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Event: Analoge Kunst in Aschersleben, Vintage-Synthesizer

Vintage-Synthesizer-Event im Harz

6. Dezember 2017

Eigentlich hatte ich dieses Jahr ernsthaft vorgehabt, das Vintage-Synthesizer-Event „Analoge Kunst in Aschersleben“ selbst besuchen zu wollen. Keine Geringeren als Steffen Marienberg (von Marienberg Synthesizer) und Vintage-Synthesizer-Guru und AMAZONA.de-Autor Marko Ettlich, haben das diesjährige Event „Analoge Kunst in Aschersleben“ vom 24. bis 26. November 2017 ausgerichtet, welches bereits zum vierten Mal stattgefunden hat.

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Im Vorfeld der Veranstaltung wollte ich mich über Aschersleben schlau machen. Ein Blick auf Wikipedia verriet, es liegt am Nordo-Strand. Wow – am Meer. Ein zweiter Blick belehrte mich eines Besseres, gemeint war nämlich der Nordost-Rand des Harzgebirges. Von München aus also knapp 5 Stunden per Auto oder 6 bis 7 Stunden mit der Bahn. So entschied ich, doch zu Hause zu bleiben, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellte, wie dieser Bericht nun zeigt, den ein befreundeter Besucher verfasst hat. Da nach „Analoge Kunst in Aschersleben“ mit Sicherheit 2018 „Analoge Kunst V in Aschersleben“ folgt, habe ich zumindest Silvester schon mal den ersten guten Vorsatz fürs neue Jahr in der Tasche.

Irgendwo in Aschersleben, 24. November 2017

Analoge Kunst in Aschersleben … nicht unbedingt der nächstgelegene Ort, um sich ein paar alte Synthesizer anzuschauen. Und dazu ein nicht gerade einladendes Wetter? Nein, das gebe ich mir nicht! Zumal da noch etwas von Freitag, 10 Uhr Beginn und als Ort ein  grauer Hof angegeben wurde. Also – definitiv NEIN!

Das „definitiv“ nicht unbedingt auch „definitiv“ heißen muss, war mir nach dem Anruf eines Bekannten klar, der mich fragte, ob ich mich an den Test der Marienberg Systeme erinnere. Klar konnte ich und nahm an, dass er sich ein derartiges System endlich gekauft habe.

Allerdings war dies nicht der Grund seines Anrufs, wie er erklärte, sondern die Frage, ob ich nicht Lust hätte, ihn nach Aschersleben zu begleiten – er würde auch fahren.

Die Fotos der letzten Jahre zeigten, dass dieses Treffen auch irgendwas mit „Marienberg“ zu tun hätte. Die würden da neue Module für ihr System vorführen, unter anderem einen Wavegenerator. Er kümmere sich auch um die Übernachtung, und und und.

Da sah die Sache schon ganz anders aus – ein Chauffeur nach Aschersleben bis ins Hotel und zurück? Vielleicht nicht ganz fair, dafür aber fein.

Also Anreisetag: Donnerstag … abends. Petrus scheint auf analoge Synthesizer zu stehen. Es ist kühl, aber kein Regen in Sicht. Das Hotel ist sehr angenehm und es hat nur ein paar Minuten Gehweg bis zum Veranstaltungsort für „Analoge Kunst in Aschersleben“.

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Dann kam die erste Überraschung: Dieser graue Hof ist laut schnell durchgeführter Internet-Recherche „ein hervorragend restauriertes, altes Gemäuer“ und (wie ich später erfuhr) das älteste Gebäude der Stadt – ein uraltes Kloster.

Am nächsten Morgen kam die zweite Überraschung. Das Objekt ist innen noch weitaus  interessanter als von außen! Komplett restauriert und über drei Etagen ausgebaut. Erdgeschoß und erste Etage sind der erstklassigen Gastronomie und einem Cafe vorbehalten, darüber liegt eine Art Klubkino, in dem schon allerlei Teufelswerk der Versuchung harrte: ein Minimoog nebst PPG Wave 2.2 und Prophet-5 ( natürlich Rev 2 – der alte Pferdefuß scheint sein Handwerk zu verstehen). Links daneben ein Memorymoog, dahinter ein Marienberg Modularsystem.

Ja, zugegeben. Alles sehr schöne Teile, aber eben etwas wenig für eine Synthesizerausstellung. Mein Bekannter, ein altgedienter Keyboarder, aber im Gegensatz zu mir auch ein guter PA-Kenner und Elektroniker, wies mich gleich darauf hin, dass „die nicht ganz normal seien“.

Ich nahm an, dass er aufgrund der wenigen Teile enttäuscht war, doch es stellte sich gleich das Gegenteil heraus, als er mich auf die restliche Technik aufmerksam machte: Tektronix, Rhode & Schwarz, Neumann und als PA L-Acoustics mit einem 1982 Quantec Raumsimulator deuteten darauf hin, dass das hier nicht eine einfache Zurschaustellung von Synthesizern werden wird.

Also fragten wir einen der Besucher, ob das alles sei oder wo noch mehr elektronisches Zuckerwerk stehen könne – auch wenn der Prophet-5 und Wave 2.2 wirklich schön sind.

Wir wurden mit dem Kommentar, die Rev 3 stehe im Nachbarraum in selbigen geleitet.

Das erste, was ich allerdings sah, war noch ein PPG Wave 2.2 nebst PRK und darauf ein 350 Computer Sequencer. Daneben ein 1020 … und an der Wand ein PPG 300 Modular, davor ein Wavecomputer 360 … alles spielbereit.

Bereits zu diesem Zeitpunkt reifte die Erkenntnis, dass die Beschaffung eines spitzen oder scharfen Gegenstandes zwar kein Problem darstellte, aber das Büttenpapier und der Federkiel gewisse Schwierigkeiten bereiten würden – beides würde zu gegebener Zeit möglicherweise bereitgestellt werden.

Außerdem waren da ja noch ca. 60 bis 70 andere Synthesizer. Darunter auch die erwähnte Rev 3 vor einem 600, ein großes Marienberg Modularsystem mit Sequencer, daneben ein Emulator II+ und viele andere schöne, alte Bekannte … größtenteils auch spielbereit.

Mein Kollege stellte aber schon beim Betreten des Raumes die Atmung ein, um mir dann etwas später zu sagen, dass der Veranstalter offensichtlich eine etwas eigenartige Vorstellung von PA-Technik hat. Als PA im Ausstellungsraum war ein komplettes d&b C7 System aufgebaut – stilecht mit analogen Systemendstufen, wie mir mein Bekannter versicherte, und als Mixer ein analoges 32 Kanal MIDAS inkl. Yamaha Submixern, auf dem völlig unscheinbar ein kleines, blaues Gerät lag. Ein Quantec Yardstick.

Dann waren aber schon auch die ersten Besucher da, die sich als Dauergäste herausstellten und aus Berlin und Leipzig angereist waren, um gemeinsam zu jammen.

Nun wollte ich aber auch gerne den Veranstalter kennenlernen, was sich leichter anhört als getan ist.

Der Graue Hof ist der „Sitz“ des Ascherslebener Kunst- und Kulturvereins und richtet regelmäßig Veranstaltungen aus. Wenn ich technische Fragen oder Fragen zum Ablauf hätte, solle ich mich an Herrn Marienberg wenden. Das war der Moment, an dem die meisten Fragen schon beantwortet waren. Warum in Aschersleben 15 km von Hettstedt entfernt? Warum zwei komplette Marienberg Systeme? Warum derartige Mengen an Messtechnik und woher solche Mengen an „Edel PA Material“, wie es mein Bekannter bezeichnete, kommen.

Doch auch nur einen der Marienberg Brüder zu finden, stellte sich als Herausforderung heraus. Ich weiß, dass das ganz nette Leute sind, aber eben auch etwas eigenartig sein sollen, wenn es um Öffentlichkeitsarbeit geht.

Nicht etwa, dass die nur zu den Vorträgen kommen? Denn es waren neben anderen Rednern zwei Vorträge von Marienberg angekündigt. Kurz danach wurden meine Befürchtungen aber zerstreut, als mich ein netter Mitarbeiter zu Holger führte. Der wurde kurzerhand  aus dem Haus verbannt, um seinem Laster zu fröhnen und brachte auf dem Klosterhof zusammen mit den anderen Süchtigen „seinen Nikotinanteil im Blut erstmal auf akzeptables Niveau, um danach den Versuch zu starten, den Rückwärtsgang aus seinem  Metabolismus herauszubekommen“ – der Humor von beiden sollte sich auch später als sehr individuell erweisen.

Nach erfolgreichem Versuch führte Holger mich in das Clubkino, wo er das neue Wavegenerator Modul sowie den Rauschgenerator vorstellte und vorführte.

Der Wavegenerator (Voltage Controlled Oscillator C) war, sagen wir mal, nur sehr interessant, bis Syncsounds und tonale Linear FM über gut acht Oktaven vorgeführt wurden. Danach wusste ich, warum Marienberg ein Jahr daran gearbeitet haben und war einmal mehr von dem System begeistert.

Dann kam die Vorführung des Rauschgenerators (Noise Generator A) am Beispiel der Simulation von Hihats und Cymbals klassischer, analoger Drummaschinen und sehr frischen, neuartig klingenden Percussionsounds.

Danach gab es noch einige Workshops am Modularsystem, bis am Abend Steffen Marienberg erläuterte, warum die „richtige“ Konstruktion eines Phasers problematisch ist. Zwei Stunden Nachhilfe komplexer Berechnungen in der Wechselstromtechnik nannte mein Bekannter das … ich nenne es Verwirrung und Desillusionierung.

Zugegebenmaßen konnte ich nach 20 Minuten nicht mehr folgen, weiß aber jetzt soviel: Wer glaubt, etwas über Phaser zu wissen, dem sei versichert, dass er es nicht tut.

Danach kam aber die absolut entspannende Atmosphäre des Hauses um so mehr zum tragen. Einige der Besucher ließen sich freiwillig (oder bereits paralysiert) weiter von Steffen Marienberg „Input“ verpassen, andere trafen sich im Cafe oder dem Gastraum zu Gesprächen oder nur, um sich zu erholen und den Tag angenehm ausklingen zu lassen.

Am Samstag stellte sich dann heraus, dass meine unkeuschen und widernatürlichen Gedanken im Ausstellungsraum wahrscheinlich keine Zustimmung in der Chefetage fanden – oder Petrus steht doch eher auf „Ganz in weiß“. Es regnete den ganzen Tag bei frostigen Temperaturen, im modernisierten Kloster hingegen gab es eine urgemütliche und entspannte Stimmung.

Wieder Vorträge, Workshops, Diskussionen, Sessions und allein am Abend dann etwas, wofür ich gerne die Fahrt auf mich genommen habe. Carsten Falk spielte zum Thema „Carsten meets Tony“.

Kurz und knapp – Genesis Cover von jemandem, der nicht nur erstklassig mit Sounds spielen kann, sondern auch zeigte, wozu eigentlich die schwarzen und weißen Tasten taugen, wenn man damit umzugehen weiß. Als Einstimmung fünf Minuten Minimoog (natürlich der originale „Model D“) Solo, dann der ARP Soloist mit Mellotron-Sounds vom Nord sowie am Ende als Zugabe nochmals Minimoog mit Quantec QRS über L-Acoustics. Diese seismischen Tests am Mauerwerk des alten Klosters sollte man eigentlich nicht durchführen … die Statik macht das nicht lange mit.

Danach noch ein angenehmer Abend mit dem hauseigenen Bier und einem tollen Abendessen, das bis in die Nacht hinein nachgelegt wurde, um den Tag abzurunden. Die Heimfahrt war am nächsten Tag, nach einer Nacht, in der ich von Synthesizer spielenden Mönchen und „anderem“ träumte.

Analoge Kunst in Aschersleben – ich komme wieder.

Und hier noch ein paar zusätzliche Impressions:

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Fazit

Fazit für mich: Das Event „Analoge Kunst in Aschersleben“ mit einer so eigenen Atmosphäre, die zu beschreiben bestenfalls mit Begriffen wie „entschleunigt“ oder „tiefenentspannt“ möglich ist.

Einziger kleiner Kritikpunkt ist der beschränkte Platz. Nahezu alle Synthesizer angeschlossen, wirkt es schnell sehr eng. Da dem Veranstalter aber offensichtlich an dem Wochenende das ganze Haus zur Verfügung steht, sollte man vielleicht darüber nachdenken, themenbezogen mehrere Räume zu nutzen.

Obwohl, vielleicht macht gerade dieses Enge zum einen und das Offene des Hauses zum anderen gerade das Besondere der Veranstaltung aus.

Ich jedenfalls freue mich auf die Analoge Kunst in Aschersleben Folge V.

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Forum
  1. Profilbild
    Filterspiel AHU

    Und natürlich erfahre ich (gerade mal 130km entfernt) davon erst im Nachhinein. Das passiert mir nicht nochmal, der Newsletter vom Grauen Hof sollte wohl für 2018 rechtzeitig informieren.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Geil! Da würde ich auch mal einen Nachmittag vorbeifahren. Is auch garnicht so weit weg vom dicken B. Habt ihr doch bestimmt angekündigt, oder? Na, hab ich wohl übersehen. Nächstes Mal bin ich dabei…

  3. Profilbild
    Xenox.AFL

    Wenn man keinen Kopfhörer mit hatte, und das hatte ich natürlich nicht, macht das keinen Spaß die Geräte zu spielen wenn alle durcheinander spielen…

    Deswegen, wer da hin möchte, Kopfhörer mitnehmen!!!

    Ansonsten war’s irgendwie schon nett, viele Synthies, viele nette Leute und gutes Essen, was will man mehr…

    Frank

  4. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Schön geschrieben Tyrell. Man merkt, dass du da eingetaucht bist wie ein leidenschaftlicher Taucher und Fotograf ins Great Barrier Reef. Kann gut verstehen, wenn man da stundenlang drin versinkt. Mich hätte man vermutlich auch erst mit der Keule niederschlagen und dann raustragen müssen,um mich rauszukriegen. Hätte da Zeit und Raum vergessen.

  5. Profilbild
    kiro7

    Kawai K1m und An1x waren auch dabei? Hätte ich nie vermutet, finde ich aber gut!

  6. Profilbild
    Trance-Ference

    Die letzten beiden Jahre war ich dabei aber dieses Jahr ging es leider nicht. Was sehr schade ist weil es bemerkenswert ist was es da zu sehen und zu hören gibt. Der Klang in den dicken Gemäuern ist einfach spitze.
    Für mich persönlich ein Highlight sind auch die fachlich sehr kompetenten Vorträge. Ich glaube so etwas findet man kaum woanders. Die beiden Marienbergs haben ein unheimliches Wissen was die ganze Synthesizer- und Klangtechnik angeht. Also wer noch nicht da war den kann ich das nur wärmstens empfehlen.

  7. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Wo muss man sich denn rumtreiben, um vorher von sowas zu erfahren?
    Hier ja anscheinend nicht.
    Schade, wäre gerne gekommen, vor allem bei solchen Vorträgen.

    • Profilbild
      Trance-Ference

      Ich glaube ichhab es damals durch Zufall im Sequencer-Forum unter „Termine gesehen“ gesehen. Oder weil ich über Google mal das darüber in dieser Region gesucht hab. Weiss ich nicht mehr genau. Mittlerweile steht das aber immer im Forum.

  8. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Wenn der Harz nicht so weit weg wäre würde ich jetzt nach diesem leckeren Bericht der sehr eindrucksvoll geschrieben ist auch gerne hin gehen. Ich war mal vor 25 Jahren in Wernigerode, das war cool und viel Schnee aber keine Synthesizer dafür ne Eisenbahn…..

  9. Profilbild
    SimonChiChi AHU

    Geniales Event, nur leider viel zu weit weg. Wie wäre es mit einem Live-Video-Report durch AMAZONA.de nächstes Jahr?

  10. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Gibt es eigentlich Berichte über das Treffen vom November 2018?

  11. Profilbild
    Tyrell RED

    Den haben wir tatsächlich verschlafen. Wenn sich hier aber ein Teilnehmer findet, der uns noch Bilder nachreicht, machen wir noch einen After-Report ;-)

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