Eine unsichtbare Ikone am Bass hinter den Stars
James Jamerson gehörte zu den besten Bassisten der Welt und wurde doch Zeit seines Lebens wenig gewürdigt. Grund genug, hier mal einen Blick auf das wechselvolle Leben eines großartigen Bassisten zu werfen.
Inhaltsverzeichnis
Was haben Songs wie „My Girl“ von den Temptations, „You Can’t Hurry Love“ von den Supremes und „What’s Going On“ von Marvin Gaye gemeinsam? Genau, sie gehören zu den insgesamt 23 Nummer-1-Hits in den Pop-Charts und 56 Nummer-1-Hits in den R&B-Charts, in denen das ikonische Bassspiel von James Jamerson zu hören ist. Doch wie es auch heute noch bei Studiomusikern häufig der Fall ist, war der großartige Musiker während seiner aktiven Schaffenszeit für viele Zuhörer vollkommen unbekannt. Heute zählt James Jamerson zu den einflussreichsten Bassisten aller Zeiten. Er veränderte die Rolle der Bassgitarre in der Band und seine besondere Spielweise beeinflusst nach wie vor Bassisten auf der ganzen Welt.
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Basslegende James Jamerson
Wie alles begann: Kontrabass und Motown Records
James Jamerson wurde gemeinsam mit seinen elf Geschwistern an der Ostküste der USA zum Teil von seiner Großmutter und seiner Tante aufgezogen. Da Erstere Klavier spielte und Letztere in einem Baptisten-Kirchenchor sang, gehörten Gospel-, Blues- und Jazzmusik schon damals zu seinem Leben dazu. Als Kind lernte er zunächst das Klavierspielen.
1954 zog James im Alter von Achtzehn Jahren mit seiner Mutter nach Detroit und ging hier zur High School, um Kontrabass zu studieren und zeigte bereits hier eine große musikalische Nähe zu seinen Idolen Ray Brown, Paul Chambers und Percy Heath. Ihm wurde zwischenzeitlich auch ein Stipendium für ein Musikstudium an der Wayne State University angeboten, das er allerdings ablehnte. Trotz seiner Schüchternheit trat er auch damals schon in den örtlichen Blues- und Jazzclubs in und um Detroit herum auf.
Nach einem Schulabschluss war er dann zunächst Bassist in der Band von Blues-Sängers Washboard Willie und tourte später mit Jackie Wilson. Nachdem er einer der gefragtesten Session-Musiker der lebhaften Musikszene Detroits geworden war, fand er schließlich eine feste Anstellung im Studio von Berry Gordys Motown-Label „Hitsville U.S.A.“ und wurde hier Studiomusiker in der der Gruppe „The Funk Brothers“. Tagsüber nahmen die Session-Musiker der Band in einem kleinen Kellerstudio die Sounds für Künstler wie Jackson 5, Marvin Gaye, Stevie Wonder und unzählige weitere Topstars der damaligen Zeit auf.
Da in dem Studio alle Kabel von der Decke hingen, nannten die Musiker den Raum scherzhaft „The Snake Pit“. Nachdem sie tagsüber im „Snake Pit“ Songs aufnahmen, ging es dann für James und den Rest der „Funk Brothers“ noch in die Jazzclubs der Gegend und hin und wieder tourten sie mit unterschiedlichen Motown-Künstlern durch die USA.
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Und wie es bei Session-Musikern leider oft so war und bisweilen noch ist, bekamen „The Funk Brothers“ damals eine lausige Bezahlung und wurden nie auf den Songs oder Alben, an denen sie maßgeblich beteiligt waren, erwähnt. Erst Jahre nach Jamersons Tod wurde die Studio-Band durch das Buch und den Film Standing in the Shadows of Motown bekannt.
James Jamerson schaffte es allerdings schon zu Lebzeiten, zu einem der gefragtesten Bassisten der Branche zu werden und verdiente bisweilen bis zu 1.000,- US-Dollar pro Woche. Heute würden die 1.000,- US-Dollar von damals 8.000,- US-Dollar entsprechen, so dass James sich einen sehr angenehmen Lebensstil finanzieren konnte.
Heute sprechen Ikonen am Bass wie Paul McCartney und John Entwistle davon, dass er für sie immer eine quasi unsichtbare Ikone gewesen sei, deren Sound am Bass sie verehrten, den Mann an den Saiten aber lange Zeit namentlich nicht kannten.
Der Stil von James Jamerson
Nachdem James seine musikalische Laufbahn zunächst am Klavier und dann am Kontrabass begonnen hatte, wechselte er bereits Anfang der 1960er-Jahre zur elektrischen Bassgitarre in Form eines 1962er Fender Precision Bass. Und seine Art, dieses noch recht junge Instrument zu spielen, war revolutionär. Wurden bis dahin meist einfache Grundton-Quinte-Muster gespielt, so nutzte James Synkopen, ließ gelegentlich Schläge aus oder betone die Offbeats. Beeinflusst durch die Gospel-Musik, ergänzte er seine Basslinien, in denen häufig auch Leersaiten zu hören sind, zudem durch Akkorde und verlieh ihnen damit eine bis dahin unbekannte Komplexität.
Darüber hinaus war James Jamerson als begnadeter Jazz-Bassist ein Meister der Improvisation und ließ auch im Studio gerne einmal die Blätter mit den eigentlichen Basslinien eines Songs links liegen, um seine eigenen Kompositionen zu spielen. Diese baute er häufig um die Gesangsmelodien der Songs auf und veränderte damit die Rolle der Bassgitarre in der Band fundamental.
Aufgrund seiner Anfänge am Kontrabass spielte James aber auch den E-Bass immer nur mit dem Zeigefinger der Zupfhand, was ihm auch den Spitznahmen „The Hook“ (der Haken) einbrachte. Trotzdem war er extrem schnell auf den Saiten unterwegs.
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Enorm wichtig für den Sound von James Jamerson, der so charakteristisch für den Motown-Bass-Sound wurde, sind Flatwound-Saiten. Etwas, was ich unheimlich sympathisch finde ist, dass James seine Saiten nur dann wechselte, wenn eine riss. Und ich muss gestehen, dass seine Aussage „Der Dreck sorgt für den Funk“ mich bis heute beeinflusst und einen nicht unerheblichen Anteil daran trägt, dass ich die Saiten auf meinem Haupt-Bass in fast 30 Jahren noch nie gewechselt habe. Er verwendete übrigens La Bella Heavy-Guage Flatwound-Saiten (.052 – .110).
Zu seinen Saiten befragt, sagte der legendäre Bassist in einem Interview Im Guitar Player Magazine aus dem Jahr 1979: „It’s like a new car: the older it gets, the better it rides“.
Neben den Flatwounds war vor allem auch ein Stück Schaumstoff unter der Stegabdeckung maßgeblich für seinen charakteristischen Klang. Dieses Stück war damals übrigens ein Teil der Standardausstattung der Fender Precision-Bässe und diente zur Dämpfung des Sustains und einiger Obertöne. Es gibt auch spezielle Schaumstoff-Konstruktionen zu kaufen, um diesen Effekt zu erzeugen. Es reicht aber auch ein Stückchen eines handelsüblichen Schwamms aus.
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Die besten Bassisten der Welt: James Jamerson
Seine Bässe
Bekannt wurde James Jamerson mit seinem Fender Precision Bass von 1962, den er „The Funk Machine“ nannte. Er kaufte ihn 1963. Dieser Fender-Bass hatte ein dreifarbiges Sunburst-Finish, ein Tortoise-Schlagbrett, ein Palisandergriffbrett sowie verchromte Tonabnehmer- und Stegabdeckungen. An der Stegabdeckung befand sich das, für seinen Sound so unverzichtbare Stück Schaumstoff. Zudem hatte Jamerson hatte das Wort „Funk“ eingraviert. Leider wurde auch dieser Bass im Jahr 1983 gestohlen, als James im Sterben im Krankenhaus lag.

So ähnlich dürfte das kleine Stück Schaumstoff in der Abdeckung des Fender Precision-Bass von James Jamerson ausgesehen haben
1961 kaufte James Jamerson sich seinen ersten E-Bass. Es war ein 1957er Precision Bass, neu lackiert in Schwarz, mit gold eloxiertem Schlagbrett und Ahorngriffbrett, den er „Black Beauty“ nannte. Diesen Bass nutzte James vor allem während der Tour mit Jackie Wilson. Leider ereilte auch dieses Instrument das gleiche Schicksal wie den legendären Fender Bass, mit dem James letztlich berühmt wurde – er wurde gestohlen und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.
Daneben besaß James Jamerson noch einen alten deutschen Kontrabass aus dem Jahr 1948, einen Fender V und einen Hagstrom 8-String-Bass.
James Jamerson: Seine Verstärker
Bei Studioaufnahmen schloss James Jamerson seinen Bass in der Regel direkt an die PA an und wählte hier die Einstellungen so, dass sein Sound leicht übersteuerte. Über die damals in der PA verwendeten Röhren erzeugte er zudem etwas Kompression.
Wenn er live auftrat, nutzte er einen Ampeg B-15-Verstärker mit einem älteren Kustom-Lautsprechergehäuse, das mit zwei 15-Zoll-Lautsprechern bestückt und mit blauem Naugahyde überzogen war. Er spielte immer mit voll aufgedrehtem Lautstärkeregler und nur halb aufgedrehtem Höhenregler.
Ende der 1960er-Jahren verlor die Karriere von James Jamersons zunehmend an Fahrt. Als Im Jahr 1972 zog Motown Records nach Los Angeles zog und sich von dem klassischen Sound abwendete. James ging zwar ebenfalls nach L.A. bekam jedoch immer weniger Aufträge, denn während die Bassisten in seiner neuen Heimat auf neue Techniken wie das Slappen und einen brillanteren Sound setzten, blieb James seinem Stil stets treu.
In den 1980er-Jahren bekam er nahezu keine Aufträge als Studio-Bassist mehr und verlor sich mehr und mehr im Alkohol. James Lee Jamerson verstarb am 2. August 1983 in Los Angeles an den Folgen seiner jahrelangen Alkoholsucht.
Erst im Jahr 2000 wurde dieser herausragende Bassist, dessen Namen selbst bedeutende Musiker zu seinen Lebzeiten nicht kannten, als einer der ersten Studiomusiker überhaupt posthum in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen.
Und auch das Rolling Stone-Magazin ehrte den, am 29. Januar 1936 in Charleston, South Carolina geborenen James Lee Jamerson noch nach seinem Tod und setzten ihn auf den ersten Platz im Ranking der 50 besten Bassisten aller Zeiten.
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Egal, ob Paul McCartney, Jaco Pastorius, Jack Bruce, Flea, John Entwistle, Geddy Lee oder Bootsy Collins – es gibt wohl kaum einen berühmten Bassisten, der sich nicht auf James Jamerson beruft. Grund genug, ihn hier noch einmal ausgiebig zu würdigen.
Danke, Sonja!
Macht mal einen Beitrag über Michael Steele von den Bangles. Völlig unterbewertet. Analysiert genauer, was sie auf dem Album „Doll Revolution“ macht, das ist viel spannender, als die bekannten Hits.