie: „Ich habe gehofft, dass du das fragst. Wir sollten unbedingt weitermachen!“ Naja, und dann kam Song auf Song – und jetzt haben wir unser erstes gemeinsames Album!

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Ganz nebenbei hat sich eine der ungewöhnlichsten und schönsten Freundschaften entwickelt, die mir in meinem Leben so passiert sind: Wir leben 6.500 km voneinander entfernt, kommen aus ganz unterschiedlichen Musikgenres und so ganz am Rande haben wir auch noch 21 Jahre Altersunterschied. Ich denke, wir hätten uns ohne die Musik sicher nie kennengelernt. Das ist also noch so eine Fügung, die meine Musik und ja, auch mein Leben, verändert hat.

Sonja:
Katie, wie verlief deine musikalische Entwicklung und ist die Zusammenarbeit mit UAP deine erste musikalische Kooperation dieser Art?

Katie:
Ich habe schon mit vielen Musikern zusammengearbeitet, aber die Zusammenarbeit mit UAP ist anders als alle anderen Projekte, an denen ich je gearbeitet habe. Wie Rainer habe ich während der COVID-Pandemie ernsthaft mit dem Songwriting und Aufnehmen begonnen, zumal die Zeit mit meinem College-Abschluss zusammenfiel – ich hatte viel mehr Zeit, als ich je für möglich gehalten hätte! Ich stürzte mich in meine Musikprojekte, veröffentlichte meine Arbeit auf meinen Social-Media-Accounts und begann, eine immer größer werdende Gemeinschaft von Musikern um mich herum zu finden.

Ich habe vor allem mit Leuten aus den Pop-, Folk- und Rock-Genres gearbeitet, denn das sind die Genres, die mir schon immer am nächsten lagen. Ich habe auch mit einigen Produzenten zusammengearbeitet – hauptsächlich Pop und EDM – die mir bei der Entwicklung meiner technischen und kreativen Fähigkeiten sehr geholfen haben.

Aber als ich mit Rainer gearbeitet habe, gab es da so eine Verbindung, die ich bei anderen nicht gespürt habe – es war, als ob wir irgendwie auf der gleichen Wellenlänge funkten. Wir haben uns sofort verstanden. Ich nehme ja auch nicht immer gleich mehrere Vocal-Tracks für einen Auftrag auf, aber bei dem Song, über den Rainer hier spricht („Talita“), fühlte ich mich einfach dazu inspiriert. Und ich hatte auch irgendwie das Gefühl, dass Rainer damit einverstanden sein würde. Auch die Aufnahme des Flötensolos wurde von ihm begeistert aufgenommen. Er ist bereit, über ihm vertraute Klanghorizonte hinauszublicken.

In den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass ich oft die besten Ergebnisse erziele, wenn ich nicht unbedingt versuche, meinen künstlerischen Weg zu kontrollieren. Ich hatte meinen bisherigen Weg als Musikerin mit bestimmten Erwartungen an die Richtung begonnen, in die es wohl gehen würde. Die besten musikalischen Erfahrungen habe ich aber gemacht, als ich bereit war, mich einfach auf die Reise einzulassen, auf der ich mich wirklich befinde, und nicht auf die, die ich mir fest vorgenommen hatte.

Hätte ich mir jemals vorstellen können, mit einem deutschen Synthwave-Musiker zusammenzuarbeiten, als ich anfing, in meinem Schlafzimmer DIY-Folk-Pop-Songs zu schreiben? Ganz und gar nicht! War es die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe? 100 %! Für mich besteht der wichtigste Teil der Musik darin, mit Menschen in Kontakt zu treten und zwar auf eine Weise, die über Worte, Grenzen und Nebensächlichkeiten hinausgeht. Das ist genau das, was Rainer und ich mit unserer Zusammenarbeit machen.

Musikalische Weiterentwicklung

Durch eine transatlantische Zusammenarbeit über das Internet

Sonja:
Das Internet hat die Möglichkeiten, Gleichgesinnte zu finden, enorm verändert und auch die Art und Weise, wie man gemeinsam musizieren kann. Wie hast du in deinen Anfängen Musik gemacht und wie sieht das gemeinsame Musizieren mit Katie/Rainer aktuell aus?

Rainer:
„Gemeinsam musizieren“… tja, also einerseits habe ich das schon immer gemacht, weil ich auch schon früh in Bands gespielt habe und das auch heute noch mache. Aber man wird da eben andererseits eher so als der „Ersatz-Jon-Lord“ gebraucht: 90 % findet mit Piano- und Orgel-Sounds statt. Meine Synthesizer-Leidenschaft habe ich im „stillen Kämmerlein“ für mich nebenbei ausgelebt.

Ab den 2000er-Jahren hab ich mir zwar immer mal wieder auch Gitarristen eingeladen, aber so richtig gemeinsames Songwriting … das war mir im Prinzip unbekannt. Bis ich Katie traf.
Du und ich, Katie, wir haben, wie du schon ganz richtig gesagt hast, irgendwie so eine gemeinsame Wellenlänge, ich kann das schlecht beschreiben. Das ist so eine Art „verlängertes Denken“, das läuft einfach. Ich schicke ihr was, sie schickt mir was zurück und ganz häufig ist das direkt der „Volltreffer“ und mehr noch: Ihre Fantasie weist häufig eher noch darüber hinaus und ergänzt Dinge, auf die ich selbst nie gekommen wäre, die ich aber in aller Regel sofort super finde. Und ich glaube, anders herum scheint es wohl genauso zu sein. Telepathie, fast schon gruselig. Haha …

Ich habe schon zu Katie gesagt: „Wir müssen irgendwie in einem früheren Leben schon mal zusammen Musik gemacht haben“, denn ich weiß aus Kooperationen mit anderen Musikerinnen und Musikern, dass das ja beileibe nicht immer so glatt läuft.

Bandproben Online

UAP und Katie Tich (Foto: Tanja Robrecht)

Katie:
Seltsamerweise war ich früher ziemlich zugeknöpft in der Zusammenarbeit mit anderen Musikern. Es fiel mir irgendwie schwer, die Kontrolle über die von mir beigesteuerte Musik zu behalten. Aber ich habe schnell gelernt, dass ich, um meine Skills zu verfeinern, häufiger zusammenarbeiten und konsequenteres Feedback erhalten musste, um meine eigenen Schwächen, sozusagen meine „toten Winkel“ zu erkennen. Ich habe mich selbst dazu angehalten, auf andere Künstler zuzugehen und mehr Einladungen zur Zusammenarbeit anzunehmen. Das hat mir auch ungemein geholfen, mich zu verbessern. Aber ich sehe meine Zusammenarbeit mit Rainer als einen Wendepunkt in dieser Entwicklung.

Die Art und Weise, wie du an das Schreiben und Produzieren herangehst, das ist echt erfrischend. Die meisten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben eine ziemlich starke Meinung darüber, wie Musik klingen „sollte“. Oft trifft man ja auf unausgesprochene Erwartungen, was das Endprodukt einer Zusammenarbeit sein soll. So etwas kann sich anfühlen, als würde man mit verbundenen Augen Dart-Pfeile auf eine Scheibe werfen: Man weiß, dass der andere ein Ziel sieht, aber man selbst hat keine Ahnung, wie man es erreichen kann.

Im Gegensatz dazu fühlt es sich bei der Arbeit mit Rainer immer so an, als würden wir gemeinsam etwas aufbauen. Wir haben zwar eine Vorstellung davon, wie es aussehen könnte, aber es existiert nicht, bevor wir es nicht erschaffen haben. Das Ergebnis ist unbestimmt. Diese Art von künstlerischer Freiheit ist für mich unglaublich wertvoll. Ich bin dankbar für die ähnliche Art und Weise, wie wir den kreativen Prozess wahrnehmen.

UAP und Katie Tich im Interview

Bandproben via Internet

Technische Voraussetzungen, Latenzprobleme und andere Hürden

Sonja:
Rainer, welche technischen Voraussetzungen sind notwendig, um gemeinsam über das Internet zu musizieren?

Rainer:
Zunächst gibt es ja zwei grundsätzlich verschiedene Arten, gemeinsam Musik zu kreieren. Erstens: Man schickt sich gegenseitig Dateien und arbeitet dann Stück für Stück über längere Zeit an einem Song. Dazu braucht es keine großen Worte. Das ist quasi selbsterklärend.

Zweitens gibt es aber auch die Möglichkeit, in Echtzeit miteinander Musik zu machen, obwohl man an verschiedenen Orten wohnt. Da wird es dann interessant. Katie und ich haben uns innerhalb des letzten Jahres für ein Live-Konzert vorbereitet, also muss man proben – schwierig, wenn man auf zwei verschiedenen Kontinenten lebt!

Prinzipiell ist aber auch das letztlich gar nicht so kompliziert. Man braucht einen Computer, ein Audiointerface mit Line-Eingängen und – ganz wichtig – ein Netzwerkkabel (mit WLAN besser gar nicht erst versuchen!). Ich persönlich empfehle dann noch ein kleines Mischpult, zum Beispiel so ein kleines analoges 4-Kanal-Teil, die es ja von vielen Herstellern günstig gibt.

Katie und ich haben uns für die kostenlose Software „Jamulus“ entschieden, die ein wichtiges Problem beseitigen soll: die Latenz. Wenn wir uns einfach über irgendeine Video-Konferenz-Software wie „Zoom“, „Teams“ etc. treffen würden, fiele eine Sekunde Zeitversatz im Gespräch kaum auf, bei Musik ist eine Sekunde Zeitversatz aber eine Ewigkeit. Jamulus rechnet nun diesen Zeitversatz raus und man kann – nicht immer, aber doch sehr häufig – mit geringen Latenzzeiten gemeinsam in Echtzeit Musik machen.

Bandproben via Internet

Bandproben via Internet stellt die Bands vor ganz besondere Herausforderungen.

Das läuft normalerweise problemlos, wenn man mit dem Kumpel mucken will, der 30 km entfernt wohnt. Aber wir waren am Anfang schon etwas schockiert, welche massiven Latenzprobleme es gibt, wenn man von Kontinent zu Kontinent miteinander spielen will. Da haben wir fast ein Vierteljahr lang herumprobiert: Server in unterschiedlichen Ländern, eigene Server im heimischen Netzwerk usw. Nichts hat so wirklich zu überzeugenden Ergebnissen geführt.

Es hat erst „Klick“ gemacht, als ich in einer Jamulus-Facebook-Gruppe einen wertvollen Tipp bekommen habe. Da meinte einer: „Du musst mal Karten anschauen, wo die Internet-Unterseeleitungen zwischen USA und Europa laufen, und dann nimmst du einen Server in der Stadt, wo eine der Leitungen von der US-Küste (wo Katie wohnt) ankommt.“ Plötzlich sitzt man dann da und studiert Seekarten. Hahaha … Ich bin dann darauf gekommen, dass fast alle Internetleitungen aus den USA an der französischen Atlantikküste „anlanden“. Wir haben es mit einem öffentlichen Server aus Brest in der Bretagne versucht – et voilá – wir hatten die bislang besten Resultate mit je nach Tag zwischen 30 und 80 ms Latenz, und dabei sind wir dann geblieben.

Sonja:
Welche Schwierigkeiten bringt diese transatlantische Musik-Liaison mit sich? Und wo siehst du die Grenzen dieser neuen Art, mit anderen Musik zu machen?

Rainer:
Die größte Schwierigkeit bei unserer Musik-Partnerschaft sehe ich trotz aller Technik in der räumlichen Distanz. Es gibt so häufig Momente, wo ich mir einfach nur wünsche, Katie würde „um die Ecke“ wohnen. Man könnte sich kurz auf einen Kaffee im Studio treffen, würde gemeinsam auf denselben Monitor schauen, man könnte mit dem Finger auf das zeigen, worum es gerade geht und man wäre in 15 Minuten fertig und könnte danach sogar noch lecker ein Stück Kuchen essen.

Oder man braucht gemeinsame Fotos für eine Veröffentlichung oder für so ein Interview hier. Da steht man dann trotz aller Software wie der Ochs vorm Berge: Was andere Musikkumpels mal eben aus dem Ärmel schütteln, bedeutet bei uns aufwendige Planung. Und selbst dann ist nicht alles möglich. Manches geht eben einfach nicht, wenn man sich nicht persönlich treffen kann.

Bei uns ist zudem nicht nur der gesamte Atlantik dazwischen, sondern auch noch sechs Stunden Zeitverschiebung. Wir tauschen uns deshalb meist über Messenger und E-Mail aus. Das kann auch schon mal nerven: Gerade heute hat man mal Zeit fürs Studio, aber es gibt irgendetwas, wo ich das Feedback von Katie benötige, bevor ich weitermachen kann. Bei ihr ist aber gerade tiefste Nacht. Ich schreibe ihr also eine Message und ich weiß: Wenn ich Glück habe, bekomme ich ihr Feedback irgendwann an „meinem“ späten Nachmittag. Solche Schwierigkeiten kann man nicht verhindern.
Im August haben wir uns dann nach zwei Jahren Musikfreundschaft endlich das erste Mal persönlich getroffen. Ich glaube, wir waren beide zwar freudig aufgeregt aber auch etwas besorgt: Unser „Transatlantik-System“ funktionierte ja abgesehen von solchen Orga-Fragen total reibungslos.

Ein komplett Online-geplanter Live-Gig: UAP und Katie Tich am Schloss Bevern (Foto: Tanja Robrecht)

Wir verstanden uns auch so gut. Und man kennt das ja: Plötzlich verbringt man mal mehr Zeit miteinander und was ist dann, wenn man dann feststellt, dass man sich doch irgendwie menschlich ineinander getäuscht hat? Aber das war zum Glück nicht der Fall: Nicht nur sie und ich haben sofort unsere „Wellenlänge“ wieder draufgehabt, sondern auch ihre Frau und meine Frau, auch meine Tochter, alle haben sich sofort angefreundet. Es war wirklich schön!

Wir haben dann hier ein gemeinsames Konzert gegeben und es war einfach der Hammer – echt ein Erfolg! Ich hätte am liebsten direkt weitergemacht. Aber das ist dann die nächste Schwierigkeit: So eine Reise USA – Deutschland oder umgekehrt ist auch ein Zeit- und Kostenfaktor.

Ich will mir gar nicht vorstellen, wie viele vielversprechende Musikfreundschaften nie auf die Bühne gelangen, einfach weil sie durch Reisekosten ausgebremst werden. Da müsste es eigentlich eine Stiftung oder so etwas geben, die es unterstützt, wenn Musiker aus unterschiedlichen Ländern gemeinsam auf die Bühne gehen wollen. Das ist doch gelebter Kulturaustausch der denkbar besten Art! Sowas ist doch auch gesellschaftlich eigentlich sehr wertvoll!

Katie:
Da hast du schon Recht, aber für mich wiegt der Wert unserer transatlantischen Freundschaft und Zusammenarbeit die Kosten bei Weitem auf. Aber es stimmt schon: Es ist nicht immer einfach! Die Zeitverschiebung ist eine Herausforderung, vor allem, wenn man bedenkt, wie beschäftigt wir beide sind. Wir arbeiten ja beide tagsüber neben unseren persönlichen Musikprojekten in ganz normalen Jobs. Wenn ich Feierabend mache, geht Rainer gerade ins Bett. Das macht die Planung von Proben, Musik-Sessions und Interviews ziemlich schwierig, da sich unsere Zeitfenster unter der Woche nur sehr begrenzt überschneiden.

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Während der Vorbereitungen für das Konzert haben wir einmal pro Woche, immer samstags, geprobt – was sich nicht annähernd ausreichend anfühlte. Aber wochentags war das ja nicht machbar, da ich in den USA erst nach Feierabend proben konnte und Du konntest nicht um 23 Uhr deiner Zeit eine Stunde lang in deinem ruhigen Kleinstadtviertel die Musik aufdrehen. Zum Glück hatten wir noch etwas Zeit, vor dem Konzert auch persönlich vor Ort zu proben.

Wenn Rainer und ich uns unterhalten, sagen wir oft Dinge wie: „Ich wünschte, ich könnte dich jetzt einfach zu mir einladen und das bei einem Kaffee besprechen!“ Ich glaube, das ist auch das Schwierigste für mich, noch mehr als der Zeitunterschied – einen so engen Freund zu haben, der meine Liebe zur Musik teilt, aber durch einen Ozean von mir getrennt ist. Das ist wunderbar und herzzerreißend zugleich, denn unsere Möglichkeiten, uns zu sehen und zusammenzuarbeiten, sind durch die Entfernung begrenzt.

Echtzeit-Musik-Session via Internet

Der Aufbau des Setups und Raritäten wie der CASIO CZ3000 und der Ensoniq ESQ-1

Sonja:
Wie sieht dein aktuelles Setup aus und lassen sich all deine bevorzugten Geräte ohne Probleme in den Prozess des gemeinsamen Musizierens via Internet integrieren?

Rainer:
Zunächst zum Thema Jamulus und was man braucht: Die einfachste Lösung ist, dass man alles, was man in der „Echtzeit-Musiksession“ einsetzen möchte, in ein Mischpult steckt und den Stereo-Out dieses Pults via Audiointerface bei Jamulus einspeist. Da gibt es dann praktisch keine Grenzen mehr – dann kann ich auch auf dem Kamm blasen, wenn ich das will.

Natürlich ist es mit elektronischen Musikinstrumenten (und damit meine ich auch alles Akustische mit Tonabnehmer) einfacher, als wenn man etwas erst einmal abmikrofonieren und ggf. vorkomprimieren muss. Wenn man sich ein kleines Mischpult zulegt, das einen eingebauten Kompressor und vielleicht noch ein eingebautes Effektgerät hat, ist das für Gesang eine gute Idee.

Es gibt auch Leute, die haben ein mehrkanaliges Audiointerface, aber Jamulus nimmt nur 2 Kanäle davon an und akzeptiert auch keine Mixer aus der DAW. Man kann das Problem aber lösen, indem man virtuelle Mixer außerhalb der DAW installiert, die dann ein Stereo-Signal an Jamulus senden. Mir war das allerdings zu aufwendig und old school wie ich nun einmal bin, habe ich mir hier ein Mischpult zum Anfassen hingestellt und das dann einfach per Stereo-Out an Jamulus geroutet.

Wichtig zu beachten: Auch das Audiointerface spielt eine Rolle! Ich hatte beispielsweise anfangs Probleme mit dem großen Behringer UMC1820 und seinem Windows-Treiber, der einfach nicht mit Jamulus harmonieren wollte: Entweder es gab Knackser oder die Latenz stieg ins Unermessliche. Mit dem kleineren Behringer UMC202 lief hingegen alles aus dem Stand völlig problemlos. Es lohnt sich also, dass man bei Problemen mit Jamulus auch mal ans Audiointerface denkt und ggf. ein anderes Modell ausprobiert.

Was mein eigenes Studio angeht, so besitze ich aktuell so um die 20 Synthesizer, dazu noch diverse Peripheriegeräte. Das ist ja an sich etwas, was man gar nicht so gerne zugibt, weil einen ja alle für bekloppt halten. Allein mein kleines „Ensoniq-Museum“, das ich hier habe, kommt auf fünf Geräte (ESQ-1, SQ-1, SD-1, MR-61, FIZMO ). Ich bin erfreulicherweise auch alt genug, um die Zeiten noch miterlebt zu haben, wo einem Leute Synthesizer quasi gewaltsam aufgedrängt haben, weil sie meinten: „Hauptsache weg – ich steige um auf Software“. So kam ich vor 20 Jahren mal an einen Yamaha TX7 und auch an meinen Ensoniq ESQ-1.

Synthesizer

Über 30 Jahre Synthesizer-Liebe

Ansonsten gibt es zwischendurch Wunder, die man nicht vorbeiziehen lassen darf. So bin ich 2020 zum Beispiel zu einem CASIO CZ3000 gekommen, der war „New Old Stock“. Das heißt: Der hatte tatsächlich seit 1985 eingelagert – originalverpackt – irgendwo gelegen. Der war absolut fabrikneu. Kritisch wurde es, als ich gemerkt hatte, dass auch die originalen Batterien seit 1985 im Gehäuse waren – das waren noch die originalen Mignon-Zellen mit blau-weißem CASIO-Aufdruck. Sie waren zwar etwas verformt, aber zum Glück ohne Leckagen.

Von den neueren Synthesizern liebe ich meinen ASM Hydrasynth und den Modal Cobalt beide heiß und innig: Die geben im Studio und auf der Bühne ein tolles Team ab. Für das Konzert hatte ich mir außerdem eigens einen AKAI MPC Key61 angeschafft. Damit habe ich ein paar alte Schätzchen abgesampelt, deren Bühneneinsatz mir zu heikel gewesen wäre. Gleichzeitig kann das MPC auch bei den Backing-Tracks helfen, wobei ich da eigentlich auf den b.beat von M-Live schwöre – ein absolut geniales Teil! Laptops kommen mir hingegen nicht auf die Bühne – denen traue ich nicht über den Weg.

Katie:
Ich habe im Gegensatz dazu ein ganz einfaches Setup – ich habe ein Focusrite Audiointerface, das mit meinem Laptop verbunden ist, ein MXL 990 Kondensatormikrofon, ein Paar Tascam TH-200X Studiomonitor-Kopfhörer und ein Yamaha Keyboard. Außerdem habe ich eine stetig wachsende Gitarrensammlung, die mein ganzer Stolz ist – im Moment besteht sie aus einer Taylor Acoustic-Electric, einer Fender Strat und einer Squier Tele, einer Epiphone ES-335 und einer Novo Serus J.

Mein einfaches Setup hat sich bei unseren Online-Proben erstaunlich gut bewährt – ich konnte es problemlos in Jamulus integrieren und das einzige wirkliche Problem ist die Verzögerung. Als wir uns auf das Konzert in Schloss Bevern vorbereiteten, haben wir uns mit einem Server in Frankreich verbunden, der eine minimale Verzögerung zu haben schien. Allerdings war die Verzögerung doch immer noch so groß, dass das Signal von meinem Mikrofon meine Ohren später erreichte als Rainers Synthesizer. Das war also eine gewisse Herausforderung, aber wir konnten das durch Üben, selektives Zuhören und die persönlichen „Last Minute“-Proben kurz vor dem Konzert ausgleichen.

Katie Tich Interview

In unserer täglichen Zusammenarbeit funktionieren unsere Setups ansonsten gut zusammen, weil unsere Zusammenarbeit im Songwriting-Bereich nicht „live“ sein muss. Rainer kann mir einen Track schicken, an dem er gerade arbeitet und ich kann ihn in meine DAW laden und mit meinem Setup weiter bearbeiten. Das Austauschen von Dateien funktioniert gut für uns!

Rainer:
Da gebe ich dir völlig Recht, Katie. Und dazu muss man sagen, dass wir noch nicht einmal dieselbe DAW verwenden: Während ich Steinbergs Cubase nutze, nutzt du ja Presonus Studio One. Aber wenn man mit Audio-Stems oder MIDI-Files arbeitet, ist das kein Hindernis. Es hilft aber, wenn man sich auf ein paar Software-Instrumente einigt, die beide nutzen können. Es ist beim Songwriting und auch im weiteren Verlauf der Produktion einfach hilfreich, wenn zum Beispiel das „virtuelle Piano“ auf der anderen Seite des Atlantiks dasselbe Ansprechverhalten zeigt wie das eigene. Oder wenn das Synthesizer-Filter einfach auf beiden Seiten dasselbe mit dem Sound macht.

Einen gemeinsamen Gig trotz 6500 km Entfernung via Internet planen oder

Live-Konzert

im Dunstkreis der Wirkungsstätte von Cluster, Harmonia und Brian Eno

Sonja:
Zwischenzeitlich habt ihr es aber auch geschafft, mal gemeinsam an einem Ort live aufzutreten. Erzählt Ihr uns die Geschichte dazu?

Rainer:
Ich fürchte, da muss ich etwas ausholen: Die Gegend, in der ich wohne, ist unter Synthesizer-Fans legendär. Nur ein paar Kilometer entfernt befindet sich das kleine Örtchen Forst – eigentlich noch nicht einmal ein Ort, sondern nur ein paar alte Bauernhäuser. Dort hatten in den 70er- und 80er-Jahren Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius (man kennt sie auch als „Cluster“) ihr Studio.

Später kam dann noch der Gitarrist Michael Rother von „Neu!“ dazu und dann nannten sie sich als Trio „Harmonia“. Ihre Alben galten auch im Ausland als bahnbrechend, sodass irgendwann Brian Eno dazu kam. Er hat dann mit Cluster bzw. Harmonia hier im schönen Weserbergland drei Alben aufgenommen. Moebius ist leider 2015 verstorben, aber Roedelius und Rother sind nach wie vor aktiv. Michael Rother spielt auch alle paar Jahre mal ein Konzert im nahegelegenen Weserrenaissance-Schloss Bevern.

In dem Schloss gibt es so eine Art „kulturelle Begegnungsstätte“: Das Atelier Repfennig, benannt nach Karl Repfennig, einem leider ebenfalls inzwischen verstorbenen Maler und Bildhauer, der dort gearbeitet und gewohnt hat. Das engagierte Team des Ateliers ist sehr darum bemüht, die Atelierräume als Ort des kulturellen Austauschs und Diskurses aufrecht zu erhalten, obwohl die Zeiten für solche Kulturinitiativen nicht gerade einfacher werden.

Beim Live-Konzert im Schloss Bevern. „5 Kilometer weiter hat Brian Eno mal ein paar Alben aufgenommen.“

Dort hat meine Frau eine Person kennengelernt, die früher zusammen mit Cluster bzw. Harmonia in Forst gelebt hat. Durch Zufall hat dann meine Frau irgendwie erwähnt, dass ich ja auch immer so viel Zeit mit Synthesizern verbringe.

Plötzlich kam von Seiten des Atelier-Teams die Idee auf, ich könnte ja mal ein Konzert im Schloss geben. Und ich dachte nur: „No way!!“ Denn erstens hatte ich UAP als reines Studio-Projekt aufgezogen und mir erschien es erst einmal kaum möglich, das auf die Bühne zu bringen. Und zweitens war mir das „Erbe“ dieser Region wirklich ein paar Nummern zu groß – ich meine: Cluster, Harmonia, Eno – das sind ja Legenden! Ich fand es total anmaßend, mich da nun auf die Bühne zu stellen, wo sonst Michael Rother spielt. Aber dann dachte ich mir: „Ach komm … was soll’s! Mach’s einfach!“ hahaha …

Da ich aber nicht gleichzeitig spielen und singen kann, weil meine Finger dann anfangen zu stolpern, sagte ich: „Okay, ich mache es! Aber nur, wenn meine Freundin Katie aus den USA kommt und den Gesang übernimmt!“ Zu meinem Erstaunen meinte das Atelier-Team: „Okay, dabei unterstützen wir euch!“ Und dann habe ich Katie geschrieben: „Pass auf, wie wäre es, wenn du mal nach Deutschland kommst und wir geben hier gemeinsam ein Konzert? Nicht in einem Club, sondern in einem 400 Jahre alten Schloss! Und übrigens: 5 Kilometer weiter hat Brian Eno mal ein paar Alben aufgenommen.“ Hahaha … Und ich glaube, ab diesem Punkt sollte Katie weitererzählen …

Katie:
Ja, ich muss schon zugeben, dass ich anfangs dachte, du wärst komplett verrückt geworden, hahaha … – ich meine, wie sollten wir das jemals hinkriegen? Alles, woran ich denken konnte, war die ganze Logistik und all die Herausforderungen, die wir bewältigen mussten! Es schien ein wunderbarer, aber unerreichbarer Traum zu sein. Aber das ist eine weitere wertvolle Lektion, die Rainer mir beigebracht hat – mich nicht von der Gesamtheit einer Herausforderung überwältigen zu lassen, sondern ein Problem nach dem anderen zu lösen, bis wir am Ziel sind: Konzentriere dich auf das, was vor dir liegt.

Rainer hat uns beide durch den Prozess geführt und dabei die richtigen Fragen gestellt – wir müssen proben, wie werden wir das machen? Jamulus! Wir müssen lernen, wie man einen Server einrichtet und wie man Fehler behebt, damit wir unser System zum Laufen bringen. Wie finanzieren wir die Flugtickets und die Produktion des Albums für das Konzert? Versuchen wir es mit einer Crowdfunding-Kampagne! Wir können ein Video drehen und es an alle unsere Freunde, Familienmitglieder und Mitarbeiter schicken, die uns unterstützen möchten. Und es hat funktioniert!

UAP Katie Tich Interview

Wie bewerben wir das Konzert, wenn wir uns noch nie persönlich getroffen haben? Wir beauftragen einen Grafikdesigner mit der Erstellung eines Plakats, das zwei einzelne Bilder von uns zu einem kombiniert! Und so ging es weiter. Ich weiß, dass dies ohne Rainer und das Team vom Atelier Repfennig nicht möglich gewesen wäre. Er hat mich inspiriert, diese Herausforderungen zu meistern und dorthin zu gelangen, wo wir beide hinwollten, nämlich gemeinsam auf der Bühne zu stehen.

Rainer:
An dieser Stelle möchte ich mal erwähnen, dass Katie es liebt, mich so erscheinen zu lassen, als wäre ich so eine Art weiser Lehrmeister. Haha … aber in Wahrheit ist es so, dass du vor allem sehr bescheiden bist, Katie! Ich habe in der Zeit unserer Zusammenarbeit auch sehr viel von dir gelernt, gerade das ist ja das Schöne: Man spielt sich die Bälle zu.

Außerdem: Man kann die tollsten Pläne schmieden, aber das klappt nur dann, wenn man sich zu 100 % aufeinander verlassen kann. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass bei uns in einem ganzen Jahr Konzert-Vorbereitung nur eine einzige Probe ausgefallen ist und daran war ich schuld. Wann immer es etwas gab, was vorbereitet werden musste, konnte ich mir absolut sicher sein, dass beide top vorbereitet zur Probe erscheinen würden.

Ich glaube, das ist vielleicht auch ein Vorteil, wenn man weiß, dass die gemeinsame Probenzeit kostbar ist. Wenn die Bandkumpels alle in derselben Stadt wohnen und man sich jeden zweiten Tag im Supermarkt über den Weg läuft, dann lässt man’s ja auch schon mal schleifen. Bei uns ist aber jede Minute kostbar, deshalb legt sich bei uns jeder auch ins Zeug.

Und man muss auch mal sagen: Katie ist, was ihre musikalischen Fähigkeiten betrifft, unglaublich gut. Ich glaube, sie ist ehrlich gesagt viel besser, als sie selbst es ahnt.

Das erste persönliche Treffen des Online-Musik-Duos

Sonja:
Katie, war der Auftritt mit UAP dein erster Gig in Deutschland? Und wie hast du dieses besondere Zusammentreffen erlebt?

Katie:
Ja, das war mein erster Auftritt in Deutschland und im Ausland überhaupt! Ich hatte das Glück, nicht nur nach Deutschland fliegen und bei dem Konzert auftreten zu können, sondern ich habe ja auch Rainer und seine Familie persönlich getroffen und ihr Leben kennengelernt. Ich konnte in seiner Stadt wohnen, etwas über die Stadt und ihre Geschichte erfahren, Schloss Bevern sehen und kennenlernen und die Umgebung erkunden. Wir haben endlich mal Face to Face miteinander geprobt und Ideen ausgetauscht und schließlich hatten wir auch die Gelegenheit, den viel zitierten Kaffee zu trinken und über Studiotechnik zu sprechen. Es war all das, wovon wir seit Jahren geträumt hatten.

Ich erinnere mich an den ersten Moment, als ich an unserem ersten Tag in Deutschland meine Gitarre und mein Mikrofon in Rainers Wohnzimmer aufstellte, weil das der einzige Ort war, wo eine ganze Band reinpasste. Unser Gitarrist Chris stand neben mir, stöpselte seine Gitarre ein und stimmte sie. Ich konnte Rainer in der Ecke hinter all seinen Keyboards sehen: an genau der Wohnzimmerwand, die ich immer wieder bei Zoom-Anrufen gesehen hatte, aber nie „in echt“.

Bandproben via Internet

(Foto: Tanja Robrecht)

Dieser erste Moment, als Rainer die Eröffnungssequenz seines Songs „110 Dreams“ spielte und wir zum ersten Mal zusammen jammen konnten, ist ein Moment, den ich nie vergessen werde. Es fühlte sich an, als käme ich nach Hause. Es war der Moment, in dem ich begriff, warum ich so hart gearbeitet hatte, um hierher zu kommen. Diese pure Freude, die wir alle empfanden, als wir unser Set in Rainers Haus durchspielten, ist ein Gefühl, das ich nie vergessen werde.

Der Tag des Konzerts fühlte sich beinahe unwirklich an – ich konnte gar nicht glauben, dass wir wirklich hier waren, nach über einem Jahr Vorbereitung! Ich eröffnete das Konzert mit einem Akustik-Set einiger meiner eigenen Songs und es machte mir Spaß, das Publikum mit einzubeziehen und die Leute ein wenig zum Tanzen zu bringen. Nach mir kamen die Martin Brothers auf die Bühne, eine Band aus der Schweiz.

Als die Sonne unterging, kamen dann Rainer und ich und unser Gitarrist Chris an die Reihe, um das UAP-Hauptprogramm des Konzerts zu spielen. Es war alles, was wir uns erhofft und wofür wir so hart gearbeitet hatten – ein Live-Event mit professionellem Sound, ein Publikum, mit dem wir uns verbunden fühlten und das Geschenk, unsere Songs zum ersten Mal gemeinsam live und persönlich vor Publikum zu spielen. Es war ein wahrgewordener Traum!

UAP und Katie Tich im Interview

Tipps für  Bandproben via Internet

Sonja:
Was sind deine ultimativen Tipps für all diejenigen, die gerne mit Musikern über das Internet gemeinsam musizieren wollen?

Katie:
Macht’s einfach! Achtet darauf, wie ihr euch bei jeder Zusammenarbeit fühlt und sucht nach weiteren Konstellationen, die euch Freude bereiten. Jede Zusammenarbeit ist auch Arbeit, aber es gibt ein gewisses „je ne sais quoi“ bei Collabs, die dir als Künstler einen Sinn geben. Lasst euch euren Weg nicht von anderen vorschreiben! Wenn ihr wollt, wechselt!

Probiert mal ein neues Genre aus! Arbeitet mit jemandem zusammen, mit dem ihr bisher vielleicht noch nicht zusammengearbeitet habt! Probiert mal neue Dinge aus! Ich verspreche euch, dass es sich lohnt, neue Wege einzuschlagen und dass ihr dabei die besten Erfahrungen machen werdet. Und wenn eine Zusammenarbeit nicht klappt, habt ihr zumindest was gelernt.

Rainer:
Dem habe ich fast nichts hinzuzufügen, außer dass man gerade beim Live-Musikmachen über das Internet immer damit rechnen sollte, dass es vielleicht einige Zeit braucht, bis man seinen technischen Workflow gefunden hat. Davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen.

Sonja:
Was möchtest du den Menschen da draußen unbedingt noch sagen?

Rainer:
Eine der schönsten Eigenschaften von Musik ist, dass sie die Kraft hat, Menschen zusammenzubringen. Das war für mich gerade in der Konstellation mit Katie eine fast schon magische Erfahrung. Aus Fremden werden Freunde – das ist gerade heute wieder wichtig.
Wenn ich Politiker wäre, würde ich wollen, dass sowas gefördert wird, wo es nur eben geht! Dass man im Kulturbereich aber Gelder gerade eher streicht, ist für mich völlig unverständlich. Eine bessere Investition in die Gesellschaft, als die Förderung gemeinsamer Kulturprojekte, kann ich mir gar nicht vorstellen.

Amazona Amazing Readers Music

Und wo wir gerade dabei sind: Katie und ich haben ein neues Mammut-Projekt in der Planung, wo wir wieder viel eigene Zeit und wahrscheinlich auch wieder eine mittlere vierstellige Summe investieren müssen. Wir suchen deshalb durchaus akut nach Möglichkeiten zur finanziellen Förderung. Wer sich von unserer Geschichte auf eine Weise inspiriert fühlt, dass sie oder er sich denkt: „Ja, diese schöne Freundschaft und diese tollen Projekte möchte ich gern finanziell unterstützen“ oder „ich kenne da eine Stiftung, die wäre doch was für die beiden“, die oder der darf sich natürlich gern bei uns melden, und ich verrate dann auch gern mehr über das, was wir als nächstes vorhaben.

Katie:
Ich habe es schon früher gesagt, aber es lohnt sich, es zu wiederholen – die Zusammenarbeit mit Rainer in den letzten Jahren hat mir gezeigt, warum ich Musik so sehr liebe. Musik hat eine einzigartige Art, Menschen zusammenzubringen und uns zu erlauben, mit einer Subtilität zu kommunizieren, wie es Worte nicht können. Musik ermöglicht es uns, Gefühle und Ideen auszudrücken, die ungreifbar erscheinen oder für die Worte unzureichend sind. Aber wir können das nicht im luftleeren Raum tun. Es geht darum, diese Ideen mit anderen zu teilen, damit auch andere sich mit ihnen verbinden können. Unsere Freundschaft hat mir gezeigt, dass die lohnendste Musik, die ich mache, immer mit anderen Menschen gemacht wird. Habt also keine Angst, Kontakte zu knüpfen und die Hand auszustrecken! Man weiß nie, wohin es führen könnte.

Rainer:
Danke, Katie! Ich muss sagen, jetzt habe ich doch ein Tränchen im Auge. 😊

Ich bedanke mich an dieser Stelle von Herzen bei Rainer und Katie für dieses tolle Interview und diesen Einblick in eine Art des gemeinsamen Musizierens, die ich persönlich so noch nicht kannte. Natürlich war mir klar, dass musikalische Projekte oft via Internet realisiert werden. Dann aber eher in Form eines Hin- und Herschickens von Dateien. Das wirkliche gemeinsame Musizieren miteinander zur gleichen Zeit spielt in Grunde keine Rolle.

Ich hoffe, dass eure Erfahrungen und Worte andere Musikerinnen und Musiker inspirieren und motivieren und wir vielleicht in Zukunft von vielen transatlantischen Musikprojekten wie eurem hören werden.

Hast auch du eine spannende Geschichte rund um deine Musik zu erzählen oder gibt es etwas, was eure Band ganz besonders macht? Dann kontaktiere mich gerne hier über die Website oder unter sonja.meggers[at]amazona.de

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Forum
  1. Profilbild
    Filterpad AHU 1

    Was mir sehr gut in dem Artikel gefällt: Das richtige hinhören und fühlen bei Musik, damit diese funktioniert. Vollkommen richtig erkannt! Viele sind zu sehr technisch und kopflastig unterwegs und sind dann verwundert, wenn keiner ihre Musik hört! Ist allerdings auch nur meine Meinung und natürlich ein gewisser Anspruch den ich habe. Ich verfolgte den selben Plan: Mit Sängerinnen Musik zu machen. Leider war immer nach einem Song Schluss. Schön das es hier, trotz der Distanz geklappt hat. Internet sei Dank. Genau so muss es sein! Viel Erfolg weiterhin.

    • Profilbild
      UAP

      @Filterpad Hey, Danke für den Kommentar! Du sprichst mir aus der Seele: So viele Musikerinnen und Musiker lassen sich den Floh ins Ohr setzen, dass alles immer technisch perfekt sein muss, dabei ist das eigentlich (meiner Meinung nach) nicht das Wichtigste. Wenn man sich mal einige der wirklichen Klassiker-Alben anhört, hört man häufig technische Unzulänglichkeiten, aber die „Chemie“ stimmt. Heute haben wir technisch perfekte Produktionen, aber die klingen oft langweilig und lassen den „Personalstil“ vermissen.

  2. Profilbild
    UAP

    Ganz lieben Dank auch Dir, Sonja, für die tollen Interviewfragen und insgesamt die „redaktionelle Betreuung“! :-) Ich freu mich unglaublich über diese tolle Chance, unsere Art der musikalischen Zusammenarbeit hier vorstellen zu können! Schönen Gruß und ein herzliche Dankeschön auch von Katie! 😊

  3. Profilbild
    Tomtom AHU

    Klasse Interview! Ich bin schon seit Monaten über eure Zusammenarbeit begeistert, Rainer. Herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe, dass ihr noch lange erfolgreich zusammen musiziert. Was sind schon 6500 km wenn man einen Kosmos teilt? 👍

  4. Profilbild
    THo65 AHU

    Tolles und sehr ausführliches Interview über zwei interessante Menschen, die sich (musikalisch) gefunden haben.
    Allein für die Ausdauer und den Aufwand gebührt höchster Respekt. Hut ab – und weiter so.

      • Profilbild
        CDRowell AHU

        @UAP danke für das ausführliche und spannende Interview! Ich freue mich, dass ihr eine gemeinsame Ausrichtung gefunden habt. Letztlich scheint es dann doch Persönlichkeiten zu geben, die nicht nur berühmt werden wollen und das „schnelle Geld“ suchen, sondern für eine gemeinsame Sache auch mal Durststrecken durchleben. Das macht euch sehr sympathisch! Eure Freude ist spürbar. Toll, macht weiter so!!

        • Profilbild
          UAP

          @CDRowell Danke für den schönen Kommentar! Ja, die „Rockstarträume“ liegen hinter mir und Katie scheint mir diesbezüglich auch „immun“. 😅 Für uns ist einfach nur wichtig, dass wir unsere Wunschprojekte verwirklichen können. Es gibt sicher einfachere Wege als unseren, aber es ist einfach toll, wenn man so in „verschiedenen Wellten“ lebt und merkt, dass man trotzdem was Gemeinsames schaffen kann.

          • Profilbild
            CDRowell AHU

            @UAP Ich würde sagen: Volltreffer/in!!! Viele Erfolge, Freude, Kraft und Einigungen bei Meinungsunterschieden wünsche ich Euch!!!🤩

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