Synthesizergehäuse für die Ewigkeit
Es ist immer wieder erstaunlich, dass einem trotz jahrelanger Erfahrung immer wieder völlig neue Aspekte begegnen, die mit der Kreation von Hardware-Synthesizern zu tun haben. Auf der diesjährigen Superbooth in Berlin traf ich erstmals Frank Rüffel, Inhaber der HMT Rüffel GmbH in Halsenbach. Der sympathische ‚Gehäuseproduzent‘ (mehr dazu im Interview) stellte dort einen Teil der Synthesizer-Gehäuse aus, die er aktuell produziert. Ich war vollkommen fasziniert von seinen Produkten, seiner Zusammenarbeit mit Designern und den spannenden Hintergrundinformationen – aber hört selbst:
Peter:
Hallo Frank, beschreib mal, was genau ihr macht.
Frank:
Wir sind Gehäuseproduzent und Full Service Dienstleister, in erster Linie für die Musikgeräte-Industrie. Wir decken also für unsere Kunden auf Wunsch den gesamten Bereich zwischen Produktidee und versandfertigem Gerät ab. Das ist schon eine sehr umfangreiche Angelegenheit und ich würde es einmal mit den Hauptabteilungen unseres Unternehmens beschreiben: Im Vorfeld die Konzeption und Konstruktion von Gehäusen, auf Basis eines sogenannten Pflichtenheft des Kunden. Dazu liefert der Kunde entweder eigene Designvorschläge oder wir involvieren unsere Designpartner, die sich in diesem speziellen Bereich auskennen und mit denen wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Dann kommt die Umsetzung, beginnend mit der Blechbearbeitung, stanzen, laserschneiden, abkanten, Bolzen setzen und dergleichen. Das Fräsen von Aluminium , Holz und Kunststoffkomponenten. Es folgt die Oberflächenveredlung, also lackieren, Pulverbeschichten sowie diverse Druckverfahren. Wir koordinieren auf Wunsch auch einen Großteil der Zukaufteile, Elektronik, Spritzgussteile und dergleichen. Abschließend kommt die Gerätemontage, beginnend bei ergänzender Handbestückung von Platinen, Kabelkonfektion, Endmontage, Inbetriebnahme, Verpackung und Versand. Im Idealfall liefern wir ein funktionsfähiges Gerät an unsere Kunden.
Peter:
Wie hat das alles angefangen? Warst du selbst Musiker und Synthesizer-Fan?
Frank:
Fasziniert hat mich schon immer die Branche an sich. Unser Vater hat uns von kleinauf jedes Jahr mit nach Frankfurt zur Musikmesse genommen, das war gerade in den 70er- und 80er-Jahren extrem spannend. Unglaublich interessante Leute konnte man dort treffen. Die besten Studiomusiker der Welt in einer kleinen Vorführkabine bei einer spontanen Session. Synthesizer-Fan war ich bereits in früher Jugend, spätestens nachdem ich Kraftwerk gesehen hatte. Ich hatte tatsächlich als Kind einige Zeit Orgelunterricht, jedoch mit wenig Erfolg, was wohl auch daran lag, dass es in diesem Alter eher uncool war. Ein Synthesizer, einfach nur zum Spaß, war damals unerschwinglich. Dann, vor 32 Jahren, konnten mein Bruder und ich, damals beide noch Studenten, einen Teil der Produktionsstätten eines insolventen Orgelbauers übernehmen. Das Kürzel HMT in unserem Firmennamen bedeutet übrigens Holz-Metall-Technik. Wir waren zu Beginn eine große Schreinerei, die Orgelgehäuse fertigte. Wir haben damals die Blechkomponenten der Bedienfelder außer Haus produzieren lassen. Dann kamen Firmen wie Access (Kemper), Waldorf, Quasimidi und einige andere auf uns zu und erst mit der Zeit und den geänderten Anforderungen haben wir die Blechfertigung im Hause auf- und ausgebaut. Aufgrund der Historie vor unserer Gründung haben wir hier immer noch die passende Peripherie, mit Spezialbetrieben für den Kunststoff-Formenbau, Platinenbestückungen und Holzbearbeitung und alle sind aufeinander abgestimmt.
Peter:
Wann ungefähr steigt ihr bei der Entwicklung eines Synthesizers ein?
Frank:
Wir wünschen uns immer, dass wir sofort mit im Boot sind. In der Regel ist es auch so. Der Kunde hat seine Idee. Wir sehen uns das dann an, besprechen das Budget und dann geht es los. Oft kommt ein Kunde auch über unserer Designpartner mit einem konkreten Entwurf zu uns und wir steigen dann ein.
Peter:
Auf was muss man besonders achten, wenn man Gehäuse von Synthesizern herstellt?
Frank;
Wenn du ständig eine spezielle Art von Geräten entwickelst und produziert, ist vieles für einen selbstverständlich und erscheint einfach. Es ist aber tatsächlich alles recht komplex. Bei den Keyboards kennen wir beispielsweise die gängigen Tastaturen, diese sind ja sozusagen die Nase im Gesicht des Gerätes und bringen die meisten Restriktionen mit sich. Wir wissen, bei welcher Dimension welche statischen Probleme entstehen können. Was kann ich mit Stahl oder Aluminium in welcher Materialstärke abbilden? Wie binde ich Holzkomponenten ein, nur optisch oder als tragende Teile? Wie integriere ich die Kunststoffkomponenten? Welche Oberflächen genügen den Ansprüchen an Optik und Belastbarkeit?
Am Ende muss alles servicefreundlich sein, schnell und einfach zu montieren und zu demontieren. Die Konzeption beinhaltet meist auch die Verpackung, heutzutage möglichst umweltfreundlich und nachhaltig. Auch immer im Blick deren Größe und Gewicht in Hinsicht auf die Versandfreundlichkeit.
Frank Rüffel: „Der Umweltaspekt ist ein wichtiger Punkt“
Der Umweltaspekt ist übrigens über den gesamten Produktionsprozess gesehen ein wichtiger Punkt geworden. Wir können so ziemlich für jeden Gehäusebestandteil dessen Herkunft nachverfolgen. Ursprünglich war das, was uns der Gesetzgeber da auferlegt, eine Belastung aufgrund der damit in Zusammenhang stehender Kosten. Immer mehr Kunden schätzen das aber mittlerweile und fordern sogar die Verarbeitung z. B. nachhaltig erzeugter Komponenten. Keine Verwendung von Tropenholz, Farben ohne Giftstoffe, demnächst „grüner“ Stahl. Mittlerweil sehe ich die strikte Einhaltung solcher Vorgaben sogar als positiven Bestandteil von Made in Germany.
Peter:
Beschreibe uns doch mal, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Designer und euch aussieht.
Frank:
Die meisten Designer kennen wir seit vielen Jahren. Zum Beispiel mit Axel Hartmann bin ich seit den 90ern befreundet. Der ständige Austausch ist extrem wichtig. Wir wissen, was aktuell technisch machbar ist. Materialien, Fertigungstechniken für Blech, Kunststoff, Holz, Oberflächenveredelung und Druckverfahren. Das kommunizieren wir regelmäßig. Er weiß genau, was er in seine Entwürfe integrieren kann. Es ergibt ja keinen Sinn, einen Entwurf auf den Weg zu bringen, der nicht innerhalb eines bestimmten Kostenrahmens umzusetzen ist. Ein gutes Designbüro wie er hat auch eigene Konstrukteure, die dann mit unseren von Anfang an eng zusammenarbeitet.
Peter:
Gibt es auch mal Designwünsche, die sich in dem vorgegebenen Kostenrahmen nicht realisieren lassen? Vielleicht hast du ein konkretes Beispiel.
Frank:
Natürlich gibt es das, aber am Ende realisieren wir irgendwie dann doch fast alles. Vielleicht ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Carbon, sehr coole Sache, aber unheimlich aufwendig zu verarbeiten und für die üblichen Stückzahlen dann zu teuer. Wir konnten das dann aber, zumindest die Optik, über ein Wasser-Transferverfahren realisieren und durch spezielle Druckverfahren. Wir haben auch schon Taster und Drehknöpfe vergolden lassen. Bedienfelder in Rostoptik, gummierte Chassis, komplette Geräte aus Plexiglas …
Manche Künstler lassen sich ihr Seriengerät nochmal individualisieren, da spielt dann Geld oft nur eine untergeordnete Rolle.
Peter:
Was sind denn vor allem die hauptsächlichen Kostentreiber bei der Herstellung von Gehäusen?
Frank:
Energie ist ein wichtiger Kostenfaktor. Wir haben jedoch bereits Anfang 2000 in unserer Planung Gebäudedämmung, LED-Beleuchtung, Solaranlagen und dergleichen vorgesehen und sukzessive umgesetzt. Dadurch sind wir heute sehr gut aufgestellt. Wie anfangs von mir angemerkt, ist eigentlich ein schlechtes Gehäusekonzept am Ende der größte Kostentreiber. Es sind oft nur Kleinigkeiten in der Formgebung, die aufwendige Fertigungsverfahren mit sich bringen und auf die aus Designsicht durchaus hätte verzichtet werden können. Daher ist es wichtig, dass wir früh im Boot sind, um die Sache bis hin zur Endmontage richtig durchzudenken. In der Endmontage wird viel Geld verbrannt, wenn diese aufgrund schlechter Konstruktion viel zu lange dauert.
Peter:
Ihr fertigt in Deutschland, wie stark spürt ihr da ausländische Konkurrenz, die vielleicht viel günstiger produzieren kann?
Frank:
Eigentlich recht wenig. Es gibt in Europa nicht viele Unternehmen, die man in ihrer Spezialisierung auf die Branche und in Bezug auf die Fertigungstiefe mit uns vergleichen kann. Ich kenne auch Vergleichsangebote aus fernöstlichen Regionen. Wenn man dann Transportkosten, Kosten der Administration, Finanzierungskosten hinzurechnet, ist das alles nicht mehr so gravierend. Wir punkten gegenüber Fernost durch hohe Flexibilität und kurze Reaktionszeiten. Wie gesagt schätzen immer mehr Kunden zusätzlich die ökologischen Aspekte einer Fertigung bei uns, da dies wiederum von ihren Kunden extrem positiv bewertet wird. In sonnenreichen Monaten sind wir energietechnisch fast autark. Wir produzieren hier im Hunsrück im einzigen Landkreis Deutschlands, der mit der Erneuerbar Plakette in Platin ausgezeichnet wurde, also fast 200 % des erforderlichen Strom aus hauptsächlich Windkraftanlagen bezieht. Wir sind neben DIN ISO 9001 und 13485 auch nach 14001 dem Umwelt Managment Zertifikat ausgestattet. By the way, ein sehr bekannter Hersteller aus Polen lässt bei uns produzieren, wo doch eigentlich Polen eher als Land günstiger Herstellkosten bekannt ist …
Peter:
Was war das aufwendigste Projekt, an das du dich erinnern kannst?
Frank:
Aufwendig, im Sinn von extremem Zeitdruck, sind Projekte, die zum Stichtag beispielsweise auf einer Messe stehen müssen. Da gab es schon Geräte, für die wir Tage und Nächte durchgearbeitet hatten, die dann persönlich zum Messestand gebracht wurden und noch so frisch lackiert waren, dass sie am ersten Messetag erst einmal niemand berühren durfte. Aufwendig in Bezug auf Design und Fertigungstechnik? Wir haben beispielsweise einen eh schon aufwendigen Schmidt Synthesizer für einen sehr bekannten Keyboarder und Produzenten in komplett eigenständig neuem Design aufgebaut. Da war so ziemlich jedes Einzelteil eine Sonderanfertigung, bis hin zur Tastatur, die komplett in Schwarz besorgt werden musste.
Peter:
Um euren Betrieb am Leben erhalten zu können, wieviel Aufträge braucht es da pro Jahr ungefähr?
Frank:
Da müsste ich dir ja Einblick in unsere tiefsten Strukturen geben. Du musst wissen, dass wir nicht nur für die Musikgeräte Industrie arbeiten. Wir fertigen auch Komponenten für medizintechnische Geräte, Steuergeräte und andere Gehäuse. Natürlich sind aber die „Musik-Gehäuse“ unser Steckenpferd und der Hauptumsatzbringer. Ich kann es dir wirklich nicht ganz genau sagen, aber es sind schon Gerätemengen im mittleren fünfstelligen Bereich, die unser Haus verlassen.
Frank Rüffel zum Generationswechsel
Zu meiner großen Freude kommt unser Generationswechsel jetzt auch richtig zum Tragen. Mein ältester Sohn Hendrik ist an Stelle meines Bruders ins Unternehmen eingetreten und treibt einige Innovationen voran. Auf der diesjährigen Superbooth war er darüber hinaus mit den ersten Eigenprodukten unter dem Markennamen NOA vertreten. Da greift er sehr erfolgreich auf unser gesamtes Netzwerk zurück, also Design von Axel Hartmann, Produktion bei uns und Feedback vieler unserer Kunden, die qualitativ hochwertige kleine Helferlein für Studio und Bühne suchen. Die erste Produktserie kommt jetzt im Oktober auf den Markt und ist schon so gut wie ausverkauft.
Peter:
Vielen lieben Dank Frank für das tolle Gespräch
Interessant was es alles für Jobs gibt. Dachte das Design und Gehäuseherstellung ein und dieselbe Baustelle ist. Verrückt! Man sieht bei den Gehäusebildern Waldorf, Access und U.D.O wenn man sich nicht irrt! Mich würden weitere Firmen interessieren. Ob Moog, Arturia oder ein Japaner dabei ist. Falls Frank das sagen darf. 🤭 Zumindest habe ich heute in Sachen Berufe was dazugelernt. Grüße gehen raus.
Sehr cool, danke fürs Interview.
Ich habe Herrn Rüffel auf der Superbooth kennengelernt und ein längeres und interessantes Gespräch mit seinem Metallverarbeitungsspezialisten geführt. Sehr sympathische Firma. Die gezeigten Produkte waren durchweg von hoher Qualität.
Herzlichen Dank für das Interview. HMT Rüffel ist für mich in diesem Kontext absolute Referenz und im besten Sinne perfekte deutsche Wertarbeit.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Gehäuseproduktion so vielfältig und interessant ist.
Wieder einer dieser Hidden Champions… die Gehäuse und Geräte aus dem Hause HMT Rüffel hatte ich – ohne es zu wissen – schon öfter unter den Fingern.
Interessant, dass die Firma auch Geräte „customized“, quasi pimp my keys… :)