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Interview: Bernd-Michael Land – Aliens Project 2009

Mr. Aliens Projects Interview on Earth

1. August 2009

Aliens Project – modulare Synthesizer-Wände, glänzendes Chrom, Raumschiff-Feeling und ein verwegener Harley-Veteran. Amazona.de wollte genau wissen, was sich hinter Bernd-Michael Lands kolossalem Studio verbirgt und hat dem sympathischen Hessen im Frühjahr 2009 einen Besuch abgestattet. Immerhin gibt es – mit Ausnahme der Studios von Hans Zimmer, Vince Clarke, Ben Edwards („Benge“) und wenigen anderen – weltweit kaum eine vergleichbare Sammlung an hochwertigsten Synthesizern und Modularsystemen in solch exzellentem Zustand! Schließlich aber ist Bernie – neben all seinen anderen Tätigkeiten – auch aktiver Musiker, was ihn sehr positiv und wohltuend vom reinen „Synthesizer Sammler“ abhebt.

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Willkommen bei Bernd-Michael Land

Bei einem Willkommens-Trunk in seiner Bar präsentierte uns Bernie das erste „elektronische“ Keyboard – ein „Reproduktionsklavier“. Hierzu ein schneller Ausflug in die Welt dieser seltenen mechanisch-pneumatischen oder mechanisch-elektronischen Instrumente (Lucky-Luke Lesern in pneumatischer Version auch als „Western Saloon Piano“ bekannt) …

Ein Klavier, das von außen ganz gewöhnlich aussieht, …

„Das Reproduktionsklavier ist ein automatisches Klavier, das von einem Pianisten eingespielte Musikstücke inklusive der Anschlagsdynamik weitestgehend authentisch wiedergeben kann, eben reproduziert. Erste Reproduktionsklaviere gab es ab 1905. Diese pneumatisch oder elektronisch gesteuerten Instrumente benutzen als Tonträger Lochstreifen aus Papier oder magnetische Bänder (Kassetten). Ab 1986 produzierte der Klavierhersteller Bösendorfer seinen Computerflügel SE290. Dieser konnte durch eine elektronische Aufnahmeeinrichtung das Spiel eines Pianisten perfekt aufnehmen und reproduzieren. Die Aufnahmen ließen sich anschließend elektronisch editieren.“ (Überarbeiteter Beitrag aus http://de.wikipedia.org)

… innen aber Elektronik zur Aufnahme der mechanischen Vorgänge besitzt

Doch von der mechanischen Welt nun endlich zur Musik-Elektronik. Bernie hat es sich nicht nehmen lassen, uns sein Studio – und seine Person – ausführlich zu präsentieren …

Hallo Bernie! Kannst du uns zunächst einen kurzen Überblick zu deinem beruflichen und auch musikalischen Werdegang geben?

In jungen Jahren, ich war so um die Vierzehn, durfte ich öfter mal das alte Klavier von der Oma meines Freundes malträtieren, das in seinem Zimmer stand. Während er mich mit seiner elektrischen Hertie Gitarre dazu begleitete, trommelte die alte Dame ständig an die Türe und schimpfte: „Schmeiß doch endlich den Holzhacker raus!“

Das hat mich aber nicht davon abgehalten, mit Musik weiterzumachen, denn kurz darauf kam mir eine elektronische Orgel ins Haus, und es folgte der Selbstbau meines ersten Theremins. Schräge Klangexperimente, nicht selten unter Einsatz ausrangierter Bandmaschinen vom Sperrmüll, waren dann mein Einstieg in die Welt der elektronischen Musik.

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Mein „richtiger“ Beruf ist Kunst- und Bauschlosser, und der erste selbstverdiente Lohn ging natürlich schon für Equipment drauf. Später machte ich dann meine Meisterprüfung im Schlosserhandwerk sowie die Ausbildung zum Schweißfachmann. Eine fundierte musikalische Ausbildung habe ich jedoch nie gemacht, wenn man von ein bisschen Orgel- und Klavierunterricht und Harmonielehre mal absieht.

Die wohl wichtigste Inspiration bekam ich sicherlich 1968 von Wendy Carlos mit dem Album „Switched on Bach“. Obwohl mich Klassik damals überhaupt nicht interessiert hatte, hat mich die Faszination dieseswarmen vollen Klanges eines Moog Modularsystems nie wieder losgelassen. Daneben begeisterte mich natürlich auch diese völlig neuartige Technologie, mit der beinahe unüberschaubaren Anzahl von Knöpfen, Steckern und Kabeln – auch das hat mich für mein weiteres Leben stark geprägt.

Das Equipment wechselte ständig, und eine ganze Zeit lang war ich dann als Keyboarder mit B3, Hohner Strings, Fender Rhodes, ARP Odyssey und Minimoog in diversen Bands unterwegs. Die Gigs haben mir zwar immer viel Spaß bereitet, ließen mir aber nur wenigSpielraum für Experimentelles.

Im Jahr 1977 bin ich nach Dreieich umgezogen, und dort richtete ich mir im Keller ein kleinesHomestudio ein. Der Roland 700 Modularsynthesizer mit einem MC-8 Sequenzer und ein Roland System 100 wurden der zentrale Punkt des Studios. Auf der Suche nach neuen Klängen lernte ich schnell, sicher mit modularen Synthesizern umzugehen und beschäftigte mich intensiv mit Klangforschung und Sounddesign. Die Live-Aktivitäten schliefen in dieser Zeit etwas ein. Im Studio wurde experimentelle elektronische Instrumentalmusik und Avantgarde produziert, aber auch diverse Musik und Sounds für Theater, Film und Werbejingles.

Peter Grandl am Manikin Memotron

Im Jahre 1983 wurde dann meine erste Firma gegründet, und ich wagte den Sprung in die Selbstständigkeit. Vorher hatte ich noch geschwankt, konnte ich doch zwischen Airbrush, Musikproduktion und Sicherheitstechnik wählen. Entschieden habe ich mich dann für letzteres, ein Job mit Zukunft und einer soliden Basis.

Die nächsten 5 Jahre trat die Musik dann etwas mehr in den Hintergrund, da ich fast all meine Energie in das neue Unternehmen gesteckt habe.

Im muffigen Keller war es mittlerweile ziemlich eng geworden, dazu kam noch meine Scheidung, und so folgte 1990 ein weiterer Umzug in andere Räumlichkeiten.

Über die Jahre hinweg kamen immer wieder neue Geräte hinzu, manche Sachen wurden wieder verkauft – es war ein ständiger Wandel. Digitale Synthesizer, Sampler und ein Atari Computer erweiterten damals meine technischen Möglichkeiten enorm. Ich hatte mit dem Ensoniq EPS wirklich alles gesampelt, was irgendwie ein Geräusch von sich gab und dann in die Musik verpflanzt.

Ab 1993 ersetzte ein Alesis ADAT die analoge Tascam 38 Bandmaschine, der erste Schritt zum Digitalrecording war getan. Das System 700 wurde wieder verkauft, und von dem Erlös wurden ein Kurzweil K250 nebst 250 Expander, ein Polymoog und zwei Memorymoogs angeschafft. Weiteres Geld steckte ich in Outboard und in eine Tascam Konsole.

Der letzte Umzug nach Offenbach in das einsame alte Forsthaus ging 1997 vonstatten. Endlich hatte ich so richtig viel Platz, um mich auszubreiten. Viele Musiker beneiden mich darum, denn das Leben, völlig frei von nervenden Nachbarn kann ja so schön sein. Mittlerweile ist es aber auch in diesen Räumlichkeiten schon wieder recht eng geworden, so dass ich mir jetzt vor jeder Neuerwerbung ernsthaft Gedanken machen muss, ob ich das auch wirklich brauche und wo ich das Zeugs unterbringe. Die ständige Gier nach Gear hat jedoch deutlich nachgelassen, es gibt durchaus wichtigere Dinge.

Die letzten 10 Jahre stand ich wieder öfter als Livemusiker auf der Bühne, und neben den Auftritten als Solokünstler fanden so einige Projekte mit anderen Musikern statt. Von 2000 bis 2006 hatte ich beispielsweise mit Markus „Coco“ Adam (Programmierte Welten / Cocolores) recht viele Auftritte in diversen deutschen Clubs. Im Laufe dieser Zusammenarbeit sind aus den Mitschnitten die beiden Live-Alben „TheReMinator“ und „Kamerun – da chillaz“ entstanden.

Seit Mai 2006 bin ich aktiv bei der EK-Lounge dabei [EK = Elektro Kartell, Anm.], einem Ambient-Session-Projekt mit Musikern von dem Elektro-Kartell.

Mancher Klang-Enthusiast staunt in Anbetracht deines enorm umfangreichen (und exzellent ausgestatteten) Studios. Wie kann man sich ein solch aufwendiges Hobby leisten?

Oft werde ich gefragt, woher das ganze Geld stammt, ob ich reiche Eltern hatte oder Millionär bin. Das wäre zwar sehr schön gewesen, trifft aber leider nicht zu. Mein Vater war nur ein einfacher Hausmeister, lebte in einer Sozialwohnung, und eine reiche Oma konnte ich auch nicht beerben. Der erste Eindruck kann da manchmal etwas täuschen, und wer mich näher kennt, der weiß das auch.

Wenn beispielsweise ein Modellbauer etwas anspruchsvollere Flugzeugmodelle, z.B. einen Hubschrauber baut und diesen in den Büschen versenkt, gibt er sicherlich deutlich mehr für sein Hobby aus. Ein schöner Sportwagen – und ich rede hier nicht von Aston Martin oder so – liegt preislich auch nicht unbedingt in günstigeren Regionen, als ich mal für das ganze Getrödel im Studio bezahlt habe. Es stellt sich eben immer die Frage, wie man seine persönlichen Prioritäten setzt.

Mein sauer verdientes Geld stecke ich nun mal viel lieber in Equipment als beispielsweise in die Urlaubskasse. Ich mag nun mal keinen Sand in der Ritze, aber vielleicht empfinden andere Menschen dies als angenehm griffig, und es ist das Größte, wenn sie ihren geröteten Alabasterkörper wochenlang in der sengenden Sonne braten können bis die Haut in Fetzen hängt. Bitte sagt mir, dass ich da jetzt nichts Spannendes verpasst habe!

Das Studio ist über die vielen Jahre stetig ein bisschen gewachsen, da kam immer wieder mal ein interessantes Kästchen dazu. Viele Geräte habe ich mir zu einer Zeit gekauft, als sie preislich am absoluten Tiefpunkt waren. Alte monophone Analog-Synthesizerhat man eine zeitlang extrem billig erwerben können, denn mit diesem antiquierten Zeugs wollte doch in den Jahren um 1990 herum niemand mehr ernsthaft Musik machen. Fast jeder geierte in dieser Zeit auf Engelschöre, Shakuhachi-Flöten oder möglichst realistisch klingende Grandpianos und Strings.

Sogar der moderne Homerecordler wollte nicht mehr auf die brandneue MIDI-Schnittstelle verzichten, und man sah kaum ein Studio, wo nicht ein Atari mit Cubase stand. Ein Moog Rogue kostete damals rund 80 Mark, meinen hab ich sogar von einer netten Studentin geschenkt bekommen.

Es wäre falsch, wenn ich nicht zugeben würde, dass so mancher rare Synthesizer auch nur deshalb hier im Studio gelandet ist, weil ich mir damit einen lange gehegten Jugendtraum erfüllen konnte. Only 4 to have it.

Hat man dann aber eine bestimmte Zeit mit einem echten Fairlight gearbeitet, ist die anfängliche Magie der Maschine auch schnell wieder verflogen. Es ist – zumindest aus heutiger Sicht – eben doch nur ein lahmer und lauter Sampler mit veralteter Technologie. Viele Jahre hatte ich das wunderschöne Synclavier in meinen Produktionen eingesetzt und es dann ebenso verkauft, weil es kaum mehr eingesetzt wurde.

Fast alle Geräte, die heute das Studio bereichern, werden auch regelmäßig benutzt. Sie sind alle angeschlossen und zu 100%funktionsfähig. Mir war es immer wichtig, für jeden erdenklichen Sound stets einen optimal passenden Klangerzeuger zur Hand zu haben. Dies erspart mir eine Menge Zeit für Basteleien, und ich kann eine bestimmte Vorstellung eines Klanges völlig kompromisslos schnell und präzise umsetzen.

Synthesizer sind nicht deine alleinige Leidenschaft. Da gibt es noch weitere Hobbys, sofern man das so nennen darf …

Als junger Bengel habe ich mit dem Moped begonnen, mich auf zwei Rädern fortzubewegen.Mit großer Begeisterung und Freude fahre ich seit dieser Zeit Motorrad. Ich genieße es, wenn man gemütlich über kleinere Nebenstraßen durch die unberührte Natur tuckern kann, das ist für mich Entspannung pur.

Ich bin aber auch ein verrückter Autofreak, denn meine andere Leidenschaft ist das Hotrodding. Ein Hot-Rod ist ein Auto vor Baujahr 1949 mit modifizierter Technik, quasi ein „frisierter“ Oldtimer. Schon in den frühen 30er Jahren sind die Jungs damit (illegale) Straßenrennen gefahren. Auf deutschen Straßentauchten die ersten Hot-Rods vor ungefähr 20 Jahren auf. Ich war 1991 Mitbegründer der German Rod Owners (GRO), aus denen 1993 die GSRA (German Street Rod Associarion ) hervorging (www.gsra.de). Derzeit bewege ich einen 1932er Ford Tudor-Sedan (Alien-Hunter) und einen 1924er Ford Model T / C-Cab auf Deutschlands Straßen.

Du gehörst ja eindeutig nicht zu den Synthesizer „Sammlern“, sondern machst auch wirklich viel Musik. Ist das nur in deinem Studio, sind das Auftragswerke, machst du Live-Auftritte?

Nur der schnöde Besitz von Equipment-Burgen törnt mich nicht sonderlich an. Ich sehe einen Synthesizer hauptsächlich als kreatives Werkzeug, das ich natürlich auch gerne bedienen und in der Musik einsetzen möchte. Im Synxxs-Studio wird meine gesamte Musik komponiert und bis auf das Mastering komplett produziert. Es werden hier aber auch die Sounds und Sequenzen für das Liveset vorbereitet. Hin und wieder habe ich Gastmusiker im Haus, und es entstehen die verschiedensten gemeinsamen Projekte. Für eine lockere Jam-Session ohne weitere Ambitionen bin ich aber auch jederzeit zu begeistern, im Vordergrund steht ja der Spaß am Musizieren.

Hin und wieder flattern hier auch kleinere Auftragsarbeiten ins Haus. Meistens sind dies Geräusche und Klänge für Theater- und Filmproduktionen, Sounds für Klanginstallationen, Jingels für Werbung und Samples für diverse Musikproduktionen. Vom Musikstil bin ich nicht festgelegt und produziere – von Volksmusik und Schlager einmal abgesehen – so ziemlich alles.

Ganz unabhängig vom Studio bin ich derzeit mit meinem aktuellen Liveset unterwegs. Es ist allerdings etwas schwieriger geworden, die passenden Locations für elektronische Ambient-Musik zu finden. Musik für die Ohren ist momentan wohl nicht so sehr angesagt, da es für einen Veranstalter finanziell meist effektiver ist, wenn er Musik für die Füße anbietet. Wer tanzt, der konsumiert eben auch mehr.

Wie „definierst“ du deine Musik?

Erwartest du jetzt hier eine bestimmte Schublade für die Stilrichtung?

Dann würde die Schublade C im Schrank Nr. 32 eventuell passen: Experimentelle elektronische Musik mit ¾ geöffneter Ambient-Schublade, mit jeweils einer Prise Avantgarde und neue Musik. Ein bisschen Schule ist auch dabei, ob Berlin, Frankfurt oder Köln darf man sich gerne aussuchen. Hatte ich Techno schon erwähnt?

Ich mag dieses Schubladendenken nicht besonders, zumal es keine wirklich passende für mich gibt. Schon immer habe ich versucht, „mein eigenes Ding“ zu machen und einen eigenen Stil zu entwickeln. Ich glaube auch, dass mir diese Selbstfindung bisher ganz gut gelungen ist, was aber nicht unbedingt großen musikalischen Erfolg bedeutet.

Meine Stücke sprechen eher Leute an, die auch gerne mal ein Buch lesen und bereit sind, sich von ihren Phantasien tragen zu lassen. Optimal wäre es, wenn der Hörer bei meiner Musik seine Augen schließt und sich von den spacigen Klängen verzaubern lässt. Er soll anfangen zu träumen und dabei alles andere um sich herum vergessen.

Leider hat der moderne Mensch heute einfach keine Zeit mehr, Musik bewusst zu hören, alles rast hektisch um einen herum. Sich spontan eine Stunde zum Chillen ins frische Gras zu legen, ohne dass das Handy klingelt, ist doch kaum noch möglich.

Eine Besonderheit deiner Produktionsweise ist, dass die Musikstücke / CDs großteils (oder ganz?) ohne MIDI auskommen. Spielst du Sequenzen live ein, wie löst du die „Timing“-Frage? Gerade läuft „Behind The Blue Room“ … präzise Sequenzen wechseln mit „freieren“ und „nicht so ganz exakten“ Passagen. Wie kommt’s?

Die Schwankungen im Timing resultieren aus der altmodischen Arbeitsweise bei der Aufnahme. Mit vier antiquierten ADAT-Classic Multitrack-Recordern, Spur für Spur nacheinander einzuspielen und dann analog zusammenmischen, das hat nämlich jede Menge Vorteile. Es geht alles viel schneller, da man nicht erst mühsam den Rechner hochfahren und irgendwas konfigurieren muss. Man schaltet nur die Hardware ein und kann sofort mit der Aufnahme loslegen.

Da ich öfter Vintage Synthies und sehr alte Effekte einsetze, die keine MIDI-Schnittstelle vorweisen können, hat sich diese Arbeitsweise über die Jahre hier so eingespielt.

Ich hänge immer noch an den beiden alten Tascam 2600 Konsolen, weil sich bei Bedarf die Signale so herrlich schön anzerren lassen. Besonders die Bassdrums bekommen da den richtigen Bumms. Das gesamte Klangbild ist doch, zumindest ist das mein Empfinden, bei analogen Pulten viel organischer.

Ich bin deshalb aber kein grundsätzlicher Verfechter dieser Arbeitsweise oder gar ein Gegner von Computern. Nicht selten wird ein komplexer Drumpart oder eine Bass-Sequenz in Cubase als MIDI-Spur arrangiert. Diese wird meist direkt über die komplette Songlänge frei von Hand eingespielt und danach als Audiospur aufgenommen. Quantisiert und nachbearbeitet wird danach jedoch nicht mehr, es soll da schon ein gewisser „human touch“ in meiner Musik hörbar und fühlbar sein. Ich würde ja auch niemals auf die Idee kommen und Liebesbriefe mit dem Computer schreiben und danach editieren.

Es gibt also bei mir keinen großen Unterschied zwischen MIDI und Audio, die Abläufe sind weitgehend identisch.

Sehr gerne setze ich Delay-Effekte ein, die ohne MIDI-Synchronisation ganz locker nach Gehör eingetappt werden. Eine weitere Vorliebe habe ich für alte Bandechos, bei denen ich manchmal rhythmisch mit dem Daumen das Tape abbremsen kann. Diese ganzen Spielereien können selbstverständlich nie richtig tight sein, aber sie nehmen der elektronischen Musik dieses statisch auf die Millisekunde programmierte Feeling. So entstehen manchmal völlig neue Grooves, teilweise sogar mit polyrhythmischen Strukturen. Manchmal verschiebe ich die rhythmischen Elemente auch nur minimal gegeneinander und lasse alles bewusst minimal „eiern“. Auch durch diese primitive Arbeitsweise verliert meine „Computermusik“ etwas von ihrer Steifheit und Kälte.

Bei meinen Live-Konzerten bin ich ebenso bemüht, möglichst viel live zu spielen und nur Basics zu programmieren. Aus technischen Gründen muss live mit fertigen Loops gearbeitet werden (aus der Electribe-MX), denn auch ein Alien hat ja schließlich nur sechs Finger an zwei Händen.

Eine persönliche Frage zu deiner Musik: Ich finde sie zu einem guten Teil ungewöhnlich schön und im gewissen Sinne auch sehr „frei“. Du scheinst gerne mit Klanggebilden, Geräuschen und feinen, klanglichen „Andeutungen“ zu arbeiten. Formen spielen weniger eine Rolle, und „Tonales“ braucht es zuweilen gar nicht. Hast du die akustischen Bilder dazu im Kopf, quasi als klare Vorstellung, oder ergibt sich das erst in der Situation der Aufnahme?

Bevor ich mit einem neuen Song beginne, denke ich mir oft eine kleine Geschichte aus und versuche diese dann musikalisch umzusetzen. Im Prinzip ist also jeder Song wie ein kurzer Film ohne Bilder, in die der Hörer seine eigenen Vorstellungen einbringen kann. Dadurch hat man manchmal das Gefühl, einen Soundtrack zu hören, der Film dazu existiert jedoch nicht.

Manchmal werde ich dabei nur von einem einzelnen Sound inspiriert, der zufällig beim Experimentieren entstanden ist. Dann wiederum ist es wiederum nur eine kleine Melodie, die ganz profan am Klavier entstanden ist, die einen kompletten Song trägt. Dabei versuche ich, dass sich die Melodien nicht bis zum Ende hin wie gewohnt auflösen. Oft werden die Strukturen nur leicht angerissen oder angedeutet und lassen dadurch genügend Freiraum für eigene Interpretationen. Man rechnet meist an einer Stelle im Song mit einem ganz bestimmten logischen Melodieverlauf, aber das Erwartete bleibt aus, und der Song wendet sich in eine völlig andere Richtung. Der Anfang und das Ende eines Stückes sind oft völlig verschieden.

Vielen eröffnet sich meine Musik erst nach dem zweiten oder dritten Anhören, weil es immer wieder Neues zu entdecken gibt. Wer die Songs nur anspielt und durchswitcht, wird auch die Inhalte nie begreifen können. Ich möchte aber mit dieser Musik nichts Bestimmtes bewegen, verändern oder mitteilen.

Wie bist auf „Aliens Project“ gekommen? Gibt es Zusammenhänge zu deiner Person bzw. zu deiner Musik?

Meine Musik war schon immer ziemlich außerirdisch und spacig, da bin ich wohl von meiner Vorliebe für Science-Fiction Filme beeinflusst worden. Das Wort „Aliens“ habe ich jedochhauptsächlich deshalb gewählt, um beialphabetischen Listen immer ganz oben zu stehen. Das Wort„Project“ sollte aber ebenso in dem Pseudonym vorkommen, da ich immer wieder zusammen mit anderen Künstlern eigenständige Projekte erstelle. Dies ist natürlich die offizielle Version. In Wahrheit bin ich natürlich ein Alien und nicht irdischen Ursprungs, aber das glaubt ja eh keiner.

Noch die obligatorische Frage nach deinem Equipment: Gibt es in deiner erstaunlichen Sammlung besondere „Herzensinstrumente“?

Besonders gerne mag ich die großen modularen Dickschiffe und ganz speziell davon den PPG-300 und den Moog Modular. Aber der EMS Synthi AKS und der Minimoog Voyager gehören ebenso zu meinen Favoriten. Den Macbeth M5, das Roland System 100 und 700 und der …- och je, ich glaube, das bringt jetzt nichts, denn wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich eigentlich alle meine vielen Synthies ganz doll lieb. Es ist schwer, einen davon als my favorite Synthesizer herauszupicken.

Abschließend wäre es interessant, deine Einschätzung betreffend Entwicklung in der Synthesizer-Technologie bzw. auch in der elektronischen Musik zu erfahren.

Ich finde das total spannend, was derzeit so am Markt passiert. Momentan sprießt ja alle paar Tage ein neues kleines Unternehmen aus dem Boden, das komplette Synthesizer, Modularsysteme oder zumindest einzelne Module anbietet. Manche Dinge sind zwar ein alter Hut, da sie nur etwas Altbewährtes clonen und neu verpacken, aber teilweise sind da auch richtig innovative Neuentwicklungen dabei. Auch die renommierten Hersteller lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen, um frische Kaufanreize zu schaffen. Diese kleinen, meist als Spielzeug verpönten Synthies, wie Tenori-On, Kaossilator oder Thingamagoop, haben sich mittlerweile als fester Bestandteil in meinem Liveset etabliert und sind nicht mehr wegzudenken.

Musikmachen ist so preiswert wie nie zuvor, und so ist es heute fast für Jedermann möglich, diesem Hobby nachzugehen. Ein Computer steht praktisch in jedem Haushalt, und es gibt massenweise kostenlose Software, mit der man schon richtig was anfangen kann.

Peter Grandl, Bernd-Michael Land, Theo Bloderer

Selbst ein Modularsynthesizer, der damals für den Otto Normalverbraucher unerschwinglich war, bewegt sich derzeit in moderaten Preisregionen.

Diese geänderte Situation hat natürlich die gesamte Musikszene stark verändert, und ich finde es klasse, dass sich immer mehr Leute mit Klangmaschinen beschäftigen und Musik produzieren. Vielleicht gibt das auch der elektronischen Musik mal einen frischen Schub und es entwickelt sich endlich wieder etwas Neues. Es muss doch noch etwas anderes geben als Berliner Schule und House.

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Interview zum Besuch von Amazona.de (Peter Grandl und Theo Bloderer) bei „Aliens Project“ im Frühjahr 2009. Bericht & Fotos: Theo Bloderer. Musikfiles: Bernd-Michael Land.

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Discografie:

  • Intake (1974) / CC
  • Flash (1979) / CC
  • Sequential Bitch (1983) / CC
  • Bikers-Paradise (1999) / CD
  • Drop Out (2001) / CD
  • TheReMinator (2001) / CD
  • Kamerun da Chillaz (2006) / CD
  • Behind the blue Room (2008) / CD
  • Zero Gravity –released soon (2009) / CD

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    es hat spass gemacht das interview zu lesen.
    gerade, weil es nicht nur um modulare schrankwände ging, sondern auch um bernie den musiker und menschen.
    danke !

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Da ist so ein tolles Studio bei mir in Offenbach vor der Tür und ích hab nie was davon gehört. Dieser nette Herr produziert ja wirklich sehr abgefahrene Musik. Sehr endcooler chilliger Sound. Klasse Interview!
    Grüße
    Dennis

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Bernie ist Kult! Total nett, außerdem ist mein Ex- Jen SX-1000 in guter Umgebung. ;-)
    Toller Artikel von Theo (Grüsse nach Kufstein!), Cheer, Phil

  4. Profilbild
    studiodragon

    Ja, wirklich ein sehr interessanter Artikel über Bernie’s Schlaraffenland.
    Was ich besonders mag ist die Antwort von der frage : … Gibt es in deiner erstaunlichen Sammlung besondere „Herzensinstrumente“?
    Bernie : Besonders gerne mag ich die großen modularen Dickschiffe und ganz speziell davon den PPG-300 und den Moog Modular. Aber der EMS Synthi AKS und der Minimoog Voyager gehören ebenso zu meinen Favoriten. Den Macbeth M5, das Roland System 100 und 700 und der …- och je, ich glaube, das bringt jetzt nichts, denn wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich eigentlich alle meine vielen Synthies ganz doll lieb…

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