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Black Box: Wersi CX1 / CX2 Analog- Drumcomputer

Analoger Klopfgeist vom Orgelbauer

16. Mai 2009

Wersi WX2 analoge Rhytmusbegleitung von 1985

Die Geschichte der Wersi CX1 und CX2

Die Rhythmusmaschinen WERSI CX1 und CX2 zählen zu den wahren Exoten in der Landschaft elektronischer Klopfgeister. Dabei sind sie als Stand-Alone Instrumente sogar noch weniger bekannt denn als fester Bestandteil diverser Orgeln (Wersi Comet S, Comet T). Ob nun als Zusatzmodul oder eigenständiges Instrument – die Bezeichnung ist immer dieselbe: WERSIMATIC CX1 bzw. WERSIMATIC CX2 (in diesem Bericht auch kurz Wersi CX1 bzw. CX2 genannt).

Nach Gefühl gehend könnte man beide WERSIMATICs ungefähr ins späte 16. Jahrhundert einordnen – Nostalgie pur! Gut, ein bisschen Strom gehört dazu, dann eben Thomas Alva Edison, sprich: Glühbirne. Spätes 19. Jahrhundert, denn da wurde auch die Schreibmaschine erfunden … und ganz ehrlich: Mit Tasche sieht das CX2 wie ein verpackter Typenhebel-Apparat aus. Oder noch etwas später, Fender Rhodes Mark II vielleicht. Immerhin ähnelt die gerippte Oberseite der beiden WERSIMATICs doch sehr der amerikanischen Tastenlegende.

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Schickes Täschchen

Weit gefehlt: CX1 wird mit Baujahr 1983, CX2 mit 1985 datiert. Hier muss ich auf Informationen aus dem Netz zurückgreifen. Auf Leute, die (nicht selten in ihrer Funktion als Alleinunterhalter) den hell leuchtenden WERSI-Cometen live miterlebt haben.

„Das CX1 war ein Bj. 83 und ein absolut analoges System von der Klangerzeugung. […] Alles war selbst programmierbar und konnte mittels Kassettengerät wie beim Commodore Computer abgespeichert werden. Es gab speziell für das CX1 und CX 2 Datenkassetten mit neuen Styles.“(Christian M. J. Schäffer)

„Das CX2 ist Bj. 85 mit digitalem System, Soundcomputer, Memory, digitale 8-Bit Drums und [weitere] Samples.“(Christian M. J. Schäffer)

Das Erscheinungsjahr der CX2 möchte ich dennoch als etwas fraglich einstufen. Immerhin kam 1985 bereits das WERSI CX5 auf den Markt, das – mit großen Display, MIDI und Einzelausgängen ausgestattet – schon einen Quantensprung in der CX-Serie darstellt. Doch wie dem auch sei: CX1/CX2 sind in die frühen 80er Jahre einzuordnen …

Hat sicher keinen Design-Preis gewonnen, Wersi CX2

Aufbau Wersi CX1 / CX2

Die Stand-Alone Version von CX1/CX2 ist deutlich umfassender als ihr äquivalentes Zusatzmodul in diversen Orgeln. Immerhin galt es, ein „vollwertiges“ Instrument anzubieten. Neben den obligaten Rhythmus-Bereichen mit „Composer“ findet man daher auch eine komplette Begleitautomatik nebst bescheidener 29-Tasten Klaviatur und weiteren Extras. Für die jungen Leser so formuliert: Mini-Orgel mit viel Ramba-Zamba. Doch um es nun etwas genauer anzugehen hier die Details:

Oberseite: verdächtig Fender-like

Rhythmus-Sektion

verfügt über 16 Rhythmus-Taster nebst den (von diversen Hohner-Drum-Machines bekannten) 4 Variationsmöglichkeiten. Genau genommen bedeutet dies natürlich 1x Grundrhythmus (vorgegebenes bzw. selbst programmiertes Pattern) und 3x Variation pro Rhythmus. Das stimmt jedoch auch nur zum Teil, denn während „Disco“ wirklich 3 Variationen des Grund-Beats zur Verfügung stellt, bietet die Lateinamerika-Sektion rund um Tango, Rumba, Calypso, Samba etc. als „Variation“ quasi schon einen jeweils neuen Rhythmus. Wie dem auch sei: Die Anzahl der vorgegebenen Patterns ist wirklich ausreichend und bietet eine gute „Basis“. Was die „Art“ der Programmierung betrifft, darauf kommen wir noch zu sprechen …

Die kleine Schwester, Wersi CX1

Begleitsektion

Zwecks „harmonischer“ Unterstützung der flotten Beats gibt es eine BASS-, CHORD- und ARPEGGIO-Abteilung.

Bass verfügt (wahlweise) über Guitar, Synthe, Tuba

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Chord verfügt (wahlweise) über E-Piano, Guitar, Wah-Guitar, Strings oder Organ

Arpeggio schließlich zerlegt Akkorde eines der folgenden Instrumente: Brass, Clarinets (warum Mehrzahl?), Banjo, Bells oder Strings

Moll-Akkorde in der Begleitung? Minor-Button drücken …

Effekt-Sounds

Als echtes Highlight müssen wir nun kurz die „Effekt-Klänge“ in den Mittelpunkt stellen. Quasi als „Zugabe“ nach dem WERSIMATIC CX1, ist beim CX2 hier eine neue Tastenreihe hinzugekommen. Die 8 Buttons erlauben das einmalige, manuelle Abspielen von Samples. Besonders hervorzuheben sind „Aha“, „Olé“ und „Hey“. Echte Party-Knaller (mit sehr viel Nostalgie).

Programmierung in Theorie

CX1/CX2 können vielfältig programmiert werden. Mit dem „Sequenzer“ lassen sich ganze Stücke aufzeichnen (ich habe es nie getan), Rhythmen können beliebig frei programmiert werden (wobei es sogar die beliebten „Manual Drums“ gibt, quasi direkter Sound über die Taster), Intro/Break und Start/Stop sind natürlich ohnehin mit an Bord und für Arpeggios gibt es eine Vielzahl an Mustern (deren Anwahl-Methode ich bis heute nicht herausgefunden habe). Wie dem auch sei: Die Möglichkeiten sind – theoretisch – sehr vielfältig.

Unterschied von CX1 zu CX2: Die Effekt-Klänge (Reihe links oben)

… und Praxis

Selten habe ich mich über einen Drumcomputer so amüsiert wie über die Wersi CX2. Es beginnt damit, dass viele der programmierten Patterns in Wirklichkeit nie existieren könnten. Genauer gesagt: Manchmal ist ihre Umsetzung so weit entfernt von jeglicher „natürlichen Performance“ wie der chinesische Kleinwagen „QQ“ von einer echten Limousine. Ich würde gerne jenem Percussion-Ensemble begegnen, das von 16 Schlägen im Takt 15 Mal praktisch nichts zu tun hat und dann auf einen einzigen Schlag 27 Instrumente gleichzeitig bedienen muss (genau sowurden manche Rhythmen in der CX2 umgesetzt). Wirklich „viel“ (!) Ramba-Zamba – ungewöhnlich hektisch und nicht selten „möglichst viel auf einmal“. Wobei der angedachte Rhythmus – z.B. ein Marsch – als Ergebnis durchaus eher nach Afro oder Rock’n’Roll klingen kann denn als Marsch. Doch andererseits ist eben genau dies auch ein Genuss der „elektronischen Freiheit“ – jene Rhythmen zu erstellen, die es in natura nicht unbedingt gibt.

Die orange Beschriftung ist nicht wirklich optimal lesbar …

Das Amusementmancher über-dramatisierten Rhythmen findet in den Begleitmustern einen würdigen Partner. Auch hier passiert (in vielen Fällen) mehr als das Ohr verkraften kann. Wenn nun übertriebene Rhythmen und ebensolche Begleitszenarien (durch die geschmackvolle Kombination von Bells – Wah Guitar – Tuba, um nur ein Beispiel zu nennen) zusammentreffen, so ergibt sich im Gesamtklang schon wieder ein gewisses Charakteristikum, das man jedoch durchaus als „kultig“ beschreiben könnte.

Bauanleitung für talentierte Heimwerker

Und so kommen wir schon zur Sonnenseite von CX1/CX2. Zum einen ist es der starke „nostalgische“ Charakter ihres (komplexen) Klanggeschehens. Zum anderen ist man durch die vielfältigen Zugriffsmöglichkeiten jederzeit in der Lage, Rhythmen oder Begleitmuster „von Null“ weg aufzubauen. So kann man die Komplexität nach eigenen Bedürfnissen steuern und wird in vielen Fällen feststellen, dass „weniger mehr ist“. Die Samples der CX2 sollen 8-Bit Samples sein – ihr „eigener Charakter“ ist ihnen jedenfalls gewiss. Allerdings hat man sehr mit dem Speicherplatz – sprich der Länge der Samples – gespart. Beim Durchhören einiger Einzelinstrumente sollte dies gut zu hören sein …

Als weiteres Highlight von CX1/CX2 sind zwei technische Dinge zu nennen. Erstens ist es die „Lauflichtprogrammierung“ der Rhythmus-Instrumente. Nun, dies ist so nicht ganz richtig, doch mit „Lauflicht“ wissen die meisten Leser rund um das Thema Roland TR-808/TR-909 etc. etwas anzufangen. Dabei ist es ja nicht die Programmierung alleine, sondern vor allem die Darstellung der eingegebenen Noten/Werte beim Abspielen! WERSI hat dies insofern noch auf die Spitze getrieben, als jedes der Instrumente mit seiner eigenen LED ausgestattet ist und diese – entsprechend ihrer Programmierung – aufleuchten. Und zwar alle Instrumente gleichzeitig! Das ist ein Blitzlichtgewitter roter LEDs – Pressekonferenz gar nichts dagegen!

Werbung der WERSIMATIC CX1

Hier kommt wieder die erheiternde Seite ins Spiel, denn an sich „bringt“ diese (fürs Auge völlig wirre) LED-Blitzlichtaktion relativ wenig. Aber sie sieht äußerst spektakulär aus und ist – keine Frage – absoluter Kult! Zweites technisches Highlight ist die Panelbeleuchtung „von oben“, sprich: Gegenstück zur Notenpultleuchte der Orchestermusiker. Die Beleuchtung ist wirklich hervorragend und macht optisch was her!

Kryptisches Aufleuchten der LEDs bei laufendem Pattern

Anschlüsse

„Die Rückseite erklärt sich eigentlich von selbst. Der SUB D Stecker ist zum Anschluss an eine dafür vorgesehene Wersi Orgel oder ein Pedal. Der Start/ Stopp Eingang für einen externen Fußschalter. Der Output ist eine Stereo Klinke, die Instrumente sind im Stereo Panorama fest vorverdrahtet und ein Kippschalter kann dann noch auf Mono umschalten. Der DIN Tape Eingang / Ausgang dient zum abspeichern des internen Datenspeichers, ob eine Bandsynchronisation möglich ist entzieht sich mangels Anleitung meiner Kenntnis.“

(Quelle: http://www.drummachines.de/beatboxer/beatboxer/cx1.htm)

Nun, gerade der Stereo-Ausgang ist hochinteressant! Das ist in Ermangelung eines entsprechenden Stereo-Klinke-auf-2xMono-Klinke Kabels in den Soundfiles leider nicht zu hören. Die Instrumente von CX1/CX2 sind jedenfalls fest im Stereobild verteilt. Auch das ist ein kleines Feature, das deutlich macht, welch vielfältigen Möglichkeiten die WERSIMATICs (theoretisch) bieten.

Die Wersi CX1 on YouTube

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Fazit

Und? Wozu eine CX1 oder CX2? Zum musikalischen Glück ist weder die Eine noch die Andere nötig. Vermutlich jedenfalls. Die Sounds sind (zu) kurz geratene 8-Bit Samples, zusammengepackt in teils grotesken Rhythmen mit ebenso grotesken Begleitstimmen. Doch man kann geschickt sein und Spur um Spur ausblenden. Denn eines ist nämlich interessant: Grooooovig ist der Klang auf alle Fälle! Sehr „eigen“ und angenehm aufregend. Das Nachbauen der teils abartigen Begleitmuster/Arpeggios der CX2 durch andere Synthesizer wäre als Projekt für lange Winterabende bestimmt nicht von der Hand zu weisen. Kuriose Ergebnisse vorprogrammiert, so viel steht fest. WERSI CX1/CX2 können somit wohl auch in Zukunft ihren Platz in diversen Studios einnehmen: Als Nostalgie-Charmeure und Ideen-Lieferanten werden sie weiterhin den einen oder anderen wichtigen Impuls setzen.

 

Plus

  • eigenständiger Klang
  • guter Ideen-Lieferant für nostalgische Begleitmuster
  • kultiges Design
  • Stereo-Klangbild (mit entsprechendem Kabel)

Minus

  • keine externe Synchronisation vorgesehen
  • sensible Elektronik
  • Bedienung teils sehr komplex

Preis

  • ca. 200-250 Euro (nur am Gebrauchtmarkt erhältlich)
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Wie würde Spock sagen: Faszinierend!
    Soviel Charme habe ich selten gesehen. Das Gehäuse, die Beleuchtung, die Taster, der Sound… traumhaft!
    Und überhaupt, höre ich da im ersten Klangbeispiel ein Filter auf der Begleitung? Ist das etwa steuerbar? Und ist das ein Delay auf dem „Olé“ ?

    Na jedenfalls ist dieser Charmebolzen in die Wunschliste aufgenommen. Natürlich die CX2, wegen den digitalen Sounds… die werden dann erstmal austauschbar gemacht!
    Und eine gewisse Portion Circuit Bending würde bestimmt auch nicht schaden…

    • Profilbild
      Bloderer AHU

      Ja, wirklich ein ungewöhnliches Instrument. In einigen Klangbeispielen kommt ein externes Delay (Lexicon MPX100) zum Einsatz, wie auch beim Hörbsp. Nr. 1 (Olé). Regelbares Filter gibt es keines, doch ist die Wah-Guitar in der Begleitsektion einem modulierten Filterverlauf klanglich sehr ähnlich.

      Circuit Bending klingt interessant. Ganz wichtig wäre aber auch die Modifikation mit einem externen Clock-Eingang …

  2. Profilbild
    Dr.Funk

    Yes!!!! Timmy Thomas!!!
    Man beachte bitte auch den kreativen, innovativen und extrem funkigen Einsatz von Rhythmusboxen bei Sly & the Family Stone… Übrigends schon im Jahre 1970 auf „There’s a riot goin‘ on“ z.B. bei „Family Affair“!!!

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