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Interview: Dieter Schleip, Tatort-Filmkomponist und mehr …

(ID: 142552)

Dieter Schleip 9

Peter:
Gibt es darüber hinaus Librarys, die Du für die Filmmusik verwendest?

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Dieter:
Ich habe, glaube ich, eher wenig Material. Oft nur einen Sound aus einer ganzen Library. Ich bin da echt pingelig und habe eine genaue Vorstellung, wie etwas klingen muss. Ich mache viele Sounds selber, ich brauche dieses Gefühl von „Dreck“ in der Musik. Viele Librarys sind mir zu „sauber“. Ich hoffe, man versteht, was ich meine.

Und wenn es irgendwas mit Saiten zu tun hat, versuche ich sowieso alles selber zu spielen. Für die Trailermusiken hingegen brauche ich natürlich ganz anderes Material als für einen depressiven Autorenfilm. Da muss man mit „Hollywood“ Librarys arbeiten. Wenn man diese Wucht mit echten Musikern aufnehmen müsste, ginge das ins Geld. Außerdem legen die Trailerproduzenten (also die, die ich kenne), gar keinen Wert darauf, ob es mit „echten“ Instrumenten gespielt ist oder nicht. Hauptsache es rrrruummmst an der richtigen Stelle.

Peter:
Ist Filmmusik-Komponist heute immer noch Dein Traumjob?

Dieter:
Auf keinen Fall! Ich wäre lieber Psychoanalytiker geworden! Bei all den „Patienten“ in unserem Business würde einem nie die Arbeit ausgehen – nein, nein, das ist natürlich nur Spaß! Musikmachen ist wirklich eine schöne Arbeit. Wenn man da mal in den richtigen Flow kommt, ist es eines der schönsten Gefühle, die es gibt und der schönste Job der Welt!

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Ich habe mir schon seit Jahren die mentale Einstellung antrainiert, dieses Gefühl bei der Arbeit an einem neuen Film so lange es geht zu erhalten. Mit der ersten Abnahme ist dieses Gefühl in der Regel dann vorbei – schade! Das gehört aber zum Job. Manchmal gibt es auch sehr schöne Zusammenarbeiten mit entspannten Leuten, die nicht jeden Ton kontrollieren müssen.

Peter:
Welches Projekt war Deine unangenehmste Erfahrung als Profi und weshalb?

Dieter:
Das kann ich so direkt gar nicht sagen, da gab es schon eine Menge Kröten zu schlucken . Ich tröste mich damit, dass das wohl in jedem Beruf so ist. Für mich wird es besonders schlimm, wenn mir die Leute keinen Respekt für mich oder meine Musik entgegenbringen.

Das machen die dann allerdings genau 1x. Dadurch hat sich im Laufe der Zeit mein lange gebasteltes „Netzwerk“ stark ausgedünnt. Damit kann ich aber gut leben und habe dadurch keine Haltungsschäden (lächelt).

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Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schön, sehr ehrlich, sehr sympathisch: Die negativen Zwischentöne gegenüber den GEZ Lakaien verweisen allerdings auf Schleip selbst zurück. mit andern Worten „Achtung Dieter, Glashaus“ ;-)

  2. Profilbild
    Franz Walsch AHU

    Leider haben die fallenden Produktionskosten zu sehr schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen bei Kamera, Ton & Co. geführt. Qualität wird auch zu Dumpingpreisen erwartet. Was gut ist entscheiden dann Amateure … . Eine traurige Entwicklung. Umso erstaunlicher ist, das es noch Menschen gibt, die mit Spaß an der Arbeit ein gewisses Maß an Qualität durchsetzen. Das Kunst keinen großen Stellenwert hat, merkt man spätestens wenn mal wieder der Abspann gekürzt und man um den Genuss der Musik gebracht wurde.

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      AMAZONA Archiv

      @Franz Walsch @ Franz Walsch : Volle Zustimmung. Das Thema Filmvertonung ist in der Tat mehr oder weniger auf dem Abstellgleis der ÖR angekommen. Die immer selben Schemata der GEZ Filmchen, Drehbücher und Schauspieler haben längst auch im musikalischen Bereich dieselbe prekäre Qualität erreicht. Dieter Schleip Kompositionen, gerade die von Dominik Graf Filme werden mittlerweile ja auch schon von vielen Mitläufern nachgeahmt. Aber auch im Kino läufts nur noch selten anders. Die besten klanglichen kompositorischen Neuerungen (ob man es mag oder nicht) sowie m.E. auch die besten Musiktitel- Zusammenstellungen der letzten Jahren habe ich bei Filmen von Paul Thomas Anderson gehört (There will be blood, The Master, Inherent Vice) . Auch hier ist ein Autodidakt am Werk, das Radiohead Mitglied Jonny Greenwood.

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    AMAZONA Archiv

    Meine Erfahrungen decken sich leider mit dem Gros dessen was Dieter Schleip anführt. Allenortens und fast ausnahmslos Technokraten statt Kreativität.

    Nebenbei bemerkt: Es ist schon paradox, dass trotz 8,3 Milliarden GEZ-Rekordeinnahmen der Druck auf die Selbständigen in der Kreativwirtschaft des ÖRR permanent ansteigt.

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      Franz Walsch AHU

      Ich erinnere mich gelesen zu haben das es immer weniger Geld für Produktionen gibt. Das Geld geht hauptsächlich in die Rückstellungen der Pensionskassen. Sehen tut man das schon seit Anfang des Monats, denn seither läuft die Sommerpause bis Ende August. Aber Privatjets der ÖR zur WM!

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        TobyB RED

        @Franz Walsch Hallo Franz,

        wenn der gecharterte Privatjet wie hier günstiger ist als ein Linienflug, dann spricht doch nichts dagegen. Irgendwie müssen die nun von A nach B kommen.

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          Franz Walsch AHU

          @TobyB Ich verstehe nicht warum? Die Bilder kommen vom Fr.-TV und liessen sich bequem von Hamburg und Mainz kommentieren. Zwei kleine freie Teams vor Ort mit Redakteur und Moderator würde aus meiner Sicht völlig reichen.

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            TobyB RED

            @Franz Walsch Hallo Franz,

            Es kommen eben nicht alle Bilder in den den Sendezentralen an, für O Töne und Interviews braucht man nun vor Ort Teams. Und Liveschaltungen benötigen nun mal einen Aufwand an Technik. Und ehrlich gesagt, da muss man mal die Kirche im Dorf lassen. Sollen mit Autos oder TGV durch Frankreich reisen? Das wäre beim Spielplan ohne Übernachtungen auch nicht möglich und bei Linienflügen gibt es Restriktionen, wie Nachtflugverbot. Und da die Chartermaschine nur bei Spielen der DFB Elf zum Einsatz kommt, ist da ok.

    • Profilbild
      TobyB RED

      Hallo Knutinge,

      der ÖRR kauft Programme, Übertragungsrechte und Filme ein. Produziert wird dann von solchen Firmen wie Ufa, Studio Hamburg und Endemol usw. Da versinkt das Geld. Beim ÖR ist alles budgetiert. Und die Pensionskassen bekommen nur 50 % Beiträge von den Sendeanstalten, den Rest zahlen die Festen, Festen Freien und Freien. Ausserdem sind 42 Mio Umsatz/Rentenkasse p.A bei 248,2 Mio(Werbeumsatz ohne Gebühren ARD 2015) auch kein Aufreger. Das Privatfernsehen hat das doppelte an Umsatz und vermutlich noch schlechtere Arbeitsbedingungen.

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        AMAZONA Archiv

        @TobyB Erstens: Werbefinanziertes Fernsehen ist gebührenfrei, im Unterschied zum quasi Steuerfinanzierten ÖRR. Dies gilt umso mehr wenn man kein Empfangsgerät besitzt.

        Zweiten: Es ist bisher noch niemandem gelungen, mir den Mehrwert des erwiesenermaßen Weltweit kostspieligsten Sender-Konstrukts glaubhaft zu machen.
        Nur mal als Beispiel: Der US-Amerikanische Pendant zum ÖRR, der sog. „Public Broadcasting Service“ wird jährlich mit lediglich 500 Millionen US$ aus Steuermitteln finanziert.

        Auch kann ich Deine These, dass bei Privatsendern schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, nicht bestätigen.

        PS. Zu Deiner Hypothese, dass ein gecharterter Privatjet günstiger als eine Linienflug ist, hätte ich gerne belastbare Zahlen.

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          TobyB RED

          Hallo Knutinge,

          Privatfernsehen ist nicht gebührenfrei, ASTRA HD(+) und diverse KabelTV Anbieter nehmen Zugangsgebühren. Und an der terrestrischen Verschlüsselung mit DVB T2 wird gearbeitet und die wird implementiert. Zu einer pluralen demokratischen Gesellschaft gehört ein gebührenfinanzierter ÖRR dazu. Das amerikanische PBS kannst du nicht vergleichen, die machen teilweise noch nicht mal eine Basisversorgung, ich würde das eher mit den deutschen „Offenen Kanälen“ vergleichen. Drittens ich bin verdi Mitglied und bekomme über connex av ungefiltert mit wie es derzeit abgeht. Nur weil jemand sagt, dass bei Privaten alles besser ist, stimmt das noch lange nicht. Was im Umkehrschluss auch nicht heisst das beim ÖRR, Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Und ohne den ÖRR würde es hier in Deutschland noch schlimmer aussehen. Klar gehen mir die x-te Verfilmung von Uta Danella und der 50. Relaunch der Schlagerparty auf die Nerven. Aber dafür habe ich ARTE, ZDF Kultur, Einsfestival oder BR Alpha und Phönix. Oder diverse Radioprogramme. Was wiederrum andere nervt oder unverständlich ist. Nur stellt sich mir weder die Frage nach dem Status Quo der ÖRR noch nach der Gebühr hierfür. Und mehr möchte ich dazu nicht sagen.

          • Profilbild
            TobyB RED

            @TobyB Weil es am Kernproblem vorbeiführt, wir haben auf der einen Seite eine Budget finanzierte Körperschaft öffentlichen Rechts, die das Budget nicht überschreiten sollte und auf der anderen Seite Produzenten(Produktionsfirmen) die nach Effizienz, Produktivität, Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung arbeiten. Und das passiert zu Lasten von Wem?
            Die Kosten für die Privatjets wurden ja nun lang und breit durch die Presse getreten.
            http://www.....98971.html

  4. Profilbild
    Tyrell RED

    Grundsätzlich – und das gilt nicht nur für Filmmusik – ist Filmproduktion in Deutschland ein durch und durch bürokratischer Akt. Die gesamte Finanzierungskette ist getrieben von Sicherheitsdenken und Kontrollstufen. Am Ende gilt in Deutschland: „Der Köder muss dem Angler schmecken und nicht dem Fisch!“

  5. Profilbild
    rw1957

    Ein gutes Interview. Danke!

    Bitte in Zukunft aber den Gender-Kuddelmuddel – Als ich anfing, war der Regisseur/in mehr oder weniger noch der Chef/in. Heute ist es der Redakteur/in. – weg lassen.

  6. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sehr schönes und aufschlussreiches Interview. Schön, auch mal andere krumme Karrierewege beschrieben zu bekommen.
    Und um die obig angerissene Genderdiskussion aufzugreifen. Ich finds gut, dass ihr genderkuddelmuddelt. Denn:
    Beware: The whole life is a kuddelmuddel :)

  7. Profilbild
    iggy_pop AHU

    „Wenn ein Musiker anfängt, seine Instrumente zu verkaufen, steht es wirklich schlecht.“
    Den Punkt kenne ich, und ja: Dann steht es wirklich beschissen.
    „Ein Film wird anderthalb Jahre gedreht und geschnitten, und zwei Wochen vor der Premiere fällt den Machern ein, daß sie noch eine Filmmusik brauchen. Man hat also zehn Tage Zeit, um sich was auszudenken und noch die Korrekturen für die Produzenten vorzunehmen. Ein absolut undankbarer Job.“ (Mark Shreeve)

  8. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Na das ist ja witzig! Ich sehe gerade den Artikel und das Photo von seinem Zimmer und denke: Nanu! Das ist doch Batics Wohnung aus „Tatort“ :“ Der Tod ist das ganze Leben(so ab Min. 52, noch bis zum ca. 20.5.17 in der ARD-Mediathek) für den ders nicht glaubt .

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