Die Amp-Sieger des Jahres 2020
An der Verstärkerfront sah es dieses Jahr ehrlich gesagt ein wenig mau aus. Klar – unsere Redaktion schafft es nicht immer, zu gegebenen Zeitpunkten sämtliche Highlights des Jahres zu berücksichtigen. Ich sage frei heraus, dass wir dieses Jahr den Positive Grid Spark 40 oder die neuen Fender-Amps nicht rechtzeitig an die Hand bekommen haben, wurmt uns schon. Nichtsdestotrotz gab es ein paar starke Amps – Combo, Head oder Floorboard – und den einen oder anderen Gamechanger. Wir haben uns hierbei tatsächlich auf Erscheinungen aus dem Jahre 2020 beschränkt – die Yamaha THR30 II Geschichte kam für uns also nicht mehr infrage, auch nicht der BluGuitar Iridium. Große Verstärker- und Amp-Heads werden nur alle paar Jahre neu auf den Markt gebracht und da passierte an der 2020-Front einfach nicht so viel wie erhofft. Trotzdem – unsere Verstärker-Highlights des Jahres 2020:
8. Beste Gitarrenverstärker 2020 – Katana Artist MKII
Die Boss Katana-Serie hat ihre Kritiker, doch wer weiß, woran er ist, hat eine Menge Freude mit den Geräten. Der Boss Katana ist ein Modeling-Amp voller Schnörkel – viele Sounds, viele Features, nicht immer natürlich im Sound, aber immer druckvoll. Unseres Erachtens bewirkt der Waza Custom-Lautsprecher eine ganze Menge und die Möglichkeit, zusätzlich mit dem Tone-Editor sehr genaue Einstellungen zu leisten, spricht ebenfalls für den Katana. Eignet er sich mehr für zu Hause als für die Bühne? Vielleicht, aber der Artist bringt eben genug Power mit sich, um die kleineren Bühnen mit oder ohne PA zu beackern. Auch nicht zu vergessen: Der EQ des Katana kann auf euren Gitarrentypen gemünzt werden und die Anschlüsse und Features sind zahlreich. Sehr runde Sache, sehr guter Preis.
7. Gitarrenverstärker 2020 – Harley Benton Tube15
Die Frage nach einem guten Übungs-Amp für zu Hause war nie akuter als in diesen Tagen: Der Lockdown zerrt an den Nerven, wer es aber schafft, die innere Mitte heraufzubeschwören und sich geflissentlich mit Click an Licks, Riffs und Arpeggios zu setzen, braucht einen verlässlichen, gut klingenden Verstärker für die Wohnung. Der Harley Benton Tube15 wird dem mit seiner 1-Watt-Option locker gerecht, kann aber auch die kleineren Clubs beschallen, wenn es denn wieder soweit ist. Das Tolle: Das Teil klingt einfach. Der Crunch ist butterweich und warm, die Sättigung der Endstufen hat Charakter und verströmt naturgemäß einen glaubwürdigeren Vintage als all die Modeling-Combos zusammen. Wer mit einem etwas angestaubt klingendem Reverb und einem fehlenden Standby-Schalter leben kann – der Harley Benton Tube15 ist unseres Erachtens der Übungsverstärker mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis, den wir dieses Jahr in der Redaktion hatten.
6. Gitarrenamps 2020 – Orange Terror Stamp
Der kleine Ein-Kanal-Röhrenamp im Pedalformat hat es uns einfach angetan. Schon kultverdächtig, dieser Hybrid: 20 Watt Endstufe für euer Pedalboard im denkbar minimalistischstem Format, mit warmem Orange-Charakter und robustem Äußeren, kränkelt der Terror Stamp ein bisschen mit seinem Rauschverhalten bei höheren Lautstärken, ist aber ein bissiger Kumpane und ein super-übersichtliches, einfach handzuhabendes Übungstool, das auch im FX-Loop eines Verstärkers seine Berechtigung hat. Einfachheit obsiegt – anstatt eineinhalbtausend Euro für eine Loadbox und Cab-Simulationen auszugeben, kann man seine Ideen auch einfach mit diesem Amp-in-the-box festhalten.
5. Beste Gitarrenverstärker 2020 – ENGL Fireball 25
Wir haben einen guten Draht zu ENGL – Martin Zimmermann ist ein respektabler und freundlicher Zeitgenosse und der Kult um die Fireballs ist unseres Erachtens wohlverdient. Und da wir mit unserer Liste die Zeichen der Zeit achten wollen, gilt auch hier: Der kleine Fireball 25 ist für zu Hause perfekt geeignet, um euer Shredding und Stakkato-Riffing zu üben. Man braucht sich nix vorzumachen: Wer John Mayer covern will, sollte zu unserem dritten Platz schielen. ENGL ist eine Firma, die vor allem in der Metal-Szene ihren Stand hat – das schluckende Noisegate und das High-Gain sprechen da eine deutliche Sprache. Nichtsdestotrotz funktionieren auch Hardrock-Riffs prächtig über den Fireball und auch das Crunch kann sich sehen lassen. Wer den glockigen, durchaus metallischen Clean-Kanal, der für ENGL typisch ist, auch mag, für den ist der kleine Fireball eigentlich ein No-Brainer. Schönes Teil für das Mittelfeld unserer Liste.
4. Best of Guitar Amps 2020 – Blackstar HT-20R MKII
Blackstar haben uns dieses Jahr eher mit guten Combos versorgt als Amp-Heads. Der HT-20R Valve ist strenggenommen schon letztes Jahr auf den Markt gekommen, drängt sich nur jetzt erst allmählich ins allgemeine Bewusstsein. Fakt ist: Für den Preis von ungefähr 500,- Euro ist der MKII wahrscheinlich konkurrenzlos. Die Overdrive-Sounds und der starke, sehr effektive EQ und der DSP-Hall zeichnen das Gerät aus. Die zwei EL84 blasen „nur“ mit 20 Watt den Sound raus – reicht für die kleinen Bühnen alle Male, aber für zu Hause ist das Gerät vor allem aufgrund seiner 2 Watt-Option nicht zu unterschätzen. Diese Watt-Drosselung wird gerne hier und da abgetan, aber Fakt ist: In Zimmerlautstärke eine vollständige Amp-Sättigung zu erreichen, klingt einfach besser und macht um ein Vielfaches mehr Spaß und der HT-20R leistet das ohne Probleme. Einzig das Fehlen eines EQs für den Clean-Kanal trübt den Spaß ein wenig, aber wem es vor allem um die Zerre geht: Der Blackstar HT-20R ist eine der besten neueren Alternativen auf dem Combo-Markt.
3. Beste Gitarrenverstärker 2020 – Vox Cambridge 50
Der Vox Cambridge 50 markierte so etwas wie einen technologischen Umbruch für die Firma. Klar, der begann schon früher – genaugenommen 2016 auf der NAMM mit der Nutube-Technologie. die aus dem Hause Korg stammte und patentiert wurde und den klassischen Röhrenbetrieb ablösen sollte. Unser Mann Axel Ritt beschrieb das wie folgt:
Wer es jedoch schafft, hinter den Effekt des Vakuumfluoreszen-Displays zu schauen, wird erkennen, dass es sich bei dem Ergebnis um eine Art Doppeltriode mit einem Heizdraht (direktbeheizte Kathode), einem Gitter und einer Anode in einem Vakuumglasbehälter handelt, was mit der Wirkungsweise einer klassischen Vakuumröhre identisch ist.
Das Ganze ist ergonomischer, effizienter, platzsparender und zugleich ähnlich flexibel im Sound wie die klassische Röhre. Doch der Cambridge 50 kann mehr: Er emuliert gleich elf verschiedene Verstärkermodelle und dies in Sachen Resonanz, Sättigung und Impulsantwort so realistisch, dass es nicht wenige gibt, die dieser Technologie in Sachen Glaubwürdigkeit die Krone vor den Profilern und Modellern geben möchte. Marshall, Fender und Vox unter einer Haube glaubwürdig gepackt – die Nutube-Technologie wird uns in naher Zukunft noch weiter beschäftigen. Auch wenn der High-Gain beim Vox Cambridge 50 die Endstufen-Sättigung nicht ganz so sensationell hinbekommt wie den Rest, ist das für den Preis ein absoluter Hammer.
2. Beste Gitarrenverstärker 2020 – REVV G20
Der Revv G20 bekommt die Silbermedaille. Das heißt nicht, dass es sich um den typübergreifend zweitbesten Amp des Jahres handelt, sondern dass er vor allem ein bestimmtes Konzept fährt, das wir würdigen wollen. Für einige wird sich der Sinn dieses Lunchbox-Amps nach wie vor nicht vollständig erschließen, aber wir bleiben dabei: Der Revv G20 hat alle anderen Homerecording-Tools für Gitarre abgelöst und kann vor allem in Kombination mit Mixing-Plugins in der DAW fast schon Studioqualität produzieren. Der Skeptiker wird hier – auch nicht zu unrecht – einwerfen, dass Profiler und Modeller mit einer Vielzahl von Verstärkertypen auffahren, während der Revv G20 seine Flexibilität vor allem durch die Cabinet-Auswahl bezieht. Dem kann man entgegenhalten: Cabinets sind mindestens genauso, wenn nicht sogar wichtiger für den Sound als die Verstärkertypen. Zweitens gehören die Cab-Sims und Impulse Responses von Two Notes zu den Besten auf dem Markt. Und zu guter Letzt: Der Revv G20 fährt echte Röhren: 12AX7er in der Vorstufe, 6V6 in der Endstufe und erzeugt so eine echte, glaubwürdige und warme Sättigung in eurem Gitarrensound. Was ergibt das in der Summe? Ein High-Gain-Amp, der besser als jeder andere Modeller und Profiler eure Pedale aufnimmt, eine glaubwürdigere Resonanz aufweist als die Modeling-Amps, per MIDI sämtliche Cabinet-Kanal-Option aufrufen kann und euch Live den Kopf wegblasen kann. Starkes Nummerchen, REVV.
1. Beste Gitarrenverstärker 2020 – Hughes & Kettner Black Spirit Floor 200
Tja – haben Hughes & Kettner wie angekündigt die Amp-Welt auf den Kopf gestellt? Das „Bionic Tone Generating“, das die klanglichen Artefakte, dynamischen Impulsantworten und klassische Röhreninteraktionen perfekt wiedergibt, sollte – und da sind sich viele Fachmänner einig – weitaus mehr Wertschätzung erfahren als es das bislang tut. Vielleicht ist die etwas sperrige Bezeichnung der Technologie daran schuld, denn Fakt ist: In Sachen Klangqualität fährt sie den Modellern und Profilern schlichtweg davon. Der Black Spirit Floor 200 vollendet die Technologie und bringt sie in einem erstklassigen Gehäuse unter, das unter anderem mit zwei separaten Pre-Loops für eure Zerrpedale neben den zusätzlichen FX-Loops mitbringt sowie einem XLR-Out für den Monitor. Der Black Spirit 200 Floor kann zudem 200 Watt fahren und besitzt zwei Lautsprecherausgänge – das heißt nichts anderes als doppelte Cabinet-Power von 8 bis 16 Ohm fahren und das mit einem Floorboard, dessen interne Zerrdynamiken alles andere in den Schatten stellen. Und das Ganze für diesen Preis? Phew. Echtes Gold. Nur muss hier pro forma angemerkt werden: Kam im September letzten Jahres offiziell raus, wurde von uns im März dieses Jahres getestet. Da wir uns aber am Redaktionsplan orientieren und eine derartige Qualität vorliegt, fiel uns die Entscheidung leicht, die Pole-Position hier zu vergeben – auch vor allem, um noch mal die Gitarren- und Basswelt darauf hinzuweisen: Hier passiert etwas absolut Sensationelles.