E-Mu EIII Sounds im Rackformat?
Vorwort
Über E-MU haben wir schon einige Artikel geschrieben und führen hier ein weiteres Puzzleteil zum großen Bild. E-MU hatte gerade das Desaster des EIII verdaut, machte einen kleinen Gewinn und galt immer noch als Innovationsführer im Wettbewerb mit Roland und Yamaha. Dennoch standen die Entwicklung, Auslieferung des Proteus/1 unter keinem guten Stern. Erst ein Jahr nach Ankündigung kam der Ur-Proteus auf den Markt. Und sorgte seinerzeit für einigen Unmut. Einige waren der Meinung, dass die Samples und Wavetables nichts weiter als ein Abklatsch des EIII waren. Und dann kam die Wende.
Nachdem wir nun schon einiges über E-MU und andere Proteus Modelle lesen konnten, springen wir heute mitten ins Jahr 1989, das Geburtsjahr des Proteus/1. Von hier aus geht’s zum Proteus/2 Orchestral von 1990 und zum Proteus/3 World von 1991.
Wir visieren 1989 an und landen dennoch knietief in den Neunzigern.
E-MU legt mit dem Proteus einen Sample-basierenden Rompler vor, dessen Inhalte vom EIII stammten und für damalige Verhältnisse 4 MB recht groß waren. Wir erinnern uns, dass zu dieser Zeit das Kilobyte RAM noch mit Goldstaub aufgewogen wurde. Und wir uns bei der Rechengeschwindigkeit im unteren Megaherzbereich befanden. RISC Prozessoren waren schon bekannt, aber die Preise bewegten sich auch hier Größenordnungen wie fürs Kilo Gold. Und in diesem Spannungsfeld bewegte sich E-MU. Wir erinnern uns: David Rossums E-MU war in den Achtzigern der Haushaltsname für gediegenes Sampling. Die letzten großen Erfolge lagen aber zurück und man kam hier auf die Idee, eine neue Produktpalette zu schaffen.
Kleine kompakte Soundmodule mit einer überschaubaren Funktionalität, aber massig im Klang. Tauglich für Bühne und Studio. Quasi eine No-Thrills-Version ohne interne FX. Abgesehen vom Proteus FX zieht sich das durch alle Modelle. Klanglich hat E-MU hier aber nicht gekleckert, sondern man legte mit 32-facher Polyphonie und 1-stimmiger MIDI-Multitimbralität und 16 Bit ROM-Samples einen Standard vor, der über die Neunziger in der Popwelt Bestand hatte.
Während der Proteus/1 der Generalist unter den Modulen ist, sind Proteus/2 und Proteus/3 der Orchestermusik und der Weltmusik vorbehalten.
Die Jüngeren werden sich jetzt etwas ungläubig die Augen reiben, aber gucken wir mal, wo wir gerade sind: Die Mauer ist gefallen, die Einteilung der Welt in Ost und West funktioniert so nicht mehr. Während in FFM der „Techno“ schon Stammgast ist, schickt sich Berlin an, zur Techno Metropole zu werden.
Wir haben die ersten Großwerke des Crossovers von Faith No More und Living Colour schon gehört. Digitaltechnik ist keine Raketenwissenschaft mehr, sondern schickt sich an, in den Massenmarkt einzuziehen. Steve Jobs werkelt mit seiner Firma NeXT Inc. an einer UNIX-Variante der Berkeley Software Distribution, die später als MacOS X groß rauskommen wird. Und am CERN arbeitet ein gewisser Tim Berners Lee mit denau so einer NeXT Station an einem Protokoll und einem Service namens HTTP, der seiner Meinung nach nur Gopher ersetzen soll.
E-MU hatte noch seine Erfolge und sein Wachstum zu verarbeiten. Der EIII hatte Probleme mit der Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit. Um hier den Druck von E-MU zu nehmen und die Zeit bis zu den G- und H-Chips zu überbrücken, wurden die Proteus Rompler erdacht. Und tatsächlich konnte E-MU innerhalb kürzester Zeit 5000 Einheiten absetzen. Dennoch konnten die Proteuse die Firma E-MU nicht retten und das, obwohl G-Chips bald auch in Soundkarten der Firmen IBM, Digidesign und Turtle Beach werkelten. Der Legende nach wurden mit Steve Jobs zu dieser Zeit Gespräche geführt mit dem Ziel einer freundlichen Übernahme. Er lehnte ab. Dies führte dann 1993 zur vollständigen Übernahme durch Creative Labs und zur Entlassung von Scott Wedge.
Proteus/1
Crossover das ist das, was die Proteus Reihe ausmacht. Wir haben hier kein Parameter-Monster , sondern ein einfach zu bedienendes Rackmodul mit dem Fokus auf High-Quality-Samples. Wie die Kollegen zuvor schon richtig bemerkten: Arco-Strings. Hier muss man die Aufteilung der drei Geräte beachten und den Umstand, dass der Proteus/1 ein ROM-Upgrade mit zusätzlichen Stimmen aus dem Proteus/2 enthalten kann.
Der Proteus/1 findet seinen Einsatz wunderbar irgendwo zwischen Hochglanz-Pop/Rock von Top 10 – Top 40 oder aber auch Trance, Dance. Und – wir reiben uns die Augen – auch bei Filmmusik und Gothic Rock/Pop. Presets wie Gothic Choir und Twin Peaks sprechen hier Bände. Wer den Roland Drum- und Percussion- Sound nicht mag, der findet im Proteus/1 eine wunderbare Abwechslung der Sorte „knallt gut“.
Wie zu dieser Zeit üblich, ist bei E-MU zwar auch Menütauchen angesagt, die Bedienung ist aber effektiv und hat eine gute und logische Lernkurve. Wer dies – wie der Autor – heute nicht mehr zeitgemäß findet, der greift zu Patchbase oder MIDIQuest. Die Präferenz ist hier auf Grund der Preispolitik eindeutig MIDIQuest. Wie bei E-MU quasi Standard, können die einzelnen Stimmen auf die Einzelausgänge verteilt werden.
Es wäre vermessen, die Proteus- Modelle als simple Rompler abzutun. Wir haben hier einen Klang, der möglichst originalgetreu aufgezeichnet wurde, gepaart mit non-destruktiven Editierungsmöglichkeiten. Wir haben 192 Speicherplätze, von denen 64 User-Presets beinhalten können. Ein Preset wiederum besteht aus einem „Primary“- und „Secondary“-Instrumentenstapel. Und wir können bis zu vier Presets verknüpfen und somit einen Layer, Stack oder Split von bis zu acht Instrumenten simultan erzeugen. Diese wiederum können den Audioausgängen Main, Sub 1 und Sub 2, jeweils links und rechts zugewiesen werden.
Hier taucht eine Besonderheit auf: Sub 1 und Sub 2 können auch als Send und Return für Effekte genutzt werden, wobei dann das Return-FX-Signal links und rechts auf Main landet. Alternativ kann man hier auch Instrumenten-Signale einspeisen, die dann wiederum auf dem Main-Mix landen.
Äußerliches
Alle drei Modelle basieren technisch auf derselben Plattform. Lassen wir mal die Gehäuse außen vor, haben alle die gleichen Anschlussmöglichkeiten und auch die Bedienung ist gleich. Wir finden immer MIDI In, Out und Thru. Die drei Stereoausgänge können wir über die SUB FX einschleifen. Unterschiede finden sich hier einzig im Content und dem daraus resultierenden Geschäftsmodell.
Hi Toby, schöner Rückblick auf eine Zeit als RAM-Speicherplatz „noch in Goldstaub verwogen wurde“. So langsam lichten sich die Nebel im E-Mu-Dschungel, den ich bisher nie so ganz zu durchdringen vermochte. Bei den Klangbeispielen sind ein paar Juwelen dabei – der gläserne Sound von Wine, oder der Space Bass, der direkt Bowies „Low“ entsprungen scheint. Bei Like a Movie und Twin Peaks stört mich irgendetwas in der Mittellage des Klangs – sind’s die Celli? Keine Ahnung, aber das klingt etwas seifig. Die Bläser sind teilweise recht charakteristisch, aber nichts, was einen modernen Rompler (wie etwa meinen Kurzweil) ernsthaft herausfordern würde. Das ErHu allerdings ist wirklich toll – das allein würde den Kauf schon rechtfertigen :-)
@costello Hallo Costello,
Danke :-) Ich denke bei TwinsPeaks und Like a movie muss man mit dem EQ noch mal ran, die Mittellagen klingen ab Werk staubig. Die Pad vom /3 und die percussiven Klänge kann man noch gut brauchen. Am ErHu und NianHua hab ich länger gesessen. Einfach so die Klaviatur anstöpseln ist da nicht. Das ErHu habe ich mit dem Ribboncontroller gemacht und zusätzlich die internen Modulationen genutzt. Sonst bekommst du den Sound nicht hin, zum anderen die Skala muss auch passen, sonst klingt das nach einer Country & Western Fidel.
„Bei den Klangbeispielen sind ein paar Juwelen dabei – der gläserne Sound von Wine, oder der Space Bass, der direkt Bowies „Low“ entsprungen scheint.“
Yep! Nehme ich hier auch so wahr. Arctic Vista würde ich da auch noch mit reinnehmen. Stehe überhaupt nicht auf Rompler und Presetsounds, aber mit denen hier könnte man auch heute noch was Ordentliches auf die Beine stellen. Ansonsten sehe ich das auch eher kritisch. Generelle Muffigkeit und wenig „Strahlkraft“ im Sound. Ist aber in Anbetracht des Leistungsvermögens der damaligen Rompler auch nicht anders zu erwarten. Vor fast 30 Jahren aber noch heißer Shice.
Schöner Einblick in die Proteus Reihe von Toby. Gut gemacht.
Hi Wellenstrom, Arctic Vista gehört da auch dazu, ganz genau. Ich finde ja, Rompler sind schon okay, wenn Du Mellotron-Strings oder Chöre brauchst, ein altes RMI-Piano, oder ein Hohner Clavinet. Und wenn Du mit einer Band spielst, die „Papa was a rolling stone“ nachspielt, brauchst Du auch ’ne Harfe, Strings, Trumpet. Da haben die Workstations als Nachfahren der Rompler schon ihre Berechtigung.
@costello Ja, nee… vollkommen okay. Bin nur aus der Jugend heraus tischhupengeschädigt und -traumatisiert. Mittlerweile bin ich ja auch gar nicht mehr so puristisch unterwegs. Nutze ja auch G-Force Mellotron und String Machine z.B., die ja im Prinzip auch nix anderes als virtuelle Rompler sind. Aber als jemand, der nicht covert, präferiere ich natürlich alles, woraus ich den Sound von grundauf selbst generieren, bauen kann. Wenn ich mit ’ner Coverband unterwegs wäre, sähe das natürlich ganz anders aus. Klar! Da müsste man das liefern, was die Leute hören wollen – auch an Sounds.
@costello Vati war ein rollender Stein
https://youtu.be/pJV2pWFyfn4
Fun Fact Proteus Sample Content: Reduzierung der Samplefrequenz je nach Instrument bis hart an die Grenze des Vertretbaren, durchaus auch mal 4 kHz. Mit diesem Trick schafft man viel Material in kleines ROM. Die Folge ist hier und dort mangelnde Brillanz. Roland mit seiner U-Serie war da ein bisschen schlauer :)
@k.rausch @k.rausch Bin ich ganz deiner Meinung mit der Brillianz. Und auch, dass Roland das besser machte. Aber dann wieder einen Prozessor einbaute, der nicht mal fähig war 3 Parts gleichzeitig mit Modulation abzuspielen (JV 80), aber mit 8-facher Multitimbralität verkauft wurde.
@Toby: Ich hatte damals das Vergnügen diese Kisten zu verkaufen. Bei mir ging übrigens 2 am besten, es gab ausser Kurzweil keine Konkurrenz. Aber die Geräte bestätigten auch jedes Vorurteil über amerikanische Instrumente: prima Software und irgedwie zusammengeschusterte Gehäuse. Ich erinnere mich an deutlich zu warm werdende Expander, was durch das Gehäuse, das immer ein bisschen so aussah, als wäre es zu klein, auch nicht gut unterstützt wurde. War doch irgend son Plastikdingens. Die Displaybeleuchtung wirkte auf mich, als hätten sie da noch irgendwo ein paar Birnchen organisiert, die dann seitlich reingepfriemelt wurden. Aber Software 1a, (ganz im Gegenteil zu den Japanern, die das nie hinbekamen) Hast du was gesucht, wurde das intuitiv rangekurbelt und geändert. Auch die Tricks bei der Schaltung (Sub 1, 2) und das PC Mapping war super
@Tai Hallo Gaffer,
das Einschleife nder FX und die Firmware sind Kasse, Bedienung auch. Mich würde mal interessieren, wer hat sich damals einen Proteus/2 gekauft? Das Gehäuse erinnert mich an die MOTU Gehäuse, die sehen nicht viel anders aus, mein 828 und der Proteus sind von hinten aus der Ferne nicht zu unterscheiden.
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Das MIDI Mapping der Programme ist so nützlich bei einer Performance, wie auch das später kommende Verketten von „Songs“.
@TobyB Es gibt eine Haufen Musiker, die interessiert in Logic nur der Notendruck. Ginge auch mit Finale oder Sibelius. Genau die fanden den 2er prima. Wie gesagt, es gab keine Konkurrenz, was man beim 1er nicht sagen konnte. Dafür brachte die 3 totales Desinteresse. War zumindest in unserem Laden so
@k.rausch Hallo Klaus,
was stimmt. Wenn bei der U Serie z.b. U-110 die Bedienung nicht so arg wäre. Ich hab ja noch den ESI 4000 vor der Brust, das für mich beste Soundkit belegt grade 13KB. Allerdings ist es schon ein schlechter Witz, das die Firma die konsequent die Digitalisierung im Studio vorantrieb, nicht mehr existiert, daran konnte der Proteus auch nichts mehr ändern. Creative Labs konnte mit E-Mu nicht wirklich viel anfangen. Und welche Möglichkeiten hätten die gehabt. Siehe Turtle Beach Soundkarten. Und vermutlich quäkt bis heute auf diversen Soundlkarten noch Soundblaster. Im Gegensatz dazu erinnere mich damals in den 90ern wie die MacUser sich derbe Flamewars über Nubus vs. PCI gaben. Ich fand Nubus cool. Damit konnte man zu der Zeit seinen Rechner schon durch einen Anruf aufwecken. ;-) Hätte es eine Turtle Beach für MacOs gegeben, ich hätte sie gekauft. Allein wegen der E-Mu Chips drauf.
Hallo Welle,
Danke für die Blumen. Ich hab hier bei den Proteusen gelernt unterschätz niemals diese kleinen Kisten. Siehe ErHu. Ich denke, wenn ich heute noch in einer Rockband tastendrücken würde, wären der Gothic Choir und Like a Movie, eine Kombination aus SpaceBassPad und ArticVista ein Album lang meine Sounds. Damit wäre ich unter den Babygothmetallern voll der Hipster ;-)
Schöner Artikel wieder in der wochendbeilage von Amazona.
Astral projection super. Hab ich vor kurzem zufällig gehört, als der alte iPod Classic (ist meistens auf „shuffle Albums“) im Badezimmer einige Sachen gespielt hat.
Stichwort accostrings, ich dachte die heißen mercatostrings, oder sind das 2 verschiedene?
@Numitron Der E-Mu-Klassiker sind die „Arco“-Strings. Arco ist italienisch und bedeutet Bogen, die Arco-Spielweise ist die ganz normale Spielweise für Streichinstrumente, die immer vorausgesetzt wird, wenn nichts anderes vom Komponisten gefordert wird wie zum Beispiel Pizzicato, wo die Saiten gezupft werden. Marcato dagegen ist eine Vortragsanweisung, bei der eine oder mehrere Noten betont gespielt werden, was in der Regel durch dieses Zeichen > über der Note angegeben wird.
@Numitron Hallo Numitron,
Danke, Astral Projection sind schon cool, hier findest du mehr als 20 Sounds des Proteus/1 und den U-110 von Roland.
habe damals den proteus gekauft, um unseren emulator III zu entlasten, dh als zusätzliche stimmen im hintergrund. die angeblich gleichen samples konnten im direkten vergleich keinesfalls bestehen, da hat nichts gefunkelt wie beim großen bruder. aber für bread and butter hat der proteus immer brav gewerkelt. am ende war er länger bei mir als der EIII …
Proteus 1 besitze ich aus nostalgischen gründen. Es war mein allererster Midi-Expander. UNd den Worls habe ich mich erst vor ein paar Wochen zugelegt. Vor allem die Fantasie-Instrumente (Kombinationen aus mehreren Samples) sind teilweise wirklich sehr kreativ. Gerade da die Soundprogrammierer damals extrem eingeschränkt waren in ihren Möglichkeiten, haben sie im Proteus 1 und 3 wahre Wunder volbracht.
Klasse Artikel, Toby! Und immer wieder interessant was es in den letzten Jahrzenten gegeben hat. Der Nutzen nach heutigen Gesichtspunkten liegt da glaube ich viel im Auge des Betrachters. Auf jeden Fall dienen solche Artikel dazu Interesse und Kreativität zu wecken. Bitte weiter so!
@Numitron:
Wochenendbeilage ist treffend. Ich warte auch immer schon darauf, welches (vergessene) Gerät hier jedes Wochenende besprochen wird. Definitiv ein Highlight bei Amazona. Dickes Lob auch an alle Autoren in diesem Bereich.
Vielen Dank für die Blumen. :-) Wird halt woche für Woche schwieriger – aber noch haben wir ein wenig Stoff.
Hallo Daniel,
Danke. :) Die Frage des Nutzens muss jeder für sich beantworten. Ich persönlich habe kein Problem mit Romplern, ich hatte grade wieder mein Korg m3r angeworfen, weil ich Lore und Universe brauchte. Und die Proteus Reihe ist ja auch sowas wie ein Urahn. Welcher für die Geschichte von E-MU aus ökonomischer Sicht nicht unwichtig war. Auch wenn ich es Schade finde, das die Firma die Digitalisierung als Pionier in die Studios brachte, zu früh die Segel streichte. Umso mehr freut es mich, das Rossum wieder aktiv ist und seine Idee weiter verfolgt.
Schöner Artikel, danke ! ich hatte damals den proteus 1.
im rück blick sind allerdings die kurzweil geräte aus der zeit wesentlich besser
z.b. die 1000 er serie mit den ergänzungsmodulen hx etc.