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AHU-Interview Michael Hauter alias Wellenstrom

18. August 2017

Über die AMAZONA.de-AHU-Aktion stellen wir euch nach dem Motto „10 Fragen – 10 Antworten“ regelmäßig unsere treuesten Leser vor. AHU? Das steht für AMAZONA HEAVY USER und ist quasi der Ritterschlag für Leser, die uns mit Kommentaren und Leserbeiträgen unterstützen. Wer mehr dazu wissen möchte, klickt einfach HIER. Heute sprechen wir mit Michael H. Ein echter Autodidakt, der ganz nach dem Motto „Art for art’s sake“ betreibt. Hier geht’s direkt zu seinem AMAZONA-Profil.

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Amazona.de:
Erzähl uns doch zunächst etwas über dich.

Michael:
Da gibt es nicht viel. Normaler Typ, Mittvierziger, der irgendwann mal auf den Trichter kam, Musik zu machen. Autodidakt, der sich eher von den Instrumenten beherrschen lässt, als dass er sie beherrscht. Beruflich nicht in der Musikbranche aktiv, was auch gut für mich ist, um im Lot zu bleiben.

Ich bin Jahrgang 1971 und habe meine prägendsten Jahre im Herzen des Ruhrgebiets erlebt.  Die Industriearchitektur, die schlichte, rationale Zweckbezogenheit der dortigen Stadtbilder und die bauliche Tristesse werden wohl von klein auf den eigenen Sound und die Vorstellung von Klanggebilden mitgeprägt haben. Wäre ich an der  See oder in den Alpen aufgewachsen,  wäre ich wohl heute ein Mitglied im Shanty Chor oder ein begeisterter Schuhplattler.  ;-)

Musikalisch gefördert von Haus aus wurde ich nicht, das kam irgendwann aus eigenem Antrieb heraus. Bin auch eher ein Spätstarter.

Das Projekt Wellenstrom erklärt im Namen schon alles. Im Wesentlichen ist/war es elektronische, „stromgenerierte“ Musik, die ihren Anfang direkt in einem Heimstudio an der Weser, auf die ich blicken konnte, nahm. Auch die Weser ist bekanntlich ein Strom. Strom, Wasser, Welle. Auf Begriffe wie Wellenformen und Schallwellen muss ich nicht weiter eingehen. Dieser Projektname ist  sozusagen eine Melange aus subjektiver Wahrnehmung der Flusslandschaft am (damaligen) Studio und physikalischer Begrifflichkeiten, die sich aus Musikelektronik und Akustik zusammensetzen. Nach und nach kamen Gitarre und Bass mit rein, was sich vielleicht durchaus bereichernd auf das Songwriting ausgewirkt haben mag.

Amazona.de:
Wann hast du angefangen, selbst Musik zu machen?

Michael:
Mitte/Ende der Achtziger ‘ne Tischhupe geholt. Erste MIDI Spielereien mit Klangerzeugern im MIDI Verbund, später mit ersten Audioprogrammen im ATARI ST rumprobiert. Ernsthaft Musik gemacht aber erst irgendwann in meinen Zwanzigern. Erste Aufnahmen mit Kumpel und einem Mehrspurrekorder gemacht und mit diesem dann in ‘ner Spaßcombo (Rock oder so was ähnliches mit deutschen Fun-Texten), gemukkt. In den 90ern hatten wir sogar ‘nen kleineren Kultstatus in Ostwestfalen. Nach der ersten Studio CD bin ich ausgestiegen. Die Bühne war nie wirklich mein Ding, es war für mich sogar eher befremdlich, mich vor Leuten zu produzieren. Außerdem stand mir nie der Sinn nach Proben, Üben und so’n Zeugs. Hab‘  da auch heute noch diese Punkeinstellung. Musik wird nur gemacht, wenn ich spüre, dass sich wieder so viel angesammelt hat, dass ein neuer Track dabei rauskommt.

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Wichtig war mir immer der kreative Prozess des Klangschraubens, der Beatprogrammierung, des  Songwritings, nie das Reproduzieren eines Songs auf der Bühne, weil das meiner Auffassung  nach  eine reine Verkaufs- und Promotätigkeit ist. Daran war ich nie interessiert. Auf einer Bühne wäre ich nicht mehr ich selbst, nur eine  Reflektion der Bedürfnisse und Erwartungen Anderer.

Amazona.de:
Welche Art von Musik hat dich am meisten begleitet, inspiriert und letztendlich beeinflusst?

Michael:
Ursprünglich am meisten inspiriert hat mich die elektronische Musik der 70er (Düsseldorfer Schule) Kraftwerk, NEU!, Cluster, (die irgendwo zwischen Berliner und Düsseldorfer Schule stehen), Harmonia und der New Wave mit gewissen Bands aus dem Sheffielder Raum (The Human League, Heaven 17, ABC, Clock DVA, Cabaret Voltaire) sowie Bands aus der Factory Umgebung Manchesters von Tony Wilson (Joy Division, New Order etc.) bis hin zu kommerzielleren Bands wie Blondie. Andererseits auch Musik mit psychedelischen Elementen (Beatles der Spätphase, The Doors, Silver Apples…) und Protopunk (Velvet Underground, Iggy Pop usw.), Art Pop a la Japan usw.

Für die eigene „musikalische Entwicklung“ spielte vor allem „Being Boiled“ eine enorme Rolle. Weil ich in diesem Song die einfachen Strukturen des Songwritings erkannte und die Relevanz der Soundgestaltung, die Zutaten, die simpel sind und doch sehr effektiv auf den Hörer wirken. Dann kamen noch andere Bands hinzu (siehe Soundcloudprofil), die ich hier aber nicht alle aufzählen kann. Wichtig zu erwähnen ist vielleicht auch noch, dass mich die Musik aus John Carpenter Filmen inspirierte, von „Dark Star“ an  über das Theme von „Assault on Precinct 13“ bis zu den Filmen, die er bis etwa „They live“ machte. Generell inspiriert(e) mich aber nicht nur Musik zu eigenen Songs, es konnten/können  auch einfach Comics, Filme, Eindrücke aus Kunst und Natur sein, die „musikalische Bilder“ in mir erzeug(t)en. Reine Literatur hingegen weniger. Da fehlen mir die „Snapshots“ die musikalische Impulse freisetzen können. Es bedarf Bilder oder tief empfundene Eindrücke,  die umgesetzt werden können. Auch politische und gesellschaftliche Themen inspirieren immer wieder mal – ich sauge es auf, beschäftige mich damit tiefer, da gärt dann was und es mündet schließlich in einen recht explosionsartigen, kreativen Prozess. Es sind äußere Einflüsse und Vibes, die die Musik formen. Als Musiker bündelt man sie nur und gibt ihnen eine andere Form. Ich bin der Überzeugung, dass die Fähigkeit dazu in (fast) jedem liegt. Man muss halt nur einen Teil der Zivilisation abstreifen und wieder seine Urinstinkte finden und wecken.Die Liaison mit dem dann entstehenden Song währt bei mir aber nicht lang. Ich setze mir da schon eine gewisse Frist. Die Leidenschaft für das eigene Werk steigt ja nicht gerade mit zunehmender Detailarbeit.

Amazona.de:
Welche Musiker haben dich geprägt?

Michael:
Wie schon erwähnt. Kraftwerk, weil hier Musik mit Konzept geschaffen wurde und mit den gängigen Klischees von Rock ’n‘ Roll gebrochen wurde. Von den elektronischen Innovationen in der Musik ganz zu schweigen.

The Human League  –  sie erweiterten  m.E.  das Electropopkonzept von Kraftwerk und Co., machten diese Musik tanzbarer und  behielten zumindest zeitweise über die ersten Alben einen kulturellen und intellektuellen Wert bei, holten noch ansprechendere Klänge aus ihren Synths raus (hatten nicht mehr diese teutonische Steifheit drin wie ihre deutschen Vorbilder), vermischten den Geist des Punk mit Elektronik. Dazu auch noch die bemerkenswerte Verbundenheit zu ihren Wurzeln (Arbeitermilieu, Provinz)  trotz aller Versuchungen und Verlockungen im Biz, sich nicht von der Provinz abzuwenden und „global“ zu denken.

David Sylvian, Scott Walker, Mark Hollis, Klaus Dinger, Bands wie Throbbing Gristle, The Durutti Column, Adrian Borland, Julian Cope,  u.v.a.– musikalische  Grenzgänger, die immer auch Grenzen des  Mainstreams überschritten und einen eigenen ästhetischen Ausdruck formten.

Produzenten  wie Conny Plank oder Martin Hannett. Musikalisch denkend und visionär.

Kulturkatalysatoren  wie Tony Wilson und Daniel Miller.

Und im Hintergrund meines Schädels plätschert beim Songwriting auch immer ein bisschen  diese quasi mathematische Erhabenheit Bachscher Musik (nicht, dass ich sie beherrschen würde, aber man weiß darum, dass man sich bemühen sollte, in klaren Strukturen zu bleiben)

Amazona.de:
Was waren deine ersten eigenen Anschaffungen?

Michael:
Tatsächlich Yamaha Tischhupen der PSS und PSR Serie. Die hatten zu der Zeit sogar recht interessante Varianten der Klangerzeugung (FM Synthese mit – hehehe- 2 Operatoren, oder Vektorsynthese für Arme).

Amazona.de:
Hast du ein Lieblings-Equipment?

Michael:
Nein, nicht wirklich. Im Heimstudio findet alles irgendwo seine Verwendung und hat seinen Platz. Am wichtigsten ist mir vielleicht die Schaltzentrale des Studios. Der PC, dessen Audioperipherie und die DAW. Ansonsten reicht mir auch der Kamm zum Reinblasen oder ‘ne Billigklampfe für 100 Euro.  Percussion habe ich hier auch ein bisschen am Start. Alles, was Synth und Drums ist, ist VSTI Zeugs. Bei den Synths  liegen meine Vorlieben in der Regel bei den Emulationen von alten Charakterviechern (PPG Wave, Oscar, Moogs, ARPs, Oberheims, Prophet). Auch wenn es nur Voodoo ist, aber ich brauche eine „historische“ GUI und die Geschichte der Synthesizer beim Basteln der Sounds und beim Einspielen. Kleine psychologische Effekte, die mir einen Kick geben. Habe allerdings in letzter Zeit mit der Anschaffung von  Softsynths  übertrieben, so dass mich die Frage nach dem passenden Synth für Part x oder y durchaus in der Kreativität derzeit behindert.

Amazona.de:
Hast du auch Live-Bühnenerfahrung?

Michael:
Ja, allerdings war das letzte Mal irgendwann in den 90ern. Wie gesagt, das ist nicht meine Welt.

Amazona.de:
Komponierst du auch selbst?

Michael:
Ausschließlich. Ich covere nicht. Auf Anfrage habe ich auch mal in anderen Projekten mitgewirkt für den Gesang z.B.

Ich bin, musikalisch betrachtet, ein ziemlicher Eigenbrötler und von mir aus auch gar nicht an Kooperationen interessiert. Je mehr man im Alleingang macht, desto authentischer ist das „Produkt“.

Zu meiner Auffassung von Songwriting gehört, dass alles, was man zu hören kriegt, wirklich  eigenhändig  geschraubt und eingespielt, gesungen und getextet wird. Denn der Song beginnt schon auf „atomarer“ Ebene, mit dem einzelnen Klang und dessen Struktur. Lediglich bei Drumsounds verwende ich häufiger mal One Shot Samples, die dann aber händisch eingekloppt und natürlich auch immer bearbeitet  werden. Das Rumwerkeln mit Drumsynths ist zwar häufig mit drin (manchmal auch Tracks mit komplett zusammengebauten Drumsynthsounds), aber oft recht mühselig und zeitintensiv.  Vor allem passende  Kicks und Snares   zu schrauben, ist sehr frickelig. Bei FX Percussion ist es dann schon einfacher. Es ist zwar heute so leicht, sich etwas zusammen zu schummeln und zu klauen, mit Baukasten-Loops und Patterns zu arbeiten…. Alles nicht mein Ding. Bei den meisten meiner Synths kenne ich nicht mal die Presetbänke. Kurz: die „Komposition“ beginnt nicht auf tonaler Ebene oder gar mit einer Vorstellung von Akkorden, sondern mit dem puren Klang von Bass Drum und Snare, einen geschraubten Synthbass (oder einen echten) und einen „exklusiv“ geschraubten Leadsound, einem Pad oder irgendetwas, mit dem man eine kleine Melodei einfliegen lassen kann. Vom Rhythmusfundament über das Bassgerüst, hin zum Dach wo sich Leads und Pads etc. miteinander harmonisch verbinden. In den seltensten Fällen werden direkte Akkorde eingeklimpert. Macht m.E. auch das Mischen erheblich leichter.

Da ich ein mieser Gitarrist bin, ist da auch nicht mehr als Powerchords oder Singlenoteseinlagen drin. Soli kann ich nicht wirklich, mache ich nicht und sind für mich in einem Song auch generell irrelevant. Aber ich schätze den Sound von Gitarren sehr. Sie inspirieren mich durchaus auch zu dem einen oder anderen Schlenker, den ich sonst nicht machen würde. Ich würde generell den reinen Synthetikern hier nahe legen, sich so ein Ding zu schnappen und damit etwas auf elektronische Tracks zu rotzen. Und nein – auch Gitarre spielen muss man nicht lernen für das Songwriting.

Authentizität hat da für mich absolute Priorität. Insofern ärgert es mich schon etwas, wenn Leute, die von diesen Vorgängen keine Ahnung haben, abschätzig vom „Computermukker“ sprechen. Im Prinzip ist der Computer mit der DAW ja nichts anderes als ein Notenblatt, eine Bandmaschine und ein Orchester, das reine und perfekte Werkzeug für den modernen Songwriter/Komponisten.

Texten und Einsingen sind meine ungeliebten Stiefkinder in der „Produktionskette“. Im Projekt häufig hinten angesiedelt und es macht mir (derzeit) am wenigsten Spaß. Aber man ist ja songorientiert… so kommt man nicht drum rum.

Amazona.de:
Hast du ein eigenes Studio / eigene Band / eigene Stücke?

Michael:
Ja, siehe oben. Mein Ein-Mann-Projekt Wellenstrom. Leider musste ich vor einigen Jahren mein komfortables „Weserstudio“  im großen Haus gegen ein niedliches, kleines Wohnküchenklobutzenstudio in der Altstadt eintauschen.  Ich mag es, muss  aber aufpassen, dass die Nachbarn in dem hellhörigen Haus nicht mit den akustischen Ergüssen in Endlosschleife genervt werden.

Amazona.de:
Gibt es Kostproben deines Könnens?

Michael:
Nicht nur Kostproben. Mein Zeugs befindet sich auf Soundcloud. Eine kommerzielle Ausrichtung habe ich nicht. “Art for art’s sake“ sozusagen. Nebenher mache ich auch ein bisschen Sounddesign und stelle die Klänge auf Freesound bereit. Einiges davon findet sich mittlerweile  in (Low Budget) Filmen oder in kleinen Online- und Handygames. Vor allem Drones sind sehr gefragt. Es ist schön zu sehen, wie andere Kreative mit  zusammengesammelten Freesounds ordentliches Material für Ihre Filme zusammenbekommen. Ein Favorit zu einem Dronesound von mir ist z.B. ein Kurzfilm, der sich durchaus mit einem frühen Lynch oder Cronenberg Film vergleichen lassen kann. Ich war erstaunt über die doch recht professionelle Kamera und Tricktechnik und wie gekonnt  die jungen Leute da das Sounddesign gehändelt bekommen haben.

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    4finger

    Sehr schönes Interview. Ich mag solche Einblicke in das Leben anderer. Jedoch endet das Ganze für meinen Geschmack zu vorschnell. Ich hätte mir sowas wie ein persönliches Schlusswort gewünscht.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Hi, 4finger! Freut mich, dass Dich das nicht zum Einschlafen gebracht hat. :-)

    „Ich hätte mir sowas wie ein persönliches Schlusswort gewünscht.“

    Ehrlich gesagt, wäre mir vermutlich keines eingefallen. Mein Leben besteht eh nur aus Zwischenfaziten. Man lernt nie aus, bis zum Ende…. erst dann werde ich klüger sein.
    Aber dann kann man nix mehr mitteilen, was man als Schlusswort mitgeben könnte. ;-)

    • Profilbild
      AMAZONA Archiv

      @Dirk Matten Vielen Dank! Freut mich, dass es Dir gefällt.

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