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Blue Box: E&MM Spectrum Analog-Synthesizer

Charaktervoll, eigenwillig und interessant

18. Juli 2009

Der E&MM Spectrum Analog-Synthesiser von 1981

Dem E&MM Spectrum Synthesiserdürften viele Vintage-Freaks bisher noch nie begegnet sein. Er zählt zu den ungewöhnlichsten – und wohl auch rarsten – monophonen Instrumenten der Synthesizer-Geschichte.

Schon der Schreibweise ist zu erkennen, dass es sich beim Spectrum Synthesiserum ein britisches Produkt handelt. Der auf Synthesizer-Bausätze spezialisierte Hersteller Maplin fertigte die Kits zum Spectrum und bewarb das Instrument in den ersten Ausgaben der Zeitschrift E&MM (Electronics & Music Maker). Zunächst im Frühjahr 1981 und schließlich – eventuell zusammenhängend mit Lieferschwierigkeiten von diversen Bauteilen der Spectrum Bausätze – wieder zu Jahresbeginn 1982.

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Klang Marke „CEM“?

Der Spectrum Synthesiser ist durch seine Oszillatoren (2x CEM 3340), VCA (CEM 3330), VCF (CEM 3320) und die Hüllkurven (2x CEM 3310) ein in den wichtigsten klanglichen Elementen rein auf Curtis Chips basierendes Instrument. Einerseits bedeutet dies hohe Stimmgenauigkeit und Präzision im Klang, andererseits läuft der Spectrum damit Gefahr, im „Meer der weit verbreiteten CEM-Synthesizer“ wenig aufzufallen und ein „nicht sehr individuelles“ Klangbild aufzuweisen.

„Building blocks of the design are Curtis chips: […]. That should ensure reasonable stability and linearity (particularly compared with other kit synths from the preceding years[von Maplin, Anmerkung]), but maybe also means that it’s the same basic sound again, as on the Pro-One and good many other monosynths of the time. It’s not a bad sound, though…“ Forrest, Peter: The A-Z Of Analogue Synthesisers

Der Feststellung, dass der Sound des Spectrum „nicht schlecht“ ist, kann ich absolut zustimmen. Mehr noch: Die Vermutung, dass der Spectrum ein „angepasstes“ oder „nicht sehr individuelles“ Klangbild aufzuweisen hat, muss ich selbst widerlegen. Der E&MM Spectrum Synthesiser zählt aus meiner Sicht zu den charaktervollsten, eigenwilligsten und interessantesten Synthesizern, die je gebaut wurden.

Die wichtigsten Klangeinheiten auf einen Blick

Aufbau des E&MM Spectrum Synthesiser

Der grundsätzliche Aufbau des Spectrum ist ordinär: 2 VCOs, 1 VCF, 1 VCA, 2 ENVs, 1 LFO. So weit alles „Standard“ und dem von Peter Forrest genannten Pro-One absolut identisch. Doch ab diesem Punkt gehen der einstimme Prophet und E&MMs Spectrum eigene Wege. Während Sequentials Monophoner die Klangästheten mit einer durchtriebenen Modulationsmatrix verwöhnt, bietet der Spectrum eigenwillige Features und Modulationsroutings, die in der Synthesizerlandschaft selten – und in dieser Kombination wohl nirgends anders – anzutreffen sind.

Besonderheiten des E&MM Spectrum Synthesiser

Beginnen wir mit der Hardware. Als „Controller“ bietet der Spectrum einen Joystick, der in einer Achse fest dem LFO zugeordnet ist, sich in der anderen Achse jedoch der Filterfrequenz, der Pulsbreitenmodulation (!), beiden VCOs oder nur VCO1 bzw. VCO2 zuordnen lässt.

Immer schön: frei zuweisbarer Joystick Controller

Bei Bedarf kann der Joystick auch keinem Ziel zugeordnet werden (OFF) und dennoch zum Einsatz kommen, da die LFO-Zuordnung vom Panel aus über diverse Routings immer schaltbar ist und da sich seine Werte über eine gesonderte CV-Out Buchse abgreifen und extern nutzen lassen.

… hier die entsprechenden Funktionen dazu

Eine eigene Abteilung ist dem Bereich FM und SYNC gewidmet. Während bei FM die Dreieckswelle von VCO1 auf die Tonhöhe von VCO2 wirkt, stehen bei SYNC zwei unterschiedliche Arten der Oszillator-Synchronisation zur Verfügung. Sowohl FM als auch SYNC lässt sich via Poti stufenlos ein- bzw. ausblenden. Schon dieses Features ist in all seiner Flexibilität ein erster klanglicher Höhepunkt. Wir nennen es Sahnehäubchen Nummer 1.

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Die Spectrum VCOs …

Die beiden VCOs bieten einen weiten Frequenzbereich, was schon in der Anzahl der Fußlagen (2′ bis 64′) ersichtlich ist. Tonhöhenmodulationen können – abseits vom genannten FM – durch den LFO (+/-), die Hüllkurve (+/-) oder Noise erfolgen. Als Modulationsziel stehen die Tonhöhen von VCO1/2, nur VCO1 bzw. VCO2 sowie die Pulsbreite zur Verfügung.

In der Noise / RM Abteilung wird das Mischungsverhältnis zwischen Rauschen und dem Ringmodulator sowie die Lautstärke des ausgehenden Noise / RM Signals festgelegt.

 

Sahnehäubchen Nummer 2 ist das MultiMode Filter. Es bietet die Filterarten LowPass, LowBandPass (was auch immer das ist) und BandPass. Filterfrequenz, Resonanz und Key-Tracking lassen sich einstellen. Moduliert werden kann die Filterfrequenz wieder durch den LFO, die Hüllkurve oder Noise.

Spectrum Multimode Filter

Während die beiden Hüllkurven (interessanterweise einmal mit „Envelope Generator“ und einmal mit „Envelope Shaper“ bezeichnet) nicht spektakulär aussehen, kommt hier eine – zufällige oder beabsichtigte – Parallele zum EDP Wasp ins Spiel. Wir sprechen von der GATE Abteilung, die unterschiedlichste Auslösefaktoren der Hüllkurven erlaubt. LFO steuert die Hüllkurve in der Geschwindigkeit des Niederfrequenzoszillators, RPT bedeutet „Repeat“ und triggert die Hüllkurven in sich selbst.

Dies ist die Parallele zum EDP Wasp und Sahnehäubchen Nummer 3. Beide Envelopes werden – unabhängig von einander – zu eigenen Geschwindigkeits-Werkzeugen gemäß ihrem Hüllkurvenverlauf. Auto-Repeat kann in den Audio-Bereich gehen und – neben dem hochfrequenten Modulationsoszillator, Oszillator FM, Sync und RingMod – für Effektsounds der absoluten Sonderklasse sorgen.

Die möglichen Gate-Wirkungsweisen auf die Hüllkurven

Schließlich ist es noch die OUTPUT Sektion, die besonderer Erwähnung bedarf. Sie erlaubt Stereo-Panning des Ausgangs-Signals durch die Hüllkurve oder den LFO. Ein äußerst selten anzutreffendes Feature, das das Konzept des E&MM Spectrum Synthesiser erfolgreich abrundet.

Bei diesem Modell liegen die Ausgänge seitlich, bei vielen anderen Spectrums jedoch wie gewohnt rückwärts

Klang

Musikalisch gesprochen bedeutet der Spectrum Ekstase. Wenn ich für experimentelle und ausgefallene Klänge nur „einen“ Synthesizer auf die einsame Insel (mit Stromversorgung, bitte!) mitnehmen dürfte, so wäre es – neben dem ARP-2600, Sequential Pro-One, Teisco 100F und dem EMS VCS3 (den ich gar nicht besitze) – der E&MM Spectrum Synthesiser. Kaum ein Instrument bietet derart ungewöhnliche und – in fast allen Programmierstadien – „musikalische“ Sounds.

Die CV und Gate Verbindungen machen den Spectrum noch ein gutes Stück interessanter

Zwar beherrscht der Spectrum die Liga der schönen analogen Bässe und Leadsounds völlig mühelos, doch dafür ist er eigentlich fast zu schade. Für pulsierende, organische, mutierende und mit völligem Eigenleben gefüllte Klänge sollte man ihn einsetzen, das ist seine große Stärke. Schon die Auto-Repeat Funktion der beiden Hüllkurven kombiniert mit dem leistungsfähigen LFO sorgt für beinahe unendliche experimentelle Klangmöglichkeiten. FM, Sync und RingMod, MultiMode Filter, Stereo-Panning und der Joystick kommen ja noch hinzu, und schließlich lassen sich sogar externe CV-Spannungen auf Filter und andere Dinge einschleifen (um die Möglichkeiten des Spectrum zusätzlich zu erweitern).

E&MM Spectrum Synthesiser; Foto (c) by Jardini

Zuverlässigkeit

Kein Licht ohne Schatten. Der Spectrum ist ein Kit-Synthesizer. Nun kann man Glück haben und ein „sehr gut“ aufgebautes Instrument angeboten bekommen (was selten oder nie der Fall sein dürfte), oder man ist gezwungen, eine kleine „Baustelle“ mit Erwerb des Spectrum zu übernehmen. Ich habe zwei dieser Instrumente – keines funktioniert zu 100%. Hier sind die CV/Gate Eingänge beleidigt, dort funktioniert der RingMod nicht wie er soll, und bei keinem von beiden Synthesizern ist es je gelungen, die Stereo-Panning Funktion bzw. Stereo-Out korrekt abzugreifen. Was jedoch beiden gemeinsam ist, ist der hochwertige, gute und vor allem sehr eigenständige Klang.

Der E&MM Spectrum on YouTube

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Mehr Informationen

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Fazit

Der E&MM Spectrum Synthesizer zählt zu den ungewöhnlichsten und eigenständigsten Instrumenten der Synthesizer-Geschichte. Kaum ein anderes Instrument erzeugt derart organische und lebendige Modulationseffekte – vor allem jene, die sich stufenlos ein- und ausblenden lassen und so ein kontinuierliches Entwickeln und Verändern des Klanges über sehr lange Experimentierphasen hinweg erlauben. Prädikat: Empfehlenswert!

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Klangbeispiele
Forum
  1. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Schöner Bericht und tolle Klangbeispiele! Schade, daß es heute solche Bausätze nicht mehr gibt…

  2. Profilbild
    JensNieco

    Ich hätte zu gerne so ein sound.
    vielleicht kommt ja mal wer auf die idee das Teil zu emulieren…

  3. Profilbild
    elektronalin

    Schöne klare Obertöne – Siehe erstes Klangbeispiel – Durchsetzungsfähig und von den tiefsten bis zu den hohen Tönen klangliche Spitzenqualität!

    XCenter – Vielen Dank für den Link zum kompletten Servicemanual – Jetzt fehlt nur noch der Kontakt zu einem findigen Bastler der den Schaltplan auch in Hardware umsetzt.

    Schöne Klangbeispiele!

  4. Profilbild
    Cornel Hecht

    Die CEM ICs gibt es leider nicht mehr und wenn dann nur recht teuer ab und an auf Ebay & Co. Daher ist ein Nachbau heutzutage nicht mehr ganz so einfach.

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