Wie deine E-Gitarre nie wieder im Bandsound untergeht
Gitarrensound einstellen – wie geht das überhaupt? Ob im Proberaum, beim Auftritt auf der Bühne oder als Konzertbesucher, fast jeder Gitarrist hat es schon einmal erlebt: Der E-Gitarrensound mag sich einfach nicht durchsetzen und wird zu einem undifferenzierbaren Teil eines matschigen, verwaschenen Bandsounds. Aber was tun? In diesem Workshop erfahrt ihr, wie euch mit ein paar simplen Tricks der optimale Gitarrensound für tightere Riffs und singende Lead-Sounds gelingt.
Inhaltsverzeichnis
- Gitarrensound einstellen: Warum klingt meine Gitarre verwaschen?
- Schritt-für-Schritt: Den Gitarrensound im Bandmix optimieren
- EQ-Einstellungen für den optimalen Gitarrensound
- Bassbereich effektiv anpassen: Low-Cut und Mitten klären
- Die Mitten: Herzstück des durchsetzungsfähigen Gitarrensounds
- Gitarrensound einstellen – Präsenzen und Höhen optimieren
- Post-Amp Effekte: So klingen Reverb und Delay klar und definiert
- Gitarrensound einstellen – und so klingt’s!
Gitarrensound einstellen: Warum klingt meine Gitarre verwaschen?
Der Grund für einen verwaschenen und undifferenzierten Gitarrensound im Bandkontext liegt in der Natur der Band selbst: Alle Instrumente wie Gitarre, Bass, Keyboards, Schlagzeug und Gesang konkurrieren um die Hörbarkeit im Frequenzspektrum 20 Hz – 20 kHz, das wir als Menschen wahrnehmen. Besonders bei Gitarre, Bass und Keyboards überschneiden sich die Frequenzbereiche je nach Lage und Ähnlichkeit des gespielten Parts sehr stark, sodass hier ein regelrechter Konkurrenzkampf um die Hörbarkeit entsteht.
Oft erscheint die Lösung für diese Problematik einfach: Lauter machen, dann kommt das eigene Instrument besser durch – oder nicht? Klare Antwort: Nein! Denn wenn sich jeder lauter dreht, um sich besser zu hören, dann wird die Gesamtlautstärke im Proberaum oder auf der Bühne schnell unerträglich und der Band- und Gitarrensound kein Stück transparenter.
Es geht also nicht darum sich durchzusetzen, sondern darum, die einzelnen Instrumente in das Frequenzspektrum einzupassen. Das bedeutet: Der Sound jedes Instruments muss in den wichtigen, charakteristischen Frequenzen präsent sein und in den weniger wichtigen Frequenzen beschnitten werden, um Platz für die anderen Instrumente zu schaffen. Kurz: Zu jedem Boost in einem Sound gehört ein Cut in einem anderen Instrument, um Raum zu schaffen! Unsere Wunderwaffe ist hier der Equalizer, kurz EQ.
Frequenzbereiche der Gitarre: Ein Überblick
Beim Gitarrensound einstellen sind folgende Frequenzbereiche relevant:
- Bässe: 40 – 200 Hz
- untere Mitten: 200 – 600
- obere Mitten: 600 Hz – 4 kHz
- Präsenzen + Höhen: > 4 kHz
Schritt-für-Schritt: Den Gitarrensound im Bandmix optimieren
Bevor ihr beginnen könnt, den Gitarrensound in den Bandsound einzupassen, müssen natürlich ein paar grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden: Welche Gitarre und welche Pickup-Position soll verwendet werden? Haben wir es mit einem cleanen, angezerrten oder High-Gain Gitarrensound zu tun?
Als nächstes solltet ihr euch folgende Fragen stellen: Ist das grundsätzliche Arrangement des Songs stimmig? Erfüllen bspw. Keyboards und Gitarre die gleiche Funktion oder halten sich die Parts mehrerer Instrumente in der gleichen Lage auf und sorgen so schon von Grund auf für eine schlechte Hörbarkeit der einzelnen Instrumente?
Sind all diese Grundsatzfragen geklärt, könnt ihr schließlich damit beginnen, den Sound im Detail einzustellen, um den optimalen E-Gitarrensound für eure Band herauszuholen.
EQ-Einstellungen für den optimalen Gitarrensound
Beim Anheben charakteristischer Frequenzen und dem Herausfiltern unwichtiger Frequenzen für den optimalen E-Gitarrensound ist die oberste Regel: Der Sound im Gesamtmix ist das Wichtigste. Die definiertesten und durchsetzungsfähigsten Sounds hören sich nicht zwangsläufig auch alleine gut an – im Gegenteil: Oft klingen sie alleine sogar etwas dünn. Es geht hier aber vor allem um den Kontext und das „einparken“ im Mix!
Auch ob analoges Setup mit Pedalboard und Amp oder digitales Setup mit einem Modeling-Amp oder Profiler ist hier nicht kriegsentscheidend. Einziger Unterschied: Bei einem analogen Setup ist der Platz für einen EQ auf dem Pedalboard, also vor dem Amp. Bei einem Modeller haben wir zusätzlich die Möglichkeit, den EQ hinter der Boxensimulation zu platzieren und den Sound so noch detaillierter zu beeinflussen.
Bassbereich effektiv anpassen: Low-Cut und Mitten klären
Beginnen wir mit den unteren Frequenzen: Generell lässt sich sagen, dass ein Low-Cut immer eine gute Idee ist, um im Bandsound aufzuräumen. Gerade in den Bässen gibt es oft unnötige Maskierungseffekte und Auslöschungen durch Frequenzen, die für die Gitarre gar nicht so relevant sind.
Die tiefe E-Saite der Gitarre schwingt bei knapp über 80 Hz, es lohnt sich also, knapp darunter einen Low-Cut zu setzen um schon einmal die komplett irrelevanten Frequenzen zu eliminieren. Anschließend experimentiere ich dann, wie weit ich den Low-Cut nach oben verschieben kann, bis die Gitarre zu dünn klingt. Dann wieder ein kleines bisschen zurücknehmen und fertig ist der Low-Cut. Generell gilt für optimale Gitarrensounds besonders, bei tiefen Frequenzen cutten statt boosten!
Eine andere Möglichkeit, den Bassbereich zu zähmen und etwas aufzuräumen, ohne dabei das Low-End zu sehr auszudünnen, ist es den Low-Cut etwas höher anzusetzen und kurz darüber mit einem anderen Filter zu boosten. So wird das Gitarrensignal zwar zu den tiefen Frequenzen beschnitten, durch den Boost an der neuen Untergrenze wirkt die Gitarre im Mix jedoch immer noch fett.
Als nächstes versuche ich den Sound vom „Mitten-Matsch“ zu befreien, der die Gitarre mumpfig klingen lässt und vor allem mit dem Bass konkurriert. Ein guter Ausgangspunkt für ein Filter ist hier der Bereich um 400 Hz. Wichtig ist es hier, mit Fingerspitzengefühl vorzugehen und das Filter nicht zu schmalbandig einzusetzen und nicht zu viel abzusenken. Absenkungen im Bereich 1 – 3 dB reichen in den meisten Fällen aus, um der Gitarre ein gutes Stück mehr Definition zu geben.
Die Mitten: Herzstück des durchsetzungsfähigen Gitarrensounds
Der wichtigste Frequenzbereich für einen durchsetzungsfähigen und transparenten Gitarrensound liegt in den oberen Mitten. Ein Sweetspot liegt hier im Bereich 800 Hz – 1,5 kHz. Wenn ihr hier boostet, erwacht der Gitarrensound wirklich zum Leben und hebt sich aus der Maskierung durch z. B. Keyboards gut hervor. Auch hier gilt, wie oben beschrieben: Testet die Einstellungen unbedingt im Bandkontext und sucht euch mit dem Filter den besten Bereich! Ausprobieren ist hier der Schlüssel zu wirklich fetten Sounds.
Für Lead-Sounds ist es sinnvoll, den Mittenboost um die 800 Hz etwas zu verbreitern und noch etwas mehr Gas zu geben. Um die Soli zum „singen“ zu bringen, lohnt es sich, zusätzlich noch einen Boost im Bereich um 2 – 2,5 kHz zuzufügen. Da im Gitarrensolo i.d.R. nicht gesungen wird, ist das auch ohne Probleme möglich, bei Rhythm-Sounds sollte man hier aber eher vorsichtiger sein, um nicht mit der Präsenz und Verständlichkeit der Vocals zu konkurrieren.
Gitarrensound einstellen – Präsenzen und Höhen optimieren
Für mehr präsentere Gitarrensounds bietet sich ein kleiner Boost im Bereich um 2 kHz an. Wenn ihr hier etwas hinzugebt, bekommt ihr mehr Definition, ohne dass die Gitarre klirrt. Besonders wichtig ist es hier, nur einen kleinen Boost zu geben, da das menschliche Ohr in diesem Frequenzbereich besonders empfindlich reagiert und die Gitarre schnell nerven kann, wenn man es zu gut meint. Ist die Gitarre zu schrill und nervig, lohnt es sich, das Frequenzband zwischen 4 kHz und 6 kHz etwas herauszunehmen, um Platz für die Vocals zu schaffen und den Gitarrensound etwas angenehmer und weicher zu bekommen.
Besonders wichtig für Nutzer von Modeling-Amps oder Profilern: Ein Amp getreuer Sound sollte auch in den Höhen beschnitten sein, um die natürlichen Grenzfrequenzen einer Gitarrenbox abzubilden. Da Gitarrenboxen i.d.R. keinen Hochtöner besitzen, lohnt es sich, in den digitalen Lösungen einen High-Cut zwischen 7 – 10 kHz zu setzen, um den optimalen Sound zu bekommen. Der Sound wird weicher, ohne an Präsenz zu verlieren und das mitunter unangenehme Höhenspektrum einiger Modeller bekommt ihr so auch gut unter Kontrolle! Fast überall lässt sich so ein High-Cut global am Gerät einstellen, sodass dafür kein Effekt-Slot verloren geht.
Post-Amp Effekte: So klingen Reverb und Delay klar und definiert
Der letzte wichtige Teilbereich für einen transparenten und glasklaren Gitarrensound im Bandkontext sind die Post-Amp Effekte, also die Effekte, die nach dem Verstärker (bzw. nach dessen Vorstufe im Effekt-Loop) hinzukommen.
Besonders wichtig beim Gitarrensound einstellen sind Reverb und Delay. Wenn man es hier etwas zu gut meint und das Mixverhältnis zwischen dem trockenen Gitarrensound (Dry-Signal) und dem Effektsignal (Wet-Signal, hier Reverb und Delay) falsch wählt, klingt die Gitarre schnell verwaschen und die Definition und damit die Hörbarkeit leidet spürbar. Ähnlich wie bei der Einstellung des EQs ist es hier ebenso wichtig die Feineinstellung im Bandkontext vorzunehmen und gerade so viel Wet-Signal hinzuzufügen, dass der Gitarrensound die gewünschte Räumlichkeit bekommt. Weniger ist hier oft mehr!
Bei großen Ambientsounds mit langen Hallfahnen und Modulation auf dem Reverb- oder Delay-Signal ist es natürlich schwierig, das Effektsignal nur leise hinzuzufahren, da es ja genau um die ausladende übertriebene Räumlichkeit geht. Hier sollte man wieder zum Equalizer greifen und das Signal nach dem Delay oder Reverb erneut im Frequenzbereich beschneiden. Sehr oft haben die Effekte hier sogar schon selbst einen integrierten Low- sowie High-Cut, mit dem sich das Wet-Signal aufräumen lässt.
Gerade der Low-Cut ist hier die perfekte Waffe: Hier könnt ihr deutlich beherzter vorgehen als beim Dry-Signal. Für eine Hallfahne sind Frequenzen unterhalb von 200 Hz im Prinzip komplett irrelevant und sorgen für einen „matschigen“ und bedeckten Sound. In der Regel kann man mit dem Low-Cut des Wet-Signals bedenkenlos im Bereich 400 – 600 Hz zugreifen, je nachdem, ob der Ambient-Sound im Full-Band Part oder ganz alleine steht.
Mit dem Pre-Delay-Regler am Reverb gibt es schließlich eine entscheidende, aber dennoch oft vernachlässigt Einstellmöglichkeit. Mit dem Pre-Delay kann die Zeit eingestellt werden, die zwischen dem trockenen Gitarrensignal und dem Wet-Signal vergeht, also wann nach dem Anschlagen der Saite der Hall erklingt. Für rhythmische Begleitungen ist das essentiell, um den Attack des Saitenanschlags und damit die Definition zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die Parts nicht verwaschen klingen. Hier sind 20 – 50 ms Pre-Delay meist ein guter Ausgangspunkt.
Beim Delay-Effekt solltet ihr unbedingt darauf achten, die Ducking-Funktion zu nutzen, dass der Sound nicht verwaschen klingt. Mit der richtigen Menge an Ducking lässt sich erreichen, dass die Delay-Repeats nur die Lücken zwischen den gespielten Noten ausfüllen. Das Delay duckt sich immer dann weg, wenn eine Note gespielt wird und kommt nur in den Pausen zwischen den Noten zum Vorschein. Ein wunderbarer Weg, ein Delay-Wirrwarr zu verhindern und glasklare, definierte Delay-Lines zu bekommen.
Gitarrensound einstellen – und so klingt’s!
In den folgenden Klangeispielen hört ihr immer eine Version A ohne angepassten EQ sowie eine Version B mit angepasstem EQ nach den Tipps aus diesem Workshop. Die genauen EQ-Settings sind in den Bildern im Artikel zu finden.
Bei einem Gitarrensolo unseres Gitarristen lege ich meine Key-Sounds immer oberhalb oder unterhalb seines Frequenzspektrums. Allerdings hat unser Saitenquäler ein ganz anderes Problem:
Er hat immer noch nicht eine Lautstärkeabstimmung seiner Sounds Soundpresets am Effektgerät, und hat beim Umschalten immer Lautstärkeschwankungen.
Bei jeder Probe fumnelt er immer wieder am Effektboard herum und kriegt es nicht hin…
Ich habe bei E-Gitarristen viel eher das Umgekehrte erlebt: dass sie mit aufdrehtem + verzerrtem Amp alles andere wegfräsen. „Untergehen“ ist glaube ich deren geringstes Problem… 😎
@EinTon Doch schon, sie klagen üblicherweise „Ich hör mich nicht!“