Eine exzentrische Legende am Bass mit einzigartigem Spielstil
The Who-Bassist John Entwistle gehört nicht nur laut dem „Rolling Stone“-Magazin zu den besten Bassisten der Welt (2011 belegte er Platz eins, 2020 dann immerhin noch Platz drei). Sein Stil hat unzählige Bassisten weltweit beeinflusst, und er spielte über 40 Jahre auf den großen Bühnen dieser Welt. Aus diesem Grund wollen wir doch mal einen genaueren Blick auf den legendären Briten am Bass werfen – seinen Stil, seine Biographie, sein Equipment wie Bassgitarren und Bassverstärker.
Inhaltsverzeichnis
- John Entwistle: Sein Weg in die Welt der Musik
- John Entwistle und „The Who“
- John Entwistle: Spielstil eines der besten Bassisten der Welt
- Das Equipment & die Bässe von John Entwistle
- Die Verstärker von „The Who“-Bassist John Entwistle
- John Entwistle: Bass-Saiten
- John Entwistle: Ein Stern am Bassisten-Himmel
John Entwistle: Sein Weg in die Welt der Musik
John Alec Entwistle wurde am 9. Oktober 1944 in London geboren und dort nach der Scheidung der Eltern als Einzelkind von seiner Mutter im Haus seiner Großeltern aufgezogen. Da Scheidungen zur damaligen Zeit nicht gerade üblich und noch viel weniger gesellschaftlich akzeptiert waren, hatte der kleine John es nicht immer leicht.
Bereits mit sieben Jahren bekam John Klavierunterricht, an dem er wohl eher mit gedämpfter Begeisterung teilnahm. Einige Jahre später begann er dann, wie sein Vater, Trompete zu spielen. Ja, der eine oder andere Bass-Fan wird hier Parallelen zu anderen berühmten Bassisten erkennen.
Wie die meisten Trompeter der damaligen Zeit startete John seine musikalische Karriere in einer Jazz-Band. Seine erste Band gründete er zusammen mit keinem Geringeren als Pete Townshend. Schnell merkten die beiden allerdings, dass Jazz nicht so ihr Ding war und sie lieber Rock ’n’ Roll machen wollten. Gleichzeitig wechselte John von der Trompete zur Bassgitarre. Mit dieser wurde er dann noch während der Schulzeit Mitglied in der Band von Roger Daltrey namens „The Detours“.
John Entwistle und „The Who“
John Entwistle setzte sich dafür ein, dass sein Schulfreund Pete Townshend ebenfalls in die Band aufgenommen wurde. Gemeinsam mit Drummer Doug Sandom und Lead-Sänger Roger Daltrey änderte die Band ihren Namen zu „The Who“.
Im Laufe der Zeit wuchs in dem Bassisten John Entwistle der Wunsch, bei „The Who“ mehr zu sein als der Mann am Bass. Er schrieb zwar Songs (u. a. Whiskey Man, Boris the Spider, Doctor, Doctor, Someone’s Coming, Heinz Baked Beans und etliche mehr) für die Band, durfte aber außer im Hintergrund nicht singen. Daher veröffentlichte er 1971 als erstes Bandmitglied das Solo-Studioalbum Smash Your Head Against The Wall.
In den Jahren zwischen 1972 und 1975 folgten die Soloalben Whistle Rymes (1972), Rigor Mortis Sets In (1973) und Mad Dog (1975). Parallel blieb er aber immer der einzigartige Bassist von „The Who“.
John Entwistle: Spielstil eines der besten Bassisten der Welt
Wer John Entwistle einmal hat spielen sehen, wird sofort wissen, was es mit dem Spitznamen „Thunderfingers“ auf sich hat. John hatte einen slapping-ähnlichen, einzigartigen Klang und bezeichnete seinen Spielstil selbst als „Maschinenschreiben“. Dazu musste er seine rechte Hand über den Saiten positionieren, sodass er mit allen vier Fingern perkussiv auf die Saiten schlagen konnte, wodurch diese mit einem charakteristischen, höhenreichen Klang auf das Griffbrett schlugen. Dies gab ihm die Möglichkeit, drei oder vier Saiten gleichzeitig zu spielen oder mehrere Finger auf einer Saite zu benutzen.
Dadurch konnte er sowohl perkussive als auch melodische Passagen schaffen. Dazu spielte er die Saiten hauptsächlich im Bereich des Hals-Tonabnehmers, fast über dem Griffbrett.
Während die Finger von John Entwistle mit einer unglaublichen Geschwindigkeit über die Saiten jagten, stand der bullige Bassist still wie ein Ochse auf der Bühne. Diese Eigenschaft trug letztlich nicht unerheblich zur Entstehung seines zweiten Spitznamens „Ox“ bei.
John Entwistle kombinierte (durchaus auch innerhalb eines Songs) Fingerstyle, Tapping und das Spielen mit einem Plektron. Außerdem nutzte er häufig Obertöne. Sein Sound war oft höhenreich und scharf, was er vor allem durch ein sehr kraftvolles Zupfen der Saiten erzeugte.
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Pete Townshend und John Entwistle waren musikalisch immer besonders eng miteinander verbunden. Während John für schnelle Melodielinien sorgte und den Bass fast wie eine Lead-Gitarre spielte, erzeugte Townshend die rhythmischen Akkorde. Im Jahr 1989 sagte Entwistle übrigens einmal, dass „The Who nach modernen Maßstäben keinen richtigen Bassisten haben“.
Das Equipment & die Bässe von John Entwistle
Die Liste der Bässe, die John Entwistle im Laufe seiner Karriere nutzte, umfasst mehr als 40 verschiedene Modelle. Alles begann mit einem 1961er Fender Precision Bass in Sunburst. Diesen ließ er übrigens ein paar Jahre später weiß lackieren. Dann gesellte sich im Laufe der Jahre alles dazu, was in der Welt der Bassisten Rang und Namen hat. Egal ob Fender, Gibson oder Rickenbacker – John hat sie alle gespielt. Mosrite Ventures, Gretsch, Vox und Epiphone? Sicher, alle sind mit dabei.
Der legendäre Bassist arbeitete mit Herstellern wie Alembic, Warwick und Status Graphite zusammen und entwickelte mit ihnen ausgefallene Bassgitarren wie den Buzzard. Der Legende nach soll John bei einem gemeinsamen Essen mit Warwick-Boss Hans-Peter Wilfer in einem Londoner Restaurant die Umrisse des Buzzard auf eine Serviette gezeichnet haben.
Vor allem die ausgefallenen Bässe hatten es dem exzentrischen Briten angetan. Der Steinberger LS gehörte da noch zu den „gemäßigteren“ Designs.
Die Verstärker von „The Who“-Bassist John Entwistle
Zu Beginn seiner Karriere bei „The Who“ nutzte John Entwistle ein Marshall JTM45-Topteil mit zwei 4×12″-Boxen, die er nebeneinanderstellte. Da diese Kombination ihm aber nicht laut genug war, wechselte er Mitte der 1960er-Jahre zu einem Vox AC100. Dieser war damals der einzige Verstärker mit 100 Watt. Mit dem Sound und der Zuverlässigkeit des Amps war John allerdings nie wirklich zufrieden, und als dann im Spätsommer 1965 das gesamte Equipment von „The Who“ gestohlen wurde, machten John und Pete Nägel mit Köpfen und baten Jim Marshall, ihnen eigene Amps zu bauen, die lauter waren als alles, was bisher dagewesen war.
„The Who“ wurde dementsprechend als lauteste Band der Welt bekannt. Die ersten Marshall Superleads klangen wie ein Fender-Topteil, lieferten aber deutlich mehr Power. Zunächst wurde das Topteil dann mit 8×12“-Boxen kombiniert, was sich allerdings als absolut Tour-untauglich erwies. Die Experimente in puncto Verstärker gingen also weiter, sodass John und Pete sich von Marshall Twin-Stacks bauen ließen, bei denen jedes Stack mit den damals neuen und experimentellen 200-W-Prototypen von Marshall Majors kombiniert wurde.
Da John Entwistle und Pete Townshend dann jedoch zu Sound-City-Amps wechselten, die genauso leistungsstark wie Marshalls waren, aber einen cleaneren Klang hatten, sind trotz ihrer Pionierarbeit hinsichtlich der Entwicklung von Marshall-Amps andere eher als Nutzer dieser Marke bekannt geworden.
Ende 1968 baten John und Pete den Inhaber von Sound City, Dallas Arbiter, darum, ihnen Sound-City-Verstärker mit leichten Modifikationen zu bauen. Arbiter lehnte die Anfrage ab. Dafür übernahm Dave Reeves, dessen Firma Hylight Electronics Sound-City-Verstärker hergestellt hatte, den Auftrag und entwickelte den Sound City L100-Verstärker. Dieses Modell wurde dann zum Hiwatt CP103.
Übrigens: 1976 schaffte die Band es dann mit dem lautesten Konzert der Geschichte sogar in das Guinness-Buch der Rekorde. Die 126 dB, die bei ihrem Konzert im „The Valley“ in London gemessen wurden, wurden zwischenzeitlich aber unter anderem von Manowar, Motörhead, Leftfield, Gallows und Kiss überboten. Ob das wirklich noch Hörgenuss pur ist, steht dann aber vermutlich auf einem anderen Blatt.
Einen entscheidenden Einfluss auf den Klang des Sounds von John Entwistle hatte die Technik des sogenannten „Bi-Ampings“. Hierbei werden mehrere Lautsprecherchassis jeweils mit einer separaten Endstufe angesteuert. So konnte John die hohen und tiefen Frequenzen des Basses über getrennte Signalwege führen, um eine bessere Kontrolle über den Klang zu ermöglichen. Auf einen der beiden Signalwege legte er dann meist noch einen Distortion-Effekt.
Sein Equipment wurde so irgendwann derart umfangreich, dass es wegen der riesigen Lautsprechertürme und der blinkenden Lichter „Little Manhattan“ genannt wurde.
Aufgrund seiner Liebe zu extremen Lautstärken soll Entwistle in den späteren Jahren seiner Karriere übrigens extrem schlecht gehört haben. Es führte dazu, dass er sich beim Spielen auf den Luftdruck der riesigen Lautsprecherboxen verlassen haben soll.
John Entwistle: Bass-Saiten
Auch hinsichtlich seiner Saiten war John Entwistle eher wählerisch. Er suchte nach Roundwound-Saiten, die richtig vibrieren sollten. James How und die Techniker von Rotosound entwickelten dann unterschiedliche Saiten, die sich in ihrem Kern und dem jeweils verwendeten Draht unterschieden. John Entwistle fuhr dann in die Fabrik und suchte sich aus diesen unterschiedlichen Saiten die aus, die ihm am besten gefielen.
Die von Rotosound und John Entwistle entwickelten „Swing Bass 66“ wurden zum Flaggschiff der Firma, und John verwendete sie 23 Jahre lang. Auf der Rückseite jeder Packung befand sich ein Schwarzweißfoto von John und James How, das an dem erwähnten legendären Tag in der Rotosound-Fabrik aufgenommen wurde.
Dem Bassisten bedeutete diese Partnerschaft so viel, dass „The Who“ sogar einen Jingle für Rotosound aufgenommen haben. Dieser ist auf ihrem Album „The Who Sell Out“ von 1967 zu finden.
1989 stieg John Entwistle dann für 12 Jahre auf vergoldete Maxima-Saiten um, wechselte 2001 aber wieder zu Rotosound.
John Entwistle: Ein Stern am Bassisten-Himmel
John starb am 27. Juni 2002, dem Tag vor dem Beginn einer geplanten „The Who“-US-Tournee an einem Herzinfarkt infolge seines exzessiven Kokainkonsums. Natürlich starb der Exzentriker aber nicht im stillen Kämmerlein, sondern im Bett an der Seite einer Stripperin im Hard Rock Café in Paradise, Nevada. Die Trauerfeier fand in Stow-on-the-Wold statt, und seine Asche wurde auf seinem Anwesen Quarwood beigesetzt. Übrigens heißt es, dass erst bei der Beerdigung bekannt wurde, dass John Entwistle ein Freimaurer war. Selbst Pete Townshend habe davon während der Lebzeiten von John nichts gewusst.
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Die geplante Tournee wurde trotz des schweren Verlusts durchgezogen, und so sprang Pino Palladino als Ersatz für John Entwistle ein. Man muss aber gestehen, dass John mit seinem einzigartigen Stil unersetzlich blieb und bis heute ein Vorbild für Tausende von Bassisten auf der ganzen Welt ist.
Danke Sonja!
Zwei schöne Beispiele für John Entwistles Stil sind diese beiden Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=80dsyo2Ox-0
https://www.youtube.com/watch?v=96TjWtm7kSQ
Im Grunde spielt er ein Bass-Solo über die gesamte Länge des Songs – aber so, dass er gleichzeitig den Groove liefert.
OK, damit hast Du jetzt James, Paul, John, Steve und Lemmy „geliefert“ – Respekt! Meinst Du, Du hältst durch, bis es dann – nach allen anderen – Zeit wird für Donald? Für die nächsten Folgen werfe ich mal die Vornamen Stanley, Jaco und Pino in den Ring ;)
@chardt Ich glaube zur Horizonterweiterung für uns alte Säcke (schließt mich mit ein 🙂) wäre mal ein Special über einige aktuelle Superbassisten wie Henrik Linder von Dirty Loops ne tolle Sache. Solche Leute kann man bestimmt auch mal interviewen.
Auf jeden Fall spielt Henrik Linder Sachen, ich glaube John Entwistle wusste gar nicht, dass man sowas mit dem Bass machen kann.
(Nicht, dass es jemand in den falschen Hals bekommt: diese bisher vorgestellten Bassisten sind Legenden. Ich liebe z. B. den Groove von James Jamerson und das melodische Spiel von Paul McCartney.)
Daaanke! Cooler Typ, cooler Artikel!😍