Zeitgeschichte: Sennheiser Vocoder und Moog Modular Synthesizer - präsentiert im ZDF von Heinz Funk
Und wieder einmal hat YouTube ein Video aus der Zeitgeschichte der Synthesizer-Geschichte an den Strand von AMAZONA.de gespült. Heinz Funk präsentiert in einer ZDF-Sendung das Moog Modular System und einen Sennheiser Vocoder VSM 201.
Sicherlich war es für das Fernsehpublikum von 1978 sehr spannend anzusehen, wie Heinz Funk auf seinem Moog System Kanarienvögel und rauschende Winde erzeugt. Laut Heinz Funk nutzt man den Synthesizer für solche Töne, weil es viel zu kompliziert sei, diese Töne von den Original Quellen aufzunehmen. Wenn man keinen Synthesizer besitzt, mag das sicherlich zutreffen.
Heinz Funk hatte aber auch einen pädagogischen Anspruch, denn er erklärte dem Publikum ganz genau, wie die Geräusche zustande kommen: Hier ein freies Zitat am Beispiel des Windes:
„Das ist ganz einfach: Wir nehmen da einen Rauschgenerator, führen ihn über einen Low-Pass-Filter, heben den Resonanzpunkt ein bisschen an, damit wir etwas Heulen bekommen, und dann stecken wir die Steuerspannung eines Ribbon Controllers auf den Kontrolleingang dieses Filters.“
Es ist zu bezweifeln, dass ein Großteil des Fernsehpublikums von 1978 diese Ausführungen wirklich verstanden hat. Die Frage ist, ob sie es auch 2024 verstehen würden. Dem AMAZONA.de-Leser und -Leserin sind diese Ausführungen sicherlich nicht fremd, und durch die Popularisierung der elektronischen Musik können sicher mehr Menschen diese Fachausdrücke einordnen.
Um das Publikum abzuholen, singt Heinz Funk mit Hilfe des Sennheiser Vocoder VSM 201 das Lied „Lili Marleen“ und führt auch sehr ausführlich vor, welche Möglichkeiten der Vocoder bietet.
Ein spannendes Zeitdokument. Schade, dass es nur in schlechter VHS-Qualität zu finden ist. Es wäre schön, wenn das ZDF, ähnlich wie der Bayerische Rundfunk oder die BBC, ihre Archive der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen würde, denn die elektronische Musik ist Teil der Geschichte. Die Präsentation in „Desnyland“ ist ein weiterer Mosaikstein, der die Geschichte der elektronischen Musik erzählt. Angeblich existiert auch ein Film, in dem dem Heinz Funk „Jingle Bell’“ auf einem Moog-Synthesizer spielt, welchen ich leider nicht finden konnte.
Heinz Funk und Ivan Desney
Bei dem YouTube-Mitschnitt handelt es sich um eine Unterhaltungsshow des ZDF, die sich „Desnyland“ nannte. Der Schauspieler Ivan Desny führte allerhand Kurioses aus der Unterhaltung vor. Artisten, Musiker, Schauspieler, Vorträge usw. gehörten zu dem Programm. Ivan Desny lebte von 1922 bis 2003 und spielte in vielen legendären deutschen Verfilmungen mit. Er war in „Das Traumschiff“, „Tatort“, „Berlin Alexanderplatz“ und in Rainer Werner Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“ zu sehen. Doch das nur am Rande, denn in „Desnyland“ wurden auch Einspieler gezeigt und einer wurde im Studio von Heinz Funk (1915–2013) aufgenommen.
Heinz Funk studierte Akkordeon und war ausgebildeter Tonmeister sowie Komponist. In den 1960er-Jahren arbeitete er für Film und Fernsehen, wie z.B. „Stahlnetz“, Hafenpolizei“ und Edgar-Wallace-Verfilmungen wie „Die toten Augen von London“. Er war Gründer des „Studio Funk“, welches mehrere Niederlassungen in deutschen Großstädten hatte. Außerdem war er Spezialist und Importeur von Moog-Synthesizern. Laut Wikipedia produzierte er ein Demo für den Sennheiser Vocoder VSM 201.
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Vielen Dank, dass Du das ausgegraben hast…!!! Das, und noch ein paar andere Sachen (div. Kraftwerkauftritte im Fernsehen) waren schuld daran, dass ein Sechsjähriger an nichts anderes mehr denken konnte ^^. Natürlich haben mich Vocoder usw. am meisten beeindruckt. Logisch, klingt ja nach Roboter :).
Schon lange nicht mehr so einen heftigen Flashback gehabt ^^….
Dieses Video ist ein absoluter Klassiker unter Synthnerds. Dies dürfte eines der ersten Videos sein die ich entdeckt habe, als ich mich mit Synthesizern befasste. Seit dem ist der Link auf dem Rechner. Andere Synthbegeisterte kennen das auch schon lange. Es ist einfach anschaulich und sehr lustig dargestellt, daher kurzweilig und unterhaltsam. Mal abgesehen von den Verbindungen die Heinz erklärt, ist dies für Synthanfänger ein Segen, wo Möglichkeiten, Einsatzgebiete und übliche Geräusche eines Synthesizers kurz dargestellt werden. Ein weiteres Schmankerl ist vom Schweizer Fernsehearchiv 1982: „SRF – Was ein Synthesizer alles kann: Sound aus der Steckdose!“ Inhalt sind u.a. ARP 2600 und Prophet 5. In guter Qualität in YT erhältlich.
@Filterpad Könntest Deine YouTube-Schätzchen ruhig verlinken. Auch gerne per PM ;)
nach wie vor, einfach grandios dieses Video mit Heinz Funk. Die Leidenschaft ist ansteckend!!!
Nur echt mit weißem Kittel 😀
Ich zitiere von meiner Homepage:
Heinz Funks Vorführungen waren grandios und einfach nicht zu überbieten, denn er demonstrierte die sündhaft teuren Moogs wie ein fliegender Händler in der Fußgängerzone. Heinz Funk sollte Dirks absolutes Verkäuferidol werden. „Dann nehme ich für 5 Pfennig Sägezahn und für 10 Pfennig Rechteck!“
https://www.elektropolis.de/ssb_vorgeschichte2.htm
Irgendwann wurde ihm klar, dass er auf Grund seiner Art und seines Alters potentielle Kunden nicht mehr ansprechen konnte. Heinz Funk gab den Direktverkauf der modularen Studiosynthesizer sowie den Weiterverkauf der „Haushaltssynthesizer“ (Originalton Heinz Funk) an die Firma Dynacord auf, diese wurden dann von Moog aus dem Zolllager in Rotterdam direkt an ausgesuchte Fachhändler verkauft.
Anlässlich der Tonmeistertagung 1976 in Köln stellte Heinz Funk seinen modularen Moog Synthesizer aus. Ich fragte Peter Eötvös, mit dem ich freundschaftlich verbunden und der technischer Assistent im Studio für Elektronische Musik war, künstlerischer Leiter war Karlheinz Stockhausen, ob er Interesse an einer kurzen Vorführung habe, was er bejahte.
Ich ging zu Heinz Funk, avisierte Peter Eötvös und bat ihn, seine Vorführung absolut seriös und ohne Showeffekt durchzuführen. Wollte er.
Nachdem er für einige Minuten erklärt hatte, was ein Oszillator und ein Filter ist, gingen bei ihm die Pferde durch und er legte, so wie zum Ende dieses Videos, los.
Ich habe mich unendlich fremdgeschämt. Eine Situation in meinem Leben, die ich nie vergesse.
@Dirk Matten haha.. er konnte es einfach nicht lassen ;) genie und wahnsinn? ist doch meist so…
@rio Er kam nicht aus seiner Enterteiner-Rolle raus und hatte keine Ahnung, um was es bei der Elektronischen Musik von Stockhausen und dess Weggefährten ging. Also irgendwie arrogant, ungebildet und dumm.
Bei den Zuschauern, die gerne „Der blaue Bock“ und sonstige banale Fernsehunterhaltung ohne Bildungsanspruch sahen, aber auch heute bei der jüngeren Generation (q.e.d.) kam das gut an, sie freuten sich. Meine Generation fand das mehr als dämlich, man wollte mit Synthesizern eine neue und ungewohnte Musik „erfinden“. Die kamen dann zu mir ins Synthesizerstudio Bonn.
@Dirk Matten ok du meinst das Patching usw. haben die Techniker für ihn vorbereitet und er hat dann bestenfalls niemanden hinter der Kulisse zugestaucht.
@rio Nein, er wusste sehr wohl, wie man bestimmte Klänge herstellt, sein musikalischer Horizont endete bei Fernseh- und Unterhaltungsmusik der vergangenen Zeit, von „Neuer Musik“ hatte er keine Ahnung, auch nicht, was die jüngere Generation anstrebte. Er hat dann freiwillig das Handtuch geworfen. Im Ruhrgebiet bezeichnet man solchen Menschen als Schmierlappen.
@Dirk Matten hehe… trotzdem geil seine performance im video ;)
Gerne mehr von solchen Schätzen auf Amazona ;)
Fehlt nur noch das Heinz Schenk mim Bembel ums Eck kommt 😁!
Diesen Heinz Funk hatte ich bis jetzt erfolgreich aus meiner Erinnerung verdrängt. Aber jetzt erinnere ich mich — auch dank Dirk Mattens Anmerkungen — dass diese etwas teiggesichtige Figur eher gestört hat. Na ja, in den Siebzigern hat man auch noch ungeniert Udo Lindenberg zu den „Blödelbarden“ gezählt.
Täusche ich mich, oder stammt die Sequenz, die Funk am Ende zerstören darf, aus „The Chase“ von Moroder und Faltermeyer? Wurde der (fertige) Song nicht erst 1979 veröffentlicht? Kann es sein, dass das gezeigte Moog Modular System Moroder gehörte?
@MartinM. „Midnight Express“ hatte im Mai 1978 in Cannes Premiere, der Soundtrack wurde im folgenden Herbst veröffentlicht, die Single aber erst Anfang 1979 zum Erfolg.
Spielt letztlich keine große Rolle, denn die Sendung, aus der dieser Ausschnitt stammt, wurde am 2. Juli 1979 ausgestrahlt und sicher nicht allzu lang vorher aufgezeichnet.
Ich war tief beeindruckt vom meditativen und spirituellen Umgang mit dem Moog-Synthesizer. Wie er eingesetzt wurde, um Klangatmosphären zu schaffen, die tiefe emotionale und transzendente Erlebnisse hervorrufen sollten. Ein Musikstil entstand, der von mystischen und philosophischen Themen durchzogen war. Der Einsatz des Synthesizers war weniger technischer Natur, sondern vielmehr eine Kunstform, die mit der Suche nach dem Spirituellen und Außergewöhnlichen verbunden war. Danke, Florian Fricke. ;)
Großartig, Sven. Kanne ich noch nicht – DANKE!!!
Mein Gott, der Typ war aber echt schräg (im positiven Sinn) besonders das Finale. Ich habe mich bei diesem Clip bestens unterhalten. Ich werde mir den Clip bestimmt noch das eine oder andere Mal anschauen. Der Herr Funk ist damals aber komplett an mir vorbei gegangen. Ich assoziiere mit diesem Moog System eigentlich immer noch Keith Emerson.
Vielen Dank, der Vocoder kam eigentich ursprünglich vom Miltär her zur Sprachverschlüsselung…