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Interview: Dieter Schleip, Tatort-Filmkomponist und mehr …

(ID: 142552)

Dieter Schleip 3

Peter:
Der großer Durchbruch war das aber auch nicht, oder? Wie gelang es Dir dann, endgültig ins Profi-Geschäft einzusteigen?

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Dieter:
Mein persönliches Limit war immer mein 30. Geburtstag, also 1992. Wenn ich es bis dahin nicht geschafft hätte, wäre es zurück nach Aachen und wahrscheinlich zurück in meinen alten Beruf gegangen. Ich habe dann aber noch mal alles auf eine Karte gesetzt und habe meinen Theaterjob – also Öffentlicher Dienst, Rente sicher etc. –  gekündigt und mir meine eigene „Frist“ auf 40 verlängert. Was sollte ich machen, ich wäre ja sonst unglücklich geworden. Dann kamen die zwei übelsten Jahre, würde ich sagen, bisschen Arbeitslosengeld, Mutter gab mir Geld für die Miete, wenig schlecht bezahlte Kurzfilme, Tütensuppen. Ich war eigentlich am Ende. Wenn ein Musiker anfängt, seine Instrumente zu verkaufen, steht es wirklich schlecht. In dieser Zeit waren zwei Kumpels von mir im Ausland. Der eine in Peking, der andere in Los Angeles. Ich kratzte mein letztes Geld zusammen, besuchte beide mehrere Wochen, bin nach München zurück, wollte bald mein Zeug in den Kadett laden und München für immer verlassen.

Dann kam DER Anruf, der mein Leben verändert hat! Fast wie im Kino! Wenn Du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her (Oma).

Mein Lichtlein war der Regisseur Martin Enlen. Seine Geschichte hat er mir dann so erzählt: Er war zweiJahre zuvor auf der Premiere vom MAGIER, er war ja ebenfalls ein Student der HFF, und war von meiner Musik so begeistert, dass er zu seiner Freundin gesagt hat: „Wenn ich meinen ersten „richtigen“ Film mache, rufe ich diesen Typen an.“

Patsch – 1994! Da war es endlich passiert! Diese unendlich lange Zeit des Hinbaggerns, mehr als 10 Jahre immerhin, hatte sich endlich ausgezahlt. Mein erstes Fernsehspiel für das ZDF stand vor der Tür. Martin ging in der Zeit ab wie eine Rakete und hat mich mitgenommen. Gleich sein erster Kinofilm „ROULA“ brachte ihm große Anerkennung!

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Und mir weitere Erfahrung, diesmal mit dem City of Prague Orchestra. Das war also mein Einstieg ins Profigeschäft. Danke Martin! Im Oktober 2016 mache ich sein nächstes Fernsehspiel für den Hessischen Rundfunk. Dann haben wir zusammen 38 Filme gemacht und können uns immer noch gut leiden (übrigens eine absolute Seltenheit in diesem Haifischbecken-Geschäft).

Peter:
Wie muss man sich heute den Alltag eines Filmmusik Komponisten vorstellen, der in der Hauptsache fürs Fernsehen arbeitet?

Dieter:
Als ich anfing, war der Regisseur/in mehr oder weniger noch der Chef/in. Heute ist es der Redakteur/in. Die „Machtverhältnisse“ haben sich stark verändert, dadurch auch die Arbeitsbedingungen. Heute reden viel mehr Leute mit und es wird immer schwieriger, eine Musik zu komponieren, mit der dann alle leben können. Mit traumwandlerischer Sicherheit allerdings wird am Ende meiner Meinung nach immer die schlechteste Version genommen. Viel Köche verderben den Brei und alle, aber wirklich alle Beteiligten sind ja Naturtalente, sind absolute Kenner der Filmmusikmaterie. Manchmal möchte man nur schreiend davonlaufen, wie unwissend die Leute sind.

Ich sage ja nicht, dass ich immer alles richtig mache, aber dass die Leute überhaupt kein Vertrauen mehr in die Arbeit eines echten Profis haben, ist erschütternd. Aber jeder, der zuhause eine CD rumliegen hat, kennt sich ja in der Musik aus. Es geht ja auch meistens gar nicht um die Musik, sondern um die psychologischen Zusammenhänge aller Beteiligten. Da kann man manchmal sein blaues Wunder erleben. Stoff für ein Buch!

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schön, sehr ehrlich, sehr sympathisch: Die negativen Zwischentöne gegenüber den GEZ Lakaien verweisen allerdings auf Schleip selbst zurück. mit andern Worten „Achtung Dieter, Glashaus“ ;-)

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    Franz Walsch AHU

    Leider haben die fallenden Produktionskosten zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen bei Kamera, Ton & Co. geführt. Qualität wird auch zu Dumpingpreisen erwartet. Was gut ist entscheiden dann Amateure … . Eine traurige Entwicklung. Umso erstaunlicher ist, das es noch Menschen gibt, die mit Spaß an der Arbeit ein gewisses Maß an Qualität durchsetzen. Das Kunst keinen großen Stellenwert hat, merkt man spätestens wenn mal wieder der Abspann gekürzt und man um den Genuss der Musik gebracht wurde.

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      AMAZONA Archiv

      @Franz Walsch @ Franz Walsch : Volle Zustimmung. Das Thema Filmvertonung ist in der Tat mehr oder weniger auf dem Abstellgleis der ÖR angekommen. Die immer selben Schemata der GEZ Filmchen, Drehbücher und Schauspieler haben längst auch im musikalischen Bereich dieselbe prekäre Qualität erreicht. Dieter Schleip Kompositionen, gerade die von Dominik Graf Filme werden mittlerweile ja auch schon von vielen Mitläufern nachgeahmt. Aber auch im Kino läufts nur noch selten anders. Die besten klanglichen kompositorischen Neuerungen (ob man es mag oder nicht) sowie m.E. auch die besten Musiktitel- Zusammenstellungen der letzten Jahren habe ich bei Filmen von Paul Thomas Anderson gehört (There will be blood, The Master, Inherent Vice) . Auch hier ist ein Autodidakt am Werk, das Radiohead Mitglied Jonny Greenwood.

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    AMAZONA Archiv

    Meine Erfahrungen decken sich leider mit dem Gros dessen was Dieter Schleip anführt. Allenortens und fast ausnahmslos Technokraten statt Kreativität.

    Nebenbei bemerkt: Es ist schon paradox, dass trotz 8,3 Milliarden GEZ-Rekordeinnahmen der Druck auf die Selbständigen in der Kreativwirtschaft des ÖRR permanent ansteigt.

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      Franz Walsch AHU

      Ich erinnere mich gelesen zu haben das es immer weniger Geld für Produktionen gibt. Das Geld geht hauptsächlich in die Rückstellungen der Pensionskassen. Sehen tut man das schon seit Anfang des Monats, denn seither läuft die Sommerpause bis Ende August. Aber Privatjets der ÖR zur WM!

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        TobyB RED

        @Franz Walsch Hallo Franz,

        wenn der gecharterte Privatjet wie hier günstiger ist als ein Linienflug, dann spricht doch nichts dagegen. Irgendwie müssen die nun von A nach B kommen.

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          Franz Walsch AHU

          @TobyB Ich verstehe nicht warum? Die Bilder kommen vom Fr.-TV und liessen sich bequem von Hamburg und Mainz kommentieren. Zwei kleine freie Teams vor Ort mit Redakteur und Moderator würde aus meiner Sicht völlig reichen.

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            TobyB RED

            @Franz Walsch Hallo Franz,

            Es kommen eben nicht alle Bilder in den den Sendezentralen an, für O Töne und Interviews braucht man nun vor Ort Teams. Und Liveschaltungen benötigen nun mal einen Aufwand an Technik. Und ehrlich gesagt, da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Sollen mit Autos oder TGV durch Frankreich reisen? Das wäre beim Spielplan ohne Übernachtungen auch nicht möglich und bei Linienflügen gibt es Restriktionen, wie Nachtflugverbot. Und da die Chartermaschine nur bei Spielen der DFB Elf zum Einsatz kommt, ist da ok.

    • Profilbild
      TobyB RED

      Hallo Knutinge,

      der ÖRR kauft Programme, Übertragungsrechte und Filme ein. Produziert wird dann von solchen Firmen wie Ufa, Studio Hamburg und Endemol usw. Da versinkt das Geld. Beim ÖR ist alles budgetiert. Und die Pensionskassen bekommen nur 50 % Beiträge von den Sendeanstalten, den Rest zahlen die Festen, Festen Freien und Freien. Ausserdem sind 42 Mio Umsatz/Rentenkasse p.A bei 248,2 Mio(Werbeumsatz ohne Gebühren ARD 2015) auch kein Aufreger. Das Privatfernsehen hat das doppelte an Umsatz und vermutlich noch schlechtere Arbeitsbedingungen.

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        AMAZONA Archiv

        @TobyB Erstens: Werbefinanziertes Fernsehen ist gebührenfrei, im Unterschied zum quasi Steuerfinanzierten ÖRR. Dies gilt umso mehr wenn man kein Empfangsgerät besitzt.

        Zweiten: Es ist bisher noch niemandem gelungen, mir den Mehrwert des erwiesenermaßen Weltweit kostspieligsten Sender-Konstrukts glaubhaft zu machen.
        Nur mal als Beispiel: Der US-Amerikanische Pendant zum ÖRR, der sog. „Public Broadcasting Service“ wird jährlich mit lediglich 500 Millionen US$ aus Steuermitteln finanziert.

        Auch kann ich Deine These, dass bei Privatsendern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, nicht bestätigen.

        PS. Zu Deiner Hypothese, dass ein gecharterter Privatjet günstiger als eine Linienflug ist, hätte ich gerne belastbare Zahlen.

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          TobyB RED

          Hallo Knutinge,

          Privatfernsehen ist nicht gebührenfrei, ASTRA HD(+) und diverse KabelTV Anbieter nehmen Zugangsgebühren. Und an der terrestrischen Verschlüsselung mit DVB T2 wird gearbeitet und die wird implementiert. Zu einer pluralen demokratischen Gesellschaft gehört ein gebührenfinanzierter ÖRR dazu. Das amerikanische PBS kannst du nicht vergleichen, die machen teilweise noch nicht mal eine Basisversorgung, ich würde das eher mit den deutschen „Offenen Kanälen“ vergleichen. Drittens ich bin verdi Mitglied und bekomme über connex av ungefiltert mit wie es derzeit abgeht. Nur weil jemand sagt, dass bei Privaten alles besser ist, stimmt das noch lange nicht. Was im Umkehrschluss auch nicht heisst das beim ÖRR, Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Und ohne den ÖRR würde es hier in Deutschland noch schlimmer aussehen. Klar gehen mir die x-te Verfilmung von Uta Danella und der 50. Relaunch der Schlagerparty auf die Nerven. Aber dafür habe ich ARTE, ZDF Kultur, Einsfestival oder BR Alpha und Phönix. Oder diverse Radioprogramme. Was wiederrum andere nervt oder unverständlich ist. Nur stellt sich mir weder die Frage nach dem Status Quo der ÖRR noch nach der Gebühr hierfür. Und mehr möchte ich dazu nicht sagen.

          • Profilbild
            TobyB RED

            @TobyB Weil es am Kernproblem vorbeiführt, wir haben auf der einen Seite eine Budget finanzierte Körperschaft öffentlichen Rechts, die das Budget nicht überschreiten sollte und auf der anderen Seite Produzenten(Produktionsfirmen) die nach Effizienz, Produktivität, Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung arbeiten. Und das passiert zu Lasten von Wem?
            Die Kosten für die Privatjets wurden ja nun lang und breit durch die Presse getreten.
            http://www.....98971.html

  4. Profilbild
    Tyrell RED

    Grundsätzlich – und das gilt nicht nur für Filmmusik – ist Filmproduktion in Deutschland ein durch und durch bürokratischer Akt. Die gesamte Finanzierungskette ist getrieben von Sicherheitsdenken und Kontrollstufen. Am Ende gilt in Deutschland: „Der Köder muss dem Angler schmecken und nicht dem Fisch!“

  5. Profilbild
    rw1957

    Ein gutes Interview. Danke!

    Bitte in Zukunft aber den Gender-Kuddelmuddel – Als ich anfing, war der Regisseur/in mehr oder weniger noch der Chef/in. Heute ist es der Redakteur/in. – weg lassen.

  6. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schönes und aufschlussreiches Interview. Schön, auch mal andere krumme Karrierewege beschrieben zu bekommen.
    Und um die obig angerissene Genderdiskussion aufzugreifen. Ich finds gut, dass ihr genderkuddelmuddelt. Denn:
    Beware: The whole life is a kuddelmuddel :)

  7. Profilbild
    iggy_pop AHU

    „Wenn ein Musiker anfängt, seine Instrumente zu verkaufen, steht es wirklich schlecht.“
    Den Punkt kenne ich, und ja: Dann steht es wirklich beschissen.
    „Ein Film wird anderthalb Jahre gedreht und geschnitten, und zwei Wochen vor der Premiere fällt den Machern ein, daß sie noch eine Filmmusik brauchen. Man hat also zehn Tage Zeit, um sich was auszudenken und noch die Korrekturen für die Produzenten vorzunehmen. Ein absolut undankbarer Job.“ (Mark Shreeve)

  8. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Na das ist ja witzig! Ich sehe gerade den Artikel und das Photo von seinem Zimmer und denke: Nanu! Das ist doch Batics Wohnung aus „Tatort“ :“ Der Tod ist das ganze Leben(so ab Min. 52, noch bis zum ca. 20.5.17 in der ARD-Mediathek) für den ders nicht glaubt .

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