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Interview: Axel Hartmann – Designing music industry – 3

(ID: 3574)

Bild von Peter M. Mahr

Der Neuron hatte – und hat noch immer – mit Softwaretücken zu kämpfen. Neben einigen Bugs, die mit entsprechendem (finanziellem) Einsatz sicher zu beheben wären, bieten auch die eigentliche Synthese Engine und ganz vornan – die Modelmaker Software, die ja ein ganz wesentliches Herzstück des Systems ist – hohes Verbesserungspotential.

Die Neuron Hardware war speziell bei den ersten Lieferchargen noch nicht ganz standfest – ein massiver Designfehler der Firma, die für uns die Hardware Entwicklung geleistet hat – und zudem auch Lieferant des kompletten Instrumentes ist. Das kennt eigentlich jeder Hersteller – und in einem zweiten Production Run werden solche Fehler dann üblicherweise behoben. Nur hatten wir die meisten Probleme mit Lieferungen nach Übersee, wo sich während des Fluges ungesicherte Kabelverbinder lösten. Und unser erster US Vertrieb lieferte just diese ersten Serien-Geräte – völlig ohne Check – an etliche Keypeople aus: eine große US Handelskette, den Guns N’ Roses Keyboarder, Eminem … und last but not least – an das „Keyboard Magazine“. Und alle wunderten sich, dass der Wundersynthesizer aus Deutschland sich noch nicht einmal anschalten ließ oder in einer Leuchtdiodenorgien-Loop verharrte.

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Was das für Hartmann bedeutete, brauche ich nicht zu erklären – der Testbericht in Keyboard fiel entsprechend dürftig aus – der US Markt, der ja einen erheblichen Anteil in unserem Business ausmacht – hatte sich von dieser Aktion nie wieder erholt. Es ist generell erstaunlich, wie viel Unheil ein einziges mäßiges Testergebnis in einem Keymagazine bewirken kann – selbst wenn 98% aller anderen Keymagazines ein Produkt hochloben – jeder verweißt immer auf diesen einen schlechten Test…
Warum ich hier so aushole – all diese Faktoren sind dafür verantwortlich, daß wir stets zu wenig Neuron verkauft haben. Dies hatte zur Folge, daß nie genügend Geld in unseren Kassen war, um die Probleme mit dem Produkt nachhaltig zu lösen. Manfred Rürup, Ex Steinberg Chef und sehr erfahrener Branchenkenner hatte das Ganze in einer Email an mich mal treffend auf einen Punkt gebracht: „Hier wollten ein paar Jungs ein richtig dickes Ei legen – die finanziellen Mittel dazu waren aber schlicht nie vorhanden“.

Selbst das Engagement von Hans Zimmer genügte nicht, die Entwicklung in ein Stadium zu bringen, die ein wirtschaftlich erfolgreiches Produkt braucht. Wir benötigten das Geld um irgendwelche längst entstandene Finanzlöcher zu stopfen – und somit das nackte Überleben der Company zu sichern. Der Neuron VS war daher unsere große Chance, hier eine Wende zu erzielen. Das Instrument wurde so konzipiert, dass ohne großen R&D-Aufwand die Synthese Engine 1:1 auf die virtuelle Ebene projiziert werden konnte. Lediglich das Front-End und eine gute Fernsteuerung mussten designed werden. Und hier hatte ich es ja mit bekannten Größen zu tun, da ich diese Arbeit bis hin zur Konstruktion des Nuke Controllers selbst leisten konnte. Mit dem Neuron VS sollte für viele, die von einem Neuron Keyboard bislang nur träumen konnten, diese faszinierende Technologie nun in Reichweite gelangen.

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Ich muss leider sagen, dass es uns bei diesem für die Hartmann überlebenswichtigen Produkt erneut nicht geglückt ist, eine runde und zuverlässige Software zu generieren. Der Neuron VS ist – wie auch die Keyboardvariante – ein ungeheuer CPU-hungriges Instrument. Hinzu kommt – und das war der Schlüssel für den leider nur mäßigen Verkaufserfolg des Neuron VS – dass die Software für viele gängige Musikproduktions-Systeme nur bedingt oder gar nicht einsetzbar ist. Dass sich unsere Software Leute dann massiv dagegen gewehrt haben diese Mängel zu beheben, hat uns nur einen Schritt näher hin zur drohenden Insolvenz geführt.

Im Spätsommer 2005 überschlugen sich dann die Ereignisse… Unser Hardware Lieferant sperrte uns den bisherigen Lieferantenkredit und wollte zudem sofort den kompletten Lagerausgleich für seine eingekauften Neuron Bauteile. Eine drastische und wie ich denke nicht ganz gerechtfertigte Forderung – sind doch durch die von ihm verursachten Hardwarefehler seinerzeit unsere USA Verkäufe völlig weggebrochen, was wiederum ursächlich für diesen verbliebenen Lagerbestand war. Die Versuche, das hier entstandene Problem auf friedliche Weise zu regeln waren Makulatur, als der Lieferant dann aus Panik alle lagernden VS Synthesizer zu einem Spottpreis an zwei Musikläden verschleuderte.
Das war dann tatsächlich das Aus.

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AMAZONA.de:
Kannst du dir vorstellen irgendwann nochmals anzupacken und einen weiteren Synthesizer ins Leben zu rufen, oder hast du die Nase gestrichen voll?

AXEL HARTMANN
Ich kann mir sehr gut vorstellen, irgendwann noch einmal ein derartiges Projekt anzupacken. Sicherlich nicht sofort – und sicherlich aus einer anderen Perspektive, denn die Erfahrungen, die ich mit dem Neuron sammeln konnte, haben mich doch eini ges an Kraft und Positivismus gekostet. Es ist schön, mit seinem Namen vorne zu stehen, wenn es Rosen regnet – und das tat es ja eine ganze Weile. Es ist aber umso härter, mit eben dem gleichen Namen da zu stehen, wenn eine Geschichte so sukzessive den Bach runter geht – und du selbst nichts tun kannst, außer in devoter Bittstellermanier deine Programmierer und Geschäftspartner zu erweichen, ihre Arbeit korrekt fertig zu machen – und das auch noch ohne Erfolg. Nicht schön – und rein menschlich musste ich hier doch in einige Abgründe blicken.
Schön aber – und das stimmt mich wiederum sehr positiv für die Zukunft – dass die für mich wichtigen Menschen, die mit mir zusammen den ganzen Weg gegangen sind, auch weiterhin zu mir stehen. Dazu zählt auch Hans, der ja nicht unerheblich Geld mit der Company verloren hat.

AMAZONA.de:
Was sind deine nächsten Pläne?

AXEL HARTMANN
Ich werde weiterhin und wieder intensiver das tun, was ich am besten kann: Design – und das, wenn möglich, für meine geliebte Musikelektronik Branche. Daneben freue ich mich jeden Abend auf meinen kleinen Sohn und meine Frau, die mir Kraft und Halt geben, auch mal eine Niederlage wegzustecken.

AMAZONA.de:
Axel, wir bedanken uns für dieses sehr offene und ausführliche Interview und wünschen dir viel Erfolg auf deinem weiteren Weg. Ich bin mir sicher, wir hören – und „sehen“ vor allem – noch viel von Dir.

5_neuronVS_nuke.jpg

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ein sehr interessantes Interview, das einem so manchen Einblick gewährt.

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