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Interview: Dieter Schleip, Tatort-Filmkomponist und mehr …

(ID: 142552)
An der Studiowand: Auszeichnungen, Gitarren und Presse

An der Studiowand: Auszeichnungen, Gitarren und Presse

Peter:
Schließlich hattest Du einen schönen Auftrag für einen Score und solltest mit einem Orchester zusammenarbeiten. Aber Du konntest damals noch gar keine Noten schreiben. Wie kam es dann zu der Partitur?

Dieter:
Das war für den ersten HDTV Film in Deutschland: DER MAGIER (1992). Ein Abschlussfilm für die HFF in München. Der Regisseur Markus Wernig war ein absoluter Filmmusik-Kenner. Markus hat mich Filmmusiktechnisch erst mal so richtig angefixt und mir ganz viele Tapes aufgenommen. Ich habe da erst gemerkt, dass ich über Filmmusik echt nicht viel wusste. Für seinen Film hatte er deshalb von Anfang an schon bei der Kalkulation Geld für ein Orchester eingeplant und da begann der Kreis sich zu schließen – die erste „richtige“ Orchestermusik stand bevor und der Regisseur vertraute einem relativ unerfahrenen Nobody, der Noten weder lesen, geschweige schreiben konnte.

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Da muss der Autodidakt, wie immer eigentlich, flexibel und kreativ an die Sache rangehen. Diese Chance kann man sich ja nicht entgehen lassen, sonst kann man es ja gleich bleiben lassen, oder?!

Im Theater hatte ich zum Glück immer den Kontakt zu allen Gastmusikern gepflegt, das kam mir nun zugute. Da es ja schon den EMU Proteus gab, konnte man ein Orchester ja schon ziemlich gut nachbauen. Ich hatte seit dieser Zeit immer ein Theoriebuch am Mann, wo ich z.B. die Tonumfänge der einzelnen Instrumente nachgucken konnte und das ganze restliche Musikzeug. Mit dem Computer die Partituren ausdrucken ging noch nicht so richtig gut, deshalb war das Ergebnis, allerdings auch das einzige und letzte Mal in meiner Laufbahn, eine handgeschriebene Partitur und handgeschriebene Einzelstimmen. Der Workflow war also dem Orchestrator, der auch der Dirigent war, die MIDI-Files, den „schlechten“ Notendruck und die Demotapes zu geben und er hat daraus die Partitur geschrieben.

Peter:
Wo und wie liefen dann die Sessions ab?

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Dieter:
In Brno/Brünn in Tschechien mit dem Tessarini Chamber Orchester Brno. Das war ein wunderbarer holzgetäfelter Radiosaal mit einem sehr schönen Raumklang. Das Pult hatten sie wohl allerdings noch von der ersten russischen Sputnikmission übrig, aber für mich war das alles der totale Wahnsinn. Ich habe mir fast in die Hosen gemacht, mein Gott, mein Traum hatte sich erfüllt. Die Musiker kamen rein mir ihren Instrumentenkoffern und fingen an meine Musik zu spielen. Ich bekomme, wenn ich das jetzt erzähle und mich daran erinnere, immer noch eine Gänsehaut.

Der Eiserne Vorhang war ja noch nicht so lange auf, deshalb waren wir alle wohl noch etwas misstrauisch. Auf jeden Fall war es nach den Aufnahmen ungelogen so, dass jemand aus dem Studio das abgemischte Tape meiner Musik an sich nahm und wir ihm mit dem Auto in eine Pizzeria folgen sollten. Das Tape wechselte dann unter dem Tisch gegen harte DM-Devisen den Besitzer.

Übrigens ist der Markus nach diesem Film nach Los Angeles übersiedelt und ist Trailercutter geworden. Ein sehr erfolgreicher noch dazu. Er hat z.B. alle Trailer für „Tribute to Panem“ gemacht. Was mich glücklicherweise in die Lage versetzt hat, heute immer noch mit Markus zusammenzuarbeiten – aber das ist ein anderes Thema!

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schön, sehr ehrlich, sehr sympathisch: Die negativen Zwischentöne gegenüber den GEZ Lakaien verweisen allerdings auf Schleip selbst zurück. mit andern Worten „Achtung Dieter, Glashaus“ ;-)

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    Franz Walsch AHU

    Leider haben die fallenden Produktionskosten zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen bei Kamera, Ton & Co. geführt. Qualität wird auch zu Dumpingpreisen erwartet. Was gut ist entscheiden dann Amateure … . Eine traurige Entwicklung. Umso erstaunlicher ist, das es noch Menschen gibt, die mit Spaß an der Arbeit ein gewisses Maß an Qualität durchsetzen. Das Kunst keinen großen Stellenwert hat, merkt man spätestens wenn mal wieder der Abspann gekürzt und man um den Genuss der Musik gebracht wurde.

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      AMAZONA Archiv

      @Franz Walsch @ Franz Walsch : Volle Zustimmung. Das Thema Filmvertonung ist in der Tat mehr oder weniger auf dem Abstellgleis der ÖR angekommen. Die immer selben Schemata der GEZ Filmchen, Drehbücher und Schauspieler haben längst auch im musikalischen Bereich dieselbe prekäre Qualität erreicht. Dieter Schleip Kompositionen, gerade die von Dominik Graf Filme werden mittlerweile ja auch schon von vielen Mitläufern nachgeahmt. Aber auch im Kino läufts nur noch selten anders. Die besten klanglichen kompositorischen Neuerungen (ob man es mag oder nicht) sowie m.E. auch die besten Musiktitel- Zusammenstellungen der letzten Jahren habe ich bei Filmen von Paul Thomas Anderson gehört (There will be blood, The Master, Inherent Vice) . Auch hier ist ein Autodidakt am Werk, das Radiohead Mitglied Jonny Greenwood.

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    AMAZONA Archiv

    Meine Erfahrungen decken sich leider mit dem Gros dessen was Dieter Schleip anführt. Allenortens und fast ausnahmslos Technokraten statt Kreativität.

    Nebenbei bemerkt: Es ist schon paradox, dass trotz 8,3 Milliarden GEZ-Rekordeinnahmen der Druck auf die Selbständigen in der Kreativwirtschaft des ÖRR permanent ansteigt.

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      Franz Walsch AHU

      Ich erinnere mich gelesen zu haben das es immer weniger Geld für Produktionen gibt. Das Geld geht hauptsächlich in die Rückstellungen der Pensionskassen. Sehen tut man das schon seit Anfang des Monats, denn seither läuft die Sommerpause bis Ende August. Aber Privatjets der ÖR zur WM!

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        TobyB RED

        @Franz Walsch Hallo Franz,

        wenn der gecharterte Privatjet wie hier günstiger ist als ein Linienflug, dann spricht doch nichts dagegen. Irgendwie müssen die nun von A nach B kommen.

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          Franz Walsch AHU

          @TobyB Ich verstehe nicht warum? Die Bilder kommen vom Fr.-TV und liessen sich bequem von Hamburg und Mainz kommentieren. Zwei kleine freie Teams vor Ort mit Redakteur und Moderator würde aus meiner Sicht völlig reichen.

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            TobyB RED

            @Franz Walsch Hallo Franz,

            Es kommen eben nicht alle Bilder in den den Sendezentralen an, für O Töne und Interviews braucht man nun vor Ort Teams. Und Liveschaltungen benötigen nun mal einen Aufwand an Technik. Und ehrlich gesagt, da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Sollen mit Autos oder TGV durch Frankreich reisen? Das wäre beim Spielplan ohne Übernachtungen auch nicht möglich und bei Linienflügen gibt es Restriktionen, wie Nachtflugverbot. Und da die Chartermaschine nur bei Spielen der DFB Elf zum Einsatz kommt, ist da ok.

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      TobyB RED

      Hallo Knutinge,

      der ÖRR kauft Programme, Übertragungsrechte und Filme ein. Produziert wird dann von solchen Firmen wie Ufa, Studio Hamburg und Endemol usw. Da versinkt das Geld. Beim ÖR ist alles budgetiert. Und die Pensionskassen bekommen nur 50 % Beiträge von den Sendeanstalten, den Rest zahlen die Festen, Festen Freien und Freien. Ausserdem sind 42 Mio Umsatz/Rentenkasse p.A bei 248,2 Mio(Werbeumsatz ohne Gebühren ARD 2015) auch kein Aufreger. Das Privatfernsehen hat das doppelte an Umsatz und vermutlich noch schlechtere Arbeitsbedingungen.

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        AMAZONA Archiv

        @TobyB Erstens: Werbefinanziertes Fernsehen ist gebührenfrei, im Unterschied zum quasi Steuerfinanzierten ÖRR. Dies gilt umso mehr wenn man kein Empfangsgerät besitzt.

        Zweiten: Es ist bisher noch niemandem gelungen, mir den Mehrwert des erwiesenermaßen Weltweit kostspieligsten Sender-Konstrukts glaubhaft zu machen.
        Nur mal als Beispiel: Der US-Amerikanische Pendant zum ÖRR, der sog. „Public Broadcasting Service“ wird jährlich mit lediglich 500 Millionen US$ aus Steuermitteln finanziert.

        Auch kann ich Deine These, dass bei Privatsendern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, nicht bestätigen.

        PS. Zu Deiner Hypothese, dass ein gecharterter Privatjet günstiger als eine Linienflug ist, hätte ich gerne belastbare Zahlen.

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          TobyB RED

          Hallo Knutinge,

          Privatfernsehen ist nicht gebührenfrei, ASTRA HD(+) und diverse KabelTV Anbieter nehmen Zugangsgebühren. Und an der terrestrischen Verschlüsselung mit DVB T2 wird gearbeitet und die wird implementiert. Zu einer pluralen demokratischen Gesellschaft gehört ein gebührenfinanzierter ÖRR dazu. Das amerikanische PBS kannst du nicht vergleichen, die machen teilweise noch nicht mal eine Basisversorgung, ich würde das eher mit den deutschen „Offenen Kanälen“ vergleichen. Drittens ich bin verdi Mitglied und bekomme über connex av ungefiltert mit wie es derzeit abgeht. Nur weil jemand sagt, dass bei Privaten alles besser ist, stimmt das noch lange nicht. Was im Umkehrschluss auch nicht heisst das beim ÖRR, Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Und ohne den ÖRR würde es hier in Deutschland noch schlimmer aussehen. Klar gehen mir die x-te Verfilmung von Uta Danella und der 50. Relaunch der Schlagerparty auf die Nerven. Aber dafür habe ich ARTE, ZDF Kultur, Einsfestival oder BR Alpha und Phönix. Oder diverse Radioprogramme. Was wiederrum andere nervt oder unverständlich ist. Nur stellt sich mir weder die Frage nach dem Status Quo der ÖRR noch nach der Gebühr hierfür. Und mehr möchte ich dazu nicht sagen.

          • Profilbild
            TobyB RED

            @TobyB Weil es am Kernproblem vorbeiführt, wir haben auf der einen Seite eine Budget finanzierte Körperschaft öffentlichen Rechts, die das Budget nicht überschreiten sollte und auf der anderen Seite Produzenten(Produktionsfirmen) die nach Effizienz, Produktivität, Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung arbeiten. Und das passiert zu Lasten von Wem?
            Die Kosten für die Privatjets wurden ja nun lang und breit durch die Presse getreten.
            http://www.....98971.html

  4. Profilbild
    Tyrell RED

    Grundsätzlich – und das gilt nicht nur für Filmmusik – ist Filmproduktion in Deutschland ein durch und durch bürokratischer Akt. Die gesamte Finanzierungskette ist getrieben von Sicherheitsdenken und Kontrollstufen. Am Ende gilt in Deutschland: „Der Köder muss dem Angler schmecken und nicht dem Fisch!“

  5. Profilbild
    rw1957

    Ein gutes Interview. Danke!

    Bitte in Zukunft aber den Gender-Kuddelmuddel – Als ich anfing, war der Regisseur/in mehr oder weniger noch der Chef/in. Heute ist es der Redakteur/in. – weg lassen.

  6. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schönes und aufschlussreiches Interview. Schön, auch mal andere krumme Karrierewege beschrieben zu bekommen.
    Und um die obig angerissene Genderdiskussion aufzugreifen. Ich finds gut, dass ihr genderkuddelmuddelt. Denn:
    Beware: The whole life is a kuddelmuddel :)

  7. Profilbild
    iggy_pop AHU

    „Wenn ein Musiker anfängt, seine Instrumente zu verkaufen, steht es wirklich schlecht.“
    Den Punkt kenne ich, und ja: Dann steht es wirklich beschissen.
    „Ein Film wird anderthalb Jahre gedreht und geschnitten, und zwei Wochen vor der Premiere fällt den Machern ein, daß sie noch eine Filmmusik brauchen. Man hat also zehn Tage Zeit, um sich was auszudenken und noch die Korrekturen für die Produzenten vorzunehmen. Ein absolut undankbarer Job.“ (Mark Shreeve)

  8. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Na das ist ja witzig! Ich sehe gerade den Artikel und das Photo von seinem Zimmer und denke: Nanu! Das ist doch Batics Wohnung aus „Tatort“ :“ Der Tod ist das ganze Leben(so ab Min. 52, noch bis zum ca. 20.5.17 in der ARD-Mediathek) für den ders nicht glaubt .

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