Fenders "Schüler"-AMP
1964, die Fender Mustang Gitarre erblickt das Licht der Welt. Das Schüler-Modell ist damals erschienen, um die Lücke zwischen den Einsteiger- und den teuren Gitarrenmodellen zu schließen. Eine der letzten Entwicklungen an der Leo Fender noch beteiligt war, bevor er sich 1965 aus dem Geschäft zurückzog. 2010, sage und schreibe 46 Jahre später, bekommt der Name Fender Mustang ein neues oder besser gesagt zusätzliches Gesicht. Kein Stück Holz, sondern modernste Verstärkertechnologie verstecken sich hinter dem alten und neuen Namen. Digitales Amp-Modeling ist seit den Neunzigern nicht mehr aus der Gitarrenverstärkertechnik weg zu denken. Mal vom Sans-Amp abgesehen, der sowieso eher auf analogen Wegen Sounds modulierte, war es das Unternehmen Line 6, das mit dem POD seiner Zeit die Gitarristen aufhorchen lies. Endlich war es möglich, einen annehmbaren Sound direkt aufzunehmen, ohne Mikrofon und in einer Wohnzimmer-Lautstärke. Natürlich ist der Sound, der aus Null und Eins besteht, seitdem nicht unumstritten und vor allem bei Puristen und Hardlinern verschrieen. Doch die Technologien entwickeln sich ja stets weiter. Ganz klar, dass auch andere Unternehmen auf den Zug aufgesprungen sind. Selbst Traditionsfirmen wie zum Beispiel Vox oder Fender fertigen schon seit geraumer Zeit digitale Verstärker-Emulationen. Einen davon finden wir heute bei AMAZONA.de im Test, den Fender Mustang I, einen Gitarrenverstärker der Kategorie „günstiger Übungsamp“. Wie zu erwarten war, wird dieser in China hergestellt.
Konstruktion/Lieferumfang Fender Mustang I AMP
Da freut sich der Paketdienst, knapp 8 kg wiegt das neue Fohlen aus dem Fender-Reitstall. Ein Leichtgewicht unter dem reichhaltigen Angebot der Combo-Verstärker. Was man bei den folgenden Zeilen von Anfang an nicht außer Acht lassen sollte, ist sicherlich der günstige Preis dieses Gitarrenamps. Somit liegt die Erwartung erst mal nicht auf der hohen Messlatte. Die Verarbeitung ist jedenfalls schon mal sehr sauber und dem Preis entsprechend sehr gut. Leicht aber doch stabil wirkt der ganze Aufbau. Im Vergleich zu anderen Amps in dieser Größenordnung fällt auf, dass der Mustang I nicht ganz die typischen Proportionen besitzt. Im Verhältnis Höhe zu Breite ist er weniger tief, wie die meisten seiner Kollegen (H.36,8 cm/B.39,4 cm/T.19,3 cm), Platinen und moderne elektronische Bauteile nehmen nun mal weniger Raum in Anspruch. Der Verstärker ist mit schwarzem Kunststoff überzogen und mit der für Fender typischen, silberschimmernden Speaker-Abdeckung plus Fender-Logo versehen. Die fehlenden Eckenschoner waren höchstwahrscheinlich nicht mehr im Rahmen des Budgets.
Der Amp wirkt tatsächlich fast wie ein Spielzeug, auch die vollkommen verschlossene Spanplatten-Rückwand lässt mehr auf Karstadt als auf Boutique-Shop rückschließen. Wenn da nicht der große Name wäre?! Wie auch immer bietet der Mustang zumindest von vorne einen Vintage-Look und eine insgesamt solide Verarbeitung. Also trotz kleineren Bedenken bis jetzt alles im grünen Bereich. „Laut spricht“ er durch einen „Special Design“ 8“-Speaker und 20 Watt Leistung. Wenn auch sein großer Bruder mit 40 Watt und 12-Zöller durchaus für die Bühne geeignet sein soll, ist der Mustang I doch eher für Zuhause gedacht.
Das Bedienfeld bietet einen Höhen-, einen Bass- und einen Gain-Regler, plus einen Volume-Regler, mit dem man die Vorstufenlautstärke der einzelnen Kanäle einstellen kann. Auf den ersten Blick vermisst man einen Mittenregler, mal schauen wie sich das in der Praxis verhält. Die Gesamtlautstärke aller vierundzwanzig integrierten Presets wird durch ein Mastervolume kontrolliert. Der Fender Mustang I verfügt über acht Verstärker Simulationen, hier geht es von den hauseigenen Modellen wie ’59 Fender Bassman über ’57 Fender Deluxe zum Super-Sonic. Doch auch die anderen Klassiker wie Vox, Marshall und Boogie-Brett sind im Angebot. Zu den Amps gibt es noch die Möglichkeit, einen Modulationseffekt und einen Hall bzw. ein Delay hinzuzufügen. Beide werden auch über einen Drehregler angesteuert. Im Angebot findet man die wichtigsten klassischen Effekte wie Chorus, Flanger, Tremolo, Vibrato, Phaser und Oktaver.
In der Hall/Delay-Einheit geht es vom Tape-Delay 150ms über ein Mono-Delay 700ms, Plate-Hall, Large-Hall hin zu Kombinationen aus Delay und Hall. Eine gute Auswahl, reduziert aber völlig ausreichend. Weiter finden wir drei LED-Anzeigen vom eingebauten Stimmgerät und drei Taster, zwei für das Speichern der Presets und einen zum Eintippen der Delay-Geschwindigkeit. Neben dem Power-Schalter gibt es noch fünf Ein- bzw. Ausgänge und logischerweise einen Klinke-Input für die Gitarre und einen für den nicht im Lieferumfang enthaltenen Fußschalter. Dazu kommen zwei Stereo-Miniklinken-Inputs: AUX (zum Anschließen eines MP3-Players oder ähnlichem) und ein Stereo-Kopfhörerausgang, den man auch als direkten Line-Output für Recording verwenden kann.
Der Fünfte ist ein USB-Anschluss, der den Verstärker mit dem Computer (Mac oder PC) verbindet. Gesteuert wird das Ganze dann von der Fender FUSE-Software, die man sich von der Fender Homepage runterladen kann. Um das Paket abzurunden, befindet sich auf der mitgelieferten CD noch eine Lightversion von Ableton Live und Amplitube Fender LE.
Der Fender Mustang I Gitarrenverstärker in der Praxis
„High Speed, Amped-Up and Loud“, ist der Werbeslogan. Dann, würde ich sagen, glühen wir mal vor … eh, ich meine, lassen wir mal Strom durch die Chips fließen!
Die Bedienung des Fender Mustang ist relativ simpel und intuitiv. Jeder, der einen Line 6 POD oder ähnliches schon mal eingestellt hat, wird schnell damit klar kommen. Alles basiert auf einem vergleichbaren Prinzip. Es gibt vierundzwanzig vorprogrammierte Presets auf drei Bänken, die mit jeweils acht Verstärker-Emulation versehen sind. Der Regler läuft von Anschlag zu Anschlag, drei mal durch die acht Modelle und verändert somit auch die Farbe der LEDs, beginnend mit rot über grün bis zu gelb. Im roten und grünen Bereich kann man eigene Presets speichern, die gelbe Bank lässt sich nur mit der Fender Fuse-Software modifizieren. Für den reinen Verstärkergebrauch hat man somit sechzehn Anwender-Speicherplätze zur Verfügung, somit kann man einem Verstärkertyp zwei selbst kreierte Sounds zuweisen. Macht auf jeden Fall Sinn im Hinblick auf den optionalen Fußschalter, mit dem man sowieso nicht mehr als zwei Sounds schalten kann.
Die mehrsprachige Bedienungsanleitung ist sehr reduziert, aber dennoch ausreichend informativ. Das ausführliche Bedienungshandbuch, eigentlich auf der beigelegten DVD zu finden, sucht man vergebens. Man kann sie sich aber auf der Fender Homepage herunterladen.
Die Sounds des Amps klingen durch die Reihe gut. Die Palette geht von Fender-Clean, über britischen Twang und mittigen Rock, hin zu amerikanischem Highgain-Sound. Also alles, was das Gitarristenherz begehrt. Auch die Effekte sind in einer sinnvollen Anordnung gewählt, und der Sound ist für diese Preisklasse völlig in Ordnung. Wie anfänglich schon erwähnt, fehlt der Mittenregler. Alleine mit Bass- und Höhen-EQ, dem Gain-Poti und der Vorstufenlautstärke sind die Grundsound-Einstellungsmöglichkeiten doch schon etwas minimalistisch. Der Mastervolume-Regler ist einzig für die Endstufenlautstärke verantwortlich und nicht programmierbar.
Die Software zum Fender Mustang I
Mit gemischten Gefühlen lade ich mir die Fender Fuse-Software auf meinen Computer, starte sie und schließe den Verstärker via USB an den Rechner an. Ab diesem Zeitpunkt hat sich noch einiges an meiner vorher nicht ganz überzeugten Meinung geändert. Fast alle Möglichkeiten, die ich im reinen Verstärkergebrauch vermisste, treten nun, sogar um ein vielfaches multipliziert, in Erscheinung. Nicht nur der Mittenregler ist auf einmal da, zusätzlich bekommt man eine Vielzahl von Sound-Bearbeitungsvariation geboten. So kann man noch, virtuell natürlich, bis zu vier Bodentreter vor den Amp schalten oder auch bis zu vier 19“-Effekte einschleifen. Das Sortiment wird erweitert durch zum Beispiel Kompressoren, Modulations-FX wie Touch-Wah und vieles mehr. Die Fender Fuse-Software ist, ähnlich wie der Verstärker selbst, leicht und intuitiv zu bedienen. Virtuell kann man unbegrenzt Sounds speichern oder auch auf den Amp übertragen. Zudem ist der Klang über meine Studiomonitore noch um einiges besser im Vergleich zum Lautsprecher des Verstärkers. Im „Advanced Amp“-Menu kann man sogar noch ein Noise Gate aktivieren, den Bias der Endstufe verändern und Boxen-Modelle austauschen. All das wird dann, wenn man möchte, mit einer Online-Community geteilt oder direkt über USB/Stereo-Output auf den Rechner aufgenommen. Das nenne ich mal eine Rund-um-Paket!