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Harmonielehre verstehen, anwenden 6: mehrstimmiger Satz

Harmonielehre Teil 6: Der mehrstimmige Satz

22. August 2019

Im sechsten und vorerst letzten Teil dieses kleinen Harmonielehre-Workshops möchte ich Ihnen erklären, wie man mit Hilfe des bisher Erlernten aus einer einfachen Melodie einen mehrstimmigen Satz zu einem bestehenden Song basteln kann. Beispielsweise für einen Bläsersatz oder aber auch für ein Streichquartett, Chor oder ähnliches. Eines gleich vorneweg, es gibt zum genannten Thema beliebig viel Literatur, mit der man bequem eine Bibliothek füllen könnte. Ich nehme mir hier deshalb auch nicht raus, innerhalb eines Workshops die komplette Stimmführung für einen vierstimmigen Satz erklären zu wollen oder zu können. Das gilt übrigens für die gesamte Workshop-Reihe. Vielmehr versuche ich anhand eines konkreten Beispiels eine Möglichkeit, eine Methode aufzuzeigen, wie man so etwas umsetzen kann. Immer mit der Gefahr verbunden, nicht alle Regeln zum Thema Stimmführung zu befolgen. Man möge mir das nachsehen.

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Der mehrstimmige Satz

Zu einem vorhandenen Playback (Klangbeispiel 1) wollen wir einen mehrstimmigen Bläsersatz hinzufügen. Die Bläsermelodie kann man in Klangbeispiel 2 hören. Klangbeispiel 3 wiederum zeigt das Playback zusammen mit der Melodie. Noch ist die Melodie lediglich mit einem Klaviersound und monophon zu hören. Ausgehend von dieser Melodie soll nun unser Bläsersatz entstehen.

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Die Ausgangsmelodie

Workflow

Doch zunächst etwas zum Ablauf. Ich habe mir angewöhnt, zum Arrangieren erst einmal mit nur einem Sound zu arbeiten. Das kann, wie hier in unserem Beispiel, ein Pianosound aber auch z. B. ein String- oder Brasssound Ihrer Wahl sein. Das hat den Vorteil, dass man im Sequencer in nur einem einzigen Fenster arbeiten kann. Ich benutze beispielsweise zum Ausarbeiten von mehrstimmigen Sätzen den Matrixeditor in Logic.

Wenn das Arrangement steht, teile ich die MIDI-Noten nach den zu verwendenden Instrumenten auf und benutze fortan einzelne Sounds für jede Stimme. Im vorliegenden Fall habe ich einen Bläsersatz mit folgender Besetzung gewählt: Trompete, Altsaxophon, Tenorsaxophon und Posaune. Die Trompete übernimmt demnach die höchste Stimme, gefolgt von Alt- und Tenor-Saxophon und der Posaune als tiefste Stimme. Diese Verteilung ist natürlich nicht willkürlich, sondern so gewählt, dass jedes Instrument in seiner favorisierten Lage spielt.

Bei Stimmen für einen Chor wäre die Verteilung etwa Sopran, Alt, Tenor und Bass. Bei Streichern: Violine, Bratsche, Cello, Kontrabass.

Man kann nun aus einer einzelnen Stimme einen Satz bilden, indem man jeden Ton der Melodie mit den restlichen Tönen desjenigen Akkords auffüllt, den die Band im Playback zu diesem Zeitpunkt gerade spielt. Wenn z. B. die Begleitung C-Dur spielt und unsere Melodie in dem Moment ein e spielen soll, so füllen wir unseren Satz mit den restlichen Noten eines C-Dur-Akkords, also c und g.
Damit kommen wir aber erst einmal nur auf drei Stimmen? Richtig erkannt und deswegen habe ich bei unserem Beispiel etwas getrickst.

Ich habe einfach die höchste Stimme gedoppelt! Das heißt, zunächst habe ich die Stimmen auf Alt- und Tenorsaxophon sowie Posaune aufgeteilt. Als ich mit allem fertig war, habe ich die Stimme des Altsaxophons mit der Trompete eine Oktave höher gedoppelt. Dadurch erhält man einen sehr prägnanten, durchsetzungsfähigen Klang. Alternativ dazu hätte man auch mit vierstimmigen Akkorden, also etwa C7 oder Cmaj 7 arbeiten können und hätte dann gleich vier Stimmen gehabt.
Aber zurück zum Beispiel, auch hier spielt die Band in Takt 1 C-Dur. Ich habe mich für folgende Stimmverteilung entschieden: Das Altsaxophon spielt das c der Melodie, darunter das Tenorsaxophon mit dem e und ganz unten die Posaune mit g.

Umkehrung

Wie komme ich nun zu dieser Stimmverteilung? Nun zunächst einmal muss ich wie gesagt schauen, was die Band spielt. Dann überlege ich mir, mit welchem Akkord ich an dieser Stelle den Satz bilden will. Ich hätte z.B. ja auch A-Moll verwenden können, die Moll-Parallele zu C-Dur. Dass ich mich für C-Dur entscheiden habe, ist reine Geschmackssache.

In C-Dur fehlen mir also die Töne e und g. Den Ton c möchte ich als höchsten Ton. Das bedeutet, ich muss eine Umkehrung des Akkords nutzen, damit c der höchste Ton ist. In dieser Umkehrung lauten dann die Töne (von unten nach oben): e, g, und c.

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Enge und weite Lage

Im Beispiel lautet die Reihenfolge der Töne aber g, e und c und nicht e, g und c? Das kommt folgendermaßen. Würde man die Töne wie oben beschrieben setzen, wo hätte man es mit einer „engen Lage“ zu tun. Das heißt, alle Stimmen würden eng beieinander liegen, in etwa so wie man das bei einer Klavierbegleitung machen würde.

Um den Satz etwas offener und „größer“ klingen zu lassen, habe ich deshalb die mittlere Stimme, also das g, um eine Oktave nach unten transponiert und damit auch einem anderen Instrument (nämlich der Posaune) zugeteilt. Hier sieht man auch, dass es sinnvoll ist, zunächst nur mit einem Sound zu arbeiten, da man nach Belieben die Stimme hin und her schieben kann. Analog zur oben erwähnten „engen Lage“ spricht man dann hier von einer „weiten Lage“. Was man wählt, ist letztendlich wieder Geschmackssache. Der gleiche Satz in einer engen und weiten Lage kann völlig unterschiedlich klingen. Je nachdem, ob man z. B. einen fröhlichen Song oder aber einen traurigen hat, kann man das durch die Wahl einer offenen bzw. engen Lage betonen. Oder aber man verändert den Satz innerhalb einer Phrase von einer engen hin zu einer offenen Lage. Etwa um einen Refrain vorzubereiten.

Kontrapunkt

Eine weitere wichtige Sache, die man beachten sollte, ist die Stimmführung der einzelnen Stimmen. So klingt es z. B. auf Dauer langweilig, wenn alle Stimme sich in die gleiche Richtung bewegen, d. h. alle gehen nach oben oder unten. Viel interessanter ist es, wenn z. B. die obere Stimme nach oben geht und gleichzeitig die untere Stimme nach unten oder umgekehrt. Das Ganze nennt man dann Kontrapunkt!
Gut sehen kann man das im folgenden Bild im zweiten Takt. Auf der Zählzeit vier gehen die beiden oberen Stimmen nach unten, während die untere Stimme nach oben geht.

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Der Klaviersatz

Die Zwischenbewegungen z. B. im ersten Takt (die Sechzehntel beginnend auf der Zählzeit 2) haben übrigens keinen direkten Bezug zum Playback. Da die Töne aber nicht lang ausklingen, geht das trotzdem. Hauptsache auf der nächsten eins stimmt wieder alles. Sprich solange ich keine langen Noten auf schwere Zählzeiten (wie der eins in jedem Takt) setze, muss ich mich nicht an irgendwelche Regeln halten und kann (in Grenzen) tun und lassen, was mir gefällt. Zum Beispiel spielen hier an dieser Stelle auch alle Stimmen nach unten.

Auftrennen nach Instrumenten

Nachdem ich dieses Layout mit dem Klaviersound beendet hatte, wurden die einzelnen Stimmen auf separate Spuren aufgetrennt und den einzelnen Instrumenten zugeordnet. Außerdem wurde wie gesagt die obere Stimme noch oktaviert und zusätzlich von der Trompete gespielt. Das Ergebnis kann man unter Klangbeispiel 4 nachhören. Die einzelnen Spuren wurden dann übrigens noch nachbearbeitet. So wurden z. B. noch verschiedene instrumentenspezifische Spielarten wie Staccato, Legato oder Swells eingefügt, was mit einem Klaviersound natürlich nicht möglich wäre. Zum Abschluss natürlich noch den fertigen Song (Klangbeispiel 5). Die Bläser wurden übrigens mit den Chris Hein Horns erstellt. Das Soundbeispiel ist auch dem entsprechenden Testbericht hier auf AMAZONA.de entliehen.

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Der komplette, nach Instrumenten aufgeteilte Satz

Schlussakkord

So, ich hoffe, das hat einen kleinen Einblick darüber verschafft, wie man sich zu seinen Songs einen mehrstimmigen Satz basteln kann. Wer sich ernsthaft mit der Materie auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich, sich mit weiterführender Literatur zu versorgen, etwa mit folgendem Buch:

Bernhard G. Hofmann
Arrangement und Orchestration
Erschienen bei Alfred Publishing
ISBN: 3933136148

Und natürlich wie immer viel probieren und austesten. Das Schöne ist ja, dass man mit einem Sequencer sofort hört, was man macht und auf diesem Weg durch Ausprobieren viel herausfinden kann. Und so bald es gut klingt, kann man getrost aufhören. In dem Sinne: Viel Spaß beim Basteln!

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    AMAZONA Archiv

    Super erklärt,
    habe in Köln Musik studiert und wäre froh gewesen, wenn meine Professoren so einfach und gut erklärt hätten.

    Die Zeiten ändern sich, Gott-sei-Dank.

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