Fender Violinmaster - die Stradivari Telecaster
Es gibt (Bau-)Unterfangen, bei denen weiß man im ersten Augenblick gar nicht, was man von halten soll. Ist das jetzt irgendwie…ein Stück weit genial? Oder ist das ein völliger Fehlschuss, der sich mit ein bisschen zeitlicher Distanz dann als solcher zu erkennen gibt? Ich gebe zu – auf den ersten Blick der Stradivari Telecaster dachte ich – herrje, das ist ein perfektes Beispiel für die Art Geschmacksverirrung, die im ersten Augenblick genial anmutet und dann mit voranschreitender Zeit immer obskurer wirkt.
Auf den zweiten Blick legt sich der Eindruck wieder ein bisschen. Yuri Shishkov, der Gitarrenbauer im Fender Custom Shop, wird sich bei seiner Schöpfung sicher was gedacht haben. Die 1713er Stradivari, eine legendäre Geige, hat hier als das ästhetische Vorbild fungiert. Eine Google-Suche zeigt auch gleich: optisch hat hier definitiv eine Verschmelzung stattgefunden. Italienische Fichte hat den Hollowbody der Gitarre hergegeben – angeblich genau das gleiche, das bei der originalen Geige zum Einsatz kam. Die F-Löcher verstärken definitiv die Assoziationen mit dem Vorbild. Der Hals jedoch ist aus Ahorn, das Profil des Halses besitzt die ungewöhnliche Oval-C-Form. Sehr schmal, nach hinten hin raus. Der Radius beläuft sich hierbei auf 9,5 Zoll und die 22 Bünde kommen in Medium-Jumbo Format daher. Das Griffbrett besteht aus Ebenholz.
Fender Stradivari Telecaster 2021
Zugegeben: Beim Aging und der Lackierung hat Yuri ganze Arbeit geleistet. Die Gitarre sieht definitiv aus, als wäre sie ein altes, historisches Schaustück. Dürfte als Telecaster einen sehr luftigen, höhenlastigen und spritzigen Sound haben, das Ganze. Interessant übrigens: die Sättel können ausgetauscht werden und man kann zwischen Ebenholz, Bonze und Büffelhorn entscheiden. Ein passendes Gimmick? Vielleicht. Ich starre jetzt seit einer halben Stunde immer wieder auf diese Bilder und kann mich nach wie vor nicht entscheiden: Vollkatastrophe oder schweinecool.
In Sachen Sound greifen zwei Thunder Blade Humbucker von TV Jones – sind mir persönlich kein Begriff. Ergänzt wird das Ganze durch drei Piezo Pickups, die man mit einem Regler dazumischen kann. Interessant! Letzten Endes handelt es sich hier mal wieder um eins dieser unbezahlbaren Pilotstücke, auf 60 Stück limitiert, die für fünfstellige Summen den Laden verlassen. Fender will mit solchen Pilotprojekten auch immer wieder anfühlen, ob so eine Idee für die breite Masse Potential hätte. Weiß nicht – was meint Ihr?
https://www.youtube.com/watch?v=9EMnUYDrYsU
Naja, ist doch noch relativ dezent, da gab es im Laufe der Zeit schon deutlich geschmacklosere Gitarren…
Super! Also finde ich. Zumindest nach dem was Bilder und Video sagen. Hab aber auch Verständnis wenn jemand sagt, dass das doch alles großer Mist ist. – Klassischer Kontrabass war das erste Instrument, das ich gelernt habe, Hab aber auch schon Cello und Bratsche und Geige gespielt, bin natürlich bei der Bassgitze gelandet und von da aus zur Gitze gekommen. Aber die Streichteile haben mich nie losgelassen, und ich finde nach wie vor auch die Oberfläche eines alten Streichinstrumentes wunderschön. Und das gepaart mit der Tele ist für mich n toller Wurf. Schön ist, dass man auch Wert auf gute Handarbeit gelegt hat. Und der Sound ist für mich ebenfalls toll. — Aber wie gesagt, es ist und bleibt Geschmacksache und da gibts halt immer die eine Seite … und die andere.
Es hat was Verrücktes und auch ein klein wenig Größenwahn ist dabei, wenn Fender sich mit einer Stradivari vergleicht.
Die handwerkliche Arbeit ist bestimmt oberste Liga.
Mein Fazit an dieser Stelle: Geschmacklos ist nicht das Design sondern der Preis.
Ich habe gerade gelesen, was Fender für diese „Strativari“ verlangt …. 30.000 US-Dollar!
Die Idee ist ja nicht schlecht; als Hollowbody mit TV-Jones-Pickups sicher interessant (abgesehen von der vermutlichen Feedback-Anfällikeit). Außer der Silhouette ist aber nichts mehr von den Genen einer Thinline-Tele übrig geblieben. …. oder gab’s jemals eine Hollow-Tele?
…. aber sowieso völlig unerschwinglich – wenn ich mir was wirklich Tolles leisten könnte, würde ich mir mir ’ne Klampfe von einem heimischen Luthier bauen lassen – gerne auch mit Alpenfichte-Decke; da käme ich wahrscheinlich deutlich günstiger davon.