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Feature: Welche Erwartungen habe ich an meine Band?

Musizieren im Team, ein Relikt aus grauer Vorzeit oder der ultimative Emotionsboost?

23. Dezember 2021

Test Test Test Feature: Welche Erwartungen habe ich an meine Band?

Welche Erwartungen habe ich an meine Band? „In einer Band spielen, wozu?“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz bereits vor vielen Jahren, als ich noch unterrichtet habe, zu Ohren bekam. Nehmen wir jetzt einmal die (vornehmlich) Herren, die sich bereits im Berufsalltag befinden und letztendlich nie einen gemeinsamen Termin zum Proben oder aber die Zeit zum persönlichen Üben finden bei Seite, mindestens 60 Prozent aller typischen Schüler zwischen 14 und 18 Jahren hatten bereits damals ihren Fokus nur darauf gelegt, das Hauptriff oder das Solo ihres Lieblingssongs spielen zu können, um es dann auf dem Bett sitzend so schnell wie möglich auf YouTube hochzuladen, den Link ihren Kumpels zu schicken, um dann die Klicks zu zählen. Einen ganzen Song spielen, nope, mit Freunden üben und feiern, nope, eine eigene Persönlichkeit am Instrument ausbilden, nope, und so weiter. Alles viel zu anstrengend und vor allem, es dauert viel zu lange, bis sich erste messbare Ergebnisse einstellen.

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Die ganz grausame YouTube und Facebook Fixierung scheint sich in der letzten Zeit etwas gelegt zu haben, dennoch gibt es kolossale Unterschiede, was die einzelnen Musiker von einer Band erwarten, wie sie größer nicht sein könnten. Dieses Feature soll dir helfen, zumindest im Vorfeld möglichst viele Fallstricke zu umgehen, um möglichst viel Erfüllung in der musikalischen Karriere zu erfahren. Also dann, was erwarte ich von meiner Band?

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1. Welche Musikrichtung wollen wir eigentlich spielen?

Egal, was es noch alles an Punkten innerhalb einer Band zu klären gibt, mindestens 50 Prozent aller Energie wird für diesen Punkt draufgehen. Das Problem liegt in der unterschiedlichen Sichtweise der einzelnen Musiker und die damit verbundene Priorisierung der jeweiligen Aktivitäten. Wenn wir als Beispiel eine Konstellation von absolut gleichberechtigten Musikern nehmen, die sich das erste Mal zwecks Vorbesprechung treffen, wird jeder die stundenlangen Diskussionen kennen, der sich bereits einmal in dieser Situation befunden hat.

Ob man covern will oder sich eigenen Titeln zuwenden möchte, lässt sich noch vergleichsweise schnell erörtern, hat man sich aber für Zweites entschieden, brechen in der Regel alle Dämme. Jeder versucht seinen Fokus auf eine bestimmte Stilistik so stark wie möglich nach vorne zu bringen und degradiert die Mitmusiker nicht selten zu reinen Erfüllungsgehilfen, Dies hat noch nie funktioniert und wird es auch nie! Nur wenn alle anwesenden Musiker den gleichen Stil praktizieren wollen und ähnliche Vorbilder oder Einflüsse nennen, kann man mit einem funktionierenden System rechnen.

Natürlich gibt es im Profibereich technisch herausragende Musiker, die dir jeden Stil und nahezu alle Songs spielen können, aber dabei geht es um rein wirtschaftliche Argumente. Natürlich kann man es machen wie zum Beispiel bei den DEAD DAISIES, bei denen sich Gitarrist David Lowy, selber völlig unbekannt und als Musiker eher leidlich talentiert, aber Erbe des milliardenschweren Imperiums seines Vaters Frank, einen imposanten Stall von Mietmusikern vom Kaliber eines Glenn Hughes, Dean Castronovo oder Doug Aldrich hält. Dies funktioniert, sobald Geld fließt, aber niemals zu Anfang einer Karriere.

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2. Gemeinsame Ziele der Band

Mit dem ersten Punkt einhergehend ist auch der zweite Punkt zu betrachten. Als der Autor dieses Artikels noch ein junger Springinsfeld war, wollte jeder, aber wirklich jeder, der ein Instrument auch nur halten konnte, Berufsmusiker werden. Der wirtschaftliche Himmel in der Musikindustrie hing voller Geigen, die Vorschüsse der Plattenfirmen waren üppig, die Gagen hoch, die Partys ausschweifend. Dass diese Zeiten lange vorbei sind, zeigen nicht nur die ermüdenden Diskussionen über Zehntel Cent Beträge, sobald es um die Beteiligung von Musikern an den Einnahmen der Streaming-Dienste geht.

Um es hart auf den Punkt zu bringen, von der Musik leben, können wenn es hoch kommt, ein Prozent aller Musiker, wovon wohl 49 Prozent in gut gebuchten Tribute- oder Coverbands spielen, 49 Prozent unterrichten und vielleicht zwei Prozent eigene Songs spielen. Wenn es hoch kommt, schätze ich, dass maximal jede 1000. Band, die eigene Songs spielt, ein relevantes Einkommen erzielen, bei denen ALLE Musiker der Band von den Einnahmen überleben können. Wohlgemerkt überleben, nicht der gerne in den Medien vermittelte Saus und Braus.

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Es liegt daher nahe, schon bei der Gründung der Band darüber zu sprechen, wie sehr man bereit ist, sich diesen Qualen hinzugeben und wie hoch die Leidensfähigkeit ist. Die Aussage „Wir schauen mal wie gut es läuft und wenn es sich lohnt, machen wir es hauptberuflich“ ist nichts anderes als die Umschreibung für „wir werden auf ewig Hobbymusiker bleiben“. Dies ist keineswegs verwerflich, aber auch hier gilt es möglichst früh, die nötigen personellen Entscheidungen zu treffen. Nur wer die gleichen Ziele hat, wird effektiv zusammenarbeiten.

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3. Finanzierung

Woran erkennt man Berufsmusiker? Sie fragen beim ersten Gespräch nach der Bezahlung! ;-) O.k., der Spruch ist sehr provokativ, aber er entspricht zumindest meiner Erfahrung. Man darf diesbzgl. nicht böse sein, aber leider geht mit dieser Einstellung zumeist auch der Verlust jeglicher Illusion auf den glamourösen Teil der Musik einher. Nichtsdestotrotz bildet der finanzielle Bereich immer jede Menge Ansätze für Stress jeglicher Form. Angefangen bei der Proberaummiete („der Drummer nimmt den meisten Platz ein und nutzt ihn am stärksten, der soll auch mehr zahlen“), Reisekosten (warum soll ich für Anreise der anderen Musiker mit meinem Geld mit bezahlen), Technik („der Sänger soll die Gesangsanlage allein bezahlen“) und vieles mehr.

Letztendlich kommt man um des lieben Friedens Willen meist nicht um einen „Schatzmeister“, später evtl. Management herum. Ich kann nur empfehlen, alle Einnahmen der Band zunächst für die laufenden Kosten wie z. B. Proberaummiete zu nehmen und den verbleibenden Überschuss zu gleichen Teilen auszuzahlen. Dabei würde ich jedem Musiker, der eine bezahlte Show anschleppt, zwischen 10 bis 20 Prozent der Gage als Provision auszahlen, da er als Ansprechpartner in der Regel auch mehr Arbeit mit dieser Show hat.

Schwierig wird es, wenn die Band ein reiner Hobbybetrieb, sprich Verlustbetrieb ist und Kosten anfallen. Hier hilft nur die Version, einer übernimmt alle Kosten, bekommt dann aber auch alle Einnahmen und bezahlt die anderen Musiker entsprechend anteilig oder aber jeder richtet einen Dauerauftrag für anfallende Kosten ein. Ich bin früher teilweise den „Kollegen“ monatelang für 10  Euro hinterhergelaufen, so etwas nervt nur und tötet jede Stimmung.

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4. Pünktlichkeit

Ein sehr beliebtes Thema. Auch wenn die Deutschen in dem Ruf stehen, sehr pünktlich zu sein und dies im Vergleich zu anderen Ländern auch bestimmt sind, so hat wohl doch jeder Mensch eine ganz eigene Vorstellung, wann er wo zu sein hat. Wenn es keiner so genau nimmt und alle kommen, wie sie wollen, mag das Ganze vielleicht noch funktionieren, wenn hingegen ein oder zwei Musiker die restlichen Kollegen daran hindern, pünktlich zu beginnen, ist das in meinen Augen nichts anderes als ein asoziales Verhalten.

Wenn eine Probe um 16 Uhr anfängt und ich Zugang zum Proberaum habe, bin ich um ca. 15.30 Uhr da, baue meinen Kram auf und spiele mich warm, damit man um 16 Uhr anfangen kann. Können die Kollegen nicht so früh, fängt man mit der Probe erst um 17 Uhr an, auch kein Problem, aber die Kollegen bewusst warten lassen, weil man schlecht strukturiert ist, geht gar nicht! Es gibt immer mal einen Stau oder eine Besonderheit, die zu einer Verzögerung führt, aber dies muss immer eine Ausnahme sein.

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5. Vorbereitung

Eigentlich ein Thema, das keiner Erklärung bedarf, aber immer noch ein sehr beliebter Streitpunkt ist. Wer kennt es nicht, man kann einen Song nur bis zu einem bestimmten Part spielen, da dann ein Kollege seinen Part (noch) nicht spielen kann. „Den muss ich noch üben …“ Was bitte hat das mit den Kollegen zu tun? Man trifft sich nicht im Proberaum, um seine persönlichen Fingerübungen nachzuholen! Auch sehr beliebt bei Sängern, die Texte vom Blatt abzusingen. Am besten noch zwei Tage vor dem Auftritt und dann den Bühnenboden mit Textblättern vollkleistern, der maximale Beitrag an Peinlichkeit, wird nur noch von einem Notenständer auf der Bühne übertroffen.

Man trifft sich, um Arrangements zu besprechen, Satzgesang zu üben, eben alles, was ALLE Musiker betrifft. Dabei kann man gerne auch bestimmte Parts als Loop spielen, um Sicherheit für alle zu bekommen, aber unvorbereitet zur Probe zu erscheinen, ist ein absolutes Unding.

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6. Persönliches Engagement in der Band

Manchmal hat man das Gefühl, es gibt zwei Arten von Musikern, wenn es um die Arbeiten geht, die über die Bedienung des persönlichen Instruments hinausgehen. Die einen machen alles, die anderen machen nichts. Ich weiß nicht, wie oft ich persönlich schon versucht habe, innerhalb einer Band eine bestimmte Verantwortung zu übertragen, zum Beispiel einer kümmert sich um die Beladung des Transporters, einer macht die Abrechnung, einer hält den Kontakt zur Technik usw..

Es scheint gerade unter Musikern diese Polarisierung zu geben. Ich habe Musiker gesehen, die ihr Equipment nach der Show einfach auf der Bühne haben stehen lassen, im Sinne von „einer wird es schon mitnehmen“. Dem war dann nicht so, d. h. es stand auch am nächsten Tag noch eine einsame Bassanlage nebst Bass auf der Bühne, vielleicht steht sie noch heute dort. Inwieweit man damit leben kann, muss jeder für sich selber entscheiden, aber ein so offen zur Schau gestelltes Desinteresse an den unliebsamen Arbeiten rund um die Band sorgen selten für gute Stimmung.

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Fazit

Im Prinzip kann man heutzutage für jeden Musiker dankbar sein, der den anachronistischen Weg des Musikmachens in seiner reinsten Form anstrebt. Vorgefertigte Loops, DAWs mit unfassbaren Möglichkeiten und ein reich gedeckter Internet Tisch mit unzähligen Playalongs tragen ihren Teil dazu bei, dass man sich dem Aufwand einer Probe mit entsprechend sozialen Verpflichtungen kaum noch mehr hingeben möchte.

Wer allerdings einmal die Energie einer synchronen Band erlebt hat, wird sich auf ewig fragen, wie er dieses Feeling auch nur zu 1 % in die synthetische Welt übertragen kann. Nichts ist mit dem Erlebnis der bewegten Luft zu vergleichen, die eine knackige Band von sich gibt und nur wer dieses Gefühl kennt, weiß warum jeder Plugin Hersteller, jeder Programmierer und jeder IT-Designer alles unternimmt, um die Protagonisten der analogen Welt mit ihren Instrumenten, Verstärkern und Räumen zumindest optisch zu kopieren.

Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass es nur Sinn macht, mit Leuten in einem Raum zu arbeiten und Zeit zu verbringen, die man wirklich mag oder zumindest in hohem Maße respektiert. Zeit, Geld und Herzblut in Menschen investieren, mit den man nach Feierabend eher ungern ein Bier trinken gehen würde, hat noch nie funktioniert und wird mittelfristig immer zum Split führen.

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Forum
  1. Profilbild
    mdesign AHU

    schöner artikel, kann ich inhaltlich bestätigen. zu wenig geübt, zu wenig einnahmen, zu wenig übereinstimmende ziele haben vor vielen jahren unsere live-band auf ein wesentlich kleineres, reines studioprojekt reduziert.

  2. Profilbild
    Eisenberg

    Zusammen Musik zu machen, ist Magie. Es reicht schon, mit den Kindern einen Kanon anzustimmen, um in Kontakt mit dieser Magie zu kommen. Punkt.
    Rumgetüddel in ner DAW klingt am Ende vielleicht irgendwie geiler. Darum geht es aber nicht. Es geht um nonverbale Kommunikation und Verschmelzung. Ich kann mir kaum etwas schöneres vorstellen.

  3. Profilbild
    mi87

    Alles richtig, nur die Häufigkeit als insbesondere z.B. für Hip-Hop ein Live Drummer engagiert wurde die war glaube ich selbst in den Anfängen des Hip-Hop eher selten. Natürlich gilt auch dort: bei dem was Live geht ( oder gehen würde ) also MC, Rap da macht es schon einen Unterschied. Nur sind „live“ Shows in dem Genre eher mehr Shows bzw. das „live“ Element kommt von einem DJ der heutzutage meistens auch nur noch eine Software bedient.
    In dem Sinn sehe ich mehr einen technologischen Wandel, als es noch gar keine Verstärker gab wie heute, da war Musik eher akustisch. War mir auch nicht so klar bis ich einmal eine Reportage über die ersten Beatles Konzerte gesehen hatte. Ein 100W (!) Verstärker war damals das beste was es gab. Eine Wand aus Boxen, das gab es gar nicht.
    Musiker sind heute mehr leidtragende einer Dienstleistungsglobalisierung. Man kann sich offenbar Online Ghost Producer einkaufen, was schonmal Reisekosten (für beide Seiten) usw. spart.
    Ob man daher Musiker oder auch Band immer gleichsetzen muss mit „Live Aufritt“ weiß ich nicht, falls ja dann macht das geschriebene alles Sinn. Wenn nein, passt es aber evtl. gar nicht zu den Umständen.

  4. Profilbild
    Aaron

    Es geht nichts über die Interaktion von gemeinsam spielenden Musikern . Hab seid Ende der 70igern in musikalisch sehr unterschiedlichen Bands gespielt . Anfang 2000 ging für mich die ganze DAW Geschichte los . Jahrelang versuchte ich einen dynamisch vollen Sound , so wie mit einer Band hinzukriegen . Nicht das dabei auch gute Produktionen entstanden wären , aber es macht einen gewaltigen Unterschied ob man/frau vor einem Bildschirm sitzt , oder mit Menschen gemeinsam Musik macht .

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