David Sylvian – Metamorphosen (Teil 1 – Die Jahre mit Japan/ Rain Tree Crow)
Vom Postglamrocker zum Klangweltenmaler
Die frühen Jahre und die ersten Alben
Die musikalische Reise von David Sylvian begann 1974, als er mit seinem Bruder und Schulfreunden im Teeniealter, beeinflusst vom Glamrock David Bowies und Roxy Music eine Band ohne Namen gründete, die später Japan heiße sollte.
Der junge, schmächtige und schüchterne Londoner, der eigentlich David Alan Batt (*23.02.1958) heißt, übernahm recht schnell die Verantwortung für das Songwriting und den Gesang, der zu Beginn bei ihm und dem Bassisten und Saxophonisten Mick Karn (*24.07.58 als Andonis Michaelides – gest. 04.01.2011) lag. Sein Bruder Steve Jansen, eigentlich Stephen Batt (*01.12.59), spielte die Drums, Richard Barbieri (30.11.57) übernahm das Tastendrücken.
Richard Barbieri wird Einigen vielleicht auch als Keyboarder der später zur Kultband avancierten Porcupine Tree bekannt sein. Als Gitarrist gesellte sich etwas später noch Rob Dean (23.04.55) dazu. Als Japan zunehmend elektronischer wurde und kein wirklicher Bedarf mehr bestand für einen 2. Gitarristen (David Sylvian ist Sänger, Keyboarder und Gitarrist) nahm dieser jedoch seinen Hut. Das bekannteste und erfolgreichste Album Japans, Tin Drum, wurde ohne Rob Dean eingespielt. Rob Dean sollte später auch noch, wie z.B. auch Mick Karn, an einigen Songs von Gary Numan mitarbeiten. Heute widmet sich Rob Dean der Ornithologie und hat heute mit Musik eigentlich nix mehr am Hut..
Anfangs noch ohne Namen nannte sich die Band dann schlicht Japan. Den ersten Plattenvertrag gewann Japan bei einem Talentwettbewerb. Gelauncht wurde dieser von Hansa. Es heißt, Japan habe sich hierbei gegen The Cure durchgesetzt, die damals auch auf Labelsuche waren.
Jedoch entsprachen Japan, trotz recht großer Popularität in Japan z.B, erst mal nicht dem Zeitgeist der Spätsiebziger. Während die europäische Jugend anfing, Pogo zu tanzen und sich zu New Wave verrenkten und mit dem Glamrock und -pop a la Bowie und Roxy Music nicht mehr so viel anfangen konnte, blieben Japan relativ nah am Ideal der Zeit, in der sie sich gründeten, auch wenn durchaus gängige zeitgeistige Moden in ihren frühen Tracks zu finden waren.
Doch schon die frühen Alben bewiesen das Songwritertalent von Sylvian, eine recht große Bandbreite und ein enormes Performancepotential der Band. Mit der Art, wie sie sich kleideten und schminkten, sollten sie die Prototypen des New Romantics werden..
Aber- wie schon angedeutet – der große Durchbruch blieb während der frühen Hansa Jahre aus und die ersten beiden Alben Adolescent Sex und Obscure Alternatives bekamen mäßige Kritiken und verkauften sich – mit Ausnahme vom japanischen Markt – eher mau.
Frühe hörenswerte Stücke dieser Alben:
Television
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sometimes I feel so low
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Suburban Berlin
https://www.youtube.com/watch?v=ErbbgWZQ9Qs
Die Suche nach dem eigenen Stil
1979, nach der Zusammenarbeit für die ersten 2 Alben mit Ray Singer, begann eine stilistische Umorientierung der Band. Hier fallen einige Produzenten in ihrem Umfeld auf, die neue Impulse freisetzten, wie
Giorgio Moroder, mit dem sie die Single Life in Tokyo aufnahmen und der sie noch eine Spur elektronischer werden ließ.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
und Simon Napier-Bell und John Punter, mit denen Japan ihr letztes regulärer Studio-Album für Hansa aufnahmen.
Nun horchten auch de Kritiker auf. Die Rezensionen wurden besser.
Die Single Quiet Life des gleichnamigen Albums, sollte 2 Jahre später, 1981, wiederveröffentlicht, im Zuge des dann einsetzenden Erfolges der Virgin Jahre, noch mal ein veritabler Top 20 Hit in UK werden.
Quiet Life
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
hier hört man gut, woran sich dann später aufkommende New Romantic Bands wie z.B. Duran Duran orientierten. Mit diesem Album setzte Japan schon erste, eigene Marken.
Später soll David Sylvian in einem Interview mal geäußert haben, dass ihm sein Songwriting der frühen Jahre heute nicht mehr tangiere, weil er als Musiker zu dem Zeitpunkt noch nicht die künstlerische Reife entwickelt hatte. Man hört durchaus sehr gut heraus, dass er sich als Sänger zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich fand. Stilistisch haben sich Japan noch nicht ganz freigeschwommen – auch wenn die Band spielerisch schon hier und da glänzen konnte (siehe Mick Karns prägnantes Bassspiel z.B.) Doch das sollte sich mit dem Labelwechsel zu Virgin ändern.
Das Finden des eigenen Weges, Durchbruch & Erfolg
1980 erschien mit Gentlemen Take Polaroids das erste Album unter der Virgin Flagge.Einerseits kamen die Jungs von Japan mit diesem Album näher an ihre eigenen musikalischen Ursprünge und andererseits entwickelten sie diese weiter und pressten diese in eine neue Form. So wie David Bowie sich mit Low neu erfand, so entwickelten Japan mit diesem Album eine neue Facette ihres künstlerischen Schaffens. Unter der Regie von John Punter, transportierten sie den „intellektuellen Dandystil“ der frühen Roxy Music in den Zeitgeist der 80er. Kritikervergleiche mit Roxy Music und Brian Eno lagen da also nah. Und diese fielen durchgehend positiv aus.
Neben waviger Neuauflage eines Smokey Robinson Hits, fanden sich poppige Stücke, etwas düster Experimentelles oder ein Satie-ähnliches Stück. Und hier findet sich zum ersten Mal eine Kooperation, die sich auch in Zukunft als tragfähig und musikalisch befruchtend erweisen sollte: Die Zusammenarbeit zwischen David Sylvian und Ryuichi Sakamoto (Taking Islands in Africa). Zugleich stellt dieses Album aber auch eine weitere Zurücknahme der Gitarre im Songwriting, Performance und Arrangement dar und so trennen sich Japan und Rob Dean nach diesem Album.
Die Synthesizer auf diesem Album haben hingegen einen großen Umfang, als da wären:
ARP Omni, Roland System 700, Oberheim OB-X, Minimoog, Micromoog, Polymoog, Prophet 5, Jupiter 4.
Zwei Tracks daraus, die einen Hinweis auf das verwendete elektronische Arsenal geben und wunderbar für die sich weiter entwickelnde Klangästhetik von Japan – und David Sylvian – zu dieser Zeit stehen:
Burning Bridges
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Taking Islands in Africa
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Höhepunkt, Fall und flammendes Echo Jahre später
1981 sollte sich zum Höhepunkt des kreativen und kommerziellen Schaffens der Band entwickeln. Mit Tin Drum veröffentlichte Japan ein Album, das selbst den hartgesottensten New Wave Fans, die es ja gewohnt sind, mit verschiedensten Stilistiken in einem Track konfrontiert zu werden, ungewöhnlich erschien. Denn hier verschmelzen westeuropäisches Songwriting, (damals) moderne Elektronik, afrikanische Flöten, Didas mit ostasiatischen Musikelementen – und das gekonnt.
Und obendrein präsentierte uns Japan daraus einen außergewöhnlichen, faszinierenden Song – der mit atonalen Elementen spielt und trotzdem ins Ohr geht – als Single, die es unglaublicherweise bis auf Platz 5 der offiziellen UK Charts schafft. Es war dieser Song, von dem Sylvian später sagen wird, dass er in diesem seine eigene musikalische Stimme gefunden habe.
Ghosts
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Doch der stetig wachsende und erarbeitete Erfolg der Band fand ein jähes Ende 1982/83. Persönliche Differenzen zwischen Mick Karn und David Sylvian entstanden (Mick Karns Freundin Yuka Fujii verlässt ihn und beginnt eine Beziehung mit David Sylvian). David Sylvian hatte außerdem das Problem, vergleichbar mit John Foxx zuvor bei Ultravox, dass er nicht weiter die Verantwortung als Frontmann und Hauptkreativer einer ganzen Band tragen wollte. Die Band selbst wollte auch keine Vorgaben des Labels erfüllen, zum Aushängeschild einer New Romantic Bewegung zu mutieren, die sie zum „Pin Up“ a la Duran Duran für Teenieträume marktschreierisch degradiert.
Mitte 1983, nach der Trennung, wurde noch das (Semi) Live Album Oil on Canvas veröffentlicht.
Die Bandmitglieder blieben alle der Musik treu in diversen Projekten, als Begleitmusiker, Studiomusiker usw.– die Liste der diversen musikalischen Kombinationen ist lang, hörenswert, zum großen Teil aber leider relativ unbekannt, der Kontakt blieb untereinander bestehen. Mick Karn arbeitete hier und da mit Kate Bush, Gary Numan, Peter Murphy, Midge Ure usw. zusammen. Einträge aller Bandmitglieder zu diversen Kollaborationen finden sich z.B. unter Discogs. Da möge der Interessierte selbst mal reinschauen und Perlen entdecken. Wäre zu lang und umständlich, da alles aufzuführen und aufzubröseln.
Hier könnte die Geschichte der Band Japan nun zu Ende sein – wenn sie sich nicht in Komplettbesetzung zu dem Projekt Rain Tree Crow 1989/90 noch einmal zusammengefunden und ein exquisites Album herausgebracht hätten. Der Druck des Labels war wohl enorm, die Aufnahmen waren recht hoch budgetiert, einige herausragende Mitmusiker wurden engagiert wie Bill Nelson (der zuvor auch schon in der Post-Japan Ära mit David Sylvian zusammenarbeitete – doch dazu im nächsten Teil mehr). Das Album zeigt auf, dass nochmal ein Reifungsprozess in den dazwischenliegenden Jahren bei den Musikern stattgefunden hat – die ehemaligen Bandmitglieder von Japan haben dort mehr ihren Teil der kompositorischen Verantwortung neben David Sylvian wahrgenommen. Mich erinnert das Album tendenziell an die Entwicklung, die Mark Hollis z.B. in seinem einzigen Soloalbum, genommen hat. Keine Schönfärberei, keine Effekthascherei – Konzentration auf Klang und Komposition. Schaffen von Bildern und Atmosphäre.
Trotz allem verkaufte sich das ziemlich unzeitgeistmäßige Album in UK relativ gut und es gab sogar einen kleineren Singlehit.
Blackwater
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Bevor es mit dem 2. Teil demnächst weitermache, möchte ich noch mal explizit den Leser auf das Leben und Wirken des leider viel zu früh verstorbenen Musikers Mick Karn hinweisen, der mit seinem wunderbar melodischen Bassspiel, aber auch mit seiner wunderbaren Arbeit an Klarinette, Saxophon, usw. viele Musiker inspiriert hat. Egal, wo er mitspielte, man hörte die Einzigartikeit, die Virtuosität seines Spiels immer heraus. Und nebenher war er auch ein sehr begabter bildender Künstler.
Damit verweise ich auf seine noch immer bestehende Website, die die Einzigartigkeit dieses Künstlers im Ansatz wiedergeben kann.
https://mickkarn.net/sculpture
Die Alben „Gentlemen take Polaroids“ und „Tin Drum“ gehören für mich zum Besten, was Anfang der 80er Jahre veröffentlicht wurde. Ich finde auch, speziell Tin Drum ist sehr gut gealtert. Diese Klangcollagen nehmen mich immer noch gefangen. Barbieri, der von sich sagte, dass er nie mit den üblichen Keyboard-Wizards hätte mithalten können und sich deshalb aufs Klängeerforschen verlegte, Karn, dieser geniale Autodidakt am Bass, dazu diese eigenartig gurrende Stimme Sylvians. Großartig! Ganz toll auch, lieber Wellenstrom, wie Du das hier ausgebreitet hast. Nein, zu Teenie-Idolen wie Duran Duran wollten sich Japan beileibe nicht degradieren lassen. Dass Karns Freundin mit Sylvian rumgemacht hat, wusste ich nicht. Das ist für keine Band gut.
Freue mich schon auf den zweiten Teil. Sylvians Solo-Karriere birgt noch viele Perlen!
@costello Vielen Dank für das Lob. Kann jedes Deiner einzelnen Worte zu Japan und den einzelnen Bandmitgliedern und den Alben auch nur fett unterstreichen. Der zweite Teil könnte übrigens noch die eine oder andere Info enthalten, die man so bisher noch gar nicht parat hat.
Ergänzend noch zu (der Affäre um) Yuka Fujii. Sie war auch hier und da in der Band integriert für Backing Vocals. Oft trägt sie auch die Verantwortung für die Covergestaltung und die Fotos von Sylvian Alben.
Fotosessions – klar, da kommt man sich ja zwangsläufig näher ;-)
hallo wellenstrom
nach der, für mich,sehr beeindruckenden Vorstellung von riechmann ziehst du
nun david sylvian aus dem hut. genial. und ich dachte immer, ich wäre allein in der owl-elektronischen-Diaspora:))
du scheinst ein ohr für ungewöhnliche musik zu haben…hör dir mal Magma an
liebe grüsse aus dem lippischen
hw
@pepsi Moin Pepsi! Ja, hehehe, halte es da mit Oscar Wilde. Ich habe eigentlich einen ganz einfachen Geschmack, nehme von allem nur das Beste. ;-))) Spassemacht!
Nee, ist ja einfach so, dass man irgendwann mal für sich eine Trennlinie zieht zwischen dem, was z.B. pure Nostalgie ist und was einen auch heute noch selbst musiklisch voranbringt. Und Sylvian mit seinen vielen unterschiedlichen Konzepten und Ansätzen inkl. diesem Sinn für Ästhetik ist da bis heute für mich eine Rieseninspiration.
Magma ist gebongt. Kannte ich bis heute gar nicht. Liest sich schon sehr spannend, was da auf wikipedia dazu geschrieben steht. Werde mich definitiv reinhören.
nette Grüße ins Lippische
vom Wellenstrom
@pepsi hallo wellenstrom.
hier nur kurz eine info, vielleich nur für die Regenbogenpresse wichtig: david war damals lange mit einer Japanerin liiert. daher der Bandname,die Sprachkenntnisse und wahrscheinlich auch dadurch kontakte zu japanischen kunstlern.
grüsse aus dem lippischen
hw
@pepsi Dank Dir, pepsi. War mir bisher nicht bekannt und fand da nix zu. Bisher war mir nur Yuka Fujii als Freundin bekannt, die zunächst Mick Karns Freundin war und später mit David Sylvian über einige Jahre liiert war, was u.a. zur Auflösung der Band führte.
Was da noch ergänzend zur Bandgründung reinpasst, ist, dass sich Sylvian und Jansen nach den New York Dolls Mitgliedern Sylvain Sylvain und David Johansen benannten. Die New York Dolls waren auch ein früher Einfluss der Band. Auch in Sachen Outfit.
@costello Vielen Dank an Wellenstrom für diesen sehr informativen und lesenswerten Artikel zu einer der wohl außergewöhnlichsten Bands der späten 70’er und frühen 80’er Jahre. Es muß so um 1984/85 gewesen sein, als ich sie zum ersten Mal bewußt hörte. Gentleman take Polaroids und Tin Drum, also die Alben die für viele als Aushängeschilder dieser Band galten bzw. noch immer gelten. Natürlich ist mir (Progfan durch und durch) Porcupine Tree und damit die Weiterentwicklung von Richard Barbieri ein Begriff, hatte ich doch vor Jahren die unvergessenen Gelegenheiten, PT mitsamt RB 4x live zu sehen. Ein bemerkenswerter Keyboarder der immer wieder außergewöhnliche Klänge zu schaffen im Stande ist, wie seine diversen Projekte u.a. mit Hogarth und seine Soloalben beweisen. Auch das Schaffen Mick Karns bei Gary Numan ist mir nicht unbekannt. Das aber nur am Rande, geht es doch in erster Linie um Japan. Es gibt (vielleicht ergänzend zu diesem Artikel zu betrachten) eine sehr interessante und viele Facetten Japans und deren Mitglieder beleuchtende, vierteilige Dokumentation, welche ich jedem Interessierten ans Herz legen möchte. Diese müßte noch in der Tube zu finden sein. In jedem Falle freue ich mich jetzt schon auf Teil 2 dieses Artikels.
@Alex_F Vielen Dank, Alex_F!
Ja, gut, dass du die Doku erwähnst. Vielleicht meinen wir die gleiche… leider schlechte Bild- und Tonquali, wie aus dem Fernseher mitgeschnitten und in kleinen, wenigen miuntenlangen Häppchen serviert. Wenn es die ist, dann gibt es noch eine erwähnenswerte Info, die da drin zu finden ist. Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, stand Japan, trotz des sich mehrenden Erfolges mit gekündigtem Labelvertrag während „Tin Drum“ da. Dort hieß es, dass gerade aufgrund dessen dieses Notstandes, die Band freie Hand hatte bei Fertigstellung des Albums und es so gut werden ließ, wie es dann auch wurde. Was dann genau geschah weiß ich nicht wirklich, denn Virgin veröffentlichte ja noch weiter das Material und David Sylvians Solokarriere ging ja auch nahtlos bei Virgin weiter. Kann die dort getätigien Aussagen nicht wirklich einordnen und ließ diese Info auch bis hierhin draußen.
Diese Virgin „Aufräumaktion“ gab es ja bekanntlich wirklich. Die standen in dieser Phase um ’80 – ’81 in einer tiefen Krise und kündigten viele Verträge mit Bands, die den Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Auch The Human League standen kurz davor, knappe Entscheidung. Es war übrigens dann das Album „Dare“, welches Virgin aus den roten Zahlen brachte.
Gern geschehen, Wellenstrom !!!
Es ist genau diese Doku, die ich meinte. Schade, daß die Bild und die Tonqualität sehr dürftig ist (altes VH1-Material ???, ich schau nachher nochmal nach), allerdings reicht das immer noch aus, um eine Fülle an Informationen zu bekommen die man so kaum irgendwo anders finden kann, da sowohl Japan als auch die jeweiligen Labels diese nie in derartiger Offenheit nach außen kommunizierten. Diese „freie Hand“ allerdings nahm sich ein gewisser Mark Hollis auch irgendwann raus und schockte EMI mit dem Ergebnis -Spirit of Eden- bis auf die Knochen ;). Aber das ist eine andere, zugegebenermaßen sehr humorige Story ;)
@Alex_F Jo, Talk Talk und Mark Hollis wären auch ein sehr gutes Thema. Vielleicht haste ja Bock drauf! Einen Leser hättest du jetzt schomma definitiv. :-)
Welle, ich find das hast du gut gemacht, Japan und Sylvian, waren und sind für mich eigentlich immer die Taktgeber im Britpop gewesen. Die Zusammenarbeit u.a. mit Sakamoto ist auch ein Meilenstein. Der Vergleich zu Duran Duran ist valide, die haben ja bis Anfang der 90er gebraucht, um von Rio, Girls on Film wegzukommen, In Come Undone mit dem Sample von Paid in Full Eric B and Rakim zu arbeiten, war clever. Wobei man hier den Unterschied zu Japan noch mal deutlich sieht. Und selbst nach Come Undone war das Songwriting und Produktion von Duran Duran nicht immer auf den Punkt oder homogen.
@TobyB Dank Dir, Toby. Ja, Duran Duran sind durchaus eine handwerklich gute Band, auch in Sachen Songwriting sind/waren die gar nicht mal übel. Die haben ihren Status als Teenieschwarm durchaus verdient damals. Was ihnen halt – aus meiner Sicht zumindest – immer nur fehlte, waren die Tiefe und der Anspruch an den Hörer. War halt zielgruppengerechter und durchgestylter Pop (was nix Schlechtes ist). Positiv hervorzuheben ist auch, dass Nick Rhodes auch nie einen Hehl daraus machte, von Japan inspiriert worden zu sein. Hatte sich auch öffentlich sehr betroffen zum Tode von Mick Karn geäußert. Und mal so rum formuliert – ohne Duran Duran hätte ich mich damals vermutlich auch nicht für Japan interessiert. Waren quasi eine Art Einstieg für mich – kannte sie VOR Sylvian und Japan. Die Ungnade der späten Geburt quasi. ;-)
Nicht falsch verstehen, ich mag die Duran Duran ab Come Undone. Ich habe die in Birmingham im Pub am Aston Triangle damals live gesehen, vor 150 Leuten. War geil. Tiefe kam bei denen halt später. Ist wie bei Depeche Mode, vor Violator geht gar nicht. Jedenfalls nicht alles. Jetzt geht auch nicht immer alles aber es hat Tiefe. Ich bin Jahrgang 1970, insofern ist Crossover angesagt. Ich mag zwar vieles aus den 80ern, aber in den 90er gabs spannendere musikalische Entwicklungen.
@TobyB Ja, sehe ich z.T. ähnlich, wobei ich die frühen DM Tracks unkritischer sehe. Bin aber generell nicht sooooo der DM Fan. Standen für mich am Ende der Innovationskette irgendwie.
Für meinen persönlichen Geschmack war vielerorts so ab ’83 erstmal Stillstand angesagt. Gab hier und da in den 80ern noch punktuell Entwicklungen, die ganz spannend waren. Aber ab ’85 fand ich den Mainstream nur noch ziemlich dröge, viel „American Pie“, Modern Talking und eben Konsens- und Kommerzgemüse der unspannenden Art.
Die 90er beginnen mich erst jetzt so allmählich zu interessieren, Dieses Eurodancegedöns, Techno, Partypop und so in diversesten Ausprägungen ging mir damals erstmal ordentlich auf den Senkel. Und zwar so weit, dass ich mich dem weitestgehend entzogen habe. Da war dann auch oft der Punkt erreicht, wo mich das damals in den Clubs nur noch nervte.
Generell habe ich aber schon Schwierigkeiten mit der Einteilung in Dekaden, 60er, 70er, 80er… alles hatte irgendwo seine Reiz. Die Entwicklungen sind immer von einzelnen Persönlichkeiten abhängig, unabhängig von der Zeit.
@TobyB Bei den 90ern fällt mir auch spontan Scott Walkers Album „Tilt“ ein (das Beste, was er m.M. nach jemals machte) oder Mark Hollis einziges Soloalbum (kurioserweise gestern nochmal reingehört). Insofern, klar, Höhepunkte gab es da persönlich auch für mich – war dann aber in aller Regel abseits vom Mainstream – also stärker als in den 80ern.
@TobyB Ich mit meinem Durchschnittsgeschmack fand schon Construction Time Again ziemlich geil.
@costello „Ich mit meinem Durchschnittsgeschmack fand schon Construction Time Again ziemlich geil.“
Spannende Phase. Eine Berliner Phase quasi. Haben damals den German Zeitgeist dort wohl aufgesaugt und dafür Gareth Jones als „Tonmeister“ gewonnen.
Lieber Wellenstrom, ich danke Dir für diesen Artikel! JAPAN waren einfach eine hammergeile Band. Musikalisches Können, extravagantes Styling, ausgefallene Arrangements und Harmonien. Berührt mich bis zum heutigen Tage tief!
An Duran Duran schätze ich ebenfalls ihr vielleicht etwas einfacheres, aber popigeres Songwriting, ihr mega cooles, immer zeitgeistiges Styling UND das diese Band bis zum heutigen Tage mit Originalmitgliedern noch zusammen ist und eine gute Figur abgibt.
Beides echte Lieblingsbands von mir!
Herzliche Grüße, Ralf aka RaHen
@RaHen Merci! Schön formuliert und nix hinzuzufügen.
Lieben Gruß auch an Dich RaHen
Langsam entwickelt sich das zu einer richtigen Kolumne von Wellenstrom!!! Gratulation!!!!
@Rob.D.N. Danke Monsieur!
Hehehe, ja da spinnt mir derzeit noch einiges im Schädel rum, z.B. tatsächlich so ’ne Art Kolumne über Bands, die knallscharf am großen Durchbruch scheiterten aber trotzdem irgendwo Kult sind … schräge Elektropunkbands aus den 70ern, beheimatet an der US-Westküste…. eine Dreampopband der 90er aus der us-amerikansichen Provinz, aus einer Schokoladenstadt, die aber durch und durch britisch klingt (Vorbilder The Smiths und New Order). Vieles entdeckt man selbst erst jetzt irgendwie zufällig irgendwo. Und da ist es vielleicht auch für andere spannend, an diesen Zufallsentdeckungen teilzuhaben. Je ne sais pas.
Eine wunderbare Lektüre für einen sonnigen Samstagmorgen, vielen Dank für’s Recherchieren und Schreiben!
Wenn man das Wirken dieser kreativen Musiker und Künstler Revue passieren lässt, wird einem mal wieder klar, dass in dieser Welt allem Kommerz zum Trotz (oder wegen diesem?) auch immer Schönheit und Tiefe geschaffen wird.
Insbesondere beeindruckt mich als Bassspieler der Mut und die Entschlossenheit von Mick Karn seine Instrumentalstimme mit einem Fretless Bass zu finden und dann auch auf den späteren Japan Produktionen an diesem, im Pop Kontext, insbesondere live aussergewöhnlich schwer zu spielenden Instrument festzuhalten.
Deine Meinung zu Tilt teile ich übrigens. Grossartiges Album!
Na, dann bin ich mal sehr auf Teil 2 Deiner Qualitätsmusikkolumne gespannt :)
Vielen Dank, der Herr…. klasse, dass du auch Scott Walkers „Tilt“ magst. EIn wahrer Connaisseur. Zu seinen Werken danach finde ich leider keinen wirklichen Zugang mehr. Mit Ausnahme zu seiner Filmmusik.
Es wäre übrigens fast zu einer Zusammenarbeit der beiden Musiker gekommen. 1990 gab es Treffen der Beiden, man überlegte ein komplettes Album zusammen zu machen, und Sylvian schrieb einen Song für Scott Walker. Aber es sollte leider nicht zustande kommen, nicht einmal eine Veröffentlichung des Songs.
Sehr gut, Wellenstrom. Ja, Japan, Tin Drum und da vor allem Ghosts – Meilensteine. Ich fand die Gruppe anfangs allerdings ziemlich nervig. Rain Tree Crow und die späteren Soloplatten von Sylvian u.a. mit Fripp zeigen, wohin er sich entwickelte.
Dass Ghosts in GB auf 5 kam ist nicht weiter verwunderlich, das haben andere, z.T. schrägere Singles auch geschafft. Laurie Anderson mit Oh Superman war, so weit ich mich erinnere auf 2. Die Zeit war halt so, da gibt’s nix besser oder schlechter zu lamentieren.
@Tai Merci!
Jo, Laurie Andersons „O Superman“ gehört auch in diese Kategorie.
All zu viele Songs dieser ART schafften es nicht so weit nach oben. So viel länger wird die Liste da nicht. Insofern schon verwunderlich.
Bei Ghost hören wir eine Menge feiner Klangstrukturen und einen Gesang, der eigentlich nicht in dieses Backing zu gehören scheint. Faszinierend, und damit ein Gegenargument für diejenigen, die mit den ewig gleichen Phrasen meinen, „Pop“ einen allgemeingültigen Stempel aufdrücken zu müssen.
Das Gitarren Intro von Sometimes I fell so low erinnert mich stark an Nina Hagen Bands Superboy. Beide kamen Herbst 78 raus….
@Tai Jo, der 70s Rock Zeitgeist eben… und irgendwann wurde dann aus Nina Hagens Begleitband später Spliff. ’78 musste ’ne recht heftige Zeit für Japan gewesen sein. Haben da ja gleich zwei Studioalben veröffentlicht.
Die Inspiration für diesen Track wird hier evtl. bei den New York Dolls zu finden sein.
Schön, dass es auch noch andere mit einem solch grenzwertigem Geschmack gibt….;-)
Ich kann mich noch genau an die Zeit um 1980 erinnern, wo ich meiner Umwelt mit Japan voll auf den Sack ging, speziell der „Quiet Life“, damals konnte niemand etwas damit anfangen.
1979 war musikalisch mein Erweckungserlebnis mit genau 2 Songs, „Life in Tokyo“ von Japan und „Are friends electric?“ von Gary Numan.
Ich weiß nicht, wie oft ich die beiden Songs damals gehört habe und wieviele Leute mich dafür gehasst haben ;-)
Die beiden ersten Alben von Japan haben mich dann etwas enttäuscht, aber im Laufe der Zeit konnte ich auch die ganz gut hören.
Für heutige Musikhörer kaum noch vorstellbar, in was für versifften (Berliner) Plattenläden man damals abhing, um sich die Scheiben zu holen.
Die Quiet Life ist für mich bis heute einer meiner Lieblingsplatten, da hier noch deutliche Rockeinflüsse von Rob Dean zu hören sind, die Gentlemen take Polaroids war mir persönlich aber immer zu schwülstig.
Ich kann mich auch noch an eine vernichtende Kritik im Magazin „Audio“ erinnern, die von „Paradiesvögeln“, Musik im Stile von The Cure, grässlichen Sound durch das Einsetzen von Begrenzern“ (hier waren wohl Compressoren und Limiter gemeint, wie ungewöhnlich) und von Rhythmusmaschinen kaputtgerittenen Songs sprach.
@ingokognito Gut, sah ich anders, speziell die Mischung der CR78 mit Steves Drumming fand ich immer sehr geil.
Bei der Tin Drum merkt man deutlich die Nähe zum Yellow Magic Orchestra, mit deren Mitgliedern Japan damals abhingen, natürlich speziell mit Ryuichi Sakamoto.
Hier sei mal speziell YMOs „BGM“ genannt.
Damals arbeitete David Sylvian (aber auch die anderen) auch mit anderen japanischen Künstlern zusammen, weil Japan in Japan (dem Land) geradezu Superstars waren.
Zum Beispiel Sandii and the Sunsetz, hier empfehle ich die LP „Immigrants“, wenn man die überhaupt noch bekommt („Dreams of immigrants“ kann man auf YT sehen).
Es gibt von Anthony Reynolds die (englische) Biografie „A foreign place“, die ich über Crowdfunding damals mitfinanziert habe, nur zur Info, falls man das Wissen um die Band weiter vertiefen will.
Da kommt im Oktober auch eine Fortsetzung, die das weitere Schaffen der Bandmitglieder nach Japan dokumentiert.
Ist natürlich schon geordert ;-)
Ich bin sehr auf den 2. Teil gespannt, unter anderem weil für mich mit der Zusammenarbeit mit Bill Nelson später auch geradezu ein Traum in Erfüllung ging.