Vielseitig. Putzig. Selten.
Heute haben wir mal wieder tief in unserer Archiv-Kiste gekramt und einen spannenden Vintage-Artikel hervorgeholt, der nichts an Aktualität verloren hat. Aufgefrischt mit neuen Bildern (danke an Turnlab.be) und Videos. Außerdem haben wir interessante technische Anmerkungen von Lesern im Artikel ergänzt. Nun dürfte der Korg 770-Artikel für Vintage-Liebhaber ein echtes Juwel sein.
Die Korg 770 History
Diesmal geht es um einen kleinen Analogen, dem man gelegentlich diverse Unwahrheiten und “interessante” verwandtschaftsmäßige Verbindungen nachsagt. Immerhin wird der Korg 770 gerne als “Vorfahr” des Korg MS-20 bezeichnet. Zwei VCOs, zwei Filter, Ring-Modulator, die Ähnlichkeit ist – puncto Technik – auch wirklich vorhanden. Zudem sieht der Korg 770 mit seinem schrägen Bedienpanel wie eine Entwurfsstudie zum MS-20 aus. Doch im Grunde hat das eine Ei mit dem anderen kaum etwas gemeinsam. Sie stammen letztlich aus zwei verschiedenen Epochen der Korg’schen Synthesizer-Entwicklung.
1976 auf den Markt gekommen, gehört der Korg 770 zu jener hervorragenden “frühen” Korg-Produktpalette, die sich durch äußerst eigenständige, ungewöhnlich aussehende und auch in ihrem Klang unverwechselbare Instrumente auszeichnet.
Zu nennen wären hier der Korg 700 (bzw. 700S), dessen Bedienelemente vorderseitig unterhalb (!) der Tastatur platziert wurden. Weiterhin der allseits bekannte Korg 800 DV (auch “Maxikorg” genannt), der zwei komplett unabhängige Synthesizer in einem Gerät verbindet. Letztlich wäre noch der Korg 900 PS zu nennen, ein eigenartig geformter Preset-Synthesizer mit langer Performance-Metallstange (“Touch Bar”) unterhalb des Keyboards. All diese Instrumente bilden eine Familie, die erst durch das Erscheinen der polyphonen, semimodularen Korg-PS-Synthesizer (ab 1977) bzw. der monophonen MS-Serie (1978) abgelöst wurde.
Obwohl der Korg 770 also einem Korg MS-20 und Korg PS-3100 ähnlich sieht, entstammt er dennoch einer früheren Generation. (Wir empfehlen hierzu auch unsere komplette Übersicht zu Korg-Synthesizern.)
Diese frühe Generation der Korg-Synthesizer hat Bewunderer, aber auch ablehnendes Publikum gleichermaßen gefunden. Immerhin ist die Signalführung teils etwas ungewöhnlich gestaltet, viele der Korg-typischen Termini auf den Panels bedingen Stirnrunzeln und zusätzliche Fragezeichen, die seitenverkehrte Polierung der Fader (Maximum = Fader oben = 0) verlangt flexibles Umdenken, Spielhilfen wie Wheels sucht man vergeblich und auch die Anschlüsse sind teils sehr spartanisch und eigenwillig ausgefallen. Korg war zu jenem Zeitpunkt eben noch eindeutig “anders” als die Konkurrenz – das hat nun Vorzüge wie auch ein paar weniger praktikable Seiten zugleich.
Ein Blick auf den Korg 770 Synthesizer
Der Korg 770 sieht schnuckelig und absolut “retro” aus. Die 2-Oktaven Tastatur ist sehr bescheiden gehalten, doch wiegen die qualitativ hervorragenden Potis das schon fast wieder auf. Es gibt Abbildungen der ersten PS-Prototypen (PS-3100 und PS-3300), die noch mit diesen Luxus-Drehknöpfen ausgestattet waren. Dann wechselte man bei Korg allerdings zu den in den folgenden Jahren verwendeten schwarzen Plastik-Versionen – jenen Potis, die vor allem durch die MS-Serie (bzw. dem SQ-10 Sequencer) bekannt sein dürften. Spielhilfen gibt es beim 770 – wie schon angedeutet – praktisch keine. Wie beim 800DV ist hier links und rechts der Tastatur nur Holz anzutreffen. Sieht elegant aus, vermindert aber natürlich die musikalische Flexibilität. Einzig Portamento ist gegeben, wenn wir das mal als Spielhilfe betrachten wollen.
Die Anschlüsse des Vintage-Klassikers
Die Anschlüsse sind auch sehr asketisch gehalten. CV/Gate sind zu jener Zeit leider noch nicht Standard bei Korg Produkten gewesen und so muss man heute entsprechende Nachrüstungen selbst machen (bzw. machen lassen).
- Die Anschlüsse…
Subtraktive Synthese im Detail
VCOs & Mixer
Obwohl klein in der Größe, ist der Korg 770 klanglich ziemlich ergiebig. Zunächst gibt es einmal zwei unabhängige VCOs, die über einen Mixer stufenlos gemischt werden können.
- VCO1 geht bis 64 Fuß hinunter
- VCO2 bietet experimentelle Klangmöglichkeiten
Während VCO1 eigentlich analoger Standard ist, bietet VCO2 – neben dem klassischen Sägezahn – zwei Arten der Ringmodulation sowie drei (!) Noise-Quellen: Scale, Pink und White.
VCO-Modulator
ist nun quasi das Pendant zu den fehlenden Spielhilfen. Vibrato kann stufenlos hinzugemischt werden (mit oder ohne Delay), eine Auto-Bend-Funktion erlaubt Pitch-Effekte von unten oder von oben kommend – wieder mit Delay und in seiner Intensität stufenlos einstellbar.
LFO
Der LFO ist übrigens nur durch einen Speed-Regler vertreten (Bedienpanel links oben). Eine Sinusschwingung ist alles, was es gibt und mehr als die Geschwindigkeit braucht man dann wohl nicht zu einzustellen.
Filter (LP und HP)
Das Filter ist eine etwas eigenartige und gewöhnungsbedürftige Konstruktion. Im Grunde sind es zwei parallele Filter (LP und HP), die ausschließlich in ihrer Frequenz – nicht aber in ihrer Resonanz – beeinflusst werden können. Filter-Eckfrequenz bedeutet hier “Traveler” und die “Expand”-Funktion entspricht dem Modulieren durch die (kleine) Hüllkurve.
Dies kann übrigens positiv und negativ erfolgen, für jedes Filter separat einzustellen. Auch der LFO darf die Filter beglücken, allerdings nur mit einer Sinusschwingung und das nur im tatsächlichen “Low”-Bereich. “Bright” stellt schließlich einen “Three Position High-Frequency Boost Selector” dar, was auch immer das nun sein mag. Der Klang wird hierdurch jedenfalls klarer und schärfer.
Zum oben gezeigten Bild des LPF und HPF gab es ebenfalls von einem Leser eine sehr interessante Anmerkung:
Auf dem Foto vom Traveller Filter wurden die Potikappen vertauscht! Normalerweise sind Sperren in den Potikappen für die beiden Fader eingebaut, so dass die Potis nicht aneinander vorbeigeschoben werden können. Dieses „Ausbremsen“ ist völlig sinnlos. Durch einfaches Umstecken der Köpfe gibt es kein „Ausbremsen“ mehr. Der Regelbereich wird dadurch erheblich größer, wie auch auf dem Foto zu erkennen ist.
Envelope
Die Hüllkurve sieht sehr ungewöhnlich aus, ist jedoch musikalisch gesehen gar nicht so schlecht. Mittels “Percussion” bzw. “Sustain” lässt sich die globale Ausklingzeit zunächst einmal sehr grundsätzlich festlegen. Verfeinerungen der Decay/Release-Kombination, “Singing Level” genannt, sind mittels eines eigenen Faders möglich. Neben der genannten globalen Einstellung “kurz” (Perc.) bzw. “lang” (Sust.) lässt sich die Wirkungsweise der Hüllkurve nochmals genauer festlegen und die Zeiten können verkürzt (x0.5) oder verlängert (x10) werden bzw. gleich bleiben (x1), was quasi der Standard-Einstellung entspricht. Die Triggerung ist natürlich über das Keyboard möglich, aber auch via LFO und extern (allerdings mittels eines 5-poligen Steckers, was abseits jeder Norm ist).
Nun ja und das war es dann auch schon.
Der Klang des Korg 770
Der Korg 770 ist erstaunlich vielseitig. Obwohl Filter und Hüllkurve keinesfalls “gewöhnlich” sind und auf den ersten Blick unvollständig erscheinen, ist die klangliche Flexibilität überraschend. Das parallele Einstellen der LP-HP Filterkombination erlaubt sehr weitreichende Nuancen, von völlig ausgedünntem bis massiv-bauchigem Klang. Die Hüllkurven packen sehr schön zu und die Preset-Schalter (x0.5 z. B.) finde ich gelungen. Damit ist man beim Klangerstellen ziemlich schnell und mit etwas Einarbeitung lassen sich langsam ansteigende Strings ebenso mühelos erstellen wie superkurze Electronic-Blips. Ein wesentlicher Teil des angenehm frisch klingenden Audiomaterials eines Korg 770 ist dem Ringmodulator zuzuschreiben. Je nach Tuning der VCOs (VCO1 geht bis 64’ hinunter!) und je nach Schwingungsform (“Scale Noise” findet man ja nicht alle Tage) ergeben sich hier beinahe unendliche Klangkombinationen, zumal entweder VCO1 den VCO2 modulieren kann oder umgekehrt (Typen Ring Mod 1 und 2). Natürlich wird es dann besonders interessant, wenn die VCOs wiederum durch den LFO oder AutoBend verändert werden.
Der Ringmodulator, der eigentlich keiner ist.
Der herrliche Ringmodulator ist eine Besonderheit der frühen Korg-Synthesizer, besonders ausgeprägt beim Korg 700 (700S), 800DV bzw. eben beim hier vorgestellten 770.
Wie uns ein fachkundiger Leser allerdings mitgeteilt hat, fällt beim Betrachten des Schaltplanes auf,
dass der Ringmodulator eigentlich gar kein echter ist, sondern eine Synchronisation der Oszillatoren.
Später blieb vom (Pseudo-)Ring-Mod nicht mehr viel übrig, denn die PS-Serie musste auf dieses Modul zur Gänze verzichten (bekam stattdessen aber einen unglaublich flexiblen High-End LFO mit ähnlich klanglichen Möglichkeiten auf den Weg), und beim MS-20 blieb nur noch eine einfach anwählbare Ring-Mod Einstellung bei VCO2 übrig (was aber auch schon gut und extrem wichtig ist).
So gesehen eigenen sich die frühen Korgs eben ganz ausgezeichnet für neue, frische Klänge, für Klangexperimente, zum Soundforschen, zum Entdecken.
Dieses etwas merkwürde Korg Gerät war der erste Synthesizer auf dem ich mal alleine spielen durfte. Irgendwie habe ich aber die Übersicht verlohren, denn der auf einmal auftauchende Supersound kam aus dem Stringorchester das mit meinem Ellenbogen streifte…
Dass das kein echter Ring Modulator sein kann, hab ich mir beim Lesen auch gedacht – schliesslich gibt es bei einem Ring Modulator bei 2 OSCs nur eine Möglichkeit: der Ring Mod produziert die Summe und Differenz der beiden Frequenzen… wenn einer der beiden OSCs den anderen wahlweise „modulieren“ kann, muss das tatsächlich entweder OSC Sync oder aber FM sein… danke für die Überprüfung durch den Schaltplan ;)
wer hat denn die letzten beiden tracks gebastelt. sehr süß wie ich finde. und die sounds extraklasse. seidigweich… hat echt nicht zu viel versprochen. mein ganz persönlicher vintage analog geschmack mitten ins herz getroffen das sonst den kleinen rolands 101, 202 gehört, von der ausrichtung her.
Ich hatte mal einen 770 als Leihgabe von einer benachbarten Band, bin aber nie richtig warm geworden damit. Die irritierende Kreativbremse der „Traveller-„Fader war dabei nur eine Sache…
schöne Review , das Biest ist noch immer ein Geheimtip und sauschwer zu kriegen, selbst mit Spendierhosen fast eineinhalb Jahre gebraucht und dabei nicht gescheut durch halb Germany zu tingeln.
Bringt melodische perkussive Klänge , Leads und Midbässe hervor die ich selbst aus einem Odyssey oder ein Mini nicht rauskitzeln könnte. Geheimtip das Ding einfach mit 12″ Bit oder etwas betagteren Sampler samplen und polyphon nutzen und der Spass beginnt.
Mittlerweile gibt es für den 770 (wie auch andere ganz alte Korg) ein auf ihn abgestimmtes, einfach zu installierendes MIDI- Interface (CHD Elektroservis K770-KBD). Habe es bei meinem 770 eingebaut und sehr zufrieden damit.
Geiler Sound. Und der schwarze Umbau sieht besser aus als die Holzseitenteile.
Harpoon Cables (www.harpooncables.com) machen immer noch auf Anfrage die Adapterkabel für den Anschluss eines modernen TRS-Expression/Volumen-Pedals mit dieser spezielle Korg 5 PIN-Buchse. Funktioniert mit allen alten Korg Synthesizern (z.B. PS-Serie oder eben auch mit dem 770).
Schmeißt doch nicht immer so willkürlich und im Dutzend mit dem Begriff „genial“ um Euch — ein putziger, kleiner Synthesiser mit recht eigenständigem Konzept und Klang, aber „genial“? Wenn das schon „genial“ ist, was ist dann geschnitten Brot? Oder das Einweckglas?
Meine Güte…
Besser? Wünsche dir einen genialen 2. Advent :)
Gut, daß es kein genitaler zweiter Advent wird…
euch
Genialer Korg 770, noch genialerer Poly 800, das genialste Tempo Dreirad (nicht von Korg), das Geniale am Superlativ ist das Mitmachen frei von jedweder Notwendigkeit.
Danke für den interessanten und schönen Artikel! Nachdem mich der Korg 770 von den Bedienelementen stark an meinen „ersten Synthesizer aller Zeiten erinnert“: könnt Ihr auch mal was über den Korg PE-1000 machen?
Das wird ein kurzer Bericht: „Möööööp!“ umschreibt den Klangcharakter ganz treffend.
Vom PE-2000 hatte ich mal zwei zur selben Zeit und ich betrachte dieses Instrument als unverzichtbar; beim PE-1000 war ich nur froh, daß es jemand abholen kam und ich in etwa meinen Einkaufspreis wieder rausbekommen habe.
Heh, für den PE-1000 hatte ich seinerzeit 70DM gezahlt, also sollte das mit dem Einkaufspreis nicht so schwer sein.
Ich habe 1995 350 DM dafür auf den Tisch gelegt und es sieben Jahre später für knapp 200 Euro auf eBay verkauft, nachdem es drei oder vier Jahre hochkant in der Ecke gestanden hatte.
Für eine Weile war es ganz nützlich, aber die Weile war nur recht kurz.
Das Tempo Dreiradauto der Synthesizer
Stimmt nicht — das Tempo Dreirad ist stabiler in den Kurven.
Mich hatte der Anblick des Tempo Dreirads damals als Kind in den 50er-Jahren schon unendlich gedauert.
Hatte das hübsche, kompakte Gerät einige Zeit. Ich würde den Grundsound, trotz der vielversprechenden Features, als ziemlich dünn, im besten Fall als charmant, weil buzzy und ringy bezeichnen. Vom deutlich durchsetzungsfähigeren Sound des Vorgänges und ikonischen Bassmonstes Minikorg 700s leider keine Spur. Sogar der Micropreset M500 hat nen zwar limitierten, aber volleren Klang. Kann die Bewertung „Hervorragender Sound“ so gar nicht nachvollziehen.
Ich würde nicht sagen, daß der Sound des 770 im Vergleich zum 700S abfällt… er ist nur ein anderer. Der Sound is mehr „übersteuert“, mehr „modern“ könnte man fast sagen… wie ein echter Vorgänger des MS-20. Aber ich selber habe damals beide verglichen (Korg 770 und 700S) und den 770 verkauft, weil ich meinte, der 700S reicht mir für diese Art von Sounds. Mittlerweile bereue ich das… es ist eine echt nette Kiste mit eigenem Charme, aus der man immer wieder eigenständige Klänge hervorlockt. Und wie putzig der kleine aussieht… :-)