Maschinen für das Volk – Eine Replik
Anmerkung: Diese Replik sollte eigentlich ein Kommentar im Forum zum Artikel „Maschinen für das Volk“werden, scheiterte aber an der 1400-Zeichen-Begrenzung. Zerstückeln fand ich doof, wegwerfen wollte ich den Text aber auch nicht. Daher nun –noch ein wenig ausgebreitet – als meine erste Leser-Story. Ich empfehle vor dem Konsum erst den verlinkten Artikel und die Kommentare zu lesen :)
Ich muss sagen, der Artikel von Dirk Matten ärgert mich ein wenig ob seines von mir empfundenen Snobismus. Ja, auch ich bin oft genervt von der ‚Banalität‘ der Musik die uns überall beschallt, von akustischer Umweltverschmutzung mit der man versucht mich im Supermarkt in Kauflaune zu versetzen, von den dritten und vierten Radiosendern, von Musik die mich emotional und intellektuell nicht erreicht.
Aber diese Musik ist einfach nicht für mich gedacht, ich bin nicht die Zielgruppe.
Was wir‚Intellektuelle‘ (sind wir das nicht alle?) gerne vergessen ist, dass Kommunikation nur in einem gewissen Spektrum vom eigenen IQ ausgehend befriedigend möglich ist. Alles was zu weit entfernt von unserem eigenen geistigen Vermögen ist, wird als unverständlich, als völlig abgehoben oder belanglos empfunden.
Musik ist nun aber primär ein Mittel zur Kommunikation, zum Transport von Geschichten und Emotionen. Komplexe Musik wird von der breiten Masse nicht verstanden, überfordert sie und wird deshalb von ihr abgelehnt.
Für Menschen mit überdurchschnittlicher Intelligenz auf der anderen Seite ist die Musik der Masse stinklangweilig und enervierend. (Weitere Faktoren die unseren Geschmack prägen sind natürlich Hörgewohnheiten und Sozialisation.) So universell wie wir es gerne hätten ist die Weltsprache Musik dann leider doch nicht.
Dazu kommt, dass der Mensch nicht ohne Grund Musik erschafft, Musik ist kein Selbstzweck sondern seit jeher funktional. Sei es zur Gemeinschaftsbildung (gemeinsames Singen am Feuer), zu spirituellen Zwecken wie dem Erreichen von Trance-Zuständen (schamanistische Trommel-Rituale oder gregorianische Chöre), zur Verbreitung von Geschichten und Ideen (von Volks- und Bänkelliedern über Schlager bis Pop, Rock und HipHop), zur Stimulation von Gefühlen (Marschmusik, Trauermusik, Tanzmusik) usw. usf. – Wer musiziert will etwasausdrücken, und sei es nur sich selbst gegenüber.
Musik wird nur als gut und schön empfunden, wenn der Hörer sie a) verstehen kann – für ihn also das Niveau stimmt – und er b) gewillt ist, der Intention zu folgen.
Daher ist es nach meiner Meinung grundlegend falsch, die Qualität von Musik an ihrer Komplexität, am Können und Fachwissen des Musizierenden zu messen. Musikalisch qualitativ ‚gut‘ ist, was mit den gewählten Mitteln beim intendierten Zielpublikum den gewünschten Effekt auslöst, auch wenn sich Anderen beim Hören die Zehennägel hochrollen.
Dank der technischen Möglichkeit Musik beliebig zu reproduzieren, den neuen Instrumenten zur Selbstpublikation und mit der ubiquitären Verfügbarkeit werden wir Menschen zunehmend mit Musik konfrontiert, die entweder über oder unter unserem Horizont liegt (bei der öffentlichen Dauerberieselung meist letzteres, da auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gezielt wird). Es ist Kommunikation die an uns herangetragen wird, für die wir aber kein Ohr haben, die uns nicht erreicht und das verursacht Frustration. Aber sie funktioniert für viele Andere und dies sollte man bedenken bevor man sich über die empfundene Banalität (oder Abgehobenheit) echauffiert.
(Dankenswerterweise hat uns der Fortschritt aber auch eine Abhilfe bereitgestellt: mobile Abspielgeräte und Kopfhörer.)
Der Autor des von mir kritisierten Artikels beklagt darüber hinaus, dass – neben der mit der Demokratisierung der Produktionsmittel einhergehenden intellektuellen und ästhetischen Unterforderung – im Wandel der Zeit der Fachbegriff ‚elektronische Musik‘eine Bedeutungsverschiebung zum Oberbegriff für elektronisch generierte Musik erfahren hat, dass es ‚arm‘sei, dass die, die von sich heute behaupten ‚elektronische Musik‘zu machen, diese Wurzeln nicht kennen. Als wäre die Verschiebung des Begriffes ihre Schuld und etwas Neues, als wäre der Begriff nicht auch schon auf die Repetitiv-Orgien der Berliner Schule oder Kraftwerks angewendet worden. Und wenn bei Schulze noch viele der‚Jugend musiziert‘-Fraktion mit den Schultern zucken, spätestens Kraftwerk ist den meisten dieser ‚Laien‘ wohlbekannt und wird als Vorbild genannt. Mit Verlaub, aber diese Sichtweise empfinde ich nun ein wenig ‚arm‘.
(Bei ‚Laien‘ stellt sich mir dazu die Frage ob nur Menschen mit einer Fachausbildung wirklich musizieren können? Es gibt unzählige hochangesehene Musikschaffende die keine einzige Note lesen oder schreiben können).
Eine Sache fehlt noch: die Befriedigung des Musizierenden beim Schaffen von Musik, beim Versuch die eigenen Emotionen in Töne zu verwandeln und sie so kommunizierbar zu machen. Ob für sich alleine als Selbstgespräch im (nicht so) stillen Kämmerlein oder zusammen mit Anderen. Und die doppelte Freude wenn man mit seiner Musik auf ein Publikum trifft, bei dem die Kommunikation ankommt, das mitgeht (und sei es nur das Like auf Youtube).
Und eben diese Befriedigung empfinde ich, wenn ich arschwackelnd beim mir im Studio zu 4/4 Beats an Knöpfen schraube und vor mich hin jamme – ohne aufzuzeichnen, weil ich (noch) meinen eigenen Ansprüchen an Musik nicht gerecht werde. Oder wenn ich mein Equipment übers Wochenende zu Freunden schleppe und wir gemeinsam vor uns hin dilettieren. Hauptsache ist doch, Spaß daran zu haben seine Kreativität auszuleben.
Und denen, die den Mut haben ihre Ergebnisse auf Youtube oder Soundcloud zu veröffentlichen und sich dem oft hyperkritischen Internetpublikum stellen, zolle ich großen Respekt und sage: Ignoriert die Hater, nehmt echte Kritik an, erweitert euren Horizont, lernt (gerne auch von Stockhausen) – aber vor Allem – macht das, was ihr liebt!
Last but not least: Hier ein Interview mit Stockhausen, in dem er Musik von Aphex Twin, Plasticman, Scanner und Daniel Pemberton kritisiert und ihnen Hörempfehlungen aus seinem eigenen Werk gibt, sowie die Antwort der Kritisierten. Publikumsfrage: Verstehen die jeweiligen Seiten wirklich die Intention hinter der Musik des Gegenüber?
Ganz zum Schluss: Danke an Dirk Matten für seinen herausfordernden Beitrag :)
[Der Autor (49) ist langjähriger Amazona-Leser, aber im Allgemeinen viel zu faul Kommentare zu verfassen. Er ist mit klassischer Musik aufgewachsen, von der Blockflöte über Cello zu E-Bass und Gitarre gekommen, war als Schüler Mitglied in einer Arbeitsgemeinschaft für Neue Musik und hat mit dieser Stücke von John Cage und Joachim Hesbos aufgeführt, hat an der Uni in Musicals als Sänger mitgewirkt, Goa-Parties organisiert und legt als DJ unterschiedlichste Genre auf (darunter auch elektronische Musik). Mit der einsetzenden Midlife-Crisis hat er ein stattliches Sümmchen in Geräte mit Knöpfen und Tasten investiert und verflucht jetzt, dass Klavier leider nie auf dem Ausbildungsplan stand.]
Zitat: Ich muss sagen, der Artikel von Dirk Matten ärgert mich ein wenig ob seines von mir empfundenen Snobismus.
Gerne verweise ich auf meine Anzeige in KEYBOARDS, Ausgabe 06/1987
http://www.elektropolis.de/ssb_anzeige_87_06.htm
Meine Beiträge sind wie Akupunktur-Nadeln, richtig angesetzt, können sie eine große Wirkung entfalten.
@Dirk Matten Jaja, Niveau sieht von unten immer aus wie Arroganz – aber manchmal ist Arroganz auch einfach nur… Arroganz. :D
Ich frage mich, was aus deiner Sicht ein junger Mensch mit der Ambition Tanzmusik zu produzieren aus dem Stockhausen-Artikel mitnehmen könnte, um hinterher bessere Tanzmusik zu produzieren? Denn das ist doch sein Anspruch, nicht arrivierte Klassikhörer in einem Konzertsaal intellektuell herauszufordern und sich darüber zu freuen wenn die Hälfte davon den Saal protestierend verlässt – er will das Publikum auf die Tanzfläche bekommen.
Um ein Brot zu backen benötige ich kein Wissen um die Geschichte der Konditorei.
Falls es Dir mit dem Beitrag darum ging, deine Leser für die Geschichte elektronischer Musik zu interessieren:
a) der Artikel wendet sich nicht an Laien und bietet keinen wirklichen Einstieg – Youtube hätte eine Tonne an verlinkenswertem Material geboten
b) Menschen beschimpfen um sie für etwas zu begeistern hat noch nie funktioniert.
Was also wolltest du mit deinem Beitrag erreichen? Was ist die große Wirkung die Du Dir davon erhoffst? (Also, außer Gegenwind zu produzieren?)
„Wie die KI Musik erobert“ und „warum Techno keine Kunst mehr ist“
Gearnews über Musik von Robotern: https://bit.ly/2JFxMsK
Ich denke es wird so kommen, dass es irgendwann eine KI gibt,
die kreativer als die meisten Menschen ist.
Ein digitaler Beethoven/Aphex Twin, der/die uns mit Musik versorgt.
Die wird auch in den Charts vertreten sein.
Und es wird für einige Menschen frustrierend werden,
weil wir mit der Kreativität nicht mehr mithalten können.
@Coin Als jemand der aus der IT kommt bin ich ziemlich sicher, dass es noch sehr lange brauchen wird, bis Maschinen wirklich kreativ werden. Was Maschinen aber immer besser können, ist Strukturen analysieren und daraus ähnliches ableiten. Für Musik heißt das: je formalistischer die Musik, desto besser die Imitation. Das funktioniert sehr gut mit Bach dessen Werke mathematischen Prinzipien folgen, mit Pop – der eine sehr eingeschränkte Sprache nutzt (Strophe, Strophe, Bridge, Refrain, Strophe, Bridge, Refrain, Solo, Refrain, Refrain – Akkordfolge ||: I – V – VI – III – IV – I – IV – V :|| => Instant Hit). Und Genres wie Techno oder Dub Step die Minimalismus und Wiederholung zum Prinzip machen sind da erst recht keine große Herausforderung.
Kreativität als das bewusste Spiel mit und dem Bruch von Bekanntem kann ein Machine-learning Algorithmus nicht leisten.
@jazzhopper Nachtrag: Ein Algorithmus kann nur verarbeiten mit was er gefüttert wird. Zur Unterstützung von Kreativität kann das auch heute schon benutzt werden: z.b: was passiert wenn ich die Maschine mit den Werken von Bach und einer Sammlung Techno gleichzeitig füttere?
Was die Maschine nicht kann, ist selbständig äußere Einflüsse dazu nehmen, ihren Horizont erweitern und etwas wie ‚Bilder einer Ausstellung‘ erschaffen
@Coin Habe mir die computergenerierte Musik ne Weile angehört. Beeindruckt mich nicht sonderlich. Es sind immer wieder die gleichen Sounds. Bei modularerer Synthese wird vergleichsweise identisch gehandelt. Der Operator muss der Maschine gewisse Anweisungen geben wie vorgegangen wird. Sprich regenerativer Patch. Erst wenn eine KI ein eigenes Bewusstsein entwickelt, dann höre ich da noch mal rein. Das wird sicherlich noch ein wenig dauern. Eher wird der Fusionsreaktor oder der BER fertig. Experten sind sich einig,:Das dauert noch 50 Jahre. Diejenigen sagen es allerdings schon seit fünfzig Jahren. Huh, infiniter Regress;)
Danke für diese tolle Replik. Gerade der Link zu dem Artikel von The Wire war sehr informativ. Stockhausen bleibt leider die gesamte Zeit sehr schulmeisterlich und sieht sich als den, der den einzig richtigen Weg vorgibt. Er hat mit Sicherheit einiges für die elektronische Musik geleistet, aber diese Selbstüberhöhung stört mich und für mich persönlich, bei dem was ich mache, ist er schlicht nicht relevant. Bach aber auch nicht, trotzdem weiß ich sein Werk zu schätzen und bisweilen auch zu genießen.
Was Demokratisierung der Produktionsmittel betrifft, kann ich mich dem Fazit der Replik nur anschließen. Sie hilft aber eben, dass jedes Talent heute eine realistische Chance hat, sich auszudrücken. Wir wissen schließlich nicht, was uns entgangen ist, weil vielleicht jemand mit sehr viel Talent, aber aufgewachsen in der „falschen“ Umgebung und mit mangelnden finanziellen Möglichkeiten nie die Möglichkeiten eines Ralf Hütter, Florian Schneider oder Jean-Michael Jarre bekam. Und mal ehrlich: schlechter Musik waren bisweilen auch schon die Neandertaler ausgesetzt, weil da jeder Stammesgenosse die Möglichkeit zu singen hatte, wenn auch nicht wirklich die Fähigkeit.
@Resetknopf Weder Ralf Hütter noch Florian Schneider wurden finanziell von ihren Eltern unterstützt. sie haben sich ihre Instrum,ente und das eigene Studio mühevoll erspielt und restlos alles investiert, bin Zeitzeuge.
@Dirk Matten Nun gut, da ich nicht dabei war (bin mit 5 das erste mal auf Kraftwerk gestoßen, als Autobahn ganz neu im Radio lief), kann ich das natürlich nicht beurteilen. Bliebe aber noch die falsche Umgebung, denn in den Kreisen von Familien wie den Schneider-Eslebens hatte man anderen Zugang zu Bildung und zum Lernen. Da hat das Internet auch zu einer gewissen, ebenfalls nicht immer unproblematischen, Demokratisierung beim Zugang zu Informationen bewirkt.
Ich bleibe trotzdem dabei, dass die Einschränkungen damals uns auch einiges genommen haben. Wenn es auch nur die Möglichkeit war, wirklich mit Menschen in Kontakt zu kommen, die einen durch hilfreiche Informationen voran bringen. So war ich 1981 mit meinen 13 Jahren vollkommen fasziniert von den Credits auf Computerwelt und hätte gern mal mit den dort genannten Herren Matten& Wiechers gesprochen, welchen Beitrag sie zu diesem wundervollen Album geleistet haben, es war mir nur aufgrund meines Alters und der damaligen Möglichkeiten nicht gegönnt. Heute diskutiere ich auf einer Webseite mit einem dieser Herren und freue mich über seine konstruktive Teilnahme an der Diskussion und die Tatsache eine Antwort erhalten zu haben. Und genau das ist der Punkt: die Demokratisierung der Möglichkeiten mag vieles, was uns persönlich nicht gefällt, hervorbringen. Sie schafft aber trotzdem neue, wie ich finde tolle, Möglichkeiten.
@Resetknopf Mir waren alle Besucher willkommen, die ein ernsthaftes Interesse zeigten, und das vollkommen unabhängig davon, ob sie etwas kaufen wollten / konnten oder nicht. Den Luxus habe ich mir erlaubt und hatte (und habe immer noch) viel Verständnis, wenn’s finanziell einfach nicht sein sollte / soll. Florian Schneider studierte in Köln Musikwissenschaft und erhielt von seinem Vater einen monatlichen Scheck, der ihm das Studium ermöglichte. Die Eltern meines Vaters waren nicht wohlhabend, mein Opa war technischer Zeichner bei der GHH in Sterkrade. Das Studium meines Vaters in München, Grenoble und Marburg haben sie sich vom Mund abgespart. Für meinen ersten Synthesizer, den EMS Synth A, habe ich 1971 rund 3 Monate Pakete für die Post in Bonn ausgetragen, ähnliche Geschichten kenne ich von meinen lieben Kunden, die für die ach so teuren Synthesizer auf fast alles verzichten haben, aber dann hatten sie ihn … endlich. Heute ist der Erwerb mit nicht viel Arbeit und Verzicht verbunden, inwieweit da eine emotionale Bindung entsteht, da man ihn ja nicht „erobern“ musste, stelle ich zur Diskussion. Ist aber auch egal, Hauptsache es macht Spaß, sich damit zu beschäftigen und wenn das musikalische Ergebnis einen selber, möglicherweise auch andere Personen begeistert, ist alles prima.
@Dirk Matten „Heute ist der Erwerb mit nicht viel Arbeit und Verzicht verbunden“
Pauschalisierung.
Natürlich kann man VSTs im Netz „finden“ und Volcas und Unos kaufen. Aber nichts im Leben ist schwarz/weiß.
Meine Synths, außer dem hier gewonnenen MODX, empfinde ich als Errungenschaft und empfinde Dankbarkeit, dass ich durch meine Arbeit samt aller Überstunden und jahrelanger Urlaubsabstinenz das Geld dafür aufbringen konnte/kann.
Mein Eurorack System kostet bald 3mal soviel wie mein Auto und damit verbunden sind Jahre an autoditaktischem Research & Development. Das sind nicht mal mehr Eroberungen, das sind meine neuen Gliedmaßen.
Aber ich gebe dir Recht, Dirk, dass es in großem Umfang auch die andere Seite gibt. Aber so what?
@Dirk Matten Bei uns in Duisburg nennen wir Kinder wohlhabender Eltern die sich alles selbst erarbeitet haben „Kinder mit Hintergrund“. Das ist die nette Formulierung. Armut wird ja immer gerne in Geld beziffert, tatsächlich hat sie aber eine soziale Dimension die dem alteingesessenen Mittelstands-Erben so nicht bewußt ist. Mich persönlich widert es an, wenn „Menschen“ ihre Herkunft vergessen und das Glück, welches ihnen häufig beschert ist, nicht benennen wollen. Die hervorgehobene Eigenleistung ist im Verhältnis dann oft recht klein. Kraftwerk sind eben keine Bergbauarbeiter-Kinder. Eine Demokratisierung von Mitteln und Wissen ist wichtig. Auch wenn mich vieles im Netz und an der modernen Wirtschaft stört, am Ende geht es eben nicht nur um Konsum, Kunst und Ego, sondern um ein humanes Erbe. Wie Stockhausen und Kraftwerk mit deren Engagement da einzuordnen sind überlasse ich im Urteil jedem selbst. Meine Meinung dazu steht jedenfalls fest und die ist in beiden Fällen nicht durchweg positiv.
Hallo Hector,
und in UK kam der Electro von Jugendlichen aus Sheffield, Manchester, Liverpool. Und die haben billige japanische Synthies per Mailorder gekauft, weil die Eltern die Raten so abstottern konnten. Und in Birmingham haben sich die Metal Kids ihre Klampfen im Stahlwerk in den Ferien erarbeitet. Raus kam British New Steel. Und Kraftwerk mussten sich vermutlich ihr Equipment erst einmal zusammen löten oder bauen lassen. Ich meine es ist nicht entscheidend wo das Kind seinen Hintergrund hat, sondern was man daraus macht. Chancengleichheit nur auf den monetären Aspekt zu reduzieren, ist nicht sinnvoll. Der spielt natürlich auch eine Rolle. Ist aber eben nur ein Punkt. Und mit Geld kannst du am Ende des Tages auch nicht alle Problem lösen. Du sagst ja auch richtig, Eine Demokratisierung von Mitteln und Wissen ist wichtig.
@TobyB Mit sozialer Dimension meinte ich eben nicht nur Geld. Es macht schon einen Unterschied ob deine Eltern der besseren Mittelschicht stammen oder höher. Seit Thatcher sind die Kids in UK teilweise so abgehängt wie schwarze in den LA-Ghettos. Da kommst du nur raus wenn du kreativ oder eben der mit den meisten Homies und der dickeren Knarre bist. Wenn man so bedenkt wieviel tolle Musik aus Armut entstanden ist? Wahnsinn! Die ganze jüngere Zeit ist dadurch fast ausschließlich geprägt. Der Konsumwahn und Überdruss läßt uns dagegen abflachen, gemäß dem Motto „Keine Krise, keine Kunst“. ;)
Sehr gute Replik. Da kann ich bei den meisten Punkten voll mitgehen! Danke.
Meine Empfehlung lautete ja ganz simpel, sich einmal umzusehen, vielleicht entdeckt man etwas Interessantes und Neues. Oder man schätzt das Bewährte, da man eine zusätzliche Erfahrung gewonnen hat und alles mit anderen Augen betrachtet.
Oh, wie schön ist Panama | Janoschs Traumstunde
https://www.youtube.com/watch?v=MRY_s2XYY5U
Panama riecht von oben bis unten nach Bananen.
@Dirk Matten Dieser Empfehlung kann ich mich auch vollumfänglich anschließen. Überhaupt: Danke Dirk für den Anstoß an die rege Diskussion und an alle Diskutanten für Ihre interessanten sachlichen und fairen Beiträge.
Ich denke, dass ein Faktor – neben Präferenz für Musikstile bzw. Zugangsarten – auch die Zeit ist. Wer lange Musik macht, fängt automatisch an, sich damit auch theoretisch zu beschäftigen und lernt so auch immer mehr. Es gibt aber halt auch viele Leute, die das als Hobby mal 2-3 Jahre betreiben und dann meist nicht so in die Tiefe einsteigen (das wären dann die, die ich in einem anderen Kommentar als moderne Version der Hausmusik bezeichnet habe) – hier steht der Spaß im Augenblick und das schöpferische Gefühl im Vordergrund.
@tonvibration Im Laufe der nächsten Woche erscheint meine zweite Leser-Story, dieses Mal aus einem ganz anderen Blickwinkel und ich hoffe, nicht allzuviel virtuelle Prügel zu beziehen.
Vielen Dank für diese Perspektive. Da bin ich voll dabei.
Sehr schöner Artikel.
Allerdings bedeutet diese Sichtweise auf die „Banalmusik“ auch, dass der Durchschnitts-IQ (nicht nur in Deutschland) offenbar inzwischen stark gesunken ist.
Wenn es Millionen Klicks und Euros hagelt dafür, dass „Gangsta-Rapper“ ihre „Bitches“ erschießen wollen und DJ’s beim Abspielen ihrer Playlist sinnfrei am Cutoff-Knopf drehen, die Masse aber gleichzeitig Vivaldi für eine neue Hunderasse hält, dann entwickeln wir uns intellektuell offensichtlich zurück. Dabei sollte es ja eigentlich anders sein; der Zugang zu Informationen und Bildung ist in den westlichen Ländern einfacher als früher, und auch wenn man als Teeny Nena toll fand, sollte man sich als Erwachsener doch vielleicht auch mal links und rechts davon umgesehen und sich kulturell weiterentwickelt haben. Leider zeigt die Realität aber das Gegenteil, was sich ja z.B. auch in unserem Fernsehprogramm widerspiegelt, welches ganz offensichtlich nicht mehr einen Bildungs-, sondern einen Verblödungsauftrag hat…..
„…welches ganz offensichtlich nicht mehr einen Bildungs-, sondern einen Verblödungsauftrag hat…..“
Weder noch, da geht’s ums Margen machen genauso wie in der Popkultur.
Das ist ja auch schon so, seit Kunst verkonsumiert wird. Parallel dazu hat sich ja auch immer eine tiefere, geistig freiere und kreative Strömung entwickelt und erhalten. Im Fernsehen ist das natürlich schwierig weil es so gut wie keine Freiräume abseits der kleinen lokalen Mitmach-Stationen gibt. Aber überall sonst, wo Freiräume vorhanden sind, die die freie Entwicklung erlauben, entsteht immer auch Kunst, die nicht dumm und banal ist. Dafür muss man allerdings etwas länger danach suchen, da man damit nicht an jeder Ecke grellbunt erschlagen wird.
Tatsächlich ist das eine interessante kulturpolitische Frage, die aber in Ihrer Allgemeinheit weit über den Artikel hinausgeht. Es ist wohl die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bei Infomrationsüberflutung, die dazu führt. Gerade Popmusik hat ja auch soziale Aspekte – man will sich auch über seine Musik austauschen. Da würden sich bei 100 Farben dann auch alle plötzlich wieder auf rot einigen, während bei 10 Farben man noch den Überblick behält und alle Farben durchdiskutieren würde. Informationsflut führt also zu Vereinfachung.
Bei Popmusik und z.B. auch Kinofilmen kommt dann noch dazu, dass im Rahmen der Marktwirtschaft alles effizient sein muss, weswegen wieder der kleinste gemeinsame Nenner gesucht wird, was tatsächlich zu einer Gleichschaltung des Outputs führt. Über die abnehmende Diversität in Popmusik gibt es ja viele interessante Youtube-Videos.
Dies sind tatsächlich große Probleme, die auf unsere Gesellschaft zurollen und die mMn noch viel zu selten diskutiert werden…. vielleicht weil sie eben nicht mehrheitsfähig sind (haha, welch Ironie).
Tatsächlich ist der Durchschnitts-IQ in Deutschland (und anderen Industrienationen) am steigen – oder genauer: die Kurve hat sich verschoben und der IQ 100 (der per Definition der Durchschnitt ist) ist jetzt da wo vor einigen Jahren noch der IQ 110 war. Die Tests werden quasi immer wieder nachgeeicht (-> https://de.wikipedia.org/wiki/Flynn-Effekt)
Die empfundene, fortschreitende Verblödung der Gesellschaft liegt wohl eher an der erhöhten Sichtbarkeit durch die neuen Medien. Was früher der Stammtisch war, ist heute Facebook – was früher in der Kneipenecke stattfand ist heute weltweit lesbar.
@jazzhopper Der IQ ist nicht am steigen, nur weil er anders interpretiert wird.
Die Intelligenzleistung des Menschen bleibt immer in etwa gleich,
weil Menschen eine begrenzte Intelligenzleistung haben.
Vielleicht ist mit Mikrochips im Hirn, oder Gentechnik (größere Gehirne)
noch ein bissl was möglich, trotzdem bleibt eine Grenze.
Nicht so die künstliche Intelligenz, die sich immer noch steigern kann.
Sie wird den Menschen übertreffen.
Es gibt auch eine Religion, die eine KI anbetet, die 1 Mrd. mal klüger
ist als der Mensch. Siehe -> „Way of the Future“
Und die fördern die Technologie auch.
@Coin Nun, der IQ an sich ist ja schon mal ein oft umstrittenes Konstrukt. Aber willst du bestreiten, dass die Lebensqualität (Verfügbarkeit und Qualität von Nahrung, Wohnung, Entspannung, Bildung etc) einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns hat?
@jazzhopper Hallo Jazzhopper,
ja die Parameter, die Du genannt hast sind nicht entscheidend.
Auch ist die Aussagekraft des IQ umstritten, das stimmt.
Bei Intelligenzleistung ist die Größe des Gehirns ein Faktor.
Wir haben ca. 100 Mrd. Neuronen – Begrenzt.
Eine KI kannst Du immer noch erweitern.
(mit mehr/größeren „Gehirnen“)
Stephen Hawking schrieb in „Das Universum in einer Nusschale“
Dass erst größere Intelligenzleistung möglich ist,
wenn es uns gelingt Gehirne ausserhalb des weiblichen Körpers
zu züchten, weil eben der Kopf durch den Geburtskanal muss.
(wie romantisch ^^)
Auch Harald Lesch berichtete in Vorträgen davon.
Ich habe mir das also nicht ausgedacht. : )
Und in dem Link oben sind Hörbeispiele von Musik
von Robotern. Das gibt es also jetzt schon. ; )
Ob generativ gleich kreativ ist, sei mal dahingestellt.
Danke für die Kommentare – ich würde jetzt gerade gerne mehr Antworten verfassen, habe aber schon zuviel Zeit meines Arbeitgebers hier investiert und muss mich erstmal wieder dem Geldverdienen widmen – ich brauche noch neue Studiomonitore ;)
Und ein Extra-Danke an die Redaktion für die schöne Illu! :)
Bis heute Abend!
Das Folgende bezieht sich auf die von Dirk zitierten Werke Stockhausens, und nicht auf sein gesamtes Werk.
Als Anregung, über den eigenen Froschteich hinaus zu schauen, finde ich den Ansatz von Dirk sehr gut. Aber ähnlich, wie Leser Jazzhopper und defrigge, habe ich eher Unverständnis dafür, „gut“ oder „schlecht“ im Sinne Kants zu verstehen und zu einer Gesetzmäßigkeit zu erheben. „Gut“ und „schlecht“ sind per se rein subjektive Äußerungen, die in den meisten Fällen auf das Erlebte zurückgreifen. Wenn mein Vater Rocker war, dann werde ich Rockmusik wohl auch „gut“ finden. Weil es eine Emotion transportiert, die mir beim Werk Stockhausens völlig abgeht. Vielmehr erkenne ich dort eher ein „Hurz“ in dem Sinne, dass hier in eine, für außenstehende Menschen völlig wirre Ton-Aneinanderreihung viel hinein interpretiert wird. Das ist an und für sich nicht schlimm. Das Problem liegt meiner Meinung nach im transportierten Elitärismus, der durch die Blume sagt: „naja, du bist wahrscheinlich zu doof für meine Mucke“. Und ein „geh doch auf die Weide zu den anderen dummen Kühen“ wird pseudo-poetisch hinterhergeschickt. Stockhausen ist wie Marcel Proust. Ein Satz über 2 Seiten – Zack. Verstehste nicht? Selber schuld. Bist halt zu dumm.
@Jörg Hoffmann Wenn man Stockhausens Musik jenseits von kritischer Diskussion um seine Person, Vereinnahmung durch den Kulturbetrieb und feuilletonistischem Mummpitz betrachtet, gibt es da wie bei vielen anspruchsvolleren Sachen eine Schwelle, über die man vom eigenen Interesse getragen werden muß, um zu erfahren, daß eine tiefere Beschäftigung mit ihr unweigerlich zur Auseinandersetzung mit klassischer Formensprache und Komposition führt.
Natürlich kann man sich die Musik auch gefühlsmäßig erschließen, sie öffnet aber ihre Türen weiter und wird auch in ihrer Tragweite im Geflecht ihrer Zeit und darüber hinaus klarer, wenn man sich mit den Techniken beschäftigt, die zu ihrer Entstehung geführt haben. Das ist wie gesagt Kompositionslehre einerseits, als auch die elektronische Instrumentalisierung andererseits.
Ob und wie intensiv man sowas machen will, ist jedem selbst überlassen. Wenn man das nicht will oder nicht kann, ist man sicher nicht zu doof. Das sind Vorwürfe von Leuten, die ihren Narzismus mit Liebe zur Musik verwechseln, auf sowas darf man nichts geben. In diesem Fall ist allerdings die Schlußfolgerung falsch, die Musik wäre elitär und bewußt hermetisch, nur weil sie nicht auf Anhieb verständlich erscheint. Das ist wie ein Buch zu kritisieren, das man noch nicht gelesen hat.
Teil 2:
Menschen DÜRFEN Pop, sie dürfen Ballermann, den Musikantenstadl. Sie erleben offensichtlich Glück dabei. Und das ist es, was diese „profane“ Musik den Werken von Stockhausen voraushat. Bildung und Kulturoffenheit zeigt sich für mich, wenn man sich bemüht, das Portfolio zeitgenössischer Musik zu erforschen und für sich subjektiv zu bewerten. Deutschrap, Trashmetal – hört doch mal rein, hört zu und findet den Kern, der in jedem Pudel steckt. Und dann hast Du Deine Musik für Dich gefunden – weil Du Dir ein Urteil bilden kannst.
Das habe ich auch – Danke Dirk – mit einem Auszug aus Stockhausens Werk gemacht. Mein Problem: was der Karlheiz da macht, das hört sich genauso an, wie wenn ein begabter Sounddesigner an einem neuen Sound bastelt. Nur schwurbelt der dann nicht zwei Seiten lang rum, dass hier (ach wie kompliziert) sechs Schichten untereinander liegen und diese in Frequenz, Oberwelle, Impuls, Phase und was weiß ich noch aufeinander abgestimmt sind. Der kann mir doch viel erzählen. Hören kann man das sowieso nicht. Aber es war zumindest interessant im Gehörten das Gelesene zu suchen.
Im hohen Alter hat Stockhausen von sich behauptet, er käme vom Sirius und er hätte die Gabe, Licht zu hören. De mortuis nil nisi bene. Aber muss man sich von ihm sagen lassen, dass man der Banalität fröhnt, wenn man sein Werk nicht versteht? Ich nicht.
@Jörg Hoffmann Karlheinz Stockhausen, „Texte zur Musik 1970 – 1977“, Band 4
Ausschnitt aus „Frage und Antworten zu den ‚Vier Kriterien …’“
Stockhausen: Es gibt zwei mögliche Antworten auf das, was Sie da sagen. Die erste ist, daß es gewiß ein Fehler wäre, alle Menschen als gleich zu betrachten.
Wie Albert Schweitzer einmal sagte, gibt es die ganze Skala zwischen dem Affen und dem Heiligen. Sie alle sehen mehr oder weniger wie Menschen aus. Es gibt einige, die sagen, daß jeder von seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr an für sein Gesicht verantwortlich ist. Damit ist gemeint, daß es nur ganz wenige unter uns gibt, die ständig am Grad der Erleuchtung und der Erweiterung ihres Bewußtseins arbeiten.
@Dirk Matten Sehr salomonisch, immer mit einem Zitat zu antworten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der der gute Karlheinz ein Menschenfreund war, ober sich über ihnen stehend sah. (so vom Sirius aus gesehen :-) )
Auf jeden Fall freue ich mich auf Deine nächste Story!
@Jörg Hoffmann Zu mir war er immer sehr freundlich, habe ihn nie anders erlebt. Als 1973 Hymnen als Version mit Interpreten in der Bonner Beethovenhalle aufgeführt werden sollte, habe ich mit zur Vormittags- und Nachmittagsprobe durch den Hintereingang in den großen Saal eingeschlichen, da saß Stockhausen in der Saalmitte mit seinen Filtern und Reglern, habe ihn höflich gefagt, ob ich zuhören dürfte, was er sofort bejahte, mich neben ihn gesetzt und aufmerksam zugehört. Dann am Abend die 2-stündige Aufführung, auch direkt neben ihm, da konnte man am besten hören. Von da ab hat er mich bei diversen Gelegenheiten, u. a. bei den Öldorf Konzerten immer freundlich gegrüßt. Mein Geschäftsparner und ich haben ihn mal im WDR getroffen und er hat uns von der Zukunft der elektronischen Musikinstrumente erzählt, die wir bauen sollten, später war er dann mit seinem Sohn Simon in meiner Firma, um diverse Synthesizer zu kaufen. Da hatte sich auch ein gutes Gespräch ergeben. Unfreundlich oder abweisend zu irgendeinem Menschen habe ich ihn nie erlebt, ganz im Gegenteil.
Seitdem ist Hymnen in der elektronischen Fassung für mich eines der ergreifendsten elektronischen Werke. Hier die 3. und 4. Region, leider nicht vierkanalig, sie steht in der restaurierten Form 24 Bit / 96 kHz bei mir im Schrank. Müsste mir mal eine entsprechende Abhöranlage und Räumlichkeiten zulegen.
https://www.youtube.com/watch?v=uj3g-QOC0U8&t=731s
@Dirk Matten Hui, da wird es schwierig. Intellektuell kann ich das als Musik begreifen, da ich verstehe was Stockhausen beabsichtigt und wie er es umsetzt. Wie er mit allen Hörgewohnheiten bricht und sich allen Strukturen der Musik widersetzt. Doch erfassen tue ich das Werk nicht als Musik sondern als Geräuschcollage.
Ich versuche es mal mit einem Beispiel: wenn ich die Wahrnehmung von Regalen revolutionieren will und ein Seitenteil entferne ist das Ergebnis wahrscheinlich etwas instabil, wird von der Mehrheit aber noch als Regal erkannt und akzeptiert werden. Wenn ich aber alle Böden entferne und nur die Seitenteile übrig lasse und mich dann hinstelle und sage: „dass ist ein Regal!“ – dann werden mich die meisten Menschen ziemlich blöd ansehen und kopfschüttelnd weggehen: „Das kann man doch gar nicht benutzen“ – „Tja, ist halt Kunst und das verstehst du nicht, du armer Hund – bilde dich erst mal!“
In der Musik ist das Extrem dieses Prinzips John Cages 4’33 (das würde ich gerne im Supermarkt in der Dauerschleife haben!)
Für die meisten Menschen ist Musik eben mehr als die Minimal-Defintion „arrangierte Geräusche“. Damit von ihnen etwas als Musik erfasst wird, benötigen sie Struktur und wiedererkennbare Motive – sonst ist es einfach für sie nur ungenießbarer Lärm.
Danke für diesen Artikel jazzhopper !
Ich habe Herrn Mattens Artikel auch als ziemlich abgehoben und provozierend empfunden, wollte mich aber zu keinem Kommentar hinreißen lassen.
Auch ich bin (noch ganz knapp) 49 Jahre alt und könnte das Meiste aus Deinem Artikel und vor allem auch dem letzten Absatz zu Deiner Person für mich übernehmen.
Seit dem ich mit 11 Jahren die ersten Kraftwerk-Songs gehört und mit 12 Jahren das erste Mal an einem Roland Jupiter-8 im Musikgeschäft rumfingern konnte, haben mich elektronisch erzeugte Klanggebilde, vor allem Synthesizer, nicht mehr losgelassen.
Dennoch waren meine eigenen Erzeugnisse bis heute nie (für mich selbst) gut genug, um sie anderen vorzuspielen.
Aber die reine Beschäftigung mit der Technik und dieser Art von Musik ist für mich eine Quelle des Glücks und Ausgleich zu meinem Job als Elektronik-Entwickler und vor allem nach dem Ende meiner Ehe.
Ich finde auch nicht alles toll, was einem heutzutage so um die Ohren gehauen wird, aber ich bin froh, dass es alle diese Möglichkeiten gibt und ich meinem 11-jährigen, sehbehinderten Sohn diesen Spaß an der Musik vermitteln darf.
@Dirk Siegmund Provokation war nicht meine Intention, wohl aber, bestimmte Sachverhalte zugespitzt auf den Punkt zu bringen. Dass so etwas nicht jedem gefällt und er sich möglicherweise angegriffen fühlt, liegt dann aber in der Natur dieses Lesers begründet. Es gibt Situationen, wo ein Brillenträger von anderen Personen als Bedrohung verstanden wird, ohne dass dieser etwas getan oder gesagt hat.
@Dirk Matten Dirk, ich persönlich fühle mich von Dir nicht angegriffen, nur zum Widerspruch herausgefordert. Aber wenn Du Andere wirklich nicht angreifen willst, würde ich dazu raten etwas weniger scharf zu formulieren und z.B. die, die Du erreichen und dazu kriegen willst über den Tellerrand zu schauen nicht gerade als ‚arm‘ zu bezeichnen. :)
Was mich aber wirklich interessieren würde: welche Künstler der letzen 10 Jahre im Bereich elektronische Musik (U und E – auch wenn ich diese Trennung ablehne) haben dich begeistert? Was an aktueller Musik sollte man gehört haben?
@jazzhopper Ich habe keinen Leser hier als arm bezeichnet, sondern lediglich die Situation im Allgemeinen nach meinem persönlichen Empfinden geschildert. Müsste meinen Ausgangsbeitrag nochmals daraufhin sichten. Elektronisch wird heutzutage überall produziert, das ist Stand der Technik. Und auf deine Frage zu antworten: Helene Fischer.
@Dirk Matten Falls du Dich von von mir angegriffen fühlst, Verzeihung, das lag nicht in meiner Absicht. Darauf wie das geschriebene Wort ankommt hat man aber leider manchmal wenig Einfluss als man denkt.
Helene Fischer macht für ihre Zielgruppe – nach meiner obigen Definition – zweifellos gute Musik (mir rollen sich die Zehennägel). Allerdings kann ich mir Dich in dieser Gruppe nur schwer vorstellen.
Da ich die Frage wirklich ernst gemeint hatte, bin ich von der Antwort nun etwas enttäuscht (möglicherweise zu unrecht)
Ich steige nun hier aus, bevor das ganze von einer angeregten Diskussion in etwas abrutscht, woran ich nicht schuld sein will.
Das Danke für deinen Beitrag unter meinem Artikel habe ich zu 100% ernst gemeint
@jazzhopper Meine Antwort war durchaus erst gemeint, war am 24. Januar 2018 bei ihrem Kölner Konzert. 148,80 pro Nase, war klasse.
Und Zitat von der Wikipedia Diskussionsseite zu „Elektronische Musik“:
Definition
Nach der Definition dieses Artikels ist es also elektronische Musik, wenn mein 21-Melodien-Türgong elektronisches Getute von sich gibt. Die „beliebten Volksliedmelodien“, die das Gerät beherrscht sind nun mal Musik. Das Gerät selbst ist zweifelsohne voll elektronisch, auch werden wir Schwierigkeit haben, es nicht als „Instrument“ (lat. Hilfmittel usw.)zu bezeichnen. Es handelt sich also um Musik, die rein durch elektronische Mittel, ja sogar durch ein elektronisches Instrument erzeugt wurde, nach der Logik der hier anzutreffenden Definition also um e. M. Wenn das hier gewollt ist: wieder mal ein schwachsinniger Wikipedia Artikel.
Zitat Ende
@Dirk Matten Ich gebe zu, dass ich ein wenig überrascht bin :)
Die Wikipedia-Seite scheint einer dringenden Überarbeitung zu bedürfen. Elektronische Reproduktion von Musik durch einen Türgong würde ich persönlich jedenfalls nie in die Kategorie ‚elektronische Musik‘ sortieren. Auch nicht das Ersetzen von Musikern durch Samples in der Musikproduktion. Bei EDM sehe ich aber eine klare Verwandschaft, mit Pierre Henry und Stockhausen, der Berliner Schule und Kraftwerk als direkte Vorfahren – tja, Enkel entwickeln sich nicht immer so wie es die Großeltern sich das gewünscht hätten (eher selten).
Versöhnliche Grüße (und ich freue mich auf Deinen nächsten Artikel )
@jazzhopper Und um unter das Ganze einen Strich zu machen:
Indessen, nicht die Produktionsmethoden, sondern die sie bestimmenden Kompositionsmethoden machen das „Gesicht“ einer Musik aus.
Eimert/Humpert – Das Lexikon der elektronischen Musik, Seite 340
@jazzhopper Meine zweite Leser-Story wird vorgezogen und erscheint heute. Bin mal auf die Reaktionen gespannt.
Ja … lieber Maschinen für das Volk als Gitarren für den Pöbel!
Der gute alte Dirk kanns nicht lassen und kaut erneut die Stockhausen Leier. Im Sequencer Forum füllt dieser Hirnquirl ganze Bände.
Aber … Stockhausen kann man mögen, man muss es aber nicht!
So einfach ist das!
UND da die neue Generation auf der Alten aufbaut, ist Stockhausen und auch Kraftwerk schon längst überholt worden. Der ein oder andere Senior rafft das nur nicht mehr, weil er auf seinem persönlichen Höhepunkt der „geistigen“ Evolution, bei seinen dadurch individuell geformten Vorlieben, hängen geblieben ist.
UND so schwärmte Oma Patschulke ihren ganzen Lebensabend lang, im Altersheim, von Polka als der einzig wahren Musik. Ihre Augen glänzten dabei, Sie war glücklich, Sie riss andere mit Ihrer Begeisterung mit. Es fanden Polka Abende statt!
Dirk hingegen ist irgendwie verkrampft, dabei könnte es so schön sein!
Respektvolle Grüße an Schnuffi
(ich verschenke auch die Rechtschreibfehler, sonst kann sich manch einer gar nicht erhaben fühlen, erhaben wie einst Stockhausen „zu seiner Zeit“. :)
Ich fand dieses Youtube Video „WDR Studio für Elektronische Musik“ sehr interessant. Es zeigt wie z.B. die technische Umsetzung früher war.
Klar heute mit den Möglichkeiten von Sampler, Computer etc. scheint das erstmal nicht mehr so spannend. Wenn man aber mal in diesem Video die Tragweite der technischen Umsetzung sieht und teilweise die Grundgedanken zu den Komposition nachvollzieht dann bekommt das eine andere Dimension.
Ich habe mich nicht intensiv damit beschäftigt aber das Stockhausen Partitionen von den Frequenzen der Oszillatoren, Berechnung von 10000 mal schneller abgespielten Rhythmen und die daraus entstehenden Spektren aufgeschrieben hat. Das hat mich stark beeindruckt.
https://www.youtube.com/watch?v=wD89pJXQvWE