Die DK24 - Charvels Meisterstück?
Mit dem Namen Charvel verbindet man in der Regel hochgezüchtete sog. „Superstrats“ der 80er Jahre, die von Gitarristen gespielt wurden, deren Frisuren mindestens genauso hochgezüchtet waren. Es war kurz vor der Blütezeit des Hardrock und des Hair-Metal, als Wayne Charvel zusammen mit seinem Freund und Kollegen Grover Jackson in einer kleinen Werkstatt in Kalifornien Instrumente baute, die den Sound und das optische Erscheinungsbild dieses bald sehr erfolgreichen Genres maßgeblich prägen sollten. Aus dieser Zusammenarbeit gingen die beiden Marken „Charvel“ und „Jackson“ hervor, deren Instrumente mit Sicherheit auf jeder zweiten Hardrock-/Metalproduktion des Jahrzehnts zu hören sind. Wayne Charvel kann nicht viel falsch gemacht haben, denn heutzutage sind Charvel Gitarren aus den frühen 80er Jahren sehr rar und deshalb begehrte Sammlerstücke. Die Marke selbst wurde vom Namensgeber und Eigentümer im Jahre 1989 an den japanischen Konzern IMC (International Music Corporation) verkauft. In den 90er Jahren wurde es deutlich ruhiger um Charvel. Zu eng war die Marke mit der Musik verbunden, die durch den aufkommenden Grunge-Boom quasi über Nacht unpopulär wurde. Schließlich übernahm Fender im Jahre 2002 Charvel und Jackson, was zu einer Wiederbelebung der beiden Marken führte. So wie viele andere Instrumentenhersteller auch, bietet Charvel seine Instrumente in verschiedenen Serien an, die sich in punkto Ausstattung und Preis unterscheiden. Ein wichtiger Faktor dabei ist das Herstellungsland. Neben Instrumenten, die in Asien hergestellt wurden, bietet Charvel auch Instrumente aus US-amerikanischer oder mexikanischer Fertigung an. Das vorliegende Testmodell, die Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB, stammt aus dem letztgenannten Produktionsland.
Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB – Facts + Features
Mann, Mann… die Modellbezeichnungen werden auch immer länger – ich dekodiere das erstmal: Pro-Mod ist die Serie, DK24 bedeutet „Dinky mit 24 Bünden“, HSH ist die Tonabnehmerbestückung (Humbucker – Single Coil – Humbucker), 2PT bezieht sich auf das „2-Punkt Vibratosystem“, CM heißt wohl „Caramelized Maple“ (karamelisierter Ahorn) und schlussendlich steht MB für die Farbe „Mystic Blue“.
Dinky Korpus mit „Shredder’s Cut Heel“
Der Korpus der Gitarre besteht aus Erle und ist in dem besagten „Mystic Blue“ – Finish lackiert. Dieses Blau ist schon…naja, sehr blau…aber hat immerhin ein dezentes „Metallic“- Flair. Wie dem auch sei… die Lackierarbeiten wurden auf jeden Fall sehr sorgfältig ausgeführt und bieten keinen Grund zur Beanstandung. Die „Dinky“- Korpusform erinnert ganz klar an eine Stratocaster, ist aber nur 7/8 so groß wie das berühmte Original. Auf der Korpusvorderseite befinden sich die Tonabnehmer, das Vibratosystem, sowie sämtliche Bedienelemente. Korpusrückseitig fallen zunächst zwei Dinge ins Auge: zum einen die am linken unteren Korpusrand befindliche Fender-style Klinkenbuchse – zum anderen eine Aussparung am, vom Spieler aus gesehen, unteren Cutaway. Diese als „Shredder’s Cut Heel“ bezeichnete Aussparung soll komfortables Spiel in den höchsten Lagen begünstigen.
Karamellisierter Ahornhals
Der Hals sowie das Griffbrett der Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB sind aus karamellisiertem Ahorn gefertigt. Das unter Vakuum stehende Holz wird dabei stark erhitzt, wodurch sich einige Harze und Abbauprodukte verflüchtigen. Durch diesen Prozess erhält das Holz seine charakteristische dunkle Einfärbung. Das (karamellisierte) Endprodukt weist außerdem eine höhere Schall-Leitfähigkeit auf und ist weniger empfindlich in Bezug auf Temperaturschwankungen (geringeres Schwund- und Quellverhalten). Für einen Gitarrenhals also genau das Richtige! In das Griffbrett sind 24 Jumbobünde eingelassen, die sauber eingesetzt und sorgfältig abgerichtet wurden.
Zur Orientierung dienen 4mm Perloid Dot Griffbretteinlagen – zusätzlich befinden sich am oberen Hals-/Griffbrettübergang sog. „Luminlay Side Dots“. Dabei handelt es sich um Einlagen aus fluoreszierendem Material.
Griffbrett mit „Compound Radius“
Die Mensur des Halses wird vom Hersteller mit 648 mm angegeben – die Sattelbreite des TUSQ XL Sattels mit 42,9 mm. Zu erwähnen wäre auch noch der „Compound“- Griffbrettradius – dabei nimmt der Griffbrettradius über die Länge des Griffbretts kontinuierlich zu, am Sattel stärker gerundet und flacher werdend in Richtung Korpus. Die Vorteile sind eine sehr niedrige Saitenlage über das gesamte Griffbrett und ein erleichtertes String-Bending.
Die Kopfplatte der Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB gleicht der einer Fender Stratocaster und ist in der Tat offiziell von Fender lizensiert. Auf der Vorderseite prangt das klassische Charvel-Logo in Form einer stilisierten Gitarre – auf der Kopfplattenrückseite befinden sich die Charvel DieCast Locking Tuner. Sämtliche Hardware der Gitarre ist goldfarben.
Wie klingt die Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB? – der Praxistest!
Das mit 3,4 kg durchschnittlich schwere Instrument liegt sowohl im Sitzen als auch stehend mit Gurt gut und ausbalanciert am Körper. Alle Bedienelemente sind gut erreichbar und funktionieren einwandfrei. Der nur matt lackierte Hals samt Griffbrett lässt sich bis in die höchsten Lagen sehr komfortabel bespielen. Bei dem bereits erwähnten Vibratosystem handelt es sich um das Gotoh Custom 510. Dieses sehr populäre System unterscheidet sich im Vergleich zu einem traditionellen Vibratosystem (z.B. Fender) in seiner Anbringung: während man das traditionelle System mit sechs Schrauben am Korpus befestigt, wird das Gotoh Custom 510 an zwei Bolzen aufgehängt – deshalb die Bezeichnung „2-Punkt Vibratosystem“. Diese Bauweise soll zu einer komfortableren Bedienung und vor allem zu einer höheren Stimmstabilität beitragen. Das dies gut funktioniert, kann ich nur bestätigen. Auch wenn man es natürlich nicht mit einem Floyd Rose-System vergleichen kann, leistete das Gotoh-Vibrato während der gesamten Testphase gute und nahezu verstimmungsfreie Arbeit
Unverstärkt klingt die Charvel Pro-Mod DK24 HSH 2PT CM MB perkussiv trocken mit einer gehörigen Portion Twang.
Bevor wir zu den verstärkten Sounds kommen, stelle ich noch kurz die verbauten Tonabnehmer und deren Schaltmöglichkeiten vor. In der Halsposition befindet sich der Custom Seymour Duncan Alnico II Pro APH-1N Humbucker, in der mittleren Position der Seymour Duncan Custom Flat Strat SSL-6 Single-Coil und am Steg der Custom Seymour Duncan Full Shred SH-10B Humbucker. Die Schaltung des 5-Wege Schalters belegt die Tonabnehmer wie folgt:
Position 1: Steg-Pickup
Position 2: Äußere Spule Steg-Pickup + Mittlerer Pickup
Position 3: Äußere Spule Steg-Pickup + Äußere Spule Hals-Pickup
Position 4: Mittlerer Pickup + Äußere Spule Hals-Pickup
Position 5: Hals-Pickup
Am clean eingestellten Verstärker liefert das Instrument eine breite Palette gut brauchbarer Sounds. Dabei spielen die verschiedenen Kombinationen der Tonabnehmer natürlich eine große Rolle. Klingen die Positionen 1, 3 und 5 (Humbucker-Modus) recht voluminös und kräftig, tönen die „Zwischenpositionen“ 2 und 4 herrlich drahtig nach Strat bzw. Tele.
Dieser Eindruck setzt sich im verzerrten Betrieb fort. Die Humbucker drücken fette Riffs oder singende Sololines aus dem Speaker – die Zwischenpositionen näseln herrlich mit perkussivem Twang.
Für die Soundbeispiele habe ich ein Brunetti Mercury EL 34 Topteil, Logic Pro X sowie Software von Two Notes benutzt. Die neue DK24 Serie von Charvel scheint im Grunde auf dem aufzubauen, für das die Firma sowieso steht – schnörkellose Shredding-Strats. Neben Ibanez gibt es niemanden, der so wenig exzentrisch, aber selbstbewusst das Powerstrat-Portfolio erweitert und dabei die preislichen Rahmen vernünftig hält. Nach der Joe Duplantier Charvel Signature und der Charvel Vivaldi also eine weitere gute Ergänzung aus dem Hause Charvel – mal schauen, wohin die Reise der Fender-Tochter geht.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mit anderen Worten: Der Weltkonzern Fender hat sich für den Verkauf der modernisierten Version seines Massenprodukts einen Namen eingekauft, der wahrscheinlich günstig zu haben war, weil seit Jahrzehnten de facto tot. Eine echte Verbindung zur ursprünglichen Firma Charvel gibt es nicht.
*(Bild 3)
Wer hat denn das Arme Ding so zugerichtet.