Kraftwerk: Autobahn seit 50 Jahren auf der Überholspur
Das legendäre Album Autobahn von Kraftwerk feiert dieses Jahr seinen 50-jährigen Geburtstag und war sicher ein Grund, warum viele Amazona.de Lesende selber angefangen haben, Musik zu machen.
In diesem kurzen Text wird das 50-jährige Album Autobahn gewürdigt. Es ist unmöglich in einer Fresh News die ganze Geschichte dieses Albums und seine Auswirkungen auszuführen. Schließlich handelt es sich um ein Album, über das schon ganze Bücher geschrieben wurden. Glücklicherweise wurde Autobahn 2021 von unserem Autor M.Steinwachs besprochen und bei ihm werdet ihr ausführlich über dieses bahnbrechende Album informiert. Mein Text dient dazu Lust auf mehr Autobahn zu machen und das 50-jährige Jubiläum zu feiern.
Dieses Album stellt eine Zäsur im Werk von Kraftwerk dar. Es ist ihr viertes Album, aber Kraftwerk hat nachträglich entschieden, ihr Werk mit Autobahn zu beginnen. Die ersten drei Alben Kraftwerk, Kraftwerk 2 und Ralf und Florian wurden niemals neu veröffentlicht und sind nur auf dem Gebrauchtmarkt oder als Bootleg erhältlich.
Konzeptionell ist dieser Schritt nachvollziehbar, denn auf Autobahn wird zum ersten Mal die Musik hörbar, für die Kraftwerk berühmt werden sollte. Zwar sind auf den ersten drei Alben schon elektronische Klangexperimente zu hören, aber Kraftwerk machten typischen Krautrock. Ich würde nicht einmal behaupten, dass diese Alben schlecht waren und mit „Ruck-Zuck“ ist sogar ein Hit dabei.
Doch was unterscheidet Autobahn von den vorhergehenden Alben? Es ist das Stück „Autobahn“, mit dem Kraftwerk neue Weg beschritten. Mit diesem Stück Musik hat Kraftwerk ihre musikalische Zukunft festgelegt, denn in Autobahn sind alle Elemente vorhanden, die Kraftwerk zu einer der wichtigsten elektronischen Bands und zu Pionieren machten.
„Autobahn“ wird von Synthesizern dominiert und die Musik klingt klar und strukturiert, wie sie auf den ersten drei Kraftwerk-Alben nicht zu hören war. Gleichzeitig arbeitete Kraftwerk in diesen 22:46 Minuten mit einem Konzept: Die Fahrt auf der Autobahn wird hörbar gemacht, indem sie mit den Synthesizern Autos imitierten. Die Melodie von „Autobahn“ kann jeder mitsingen und Kraftwerk wurde damit die Erfinder des Elektropop: Experimentelle Klänge treffen auf eingängige Melodien.
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Natürlich sind auf Autobahn noch Krautrock-Elemente zu hören, da auch akustische Instrumente eingesetzt wurden, doch diese spielen nur noch eine untergeordnete Rolle und fallen kaum auf. Die synthetischen Elemente von Autobahn überstrahlen alles. Der Umgang mit dem neuen Sound wird konsequent in den Stücken „Kometenmelodie 1“ und „Kometenmelodie 2“ umgesetzt. In „Mitternacht“ sind typische Krautrock-Elemente zu hören und „Morgenspaziergang“ hätte auch auf einem früheren Kraftwerk-Album erscheinen können. So betrachtet ist es konsequent das Werk mit Autobahn beginnen zu lassen, weil man auf ihm noch erahnen kann, was Kraftwerk vorher gemacht haben ohne das ganze Werk hören zu müssen.Es muss nicht weiter erwähnt werden, dass solche Entscheidungen für Hardcorefans nicht nachvollziehbar sind.
Auf Autobahn spielte Klaus Röder mit, dessen konventionelle Instrumente nur noch eine untergeordnete Rolle spielten – was sich auch im Sound bemerkbar macht. Er wurde durch Karl Bartos ersetzt, dessen erste Aufgabe es war die „Autobahn-Tournee“ als Schlagzeuer zu unterstützen. So entstand das legändere Kraftwerk-Lineup aus Ralf Hütter, Florian Schneider, Karl Bartos und Wolfgang Flür.
Von dem Cover existieren zwei Versionen. Kraftwerk entschied sich ab einem gewissen Zeitpunkt gegen das Cover von Emil Schult, das eine Autobahn-Landschaft zeigt. Episch und unvergessen wurde stattdessen das Autobahnverkehrszeichen, welches perfekt zu der Kraftwerk-Ästhetik passt.
Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass dieses Album von Conny Plank aufgenommen und abgemischt wurde, der auf Amazona.de bereits ausführlich gewürdigt wurde.
Feiert ihr den Geburtstag von Autobahn? Welche Bedeutung hat für euch Autobahn? Welche Details sind euch wichtig? Schreibt es uns wie immer in die Kommentare. Wir sind schon sehr gespannt.
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Aus der Erinnerung war »Autobahn« meine Einstiegsdroge in die Welt der elektronischen Musik UND in die Welt der selbstgekauften Platten im Allgemeinen. Alles andere kam bei mir erst danach: Jean-Michel Jarre, Mike Oldfield, Tangerine Dream und dann natürlich Klaus Schulze. Und dann natürlich die Palette der Kraftwerk-Alben: »Radioaktivität« (ich hatte mit selber ein riesiges Poster mit dem Radioaktivitätszeichen mit UV-Farbe gemalt, dass ich in meinem Zimmer an die Decke pappte und mit einer UV-Lampe anleuchtete, bezeichnenderweise fiel es genau in dem Moment runter, als meine Mutter drunter stand), »Trans Europa Express« (ich hatte sogar die englische Version), dann natürlich »Die Mensch-Maschine« (die habe ich aber sowas von gefeiert, danach wurde ich in der Schule nur noch schräg angesehen), »Computerwelt« und »Electric Café« (die meine Umzugsmusik nach München und der Einstieg in die Arbeitswelt war).
»Tour de France« war dann nicht mehr meins. Die habe ich mir erst Jahrzehnte später gekauft.
Aber, wie gesagt, durch »Autobahn« wurde bei mir unweigerlich das Interesse für Musik im Allgemeinen, für elektronische Musik und für Synthesizer geweckt. Ich war durch die Platte so geprägt, dass mich andere Musik kaum interessiert hat: Rock (damals waren »KISS« und »AC/DC« groß), die deutschen Schlager schon gar nicht (wie erinnern uns an »ZDF Hitparade«) und auch »Beatles«, »Stones« usw. fand bei mir nicht statt. Erst mit der »Neuen Deutschen Welle« (SPLIFF) und der »New Wave« fand ein Umdenken statt.
@Flowwater Sagen wir lieber „Elektropop“ oder „Synthpop“, so wie es Ralf Hütter selbst bezeichnet. Elektronische Musik ist musikwissemschaftlich gesehen etwas ganz anderes, denn „nicht die Verwendung bestimmter Instrumente machen das Gesicht einer Musik aus, sondern wie sie komponiert wird“ (Herbert Eimert, Hans-Ulrich Humpert – Lexicon der elektronischen Musik).
@Dirk Matten OK, ja, das passt für mich. »Elektropop« nach dieser Definition hat mich außerhalb von Kraftwerk aber wenig interessiert. Ich würde diesem Genre durchaus Nummern von zum Beispiel Gary Numan hinzu rechnen (»Cars« und »Are Friends Electric«). Ist für mich OK, mehr aber auch nicht.
Stattdessen war Kraftwerk für mich tatsächlich die Initialzündung, mich mit allen Spielarten der elektronischen Musik zu befassen. »Schuld« daran war vermutlich die etwas akademische Art und Weise, wie die Jungs an die Musik heran gegangen sind. Das hat mich motiviert auch Eberhard Schoener zu hören oder Karlheinz Stockhausen. Die Ohren und das Gehirn wurden quasie vorbereitet. Das wiederum führte sehr schnell zu Minimal-Musik von John Cage, Steve Reich und natürlich Philipp Glass (»Einstein on the Beach«). Mit diesem Hintergrund habe ich dann ab den 2000ern »GAS« (Wolfgang Voigt), »monolake« (Robert Henke), Vladislav Delay (Sasu Ripatti), aber auch zum Beispiel Autechre, Alva Noto und Ryoji Ikeda entdeckt.
Ich kann Kraftwerk bei mir ganz klar als den Zündfunken für das Interesse an Musik im Allgemeinen, an jeglicher Art von Musik mit elektronischen Geräten (Synthesizer, Tongeneratoren, etc.) und an Musik abseits des Mainstreams identifizieren. Und deswegen ertrage ich heute so gut wie keine Popmusik mehr, kein Radio und keine Charts (ist einfach alles stinklangweilig). Ja, doch,. Kraftwerk ist ursprünglich genau daran »schuld« (hehe). Vielen Dank dafür. 🙂👍
Der enorme Einfluss von Kraftwerk auf die elektronische Musik ist unbestritten. Autobahn fand ich damals interessant und habe mir die LP auch gekauft. Einen Einfluss auf meinen musikalischen Werdegang hatte Kraftwerk nicht. Ich habe nach Trans Europa Express auch das Interesse an Kraftwerk verloren. Ich hatte dann die ersten beiden LP´s von Synergy (Larry Fast) gehört und war hin und weg. Auch Albedo 0.39 von Vangelis hatte mich total geflasht. Bald kam auch der erste Synthi ins Haus.
Allerdings hat mich die Rock-Musik zu dieser Zeit doch mehr interessiert und so habe ich erst viel später mit reiner elektronischer Musik angefangen. Die Faszination für den Synthesizer als Instrument hat mich aber mein Leben lang begleitet, unabhängig von der Musik, die ich damit gemacht habe.
@MadMac Fast genauso bei mir: Ohne Autobahn wäre mein Leben ärmer, TEE und Radioaktivität sind interessant, danach nix mehr für mich. Dafür dann Interesse u.a. an Tangerine Dream und Michael Rother, aber vor allem Rock, als Rock noch etwas mit Rebellion und Innovation zu tun hatte. (Als Beispiele nenne ich einfach mal „Somewhere in Africa“ und das Werk von Joe Jackson.)
Hauptinstrument Bassgitarre, aber der eine oder andere Synth musste dann einfach sein.
Anekdote: In einer Q&A-Runde in den 1990ern wurde entweder Karl Bartos oder Wolfgang Flür gefragt, welches Auto man am Anfang von Autobahn hört. Antwort: „Von welchem Planeten kommst Du? Das Geräusch haben wir Menschen in unseren Genen!“ (Ja, VW Käfer)
Meine Einstiegsdroge war Die Mensch-Maschine gefolgt von Computerwelt. Diese Alben waren die Blaupause für das Genre Electro Funk. Die Düsseldorfer Schule war auch für mich der größte Einfluss.
Ich finde das Schult Cover schön. Aber die Entscheidung für das blaue Cover ist absolut schlüssig. Es zeigt eine Denkweise, die auch in anderen Bereichen sinnvoll ist. Jetzt mal Musik: was kann ich aus meinem Titel wegnehmen, damit es klarer wird. Ich selbst bin viel zu oft in der Versuchung noch etwas dazuzunehmen. Oft der falsche Weg.
Als es rauskam, fand ich es interessant, hatte auch die Platte, richtig überzeugt hat mich die Gruppe mit Mensch Maschine und Computerwelt. Mein Entschluß, einen Synthesizer zu kaufen, kam Ende der Siebziger aber eher durch New Wave. Heute betrachte ich Kraftwerk als die entscheidende Gruppe dieses Genres.
Episch und unvergessen wurde für mich das Cover von Emil Schult. Es hat etwas Liebenswertes, erinnert an die gute alte Zeit, in der sicherlich nicht alles besser war, die Straßen aber in Ordnung und Staus etwas, was man höchstens aus dem Radio kannte.
Kraftwerks Autobahn ist nicht nüchtern wie ein Autobahnschild. Die einfachen Melodien, der naive Gesang, das ist sehr menschlich.
@bluebell Das zieht sich ja, wie im Artikel auch erwähnt, durch Kraftwerks gesamtes Werk. Und das ist auch, was mich am meisten fasziniert und immer wieder mein Herz erwärmt: die geniale Gegenüberstellung von extrem maschinellen Rhythmen und Klängen und diese wunderbaren, oft romantischen Melodien.
Das Album mit dem größten Einfluss auf meine Berufswahl, meine Hobbies, meine musikalische Ausrichtung und meine Wohnungseinrichtung ^^… Sowas nennt man „Impact“, glaube ich ^^….
Meine erste LP war Kraftwerk (mit dem Baustellenhut), und bin auf Ruckzuck abgefahren. Das „geflangerte“ Schlagzeug ist enorm…
Zuerst war ich enttäuscht, das Kraftwerk diese Linie aufgegeben hat. Autobahn hat mich denn doch mitgenommen. Weiß noch, wie das Stück im SFBeat lächerlich gemacht wurde (war das Jürgen Jürgens?).
Zum, Schluss musste noch die sauteure Katalog LP Box her.
Bemerkenswert für mich, ganz viel Zeug aus den 70er und 80er… kann ich nicht mehr hören – Kraftwerk immer mal wieder.
Habe mir die Original LP gerade noch mal angehört – wirkt immer noch 🙂