Mit der Violine unterwegs im Auftrag von Moog
Im Interview Francesca Guccione: Ich habe die Violinistin das erste Mal auf der Superbooth 2022 gesehen und war begeistert von ihrer Arbeit mit der Geige und Synthesizern. Da ich selbst die Verschmelzung dieser musikalischen Bereiche liebe, habe mich sehr gefreut, Francesca für ein Interview gewinnen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Wir sprachen über ihren besonderen Stil, ihr Setup und ihre Leidenschaft für die Filmmusik. Und natürlich war auch ihre Zusammenarbeit mit Moog Thema unseres Interviews.
Der Stil von Francesca Guccione:
Alternative Klassik trifft Synthesizer
Sonja:
Als Violinistin beschreibst du deinen Stil als „alternative Klassik“. Magst du uns erklären, was wir uns darunter vorstellen können?
Francesca:
Wenn ich als Geiger meinen Stil als „alternative Klassik“ bezeichne, beziehe ich mich auf eine Mischung traditioneller klassischer Techniken mit modernen, experimentellen Elementen. Obwohl ich die Grundlagen der klassischen Musik respektiere, stelle ich gerne unkonventionelle Ansätze in Bezug auf Komposition, Instrumentierung oder sogar Genrefusion vor. Dies kann bedeuten, elektronische Elemente zu integrieren, zu improvisieren oder mit Künstlern mit unterschiedlichem musikalischen Hintergrund zusammenzuarbeiten. Es ist meine Art, die Grenzen der klassischen Musik zu erweitern und etwas Einzigartiges und Persönliches zu schaffen.
Sonja:
2022 habe ich dich live auf der Superbooth in Berlin gesehen und war absolut begeistert. Du warst damals im Auftrag von Moog vor Ort. Wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit Moog und wie können wir uns diese besondere Kooperation konkret vorstellen?
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Francesca:
Ich freue mich sehr, dass dir mein Auftritt beim Superbooth 22 gefallen hat. Was für ein schöner Zufall! Meine Zusammenarbeit mit Moog begann eher organisch. Die Verschmelzung akustischer und elektronischer Elemente hat mich schon immer fasziniert, und Moog-Synthesizer passten perfekt zu dieser Vision. Ich begann zunächst mit Moog-Geräten zu experimentieren, um einzigartige Klanglandschaften zu schaffen, die den Reichtum der Geige mit der Tiefe und Textur der analogen Synthese verbanden.
Schließlich wurde Moog auf meine Arbeit aufmerksam und wir begannen ein Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit. Insbesondere möchte ich Alex Arslan danken, dem ehemaligen Account Manager von Moog Music Berlin, der mich kontaktierte und mich zum Superbooth 22 einlud, nachdem er einige meiner Videos auf Instagram gesehen hatte, in denen ich eine Moog Grandmother verwendete.
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Konkret bedeutet diese Partnerschaft, dass ich Moog-Instrumente verwende, um meine Auftritte und Aufnahmen zu verbessern. Ob Live-Improvisation oder Studioarbeit, die modularen und semi-modularen Systeme von Moog ermöglichen es mir, meine Kreativität noch weiter voranzutreiben. Es ist eine perfekte Mischung aus Tradition und Innovation und ich habe das Gefühl, dass ihre Instrumente zu einem integralen Bestandteil meines „alternativen klassischen“ Sounds geworden sind.
Sonja:
Aufgrund deiner Vorliebe für die Kombination von Bild und Ton hast du ein Geigenstudium in Palermo mit einem Studium der Komposition und der Filmmusik verbunden und warst zunächst noch ganz auf deine Violine konzentriert. Wann kamen die Synthesizer und Effektgeräte dazu?
Francesca:
Neben meinem Geigenstudium hatte ich schon immer eine tiefe Neugier für die Welt der elektronischen und experimentellen Musik. Darüber hinaus war ich schon immer ein großer Fan von Filmmusik, daher war das Studium der Filmkomposition für mich eine natürliche Weiterentwicklung.
Anschließend schrieb ich mich für einen Masterstudiengang in Filmmusik am Konservatorium von Rovigo ein und begann dort zunächst mit DAWs und einigen digitalen Synthesizern wie Serum oder Alchemy zu experimentieren, später dann mit analogen Geräten wie Synthesizern und Audioeffekten.
Sonja:
Verrätst du uns etwas über die Inspirationsquellen deiner Kompositionen und haben sie sich durch die Arbeit mit analogen Synthesizern und Effektgeräten verändert?
Francesca:
Meine Inspirationsquellen sind sehr vielfältig. Ursprünglich waren meine Kompositionen stark von klassischer Musik und Filmmusik sowie den emotionalen Landschaften, die sie hervorrufen, beeinflusst. Das Zusammenspiel von Musik und Bildmaterial hat mich schon immer inspiriert und diese Verbindung hat einen Großteil meiner Arbeit bestimmt. Natur, Emotionen und Geschichtenerzählen sind ebenfalls Schlüsselelemente, die meinen kreativen Prozess beeinflussen.
Seitdem ich jedoch begonnen habe, mit analogen Synthesizern und Effekten zu arbeiten, hat sich mein Ansatz zur Komposition weiterentwickelt. Die taktile und unvorhersehbare Natur dieser Instrumente hat neue Möglichkeiten zur Schaffung von Texturen und Atmosphären eröffnet, die ich mit akustischen Instrumenten allein nicht erreichen konnte. Es hat meine Klangpalette erweitert und ermöglicht es mir, tiefere, abstraktere Klangebenen zu erkunden. Synthesizer haben mich in vielerlei Hinsicht dazu ermutigt, in meinen Kompositionen experimenteller und spontaner zu sein und die Präzision klassischer Musik mit der Fluidität und Unvorhersehbarkeit elektronischer Klänge zu verbinden.
Verschmelzung von Elektronik und Akustik
Sonja:
Wie sieht dein Setup derzeit konkret aus?
Francesca:
Mein Setup ist immer recht wandelbar und es hängt immer von der Performance ab, die ich vorbereite, dem Kontext oder dem Ergebnis, das ich erreichen möchte. Das Equipment, das mir zur Verfügung steht, ist aber das folgende:
• Eine akustische Geige und eine sechssaitige Fortevio-Elektrogeige, die ich verwende, um eine größere Tiefbasserweiterung zu erreichen
• Ein Moog Matriarch , ein Moog Grandmother , ein Moog Mother-32 und ein Moog SubHarmonicon. Meine Babys.
• Ein Arturia MicroFreak. Super vielseitig und ich liebe es, den integrierten Vocoder zu verwenden.
• Ein Teenage Engineering OP-1-Field. Ein unglaubliches Tool. Klein, aber mit endlosen Möglichkeiten.
• Drei Elemente des verrückten Teenage Engineering Choir (Bogdan, Miki und Gisela). Ich bin in sie verliebt.
• Ein Boss RE-202, das ich gerne mit Synthesizern verwende.
• Ein Microcosm Hologram. Der Name reicht.
• Eine Boss RC-600 Loop-Station
• Mehrere Mikrofone wie das sE2200 oder das DPA 4099 Core Violin
• Eine Novation Launch Control XL MKII
Ich führe alles über meine Soundkarte und die Ableton Live Suite auf meinem MacBook Pro 14 aus.
Sonja:
Du komponierst deine Stücke nicht nur selbst, du produzierst sie auch. Wie gehst du hierbei konkret vor? Welche Hardware und Software nutzt du und gibt es Besonderheiten bei der Kombination von Geige und analogen Synthesizern?
Francesca:
Tatsächlich komponiere und produziere ich meine Stücke selbst und genieße die volle kreative Kontrolle, die damit einhergeht. Im Studio verwende ich für die Produktion hauptsächlich Logic Pro, da ich damit jedes Detail des Klangs sorgfältig formen und verfeinern kann. Für Live-Auftritte wechsle ich zu Ableton Live, das durch seine Flexibilität und Spontaneität fantastisch ist, insbesondere bei der Integration von Live-Instrumenten und elektronischen Elementen.
Die eigentliche Herausforderung und Spannung besteht darin, den akustischen Reichtum der Geige mit der elektronischen Textur analoger Synthesizer zu verbinden. Beim Ausbalancieren ihrer Frequenzen und Dynamik ist besondere Aufmerksamkeit erforderlich, da die organischen Töne der Violine leicht in den elektronischen Schichten verloren gehen können. Durch den Einsatz von Effekten wie Hall, Delay und Modulation kann ich den Klang der Geige in die elektronische Welt erweitern und so eine nahtlose Verschmelzung beider schaffen.
Sonja:
Was denkst du über gesampelte Instrumente und Software-Streicher?
Francesca:
Ich denke, gesampelte Instrumente und Software-Streicher haben in den letzten Jahren einen langen Weg zurückgelegt und können sowohl bei der Komposition als auch bei der Produktion unglaublich nützliche Tools sein. Sie bieten ein gewisses Maß an Komfort und Zugänglichkeit, insbesondere wenn es um die Erstellung von Modellen oder die Arbeit an Projekten geht, die schnelle Bearbeitungszeiten erfordern. Insbesondere Software-Streicher sind ausdrucksvoller und realistischer geworden und ermöglichen es Komponisten, einen überzeugenden Orchesterklang zu erzielen, ohne ein komplettes Live-Ensemble zu benötigen.
Trotzdem glaube ich immer noch, dass nichts die emotionale Tiefe und Nuancen eines Live-Instruments wirklich ersetzen kann. Es gibt eine einzigartige Energie und Subtilität in der Live-Performance, die Samples einfach nicht reproduzieren können. Was in einem Aufnahmestudio passiert, mit Live-Musikern und allem, ist wirklich magisch.
Violinistin Francesca Guccione
Über ihre aufregendsten Projekte und die Filmmusik
Sonja:
Du hast schon mit vielen internationalen Künstlern zusammengearbeitet. Stellst du regionale Unterschiede in der Arbeitsweise fest und welches Projekt hat dich bisher am meisten begeistert?
Francesca:
Jeder Künstler hat eine persönliche Sensibilität. Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, wo man lebt, sondern nur auf die eigene künstlerische Seele. Es macht mir wirklich Spaß, mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten und meine Karriere beweist das. Es gab viele spannende Projekte.
Wenn ich mich nur für eines entscheiden müsste, würde ich sagen, dass es sich um eine besondere Zusammenarbeit bei einem bevorstehenden Projekt handelt, über das ich im Moment nicht sprechen kann. Ich kann nur sagen, dass ich es kaum erwarten kann.
Ein weiteres spannendes Projekt war der Auftritt im Nationalmuseum in Warschau im Juli dieses Jahres im Rahmen der Surrealismus-Ausstellung.
Sonja:
Du hast unter anderem auch an dem Soundtrack für den Film „Lubo“ von Regisseur Giorgio Diritti mitgewirkt, der bei den Internationalen Filmfestspiele in Venedig 2023 für den Goldenen Löwen nominiert wurde. Unterscheidet sich die Arbeit an einem Soundtrack von der Arbeit an einem eigenen Album?
Francesca:
Es war eine wirklich fantastische Erfahrung und dafür danke ich dem Komponisten des Soundtracks, Marco Biscarini, der mich in dieses Projekt einbezogen hat. Es war auch unglaublich, der Premiere bei den 80. Filmfestspielen von Venedig beizuwohnen.
Wie auch immer, bei der Arbeit an einem Soundtrack muss die Musik der Erzählung dienen und den emotionalen Bogen der Geschichte verstärken. Es geht um die Zusammenarbeit, nicht nur mit dem Regisseur, sondern mit dem gesamten Kreativteam, um sicherzustellen, dass die Musik die Bilder, die Charaktere und die Gesamtatmosphäre ergänzt.
Hinzu kommen zeitliche Einschränkungen, spezifische Aspekte und die Notwendigkeit, sich an die wechselnde Dynamik der Filmszenen anzupassen. Andererseits ermöglicht die Arbeit an meinem eigenen Album mehr kreative Freiheit. Ich kann meine eigenen musikalischen Ideen voll ausleben, ohne an eine Handlung gebunden zu sein. Es gibt mehr Raum für persönliche Experimente und künstlerischen Ausdruck.“
Sonja:
In Kürze erscheint dein neues Album. Auf was dürfen wir uns freuen und können wir dich eventuell auch irgendwo live sehen?
Francesca:
Ich kann es kaum erwarten, bis das Album herauskommt, und arbeite bereits am nächsten Album, genauer gesagt an den nächsten beiden. Ab Ende September werde ich für etwa zwei Monate nach Berlin ziehen, für ein europäisches Projekt in Zusammenarbeit mit Neue Meister (Kultur bewegt Europa). Bisher habe ich zwei bestätigte Termine in Berlin, einen am 9. November im Kolosseum, zusammen mit Jonas Hain, Robert Gromotka und Felicitas Conrad und einen weiteren am 24. November, ebenfalls im Kolosseum, wo ich für Roedelius eröffnen und mein neues Projekt „Euphonia“ präsentieren werde.
Sonja:
Was würdest du den Menschen da draußen gerne noch mitteilen?
Francesca:
Was ich gerne mit den Menschen teilen möchte, ist, wie wichtig es ist, neugierig und offen für neue Erfahrungen zu bleiben, sowohl in der Musik als auch im Leben. Für mich geht es bei Musik um Erkundung – das Vermischen verschiedener Stile, das Überschreiten von Grenzen und den Ausdruck von Emotionen auf eine Weise, die Worte manchmal nicht können.
Ich hoffe, dass sich Menschen durch meine Arbeit dazu inspiriert fühlen, ihre eigene Kreativität anzunehmen und ihre einzigartigen Wege zu gehen, auch wenn sie nicht in traditionelle Schemata passen.
Ich möchte die Menschen auch daran erinnern, dass Musik eine kraftvolle Möglichkeit ist, Kontakte zu knüpfen – sei es durch Live-Auftritte, Filmsoundtracks oder einfach durch das Anhören eines Stücks, das einen berührt. Sie ist eine universelle Sprache, die uns zusammenbringt und ich bin dankbar, Teil dieses Dialogs sein zu dürfen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich für das wunderbare und extrem inspirierende Interview mit Francesca bedanken. Ich hoffe, dass es in Zukunft noch sehr viel mehr von ihr zu hören gibt und sich andere Musiker durch ihre Arbeit inspirieren lassen.
Gutes Interview, werde mir mal Ihre Musik anhören.
Violine mit Effekten ala Jean Luc Ponty oder Hoelderlin, das ist schon was.
Oder Violine mit Synthesizer vermischt…
Vielen Dank für dieses interessante und aufschlussreiche Interview. Die Musik spiegelt eine äusserst hochwerte Klangsprache. Gefällt mir wahnsinnig gut.
Ich habe beeindruckt und mit großer Freude die Equipment-Liste von Frau Guccione durchforstet. Sie bedient sich offenbar keiner Schlachtschiffe sondern eher kleiner aber feiner Synthesizer und Effekte, die sie dann für ihre Musik einsetzt (ich rechne den »Matriarch« und den »Grandmother« mal nicht zu den Synthesizer-Schlachtschiffen, der »One« wäre das eher). Das finde ich höchst beeindruckend. Da macht sich also jemand Gedanken, was er für seine Musik einsetzt. Außerdem bin ich immer Fan von Künstlern, die eben bewusst oder unbewusst nicht ein riesiges Arsenal verwenden. Große Klasse.
Ihre Musik gibt es übrigens auch auf Bandcamp, wie ich mit großer Freude festgestellt habe. Die auf ihrer Website präsentierten Produktionen verweisen nämlich leider alle auf Spotify.
@Flowwater Kleiner Einspruch Herr Fisch: Den Grandmother sehe ich persönlich auch nicht als Flaggschiff-Synthesizer. Den Matriarch dagegen schon. 😎 Von der Größe und Preislage definiere ich den nicht mehr als kleiner Synthesizer. Auch der neue Muse wäre aus meiner Sicht ein Flaggschiff.
@Filterpad Aber kein Schlachtschiff-Synthesizer. Der Matriarch ist doch immer noch sehr überschaubar (im reinen Wortsinn, ohne Hintergedanken) in seiner Architektur.
@Flowwater Ohne Patchkabel schon. Aber mit diesen in der Anwendung wird dieser zum einen der Vielseitigsten auf dem Markt meiner Ansicht nach. 🙂
@Flowwater Der Bandcamp-Link ist jetzt eingefügt😉
@Sonja (Team DelayDude) 👍👍👍
Wenn ich persönlich meinen Favoriten in Geige-Crossover nennen würde, wäre das Vanessa Mae. Das hat more Music, was ich bei Francesca Guccione etwas vermisse. Ich denke aber durchaus das man die Moogs mit der Geige super verbinden kann. Das was Stradivari bei der Geige ist, wird bei Synthesizerfreunden oftmals das Moog Model D gesehen. Wenn Francesca die Technik mal beiseite legt und mehr Gefühl bei diesem Zusammenspiel hineininterpretiert, sehe ich da großes Potential. 👍
Francesca, sehr schöne Musik und klassisch sehr angehaucht. Man die Violine auch mit wenig Effekten mit Synthesizer vermischen.
Die möglichen Phrasierungen einer echten Violine sind am Synth kaum möglich…