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Interview: Peter Gorges 2004, von Keyboards zu Wizoo

Keyboards-Autoren-Legende und Wizoo Gründer

4. Oktober 2004

Es gibt so etwas wie das Urgestein der deutschen Keyboard-Szene. Die Rede ist von Peter Gorges, Jahrgang 64. Peter Gorges hat seine Popularität in der Branche vor allem seiner Tätigkeit als freier Redakteur des Fachmagazins KEYBOARDS zu verdanken. Seine fundierten Tests, gewürzt mit ironischen und sarkastischen Kommentaren, waren lange Zeit der emotionale Höhepunkt jeder Keyboards-Ausgabe.
Seine Praxisnähe verdankte er seiner Erfahrung als Studio-Keyboarder und Arrangeur für zahlreiche Produktionen zwischen 1985 und 2003. Mehr als 300 Artikel und 13 Bücher über Musiktechnologie stammen bislang aus seiner Feder. Darüber hinaus gilt Peter Gorges als Koryphäe des Sounddesigns, fungierte als Sounddesigner für fast alle größeren und kleineren Marken und wirkte als Berater bei der Entwicklung diverser Synthesizer mit. u.a. für Kawai, Clavia und Waldorf.
1997 gründete Peter Gorges schließlich seine eigene Firma WIZOO, bei der er bis heute als geschäftsführender Gesellschafter tätig ist.
Heute hat WIZOO drei Gesellschafter, neben Peter Gorges kein geringerer als der Komponist und Oscar-Preisträger Hans Zimmer, sowie der ehemalige Geschäftsführer von Steinberg Manfred Rürup.

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Amazona.de:
Hallo Peter, wie kam es 1997 zur Gründung von Wizoo?

Peter Gorges:
Die Zeitschrift Keyboards hat 1996 in einer Leserumfrage mehr aus Versehen festgestellt, dass der Name „Gorges“ unter den Lesern eine Honecker-artige Zustimmung hat und war interessiert, daraus mehr zu machen. Zur selben Zeit hatte der Musik Media Verlag einen der ersten großen Internet-Server (ja, vor 7 Jahren war das was Besonderes). Und ich hatte lange genug für andere gearbeitet, wollte nicht als 55jähriger Tester von Synthesizern enden und deshalb meinen eigenen Laden aufbauen. Das haben wir alles in einen Sack geworfen und Ende 1997 zusammen Wizoo gegründet.

Amazona.de:
Definier doch bitte „Honecker-artige Zustimmung“.

Peter Gorges:
Die Maximilian Universität in München, die eine Erhebung im Auftrag des Musik Media Verlages durchführte, fragte bei MM verwundert an, wer denn dieser „Gorges“ sei – denn dieser wurde auf einem Großteil der Fragebögen explizit lobend erwähnt, ohne dass je nach einem Autoren oder auch nur Artikeln gefragt worden wäre. Diese Popularität war natürlich für die Gründung einer gemeinsamen Firma ein Faktor.

Amazona.de:
Zunächst war Wizoo offensichtlich als Fachbuchverlag und Soundvertrieb aufgebaut. Offensichtlich ist es um diese Wizoo-Bereiche ruhig geworden, wieso?

Peter Gorges:
Um den Buchverlag ist es eigentlich nicht ruhiger geworden – die Zahlen der Veröffentlichungen und das Geschäftsvolumen sind heute größer als in den Gründungsjahren. Aber der Schwerpunkt hat sich natürlich verschoben. Den Buchverlag kann bei uns dank einer eingefahrenen Infrastruktur aus Autoren, Zulieferern und Partnerverlagen ein einziger Mann machen.
Worum es ruhig geworden ist, sind Synthesizer-Patches – das war allerdings noch nie ein nennenswertes Geschäft für uns, denn die Zeit, wo man für 64 DX7-Sounds noch Hunderte von Mark hinblätterte, war auch 1997 schon vorbei. Wir haben Sample-CDs hergestellt, da wir eh im Hintergrund sehr viel Library-Produktion für größere Hersteller gemacht haben. Ich finde allerdings inzwischen, dass Sample-CDs überholt sind. Noch kritischer finde ich, dass der Markt völlig überschwemmt ist. Es wird schwerer für die Guten, sich in dem völlig unübersichtlichen Angebot noch durchzusetzen, ohne zum Aal-Dieter zu verkommen. Und für einen User ist es heutzutage kaum noch möglich, aus diesem Überangebot die Guten herauszufischen.

Amazona.de:
Vor 2 Jahren folgte eine strategische Partnerschaft mit STEINBERG. Wie genau sah diese Partnerschaft aus?

Peter Gorges:
Die folgte daraus, dass wir erstens für ein Steinberg-Produkt namens LM-4 die Drum-Samples geliefert haben und für mich wie Manfred Rürup (zu dieser Zeit Geschäftsführer bei Steinberg) der nächste Schritt nach Sample-CDs eigentlich virtuelle Instrumente waren. Das aus dem simplen Grund, dass ein virtuelles Instrument nicht nur Samples abnudelt, sondern auch das Verhalten des Originals und die vielen kleinen Feinheiten, die sich durch Spielweise und Artikulation ergeben, mit modellieren kann. Ein Sample ist wie ein Bitmap, aber eigentlich will man ja eine Vektorgrafik. Das geht nur, indem man die Samples mit intelligenten (und auch ein paar einfachen) Algorithmen erweitert. Daraus entstand die Idee von The Grand, und aus The Grand alles weitere.

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Steinbergs Virtual Guitarist, eine Erfindung von Wizoo

Amazona.de:
In der Folgezeit entwickelte Wizoo namhafte VST-Plug-Ins für STEINBERG. Welche STEINBERG-Plug-Ins stammen bis heute aus der Wizoo-Schmiede?

Peter Gorges:
Neben dem genannten The Grand – das noch auf einer erweiterten HALion-Engine basierte – haben wir Virtual Guitarist, Virtual Guitarist „Electric Edition“, HALion String Edition (ein Streichorchester-VSTi), Xphraze und Hypersonic mit Steinberg gemacht.

Amazona.de:
Viele eurer attraktivsten Plug-Ins wie z.B. VIRTUAL GUITARIST wurden nie als AUDIO UNIT umgewandelt. Speziell Logic-User sind darüber natürlich sehr enttäuscht. Hatte das strategische Gründe auf Grund der Partnerschaft mit STEINBERG?

Peter Gorges:
Bis zu Hypersonic-Zeiten hat sich Steinberg dagegen gewehrt, andere Formate als VST zu unterstützen. Das kann ich aus Steinberg-Sicht natürlich verstehen – wenn Du Dein eigenes Format und dessen Weiterentwicklung auch optimal unter Kontrolle hast, warum sich mit Drittformaten rumschlagen, die ja auch letztlich die konkurrierenden Sequenzer unterstützen?
Mit der steigenden Bedeutung virtueller Instrumente hat man unserem Drängen dann aber nachgegeben, und wir konnten Hypersonic erstmals auch in einer AU-Version rausbringen.
Ich kann sicher absolut verstehen, dass Logic-User enttäuscht waren, wenn sie populäre Instrumente dort nicht nutzen können. Man sollte aber fairerweise nicht vergessen, dass die Ursache dafür war, dass Emagic – nicht Steinberg – eines Tages lapidar die VST-Unterstützung aus Logic rausgenommen hat, was eine ganz klare taktische Entscheidung gegen User-Interessen war, wenn auch strategisch erklärbar.

Amazona.de:
Durch den Verkauf von STEINBERG an PINNACLE hat sich bei STEINBERG viel verändert. Hat sich dadurch auch die Partnerschaft Wizoo/Steinberg gewandelt?

Peter Gorges:
Natürlich – Pinnacle hat dort ja anfangs keinen Stein auf dem anderen gelassen. Trotzdem besteht nach wie vor mit den Steinbergern in Hamburg eine gute Zusammenarbeit und es gibt immer noch zukünftige Steinberg-VSTis, die bei uns entwickelt werden.
Da Wizoo selbst sich durch den Weggang von Manfred Rürup von Steinberg sowie durch die Involvierung von Hans Zimmer (Filmkomponist) selbst ebenfalls sehr gewandelt hat, bekommen andere Bereiche bei uns jedoch eher den Schwerpunkt.

Amazona.de:
Jetzt spitzen wir natürlich die Ohren. Welche neuen Schwerpunkte sind das denn genau?

Peter Gorges:
Zum einen ziehen wir eine eigene Produktlinie virtueller Instrumente auf.
Grund: Es gibt Arten von VIs, die verkauft Steinberg besser als andere, es gibt aber auch – speziell für den professionellen Markt – Produkte, die bei Steinberg nicht optimal aufgehoben sind, weil die Mehrzahl der Anwender mit anderen Systemen arbeitet, oder es gibt sehr anspruchsvolle Dinge, die interessant, aber von den Stückzahlen her für Steinberg nicht interessant sind. Das wollen wir in Zukunft ebenfalls bedienen.
Des Weiteren arbeiten wir mit Hans Zimmer an einem sehr umfangreichen und exklusiven Projekt, dessen Ergebnisse speziell auf ihn und vielleicht noch einer Reihe handverlesener Komponisten zu Gute kommen sollen. Dazu werden in Siegburg eine komplette Hardware-Engine sowie ein extrem umfangreiches Sample-Development-System entwickelt. Hans steuert eine exklusive Library bei,deshalb auch die Beschränkung auf einen kleinen Kreis an Anwendern.

Amazona.de:
Wie kam es dazu, dass Hans Zimmer zu Wizoo stieß?

Peter Gorges:
Manfred und Hans sind eh seit Jahrzehnten befreundet. Hans hatte mich locker vor etwa zwei Jahren auf mögliche Zusammenarbeit angesprochen, da es ihn offensichtlich genervt hat, immer Software von der Stange einsetzen zu müssen, wo er doch sowohl das Know-How und auch das nötige Kleingeld hat, sich so was sozusagen maßschneidern zu lassen – das war der erste Ansatz.
Dazu kam letztes Jahr aktuell die Situation unseres neuen Entwicklerteams. Da Hans die Jungs kannte, ihre Arbeit sehr schätzte und seinen Beitrag dazu leisten wollte, dass sie in dieser Konstellation weiter arbeiten können, hat er uns angesprochen, ob wir uns nicht zu dritt ein Geschäftsmodell vorstellen könnten. Letztlich ist nach allen möglichen Überlegungen dabei herausgekommen, dass die Integration in Wizoo die erfolgversprechendste und für alle Beteiligten sinnvollste Option ist. Natürlich ist da für alle Beteiligten ein immenses Risiko dabei, aber momentan sieht’s so aus, als ob es funktionieren wird.

Amazona.de:
Sind Hans Zimmer und Manfred Rürup Gesellschafter, fest Angestellte oder in beratender Funktion bei Wizoo tätig?

Peter Gorges:
Ich denke, einen Hans Zimmer oder Manfred Rürup stellt man nicht mehr so leicht ein.
Wir drei sind Gesellschafter, ich führe die Geschäfte. Manfred ist der Wirtschaftsweise, dessen Erfahrung, Ruf und Kontakte für uns lebenswichtig sind. Hans wiederum öffnet uns Türen, ist an den oberklassigen Entwicklungen direkt beteiligt, gibt Impulse und produziert auch Content.

Das Wizoo-Team in Bremen

Amazona.de:
Gibt es weitere leitende Mitarbeiter bei Wizoo? Wenn ja, wie sind die Aufgaben verteilt?

Peter Gorges:
Es gibt in Siegburg den Entwicklungsleiter Michael Ruf. Er leitet das Team und dessen Projekte und koordiniert die Zusammenarbeit mit Manfred und mir sowie den Bremer Entwicklern – nicht nur wegen der räumlichen eine wichtige Rolle. In Bremen gibt es Reinhard Schmitz (Ex-Keyboards-Chefredakteur), der neben dem Buchverlag das Controlling in der Hand hat und dafür sorgt, dass wir jederzeit auch finanziell wissen, was wir tun. Insgesamt haben wir da ein sehr effektives Gefüge.

Amazona.de:
Ich stelle mir die Zusammenarbeit mit einem so prominenten und viel beschäftigten Partner wie Hans Zimmer, der noch dazu in USA lebt, sehr kompliziert vor. Funktioniert das alles über E-Mails, gibt es Meetings, etc.?

Die Wizoo-Macher (Peter Gorges, Hans Zimmer, Manfred Rürup)

Peter Gorges:
Ich fliege in regelmäßigen Abständen für eine Woche an meinen kleinen Schreibtisch bei Mediaventures in Santa Monica. Das stimme ich so ab, dass Hans auch gerade da ist, und dann kann man immer mal wieder zwischendurch offizielle Termine abhalten oder auf dem Flur reden. Ab und zu bin ich auch in London, wenn Hans dort produziert. Den Alltagskontakt halten wir über Mark Wherry, der bei Hans so eine Art technischer Leiter ist, und über regelmäßige Telefonate für kurze Abstimmungen. Funktioniert alles gut, weil wir uns eben nur punktuell „synchronisieren“ müssen und ansonsten jeder für sich arbeitet. Hans muss die Zeit für uns extrem einteilen, weil er sie aufgrund seiner Filmprojekte eigentlich gar nicht hat – ich weiß ohnehin nicht, wie er das alles hinbekommt.

Amazona.de:
Vor einigen Wochen wurde gemunkelt, dass WIZOO nach der Insolvenz von Creamware einige der leitenden Creamware-Entwickler ins Boot geholt hat – stimmt das?

Peter Gorges:
Sagen wir: Wir haben ein Team angeheuert, das aufgrund bekannter Umstände gerade frei und auf der Suche nach einer neuen Bleibe war und dessen Fähigkeiten sich mit den vorhandenen perfekt ergänzen. Es ging uns um die Leute und deren Fähigkeiten, nicht um die Herkunft oder deren Umstände, auch wenn das in der Musikerszene natürlich gerne der Hauptgegenstand des Flurfunks ist. Die Sache läuft aber schon seit über einem Jahr, und die Leute sind seit Februar bei uns. Insofern bin ich froh, dass es mit den Gerüchten doch noch so lange gedauert hat.

Amazona.de:
Inzwischen schreibst DU als Kolumnist auch wieder für Keyboards. Ist Dir die Arbeit ausgegangen oder bist Du ein Workaholic?

Peter Gorges:
Schön wär’s. Mich hat irgendwann mein steinaltes Jugend-Testeridol Gerald Dellmann angerufen und gesagt: „Gorges, warum schreibst Du nicht wieder mal dieses unwitzige Zeug, das uns früher immer Klagen und Anzeigenkündigungen eingebracht hat? Du hast weniger als eine Seite, und Geld gibt’s auch nicht“. Wenn jemand so an meine Eitelkeit appelliert – da kann ich einfach nicht widerstehen.

Demnächst erhältlich, Latino von Wizoo

Amazona.de:
Führt Peter Gorges ein geregeltes Familienleben oder bleibt dafür keine Zeit?

Peter Gorges:
Meine Frau sieht mich öfter als ihr lieb sein kann, weil sie bei Wizoo die Finanzen betreut. Gott sei Dank aber saugt der Job mich derartig aus, dass von mir des abends nur noch die Reste übrig sind, die sie ertragen kann. Ich habe es wirklich gut.

Amazona.de:
Letzte Frage: Peter Gorges ist ein exzellenter Musiker! Was ist daraus geworden? Gibt es Musikprojekte, in denen Du aktiv involviert bist?

Peter Gorges:
Ich mache aber ab und zu noch was fürs Herzblut. So habe ich letztes Jahr für den Simple-Minds-Drummer Mel Gaynor zu einem Remake von „Addicted to Love“ die Keyboards beigesteuert – Robert Palmer hat’s sogar selbst gesungen. Und neulich hat Hans mich, weil ich gerade rumstand, als Notcomposer engagiert für „King Arthur“. Die schöne Ironie: An so was wäre ich in einer Zeit, wo ich es aktiv versucht habe, nie rangekommen.
Aber mir geht’s wohl so wie jedem, der eben kein Popstar geworden und deshalb jetzt in der Musikbranche ist – auch ich plane dieses Album, das die Welt verändern würde, aber nie fertig werden wird. Aber wenn ich mal Zeit habe, räume ich aber schon mal das Studio auf und sehe alte Disketten durch. Ja, ich denke, das werde ich tun. Bald schon.

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Forum
  1. Avatar
    AMAZONA Archiv

    Hallo peter ich bin´s deine nichte
    nicht schlecht was du alles erreichst
    schick mir doch mal eine E-mail!!

  2. Profilbild
    Michael Knoch

    Hallo Herr Gorges, ich habe vor ewigen Zeiten bei Dirk Matten einen Prophet 3000 gekauft. Ist es möglich, das Sie der Vorbesitzer sind? M f G, Michael

    • Profilbild
      Dirk Matten RED

      @Michael Knoch Müsste ja vor Ende August 1999 zu Zeiten meiner Firma gewesen sein. Kann mich nicht daran erinnern, einen Prophet 3000 in Zahlung genommen und wieder verkauft zu haben. Ein bekannter Vorbesitzer macht darüber hinaus ein Instrument auch nicht besser und man macht damit auch keine schönere Musik.

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