Ein Festival zwischen Pads, Plattenspielern und Pioniergeist
In einer Zeit, in der musikalische Ausdrucksformen immer vielseitiger und technologiegetriebener werden, schafft das Sample Music Festival in Berlin einen einzigartigen Raum für kreative Begegnung, Innovation und Austausch.
Inhaltsverzeichnis
Seit 2015 bringt das Festival Künstler, Produzenten, Entwickler und Neugierige zusammen, die sich für moderne Spielarten musikalischer Performance interessieren – von Turntablism über Finger-Drumming bis hin zu modularer Synthese.
Im Zentrum steht dabei die Idee, subkulturelle Techniken sichtbar zu machen und als ernstzunehmende Kunstform zu etablieren. Und natürlich geht es auch darum, neue Instrumente und Interfaces kennenzulernen.
Hinter diesem Konzept steht Alex Sonnenfeld, Turntablist, Theoretiker und leidenschaftlicher Organisator. Im Interview gibt er Einblicke in die Ursprünge und Weiterentwicklung des Festivals, erklärt zentrale Begriffe wie Turntablism und Finger-Drumming und spricht über die besondere Community, die sich um das Festival versammelt.

Beim Sample Music Festival treffen sich Beatboxer, Finger-Drummer und Scratching-Künstler aus der ganzen Welt.
Ein Gespräch über Kunst aus Technik, die Kraft von Improvisation – und warum ein Plattenspieler mehr ist als nur ein Abspielgerät.
Sonja:
Hey Alex, du bist ja der Mann hinter dem Sample Music Festival. Magst du all denjenigen, die das Festival nicht kennen, kurz erklären, was für ein Festival es konkret ist?
Alex:
Das Sample Music Festival ist eine Plattform für moderne Instrumentalformen – von Turntablism und Finger-Drumming über Live-Beatmaking bis hin zu modularen Performances und Synthesizer-Sets. Es versammelt alle Instrumente und Techniken, die in einer traditionellen Musikhochschule nicht gelehrt werden.
Was sind Turntablism und Finger-Drumming?
Sonja:
Für einige Leute sind Begriffe wie Turntablism und Finger-Drumming absolutes Neuland. Magst du uns vielleicht kurz erklären, was es damit auf sich hat?
Alex:
Na klar. Turntablism und Finger-Drumming sind zwei Ausdrucksformen moderner, performativer Beatkunst, die Technik, Musikalität und Spontaneität miteinander verbinden.
Turntablism entstand aus der Hip-Hop-Kultur, ging aber weit darüber hinaus. Hier wird der Plattenspieler zum Instrument. Es geht nicht nur darum, Tracks abzuspielen, sondern sie live zu zerlegen, zu manipulieren und neu zu formen. Der DJ wird zum Musiker.
Mit Techniken wie Scratching, Beatjuggling oder Cutting entstehen völlig neue rhythmische Strukturen – oft in Echtzeit. Zwei Plattenspieler, ein Mixer, schnelle Hände und ein präzises Gehör: Damit verwandelt man einzelne Sounds in fließende Patterns oder wilde Soli. Jeder Handgriff zählt, jede Bewegung beeinflusst den Groove. Es ist wie Schlagzeugspielen mit Vinyl.
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Finger-Drumming funktioniert ähnlich – nur mit Pads statt Platten. Die Finger übernehmen hier die Rolle der Drumsticks. Man spielt auf einem Controller (etwa einer MPC oder einem Ableton Push) live Beats ein, samplebasiert, oft sehr virtuos.


Dabei geht es um Timing, Gefühl und Koordination. Viele Finger-Drummer entwickeln ihren jeweils eigenen Stil – mal funkig, mal elektronisch, mal fast wie ein klassischer Drummer. Es sieht leicht aus, ist aber extrem präzise und körperlich anspruchsvoll. Gute Finger-Drummer hören nicht nur zu, sie atmen mit dem Beat.
Beide Disziplinen verlangen nicht nur technisches Können, sondern ein musikalisches Verständnis dafür, wie Rhythmus, Dynamik und Sound-Gestaltung zusammenwirken. Was sie verbindet, ist der improvisatorische Geist: Beats entstehen im Moment, live und aus dem Bauch heraus. Egal ob Vinyl oder Pads – es geht darum, aus Technik Kunst zu machen.
Die Entstehungsgeschichte des Festivals
Subkultur auf die Bühne bringen – die Community im Fokus
Sonja:
Das Sample Music Festival findet ja bereits seit 2015 statt. Damals noch im Gretchen in Berlin-Kreuzberg. Wie kam es zu der Idee, dieses Festival ins Leben zu rufen und wie hat sich das Konzept des Sample Music Festivals seit der ersten Ausgabe weiterentwickelt?
Alex:
Die Idee für das Sample Music Festival entstand, als ich nach einer Möglichkeit suchte, eine Musiktheorie für Turntablism öffentlich zu präsentieren. Zu meinem Background: Ich habe eine dazugehörige These verfasst und bereits an verschiedenen Universitäten vorgestellt.
Auf der Suche nach einem Symposium oder einer ähnlichen Plattform, um mich auf musikwissenschaftlicher Basis mit Interessierten auszutauschen, kam die Vision auf, das Sample Music Festival als übergreifende Bühne für den Austausch und die Information rund um moderne Instrumentalformen zu etablieren.
Sonja:
Was ist das Besondere am Sample Music Festival, beziehungsweise an der Community, an die ihr euch wendet? Und was tut ihr, um Menschen für das Festival zu begeistern, die bisher vielleicht noch nicht unbedingt ein Teil dieser Community sind?
Alex:
Das Besondere ist, dass wir Instrumente und Spielweisen in den Mittelpunkt rücken, die ursprünglich aus subkulturellen Umfeldern, dem sogenannten Underground, stammen. Turntablism ist dafür ein gutes Beispiel: Scratching, das aus der Hip-Hop-Kultur hervorgegangen ist, feiert inzwischen sogar Weltmeisterschaften.
Wir stellen diese Techniken vor und betreiben gezielt Öffentlichkeitsarbeit, um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Sonja:
Gibt es bestimmte Technologien, Interfaces oder Instrumente, die ihr beim diesjährigen Festival besonders hervorheben möchtet oder erstmals präsentiert?
Alex:
Auf dem Festival präsentieren wir neue Geräte: von Yamaha etwa den FGDP-Controller, einen Finger-Drumming-Controller, der im vergangenen Jahr auf den Markt kam. Außerdem stellen wir den Move-Controller von Ableton vor und zeigen die neuesten Hardware-Synthesizer von Soma.
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Sonja:
Was muss ich mitbringen, wenn ich zum Festival kommen möchte?
Alex:
Du solltest gute Laune mitbringen und offen für Neues sein. Wenn du magst, kannst du dein eigenes Musikgerät – zum Beispiel einen Synthesizer oder MIDI-Controller – mitbringen. Im Noisy Room und in unserer Jam Area hast du die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Musikerinnen und Musikern Jam-Sessions zu spielen.
Workshops, Contest, Austausch und die SOMA Experience
In diesem Jahr wird im Rahmen des Sample Music Festivals auch die SOMA Experience stattfinden. Am Samstag gibt es die Möglichkeit, die Geräte von SOMA kennenzulernen und auszuprobieren. Es können Fragen gestellt werden und vor allem der Austausch zwischen denjenigen, die bereits Erfahrung mit SOMA-Geräten haben und denjenigen, die noch ganz neu auf diesem Gebiet sind, steht im Fokus.
Am Sonntag werden dann zwei Workshops und unser Highlight, der SOMA-Contest im House of Music stattfinden.
Bei dem Contest geht es darum, in einer ein- oder zweiminütigen Finger-Drumming- oder Modular-Performance mit SOMA-Synthies zu zeigen, was man kann. Von knackigen Beats über tiefe Drones bis hin zu experimentellen Klanglandschaften – alles ist möglich, Hauptsache, es klingt spacig.
Für diesen Wettbewerb ist ausschließlich SOMA-Hardware zugelassen. Teilnehmer können ihre eigene Ausrüstung verwenden oder aus den vor Ort im SMF verfügbaren SOMA-Instrumenten wählen.
Die Gewinnerinnen und Gewinner erhalten einen SOMA Synthesizer.
Eine Anmeldung per E-Mail für die kostenlose Teilnahme an der SOMA Experience ist unbedingt erforderlich.
soma@samplemusicfestival.com
Sonja:
Inwiefern verstehen ihr das Sample Music Festival auch als Plattform für Bildung, Networking oder Branchenentwicklung im Bereich elektronischer Performance-Kunst?
Alex:
Für uns ist die Verbindung zur elektronischen Musik besonders spannend. Egal, ob du Finger-Drummer, Scratch-DJ oder Beatmaker bist – im Kern geht es immer darum, Musik zu machen.
Die Übergänge zwischen elektronischer Musik und Hip-Hop sind deutlich erkennbar. Und in den letzten Jahren haben wir intensiv mit Künstlerinnen und Künstlern aus dem Modularbereich zusammengearbeitet. Deshalb nimmt elektronische Musik eine zentrale Rolle in unserem Festival ein.
Emotionale Momente – Musik als verbindende Kraft
Sonja:
Was war das Kurioseste, Witzigste oder Emotionalste, was du im Zusammenhang mit dem Sample Music Festival bisher erlebt hast?
Alex:
Im Jahr 2019 haben wir unser erstes Event in Dubai veranstaltet: In der Messehalle, in der wir das Sample Music Festival ausrichteten, durfte zum ersten Mal ein Mädchen in unserer Area auftreten. Bis dahin hatten Frauen dort keine Bühne bekommen.
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Die elfjährige DJane bekam die einmalige Chance, vor Publikum zu spielen – ein Moment, in dem unsere Mission, Musik als verbindende Kraft über alle Grenzen hinweg zu leben, eindrucksvoll Wirklichkeit wurde.
Sonja:
Wie reagieren Industriepartner und Hersteller auf die Entwicklungen und Trends, die auf dem Festival sichtbar werden – gibt es Rückkopplungen oder Kooperationen, die daraus entstehen?
Alex:
Die Zusammenarbeit mit Herstellern und der Industrie ist für uns die Grundlage, um das Festival überhaupt realisieren zu können. Sie erhalten bei uns die Gelegenheit, ihre Produkte zu präsentieren und direkt mit der Community in Kontakt zu treten.
Daraus sind bereits zahlreiche spannende Kooperationen entstanden, und für Künstlerinnen und Künstler aus unserem Umfeld haben sich Einnahmequellen eröffnet – sei es durch Workshops, Produktpräsentationen oder Tutorials.
Außerdem haben wir viele Artists für Showcases vermittelt. Es ist uns ein Anliegen, unsere Talente zu unterstützen und ihnen zu ermöglichen, in der Branche Fuß zu fassen und Geld zu verdienen.
Das erwartet Besucherinnen und Besucher 2025
Sonja:
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher in diesem Jahr ganz konkret?
Alex:
Das Programm des Sample Music Festival 2025 bietet neben zahlreichen Jam-Sessions und Artist-Showcases auch Workshops in Zusammenarbeit mit der Electronic Music School Berlin und der BEAT UNIT. Die Besucherinnen und Besucher können sich auf verschiedene Wettbewerbsformate freuen, darunter die Finger-Drumming World Championship, ein Scratch Battle, die bereits erwähnte Synthesizer-Competition von SOMA sowie Beat Making Battles. Ergänzt wird das Festival durch jede Menge Möglichkeiten zum Austausch, Networking und gemeinsamen Spaß im Rahmen der zahlreichen Jam-Sessions.
Vielen Dank an Alex für diesen extrem spannenden Einblick in eine für mich vollkommen neue Welt! Durch die Verbindung zu den SOMA-Devices und den modularen Synthesizern mit Finger-Drumming und Beatboxing wird das Sample Music Festival noch einmal interessanter. Ich bin in diesem Jahr auf alle Fälle vor Ort!
Vielleicht ist es nur zu 84 % mein Thema, aber ich habe das Interview in jeder Hinsicht genossen – es klang alles total super. Coole Beats, mega Scratching und gedaddel mit dem Soma Lyra-4 oder -8. Einem super Tag in lockerer Atmosphäre steht nichts mehr im Wege. Etwas schockiert war ich über die Story aus Dubai – schon traurig im 21. Jahrhundert. Aber auch dieser Staat beginnt langsam aufzuwachen, wenn auch sehr langsam. Viel Erfolg weiterhin!