Alan Parsons ist der Co-Producer seiner Songs
„Jens, would you mind substituting the Vocoder by singing the vocals again right now?“ fragt mich Alan Parsons, an seiner Neve-Konsole sitzend und dreht sich zu mir um. Eine Viertelstunde später stehe ich am Micro in der Vocal-booth im Parsonics-Studio in Santa Barbara, Kalifornien, und bin zugegebenermaßen nervös. So beginnt mein Interview mit Jens Steinmeyer.
Inhaltsverzeichnis
Wer sich für Moog-Synthesizer interessiert, dürfte Jens Steinmeyer sicherlich schon einmal hinter dem Moog-Stand auf der Musikmesse in Frankfurt oder der Superbooth in Berlin getroffen haben. Der passionierte Musiker und bekennende Synth-Fan macht seit seiner Kindheit Musik und hat im Laufe seines Lebens den Kontakt zu einigen Größen des Musik-Business aufgebaut. Darunter Bob Moog und Alan Parsons.
Mit Mut, Durchhaltevermögen und musikalischer Überzeugungskraft gelang es ihm, drei Songs gemeinsam mit Alan Parsons als Co-Produzenten aufzunehmen. Wie es dazu kam, erzählte er mir im Interview.
Wie alles begann:
Ein Qualmender Polysix und die Liebe zu Moog
Sonja:
Du hast ja schon einige sehr interessante Leute in deinem Musikerleben getroffen, aber wie fing denn eigentlich alles an?
Jens:
1974 kam ich das erste Mal mit einem Instrument in Kontakt. Es war das Klavier im „Herrenzimmer“ des Lebensgefährtens meiner Mutter. Das Instrument faszinierte mich und um dem Geklimper eine Struktur zu geben, beschlossen die Erziehungsberechtigten, dem Siebenjährigen Klavierunterricht zu geben. Mit etwa 14 Jahren kamen dann die ersten Bands und der erste Synthesizer, ein Korg Polysix hinzu. Die ersten Stunden mit diesem Gerät waren sehr aufregend, denn drei Stunden nach dem Kauf stiegt blauer Qualm aus der Wheels-Sektion auf. Der FI-Schalter im Haus flog heraus und hinterließ eine tief verstörte Mutter und Mängelgewährleistungsansprüche bezüglich des Keyboards.

Jens Steinmeyer hat nicht nur für Moog gearbeitet – er hat Bob Moog auch noch persönlich kennengelernt.
Ich habe eigentlich mein ganzes Leben lang über immer Musik gemacht, habe Songs geschrieben und bin live aufgetreten. An Aufnahmen in einem Studio war aber Anfang der 80er Jahre nicht zu denken, das war für einen Schüler unbezahlbar. Dabei bin ich allerdings schon damals vom Gear-Aquision-Syndrom erfasst worden und habe mir vom Konfirmationsgeld und dem Verkauf meiner Eisenbahn den eben erwähnten Polysix geleistet. Mein dritter Synth war dann ein gebrauchter Moog Rogue und ich war – heute würde man sagen – schockverliebt. Damit begann meine bis heute andauernde Liebe zu Moog.
Sonja:
Hast Du anschließend Musik studiert oder warst Du beruflich im Musikbusiness tätig?
Jens:
Nein, das kam für mich so nicht in Frage. Ich habe schnell gemerkt, dass dies mit vielen Nachteilen verbunden war, nicht zuletzt einer finanziellen Unsicherheit, die mir den Spaß an der Musik verdorben hätte, wenn ich versucht hätte, von dieser zu leben. Dennoch habe ich 11 Jahre lang Moog-Synthesizer auf der Musikmesse in Frankfurt demonstriert und tat dies auch zweimal auf der Superbooth in Berlin.
Sonja:
Wie kam das zustande?
Jens:
Als ich 2002 erfuhr, dass Bob Moog wieder einen Synthesizer baute, nach so langer Abwesenheit der ursprünglichen Firma Moog, traf mich das wie der Blitz. Dieses Gerät, es war der Voyager, musste ich haben und wenn es das letzte wäre, was ich mir in meinem Leben gönnen würde. Ich nahm Kontakt auf zum damaligen Deutschen Vertrieb, EMC, und bestellte mir ein Exemplar. Etwas später, 2004, wollte ich unbedingt sehen, wie die Geräte gebaut werden und flog zu Bob Moog nach Asheville in North Carolina. Bob kümmerte sich dort wunderbar um mich, zeigte mir die damals noch wirklich kleine Synth-Manufaktur und ging mit mir essen.
Ich habe ihm dann auf dem Voyager etwas vorgespielt, und scheinbar hat sich das nicht ganz so schlecht angehört, so dass er mich fragte, ob ich den Voyager nicht auf der Musikmesse vorführen wollte. Der Inhaber des Deutschen Vertriebes, Stefan Hund, wollte dies auch gerne und wir hatten ein wirklich tolles Team am Moog-Stand. Für die Messe habe ich mir dann immer von meiner eigentlichen Arbeit freigenommen.
Der Voyager ist auch nach wie vor mein monophoner Lieblings-Synth. Zum einen kenne ich ihn in- und auswendig; zum anderen hat er den typischen Moog-Sound, ist aber durch seine Architektur weitaus flexibler als der klassische Minimoog, den ich natürlich auch verehre. Besonders schätze ich aber am Voyager seine Sync-Sounds – und unterschätzt nicht das Touch-Pad!
Eigentlich sollte ich auch den Schmidt-Synthesizer 2011 auf der NAMM-Show in Los Angeles vorführen, jedoch machte mir meine damalige Flugangst einen Strich durch die Rechnung. Ich hatte den Schmidt aber bei mir zu Hause im Studio, und habe mit diesem einen Track auf meinem Album „Bordeaux“ aufgenommen (das Stück heißt „Headache from the Wine“). Ich denke, das ist die allererste Aufnahme, auf der das Tonmöbel verwendet wurde.
Sonja:
Was zeichnet Deine Musik aus?
Jens:
Ich bin ein Kind der Siebzigerjahre und mit Pink Floyd, Abba, Steely Dan und Al Stewart und natürlich mit dem Alan Parsons Project aufgewachsen. Das hat mich geprägt und spiegelt sich, so sagt man es mir zumindest, auch in meiner Musik. Ich würde meinen Stil als Keyboard-orientierten Pop-Rock bezeichnen.
Die Zusammenarbeit mit einer Legende des Recordings:
3 Songs mit Alan Parsons
Sonja:
Magst du uns etwas darüber erzählen, wie es zur Zusammenarbeit mit Alan Parsons kam?
Jens:
Ich kenne Alan jetzt seit etwa acht Jahren. Ich habe zunächst mehrere Master Classes seiner „Art & Science of Sound Recording“-Kurse besucht und war dementsprechend auch schon vorher einige Male bei ihm im Studio. Letztes Jahr, 2023, haben wir dann Stücke, die die Kursteilnehmer mitbringen durften, gemixt. Ich hatte auch einen Song vorgestellt, der Alan wohl ganz gut gefiel. Ich habe dann meinen Mut zusammengenommen und angefragt, ob er nicht Lust hätte, mehrere Stücke von mir mal genauer unter die Lupe zu nehmen und diese zu mischen.
Davon versprach ich mir insbesondere Hilfe beim Songwriting, meinen Arrangements und natürlich seine „Magic Hands“ bei der Produktion. Und dann kam es zu der eingangs erwähnten Situation. In der Alan Parsons zu mir sagte: „Jens, would you mind substituting the Vocoder by singing the vocals again right now?“. Eine Viertelstunde später stand ich also am Micro in der Vocal-booth im Parsonics-Studio in Santa Barbara, Kalifornien, und war zugegebenermaßen nervös.
Ich sollte die ursprünglich mit meinem GRP-Vocoder eingesungenen Parts spontan mit meiner Stimme vor dem Mann ersetzen, der schon als Assistent-Engineer bei der „Abbey Road“ der Beatles mitgewirkt hatte und danach die „Dark side of the moon“ von Pink Floyd aufnahm und solche Künstler wie die Hollies, John Miles oder Al Stewart mixte?
Ich dachte damals zunächst: Alan Parsons hatte doch selbst bei „The Raven“ 1976 auf seinem Project-Album „Tales of Mystery and Imagination“ einen Vocoder eingesetzt, aber während wir den Sound im Kopfhörer checkten, sagte Alan zu mir: „Der trägt nicht den ganzen Song durch“.
Zu meinem großen Erstaunen haben wir dann zusammen mit Noah Bruskin, seinem ProTools-Engineer, an 3 Tracks, zwei eigenen und einer Fremdkomposition, gearbeitet. Diese drei Songs darf ich jetzt als offiziell Co-produced by Alan Parsons/Noah Bruskin/Jens Steinmeyer bezeichnen. Die Songs hatte ich vorher zu Hause in Logic aufgenommen und in einem weiteren Studio bearbeiten lassen, in welchem auch die Drum-Tracks eingespielt wurden.
Sonja:
Wie würdest Du die Arbeit mit Alan beschreiben?
Jens:
Er ist der absolute Profi am Pult. Seine Ohren sind wahnsinnig gut, wobei er auch immer betont, dass er diese schont und nie zu lange laute Musik hört. Ihn zeichnet eine große Ruhe aus, die auch auf die ausstrahlt, die ihn umgeben. Ich habe mich bei ihm nie „lost“ gefühlt, obwohl ich natürlich vorher schon Bedenken hatte, ob ich dieser Aufgabe wirklich gewachsen bin.
Außerdem verfügt er über den typischen britischen Humor, der völlig unvermittelt auftritt und ungemein hilft, das Eis zu brechen. Er hält sich aber auch nicht mit seiner Meinung zurück; eines meiner Synth-Soli wurde auf seinen Hinweis durch ein Gitarrensolo ersetzt, denn „wir sind hier ja schließlich nicht bei Emerson, Lake & Palmer“. Aber auch das kam mit einem Augenzwinkern rüber.
Alte Synth-Schätze und robuste Repliken Roland JX-3P und Sequential Prophet 10
Sonja:
Welche Keyboards hast Du für die Aufnahmen verwendet und welche sind Deine Favoriten?
Jens:
Spontan fällt mir als erstes der Roland JX-3P ein. Mit seinem Chorus und dem warmen Roland-Sound ist er für mich das Wohlfühl-Schaumvollbad unter den Synths. Sogar Alan Parsons fragte mich, welcher Synth wohl für ein ausgesprochen seidiges Pad verantwortlich sei; das war der JX-3P.
Der neue Sequential Prophet 10 ist nicht nur optisch einfach wunderschön, er überrascht mich auch immer wieder. Trotz seines eigentlich nicht übermäßig komplexen Aufbaus bietet er musikalisch wunderbar einsetzbare Texturen. Er ist für mich mehr als ein Synth, ein richtiges Instrument mit eigenem Charakter.
Von Sequential mag ich auch den Trigon 6 sehr; mit seinen drei Oszillatoren kommt er manchmal schon waffenscheinpflichtig rüber. Ihn habe ich für unisono Bass-Sounds und Pads bei der neuen Produktion verwendet. Auf meinem neuen Album ist auch ein VintageVibe Piano zu hören. Dieses sind absolut gelungene Nachfahren des Rhodes, ohne dass ich mir Gedanken darüber machen muss, wann irgendwas beim Spielen kaputt gehen könnte.
Generell freue ich mich, dass es heutzutage so viele, perfekte Repliken der alten Instrumente gibt, die zuverlässig sind. Heißgeliebt habe ich auch immer meine Polymoogs. Alleine schon der 70er Jahre-Look war einfach nur sexy. Inzwischen besitze ich keine mehr, weil der Service-Aufwand zu groß wurde. Ich habe meine Polymoogs aber nicht „ins Tierheim gebracht“, sondern in gute Hände abgegeben, wo ich weiß, dass sie altersgerecht betreut werden.
Sonja:
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Jens:
Derzeit suche ich ein Label, welches meine Songs und die drei mit Alan co-produzierten Tracks veröffentlicht. Anfragen sind herzlich willkommen.
Ach, und zurück zu den eingangs beschriebenen Vocal-Aufnahmen im Parsonics-Studio: Diese liefen ausgesprochen unkompliziert ab, dank des Maestros, der das Mischpult zu spielen vermag wie ein Instrument …
Vielen Dank an Jens für diese beeindruckende Geschichte, die zeigt, dass man mit Biss, Talent und einem guten Timing auch als Hobby-Musiker durchaus mit den ganz Großen der Musikgeschichte zusammenfinden kann.
>[…] Ich sollte die ursprünglich mit meinem GRP-Vocoder eingesungenen Parts spontan mit meiner Stimme vor dem Mann ersetzen, der schon als Assistent-Engineer bei der „Abbey Road“ der Beatles mitgewirkt hatte und danach die „Dark side of the moon“ von Pink Floyd aufnahm und solche Künstler wie die Hollies, John Miles oder Al Stewart mixte? […]
*KREISCH* *PANIK* *SCHWITZ*
Da wäre ich auch nicht nur ein bischen nervös gewesen! 😁
Ich bewundere Alan Parsons und sein Lebenswerk sehr. Mit „Tales of Mystery and Imagination“ hat er selbst einen Klassiker geschaffen. Man sollte aber nie sein Co-Part Eric Woolfson vergessen, der einen großen Teil der Klassiker des APP komponiert hat.