Neue Mechaniken für die alte Gitarre: Graph Tech PRL-8311-C0
Gitarren im niedrigen bis mittleren Preissegment werden überwiegend mit klassischen Stimmmechaniken ausgeliefert. Das ist erst einmal kein Problem, da mit Übung ein Saitenwechsel leicht von der Hand geht. Dieses Gitarrensegment ist gerade bei Einsteigern beliebt – denen fehlt aber die Übung und ein weites Feld an möglichen Problemen wird eröffnet: der regelmäßige Saitenwechsel wird vor einem hergeschoben und wenn man es dann auf sich genommen hat ist die Stimmstabilität nicht wie erwartet. Mit dem hier beschriebenen Einbau von Klemm-Mechaniken (neudeutsch: Locking Tuner) werden diese Herausforderungen adressiert.Im folgenden wird die Funktionsweise von Klemm-Mechaniken im Allgemeinen und die Besonderheiten der Graph Tech PRL Ratio-Tuner eingegangen. Am Beispiel einer meiner Gitarren zeige ich, wie der Umbau vorzunehmen ist und werde abschließend das Ergebnis – subjektiv, da ich als Kunde und nicht als neutraler Tester schreibe – darstellen.
Inhaltsverzeichnis
Die Ratio-Mechanik
Die Einführung von Neuerungen bei Gitarren ist ein Thema für sich. Im Gegensatz zu z.B. Bassisten werden Weiterentwicklungen von Gitarristen eher kritisch gesehen. Als Daumenregel gilt: wenn es vor 1965 von F. oder G. Auf den Markt gebracht wurde – gut. Seitdem gab es nur wenige Dinge, die von Gitarristen allgemein akzeptiert wurden: aktive Pickups, Floyd Rose, Punkt. Ideen wie RoboTuner wurden gnadenlos abgestraft. Warum schreibe ich dies? Um das Marktumfeld zu beschreiben, in dem Graph Tech mit ihren Stimmmechaniken antritt…
Die neue Idee bei diesen Stimmmechaniken ist, dass das Übersetzungsverhältnis je Saite unterschiedlich ist. Dadurch wird erreicht, dass man bei einer halben Umdrehung der Mechanik die Stimmung um einen Halbton ändert. Und zwar bei allen Saiten gleich. Traditionelle Mechaniken haben ein Übersetzungsverhältnis von z.B. 18:1. Die „dicke“ E-Saite reagiert sehr sensibel auf eine Drehung, während die „dünne“ E-Saite viel weniger Reaktion zeigt. Bei den Graph Tech Ratio hat die „dicke“ E-Saite ein Übersetzungsverhältnis von 39:1, während die „dünne“ E-Saite ein Verhältnis von 12:1 aufweist. Im Ergebnis werden beide E-Saiten bei einer halben Drehung mit der gleichen Tonhöhenänderung – ein Halbton – reagieren. Das klingt erst einmal sehr praktisch. Es sei denn, man spielt seit Dekaden und hat die Unterschiede zwischen den Saiten verinnerlicht. Es ist dann vielleicht nicht ganz so schlimm wie RoboTuner, aber auch nicht weit weg…
Die nicht-neue Idee ist der Klemmmechanismus, mit dem die Saite in der Mechanik festgehalten wird. Man hat eine Rändelschraube auf der Rückseite der Mechanik, mit der die Saite nach Einfädeln in die Mechanik eingeklemmt wird.
Da das wunderbar hält, braucht man nicht viel Saiten-Material aufspulen. Es heisst, dass Klemmmechaniken stimmstabiler wären. Das werde ich im Anschluss des Umbaus testen, vermute aber, dass dies dann gilt, wenn man beim Saitenauflegen auf klassischen Mechaniken eher semi-professionell zu Werke geht.
In der Verpackung findet man alles, was man für den Umbau seiner Gitarre braucht:
Die Mechaniken selbst,
Befestigungsmaterial und
eine Infokarte, die dem Kunden nochmal erklärt, warum es sich um ein geniales Produkt handelt und ihn darin bestätigt, einen guten Kauf gemacht zu haben.
Umbau
Für den Umbau benötigt man einen PH-1 Schraubendreher (also einen kleinen Kreuzschraubenzieher), einen 10mm Maulschlüssel (Ringschlüssel geht auch) und einen Drahtschneider. Bitte keine Kombizange für die Muttern nehmen – das wird mit Ansage schief gehen und die Kopfplatte in Mitleidenschaft ziehen.
Vorbereitend kommen die Saiten runter. Wenn man keine schöne Werkbank für Gitarrenarbeiten hat tut es auch der heimische Teppich. Sinnvoll ist dann eine Halsstütze, die es für wenig Geld gibt und auch später bei der Gitarrenpflege gute Dienste leistet.
Bei der Demontage der alten Mechaniken ist unbedingt darauf zu achten, mit wie viel Kraft die Muttern angezogen sind. Oder besser gesagt: mit wie wenig Kraft… Die alten Mechaniken packt man sicher zur Seite, sollte man die Gitarre aus irgendwelchen Gründen wieder in den originalen Zustand versetzen wollen.
Je nach Modell muss man aus dem Beutel mit den Adapterplatten die passenden für seine eigene Gitarre heraussuchen. Neben den von mir benötigten Platten sind drei weitere Typen vorhanden – siehe Bild. Diese Adapterplatten bestehen aus Alublech und erfüllen ihre Aufgabe. Wirklich schön sind sie aber nicht. Man kann sie relativ leicht aufpolieren (aufwendig), man kann die Adapterplatten nochmal extra in schön kaufen (ca. 13 EUR, plus Warten auf den Postboten) oder lebt damit, wie sie aussehen.
Im Falle der SG sind die Adapterplatten nicht symmetrisch. Das bedeutet, dass sie nicht beliebig gedreht werden können. Warum ist das wichtig? Wenn man angefangen hat, die Adapter zu polieren und dann merkt, dass es die falsche Seite war…
Beim Einsetzen der neuen Mechaniken ist darauf zu achten, dass diese eine Nummerierung haben. Aufgrund der unterschiedlichen Übersetzungen ist sich hierdran zu halten… Beim Festziehen der Mutter sich an die Festigkeit bei der alten Mechanik erinnern. Es sind keine Radmuttern und knisterndes Holz ist kein Zeichen besonders sorgfältiger Montage.
Ergebnis
Als Erstes steht der Saitenwechsel bzw. die Besaitung an. Hierfür ist es sinnvoll, die Mechaniken solange zu drehen, bis die Bohrungen in Richtung Griffbrett zeigen. Mit den Rändelschrauben auf der Rückseite wird der Klemmmechanismus geöffnet, sodass die Saiten durch die Bohrungen passen. Die Saite wird stramm gezogen und dann wieder ca. 1cm zurück geschoben. Mit der Rändelschraube den Klemmmechanismus anziehen und das überstehende Stück Saite abschneiden. Fertig. Ach so: gestimmt werden ist immer noch dran.
Ist es jetzt stimmstabiler? Rein subjektiv ja – aber nicht immer. Wenn ich mit ruhiger Hand, viel Geduld und ein bisschen Glück neue Saiten aufziehe, habe ich keine Probleme mit der Stimmstabilität. Das dauert aber seine Zeit. Auf jeden Fall ist ein Saitenwechsel leichter und signifikant schneller erledigt. Ohne eine ruhige Hand, voller Ungeduld und ohne Abhängigkeit von günstigen Fügungen.
Und wie gut funktioniert das Thema „halbe Drehung gleich ein Halbton“? Überraschend gut. Es ist bei mir nicht ganz eine halbe Drehung – eher 160 Grad, das aber gleichmäßig über alle Saiten. Ich vermute, dass dies an der Saitenstärke liegt. Auf jeden Fall geht das Stimmen so signifikant leichter – für mich.
Ich muss sagen, ich habe Locking Tuner noch nie verstanden. Wenn sich mit der Zeit die Stimmung ändert, liegt das ja nicht daran, dass sie Saiten aus den Tunern ein Stückchen herausrutschen, sondern daran, dass sie sich durch die vorhandene Spannung dehnen. Rutschen Saiten im Tuner, wurden sie fehlerhaft aufgezogen. Ein Saitenwechsel geht – zumindest bei mir – so schnell, dass ich nicht wüsste, was Locking Tuner noch beschleunigen könnten. Ganz im Gegenteil wäre ich damit wahrscheinlich sogar langsamer (Locking öffnen -> Saite rein -> Saite etwas zurückziehen -> Locking wieder schließen -> stimmen); ohne Locking Tuner sind es drei Schritte weniger (Saite rein -> stimmen).
es war noch nie verkehrt, eine preiswerte Gitarre mit Spezel Mechaniken zu „veredeln“. Das wertet so ein Instrument definitiv auf, weil die fernöstlichen Billigfabriken da mehrheitlich wenig Wert drauf legen. Das hat eine mittelmäßige Squier (bei ordentlichem Korpus/Hals) schon öfter auf eine fast fenderiges Nieveau gehoben.