Beatsteaks oder Max Raabe - Der Mann hinter dem Sound der Stars
Peter Schmidt aus den Ballsaal-Studios in Berlin im Interview: Einen Mix von ihm hat sicherlich jeder schon einmal gehört. Egal, ob Selig, Rosenstolz, Max Raabe oder Udo Lindenberg – dieser Mann hat den Sound unzähliger Alben der ganz Großen im deutschen und internationalen Musik-Business durch seine Arbeit als Mixing-Engineer beziehungsweise Producer geprägt.
Eine Zusammenarbeit mit Gareth Jones war das erste berufliche Ziel des gebürtigen Rheinländers Peter Schmidt. Kurze Zeit später bastelte er dann mit Gareth an Sounds des Depeche Mode-Albums „Black Celebration“. Er arbeitete mit Chris Kimsey, dem Produzenten bekannter Alben der Rolling Stones, Duran Duran, INXS oder New Model Army und war natürlich auch in den legendären Hansa Studios tätig.
2005 machte er sich selbständig und ist in den Ballsaal-Studios, wo er seit 2015 durch seinen Assistenten Alex Sitnikov unterstützt wird, maßgeblich an dem Sound von Stars wie Philip Boa, Blumfeld, den Beatsteaks, Keimzeit und vielen mehr verantwortlich.
Ein harmonischer Mix ist das Herzstück jedes großartigen Songs, und dennoch sind die talentierten Mixer in Deutschland oft im Hintergrund aktiv, ohne die Anerkennung zu bekommen, die sie verdienen. Ihre Arbeit ist ebenso bedeutend wie die eines Produzenten und trägt maßgeblich zur musikalischen Kunst bei.
Ich hatte das Vergnügen, mit Peter Schmidt, dem Inhaber der Ballsaal-Studios in Berlin sowie einem äußerst versierten Tonmeister, Mixing-Engineer und Producer, zu sprechen. Mit ihm habe ich die faszinierenden Aspekte der Mixing- und Produktionsarbeit erkundet, die dazu beitragen, dass Musik in voller Pracht erstrahlt.
Inhaltsverzeichnis
- Wie alles begann: Depeche Mode, Chris Kimsey, die Hansa Studios und Selig
- Peter Schmidt über Bandmaschinen, das Recording im Studio und Home-Recording
- Besonderes Mixing für die Mighty Oaks und Annette Humpe
- Depeche Mode und Joe Jackson
- Worauf es beim perfekten Mixing ankommt
- Plug-ins, Auto-Tune und analoge Steckfelder
- Die ultimativen Tipps für das Home-Recording
- Auswirkungen von Spotify und die Diskussionen über MP3
Wie alles begann: Depeche Mode, Chris Kimsey, die Hansa Studios und Selig
Sonja:
Es ist im Grunde egal, welches Album einer Band beziehungsweise eines Künstlers aus Deutschland man betrachtet, fast immer hast du deine Finger mit im Spiel. Und auch an den Songs zahlreicher internationaler Künstler warst du beteiligt. Bis dahin war es aber ein langer Weg. Nimmst du uns mit auf eine Reise von deinen ersten Berührungspunkten mit der Musik bis hin zum eigenen Studio?
Peter:
Als ich knapp 10 Jahre alt war, hat meine Mutter ein, zwei Jahre versucht, mich zu überreden, Klavier oder Geige zu lernen, weil das die beiden Instrumente sind, die sie gelernt hat. Und ich fand das aber fürchterlich. Klavier fand ich immer noch okay, aber Geige ist so ein Wahnsinn. Und dann hab ich zu mir gesagt, ich mach etwas komplett anderes.
Und hab dann ab der fünften Klasse bis zum Schulende am Gymnasium bei einem Drummer aus Ägypten Schlagzeug gelernt. Noch während der Schulzeit habe ich eine Band gegründet. Wir waren ein Trio und haben einfach Sachen nachgespielt. Irgendwann aber musste ich feststellen, dass es nicht meins ist. Ich bin nicht so eine Rampensau, die ins Licht muss. Die Rolle steht mir nicht.
Aber ich wollte unbedingt was mit Musik machen und habe gedacht: Okay, was kann das sein? Dabei freundete ich mich mit dem Gedanken an, hinter der „Glasscheibe“ in der Regie zu stehen. Bei der Musik, die ich gehört habe, stand auf der Rückseite immer „Produced und recorded by Gareth Jones im Hansa-Studio, Berlin“. Ich dachte: „Hey, guter Typ ist dieser Gareth Jones – den möchte ich unbedingt kennenlernen und eigentlich auch versuchen, mit ihm zu arbeiten.“
Mit 23 bin ich dann also aus dem Rheinland nach Berlin gegangen. Das war kurz vor dem Mauerfall. Und du musst dir vorstellen, auf der Köthener Straße standen damals nur zwei Häuser. Eins an der Mauer und das Hansa-Studio. Und für mich aus der Provinz war das so unglaublich. Das war halt so ein Palazzo. Und da bin ich dann rein, hab mich bei dem Manager Tom Müller, der leider vor wenigen Wochen verstorben ist, vorgestellt. Er hat dann gesagt: „Ach toll. Und was hast du für Ambitionen?“ Und da hat er mich gefragt: „Was hast du denn schon gemacht?“
Da musste ich halt darauf antworten: „Tom, gar nichts.“ Ich war noch nie in einem Tonstudio. Ich kenne Leute, die in einem Studio arbeiten, die haben mich überhaupt erst darauf gebracht, dass, wenn ich in die Popmusik will, ich nicht studieren und nicht auf die Schule, sondern gleich in die Praxis gehen sollte. Hier bin ich. Ich wollte ja unbedingt zu Gareth, aber er sagte: „Wenn du vorher noch nichts in der Richtung gemacht hast, dann kann ich dich nicht nehmen. Und ich zeige dir jetzt auch mal, warum.“
Er hat mich dann rumgeführt: Saal von Studio 2 Marillion. Dann oben wurde gemischt. Mit Union und Musicland in München waren die Hansa-Studios die einzigen Studios, in denen internationale Musik gemacht wurde. Musicland war ja das Studio, in dem unter anderem Queen aufgenommen haben.
Und da waren es halt diese Bands. Mehr Indie. Auch Nick Cave und David Bowie und so weiter. Und dann haben wir uns verabschiedet, und er meinte: „Peter, such dir was bei dir zu Hause in der Umgebung und dann kommst du nach einem Jahr wieder.“ Und da hab ich gesagt: „Als ob du dich an mich erinnern würdest…“ Und dann sagte er: „Doch, doch, mach mal.“ Ich fuhr dann also nach Hause und hab – glaube ich – ungelogen über 60 Bewerbungen rausgeschickt und Telefonate geführt, und da war nichts zu machen.
Das ist fast 40 Jahre her. Und als Letztes habe ich gedacht: „Okay, ich ruf jetzt bei der EMI in Köln an.“ Der damalige Chef, Herr Rothe, meinte: „Peter, leider sind alle internen Ausbildungsplätze besetzt.“ Daraufhin sagte ich: „Ich kann trotzdem einfach arbeiten, ich will auch kein Geld haben.“ Das war wohl der Schlüssel, denn da ist die Büchse aufgegangen. Ich habe parallel in Düsseldorf an der Oper gearbeitet, als Ankleider beim Herrenchor gearbeitet und habe da meine Erfahrungen gesammelt.
Nach acht Monaten habe ich gesagt: „Tom, ich will jetzt nicht ein Jahr warten, kann ich kommen und dann mal sehen?“ So, und dann kam ich nach Berlin. Berlin war dann die geilste Zeit. Ich habe zweieinhalb Jahre mit Gareth Jones und anderthalb Jahre mit anderen Bandproduzenten gearbeitet. Unter anderem mit Chris Kimsey, der zu der Zeit bereits drei Stones-Alben gemacht hatte.
Und ich konnte beide Seiten kennenlernen: Gareth als Indie- und Elektronik-Freak und eben Chris als Band-Producer. Aber irgendwann wurde mir klar, dass ich hier nicht wachsen konnte. Als dann gegen Ende 1988 Norbert Pape von Chateau Du Pape Studio in Hamburg bei Tom Müller anrief und nach einem Assistenten fragte, ergriff ich die Chance, wurde dort vorstellig und hatte den Job sofort.
Ich hatte ein halbes Jahr Probezeit, aber mir war eigentlich nach zwei oder drei Monaten klar, dass ich nicht angestellt sein will, ich will unabhängig sein. Zu der Zeit hat mich Gareth angerufen und gefragt, ob ich Lust hätte, mit nach England zu kommen. Dort würden wir in den Residential Studios wohnen und mit Rave –Bands wie beispielsweise Inspiral Carpets arbeiten. Klar, habe ich „JA!“ gesagt.
Nach dieser Zeit kam ich zurück nach Deutschland, nach Hamburg. Da hatte ich dann das Glück, dass ich auf Franz Plasa traf. Wir haben dann zusammen Selig gemacht. Das war eigentlich der erste richtige Karrierebaustein. Das war das Erfolgreichste, was ich bis dato gemacht habe. Dann folgten Echt, Udo Lindenberg und viele Andere. Danach habe ich eine Platte von Rosenstolz, Herz, gemischt. Sie wollten unbedingt ins Radio kommen. Das war bis dato bei ihnen nicht der Fall.
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Eigentlich war das damals nicht so meine Herzensangelegenheit, aber ich fand das Team toll und hab gesagt: „Ja, klar, wo wollt ihr das denn machen?“ „In Berlin wäre für uns toll, weil wir noch parallel Arbeiten zu erledigen haben.“ Und ich hab gesagt: „Wo denn bitte in Berlin?!“. Ich so verwöhnt war von dem SSL-Pult und der Gear-Schlacht bei Franz Plasa. Und da haben sie gesagt, dass wir mal eine Test-Session machen, es gibt ja das Teldex. Wir haben dann also eine Test-Session gemacht und uns darauf geeinigt, dass wir das machen. 2004 habe ich mich dann entschlossen, mein eigenes Studio einzurichten. Im September 2005 – da war noch der Echo – haben wir dann unsere Eröffnungsparty gefeiert.
Peter Schmidt über Bandmaschinen, das Recording im Studio und Home-Recording
Sonja:
Mit welchem Equipment hast du zu Beginn deiner Arbeit aufgenommen, wie hat es sich verändert, und mit welchen Geräten/welcher Software arbeitest du heute?
Peter:
Also es fing bei der EMI natürlich mit Bandmaschinen an. Die hatten da zwei Räume: einen SSL-Raum und einen für Bandaufnahmen. Das lief dann parallel mit dem Harddisk-Recording. Man fand einfach die Idee toll, immer noch beide Welten zu benutzen, da man den Effekt, den man über die Bandmaschine erzielen konnte, damals nicht mit dem Rechner erzielen konnte. Also wir reden von Bandsättigung und Ähnlichem. Das war damals digital nicht möglich. Die digitale Technik wurde dann aber immer besser, und dann wurden auch die Bandmaschinen zu teuer. Das Material war einfach teuer.
Dann kam der Atari, Logic und die Hardware-Systeme mit Logic, Pro Tools und so weiter. Jetzt nutze ich den Mac Pro mit Pro Tools HDX und arbeite mit einem Galaxy 64 I/O. Dennoch, ich habe ja eine Hybrid-Situation erlebt, also die analoge und die digitale Welt.
Sonja:
Von der ersten Anfrage bis zur fertigen Platte: Kannst du uns den Prozess in seinen wesentlichen Schritten skizzieren?
Peter:
Also, ich muss unterscheiden: Wenn ich als Mixer angefragt werde – denn das bin ich ja seit 2000 zu 90 Prozent –, dann ist das Prozedere so, dass ich immer versuche, es hinzukriegen, dass ich mich mit dem Künstler-Team am Anfang der Mixing-Session treffe. Wir hören die Rough-Mixe, manchmal auch Demos. Ich mache mir Notizen und finde es irre wichtig, dass wir gemeinsam in die Musik eintauchen. Wir hören in meinem Raum die Rough-Mixe, die die Künstler schon kennen, und ich gebe meinen Senf dazu.
Dann kommen Wünsche darüber, was ich gerne hören möchte. Der Künstler, der Sänger, der Drummer, der Produzent – jeder sagt etwas. Dann mische ich. Nehme mir aber zwei, drei oder auch vier Tage am Anfang, weil ich gerne in ein Projekt reinwachsen will. Um reinkommen zu können, legen wir immer alle Songs eines Albums in eine Session. Das kommt so aus dem Filmmusik-Denken. Und dann kann ich sagen: „Ah, das, was ich auf Song 6 auf dem Bass gemacht habe, klappt vielleicht auch auf Song 1.“
Deshalb brauche ich ein bisschen, bis ich die erste Version rausschicke. Die schicke ich gerne an den Produzenten. Dann bekomme ich ein Feedback, und erst, wenn er happy ist, geht es an die Musiker. Am Ende der Mixing-Session treffen wir uns alle wieder und machen eine Abnahme.
Wenn ich als Produzent oder Co-Producer gefragt werde, dann ist das Prozedere im Grunde so, dass man sich zum Demo-Hören trifft und gemeinsam Ideen entwickelt.
Es kommt immer ein bisschen auf den Act an, ob man es mit Bands oder Singer-Songwritern zu tun hat. Dann geht man in den Proberaum und anschließend ins Studio und nimmt auf. Die Aufnahmen bearbeite ich dann mit meinem Mitarbeiter Alex, der seit neun Jahren mit mir arbeitet. Wir gehen über diese Aufnahmen rüber, und dann geht es ans Mischen.
Wenn ich selbst als Produzent und Toningenieur gebraucht werde, ist der Vorteil, dass ich schon sehr früh die Zielrichtung vorgeben kann, was toll ist. Da gibt es nicht mehr so viele Fragen beim Mischen. Man muss das so differenzieren: Aufnahme, Produktion oder eben nur Mix.
Sonja:
Wirtschaftlicher Druck und technischer Fortschritt haben dazu geführt, dass heute nahezu jeder im Heimstudio seine eigenen Songs aufnehmen kann. Wie sehr beeinflussen diese Entwicklungen deine Arbeit, und wie stehst du generell zum Home-Recording von „Laien“?
Peter:
Ich finde, jeder Künstler, ob er jetzt Laie oder nicht Laie ist, sollte sich ein Ambiente schaffen, in dem er sich wohlfühlt. In dem er das Gefühl hat, hier kann er kreativ Musik machen. Das kann am See sein, das kann zu Hause sein, das kann aber auch in den Bergen sein, I don’t know. Jeder hat so seine eigene Vorstellung von Gemütlichkeit, auch Geborgenheit. Ich glaube nicht, dass sich die Leute zum Home-Recording mehr und mehr orientiert haben, weil sie dieses Gefühl haben wollten. Ich glaube, da kommen ja mehrere Einflüsse zum Tragen.
Also einmal die finanzielle Situation. Wir haben alle diese Corona-Phase durchgemacht, und dann kommt dazu, dass einfach die Budgets heruntergehen, weil die Einnahmen durch die Digitalisierung sinken. Also muss man ja irgendwie schauen, wie man das, was man will, mit dem Geld umsetzen kann, das man zur Verfügung hat. Hinzu kommt, dass viele sagen, dass die Dinge, die zu Hause entstehen, einen ganz eigenen Wert haben, weil sie eine eigene Atmosphäre transportieren, in der alles kreiert wurde.
Ich muss aber auch persönlich sagen, dass ich viel Musik kenne, die zu Hause entstanden ist und fertiggestellt wurde oder zu Hause entstanden und noch unfertig ist. Bei den Produktionen, die zu Hause fertiggestellt wurden, muss ich sagen, da fehlt mir oftmals etwas. Aber das ist Geschmack. Das ist ja nicht richtig oder falsch, aber ich finde oft, dass man da noch mehr hätte rausholen können.
Wenn aber Leute mit den Aufnahmen aus der Home-Recording-Ecke kommen, muss ich sagen, dass da vielleicht klanglich nicht alles optimal ist – was auch immer das bedeutet – aber der Vibe stimmt. Das ist toll, und dann kann man eigentlich hingehen und schauen, dass man das nimmt und weiterträgt. Ich bin der Meinung, man kann nicht alles in Personalunion 100 % leisten. Das Feld besteht aus Komponisten, Autoren, Instrumentalisten und vielen mehr.
Es ist also wirklich ein weites Feld. Und ich glaube nicht, dass du alleine mit der technischen Situation auch alles so abdecken kannst, dass es wirklich perfekt ist. Es gibt sicherlich einige, die das können, aber auch wenn man sagt „Ja, aber wie die Eilish…“ – Nein, wenn man die Leute kennt, die dahinterstecken, weiß man, dass da schon auch noch ein Mixer am Start war. So ein Low-End kriegst du nicht unter der Decke im Kinderzimmer. Das geht nicht. Du hörst es nicht. Aber ich finde, das kreative Element ist wichtig. Und ich bin nicht abgeneigt, aber ich glaube eben, dass man immer noch weiterkommt, wenn man seine Musik dann woanders hinbringt.
Sonja:
Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei dir aus?
Peter:
Also ich gehe mal wieder vom Mixen aus. Aus familiären Gründen pendle zwischen Berlin und Italien. Wenn ich in Berlin bin, bin ich dort um zu arbeiten. Das heißt, ich wohne gleich hier nebenan. Das habe ich immer geliebt.
Mein Alltag hier sieht dann so aus: Ich stehe früh, so um halb sieben auf und gehe eine Stunde spazieren. Das gibt mir die Chance zum inneren Dialog. Manchmal auch, um zu träumen. Ich höre keine Musik. Ich will mich inspirieren lassen, ich will einfach laufen, gehen, träumen. Es klärt sich auch ziemlich viel an einem Morgen. Dann komme ich wieder, gehe duschen, mache mir einen Kaffee und dann wird alles angeschaltet. Oder der Strom ist noch an, weil ich immer gerne auf Play drücke morgens und nicht erstmal loslegen muss mit dem Anschalten. Und dann höre ich sofort, was Sache ist und korrigiere, wo es notwendig ist. Dann kommt Alex, mein Mitarbeiter, und wir hören zusammen alles noch einmal durch, bevor die Version rausgeschickt wird.
Meist mache ich dann eine Pause, gehe vielleicht Milch holen, zum Bioladen und so etwas. Und dann liegt der nächste Song da, ich drücke auf Play und mache weiter. Mehr als 2-3 Stunden am Stück hänge ich nicht am Rechner. Nur, wenn es wirklich sein muss. Wenn es nicht anders geht.
Ich habe jetzt Kunden gerade aus Taiwan, da liegen sechs Stunden Zeitverschiebung zwischen uns. Das ist dann schwierig, dann muss man halt zur Tageszeit noch dranbleiben. Das ist dann so. Aber normalerweise ist das nicht so mein Ding. Wichtig ist, dem Song die Zeit und den Respekt zu geben, den er braucht. Ich glaube, man verliert auch den Spaß und den Fokus, wenn man zu lange dran sitzt.
Beim Mastering sagte mal ein Freund von mir, Greg Calbi von Sterling Sound – er ist mittlerweile 74 –: „Peter, wenn ich es beim dritten Mal nicht kapiert habe, beim dritten Mal durchhören, dann muss ich zum nächsten Song.“ Und das trifft es.
Und das Leben ist wichtig. Abends treffe ich mich gerne auch mal mit Freunden. Wenn ich dann um 21.00 Uhr vom Restaurant zurückkomme, dann gehe ich nochmal ins Studio. Wenn ich keine Lust habe, gucke ich mir einen Film an oder lese ein Buch. Das finde ich sehr wichtig. Also diese Aufmerksamkeit, um den Fokus nicht zu verlieren, dadurch, dass du permanent dran bist.
Beim Aufnehmen ist es anders, da gelten andere Gesetze. Da bist du in der Gruppe, und da musst du schon mal mitziehen. Wir haben neulich Drums im Clouds Hill in Hamburg aufgenommen. Da war klar, dass wir für fünf Tage weg sind und nur für diese Produktion da sind und bei Aufnahmen ist es auch anders, denn da kann man auch länger dranbleiben.
Außerdem gibt es hier auch eine Aufgabenteilung, und dann kann man das besser aushalten. Dann sind es auch schon mal 12 Stunden. Aber beim Mischen – und das finde ich wichtig – da braucht man frische Ohren.
Skurrile Aufträge in den Ballsaal-Studios:
Besonderes Mixing für die Mighty Oaks und Annette Humpe
Sonja:
Was war der skurrilste Auftrag, den du bisher angenommen hast?
Peter:
Einmal war das die Geschichte mit Mighty Oaks, das ist jetzt 10 Jahre her. Die erste Platte wurde klein und trockenaufgenommen. Produziert von Mirko Schaffer, aufgenommen von Robbie Stephenson. Die hatten aber kein großes Studio, also waren die Drums eher klein, es war alles klein und hatte keine Ambience. Die Band wollte aber einen richtig großen Ambient-Sound haben. Da hatten wir die Idee, dass wir alles Files durch den Saal schicken.
Du musst wissen, Sonja, der Klassiksaal hat Abbey Road 1-Format. Achtung! 450 Quadratmeter, mindestens 8 Meter Deckenhöhe und klingt einfach sensationell. Dort sind Speaker installier, und ich habe zwei Mikrofone, DPAs, die an den Lichttraversen hängen. In diversen Nachtsessions, weil der Tag belegt war, hatte Martin, mein damaliger Assistent, alle Spuren Instrument für Instrument für das gesamte Album durch den Saal noch einmal re-recorded. Das, was man auf dem Album jetzt hört, ist eigentlich alles durch den Saal gegangen. Das ist eine dieser Geschichten. Die fanden es dann geil.
Ein zweites Beispiel, vielleicht noch skurriler, ist dieses: Ich habe ein paar Platten für Max Raabe gemacht. Die Platten, die Annette Humpe produzierte. Und Annette, das erste Album war das, auf dem auch „Küssen kann man nicht alleine“ drauf ist. Es war eine reine Orchester-Aufnahme. Es wurde produziert von Annette Humpe, Christoph Israel und Max Raabe.
Eigentlich kam nur noch der Gesang von Max, und sonst kam alles von einem Orchester. Nur die Kontrabässe waren programmiert. Annette hat Demos gemacht und hier die Kontrabässe programmiert. Streicher waren auch zu hören, aber es waren halt Demos. Ich habe alles gemischt und nach drei Tagen kam sie zu mir, saß hinten im Sessel und sagte: „Ich finde das ganz schrecklich!“
Aber ich fand das großartig. Und dann sagte sie: „Nee, weißt du, ich kann das nicht aushalten. Die Bässe haben gar kein Timing mehr. Das ist ganz fürchterlich! Peter, weißt du was, können wir mal meine Demo mischen?“ Dann kam ich an die Files und dachte: Was soll das denn jetzt? Das war einfach ein Demo. So, dann mische ich das, und dann hören wir das auch mit meinem Assistenten, da war der Alex dabei.
Am Ende gab es eine Anhörung, bei der unter anderem auch die The Krauts anwesend waren, die Produzenten von „Haus am See“ und anderen Songs von Peter Fox. Vincent von Schlippenbach, Dirk Heinz Berger, Monk. Und Dirk ging dann zu mir und sagte: „Das ist ganz geil, aber findest du nicht, dass es klingt wie ein Demo?“
Aber gut, letztendlich sind es die Auftraggeber, die damit leben. Und für Max war das okay.
Peter Schmidt über ganz besondere Projekte:
Depeche Mode und Joe Jackson
Sonja:
Und welches Projekt hat dich am meisten begeistert?
Peter:
Begeistert? Black Celebration, Depeche Mode. Auch deswegen, weil es für mich das erste Mal war. Ich bin während der ganzen sechs Monate nur staunend mit offenem Mund und großen Augen durchs Leben gegangen. Ich kannte das ja nicht. Es ist für mich wirklich die beeindruckendste Produktion. Was man gemacht hat, wie es gemacht wurde, dass sogar der Plattenfirmenchef Daniel Miller von Mute jedes Wochenende nahezu mit dazu kam.
Und du musst dir vorstellen, Depeche Mode haben ja ihren Sound selber kreiert. Die haben synthetisiert. Wir sind rausgegangen, Gareth und ich, und haben Klänge generiert – daraus, dass wir gegen Metall geschlagen haben, einfach gegen alles. Und daraus wurden dann die Sounds, die du hörst, die jetzt mit jeder Taste zur Verfügung stehen. Insgesamt waren es neun Monate, drei davon vorher in London. Aber diese sechs Monate waren für mich unfassbar. Ja, deswegen ist es Black Celebration, weil ich bis dato nicht geglaubt habe, dass so etwas existiert.
Das andere Projekt, das mich sehr begeistert hat, war Joe Jackson. Joe kam zu mir. Er hatte ein Live-Album aufgenommen. Es wurde in sechs verschiedenen Orten aufgenommen, immer mit einem anderen Flügel. Es gab nur eine sehr sparsame Mikrofonierung, was die Ambience betraf, und er sagte: „Peter, ich möchte gerne, dass es klingt wie im Postbahnhof, Mitte, 11. Reihe.“ Und ich fand das genial! Und dann ergab es sich, dass ein paar Tage später die Red Hot Chili Peppers im Postbahnhof ein Konzert haben. Joe und ich sind dahin, stellten und in die 11. Reihe und Joe machte diese Geste auf dem Bild.
Da dachte ich: Okay, diesen Eindruck musst du aufsaugen, mitnehmen, und hab gesagt: „Joe, weißt du was, das Einzige, was da hilft, ist, ich mische deine Show komplett trocken, wir ziehen die Ambience-Spuren nur für den Applaus hoch und schicken dann das gemischte Album durch die PA im Saal vom Teldex. Weil du willst ja, dass es eine homogene Kiste wird und nicht nach sechs verschiedenen Abenden klingt.“ Und dann habe ich gesagt, der Einzige, der mir für die PA einfällt, ist Blackbox.
Ich rief Thilo an und meinte nur: „Ich muss das machen, egal, was es kostet oder was ihr zahlen könnt, weil meine Frau ist totaler Joe-Jackson-Fan.“ Dann haben wir die Sachen herangekarrt und in den Saal gestellt. Und, ich glaub, wir haben einen Tag lang den Sound eingestellt, mit Mikrofon-Delay-Lines, und Joe sitzt in der Mitte, drückt auf Play und grinste, irgendwie wie ein Honigkuchenpferd. Und dann sagte er: „Noch nie in meinem Leben habe ich mein Konzert von dieser Position, von dieser Perspektive aus gehört.“
Worauf es beim perfekten Mixing ankommt
Sonja:
Worauf kommt es beim Mixing in deinen Augen an?
Peter:
Nummer eins: die Abhörsituation. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Wenn du nicht beurteilen kannst, was du hörst oder du glaubst, es beurteilen zu können, du weißt aber, der Raum stimmt nicht – und es gibt Räume, die stimmen. Ich will jetzt keine Werbung für den Ballsaal machen, aber Ballsaal ist für meine Begriffe der bestklingendste Raum, zumindest den ich kenne. Leute kommen rein, es gibt nie eine Diskussion über den Sound, auch draußen nicht. Das ist ja das Wichtige, das muss ja überall gut klingen. Das ist das A und O. Du bist nur so gut, wie du hören kannst, meiner Meinung nach.
Das nächste ist ganz klar die Kommunikation mit dem Künstler. Was ich anfangs gesagt habe: Du sollst dich auf die Künstler einlassen, damit die Kommunikation so weit führt, dass du verstehst, was die Musik sagen soll. Und hoffentlich spricht sie auch so zu dir, und du verstehst es. Das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig, und das ist es eigentlich.
Technik, ja, die braucht man, aber eigentlich ist es so: Es ist alles im Grunde die Emotionalität. Also ich fand es so toll, dass Arnim von den Beatsteaks bei dem Smack Smash-Album, das ich gemischt habe, immer bestimmte Begriffe dafür hatte. Entweder: „Das holt mich total ab“ oder „Das erreicht mich nicht“. Diese beiden Sachen.
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Darum geht es in der Musik. Es ist scheißegal da draußen, wie du sie erzeugst, die Gefühle, aber sie machen was mit dir. Natürlich machen sie etwas Anderes mit dir als mit mir. Jetzt und heute. Aber morgen hörst du dann einen Track und denkst: Das hab ich gar nicht so wahrgenommen.
Und ich glaube, letztendlich ist es das. Also das Einfühlungsvermögen in die Musik und in den Künstler. Da hilft dir Technik. Aber in erster Linie geht es ums Hören und Zuhören. Du musst zuhören. Du musst es verstehen und zulassen.
Peter Schmidt (Ballsaal-Studios) über
Plug-ins, Auto-Tune und analoge Steckfelder
Sonja:
Was ich wunderbar sympathisch finde, ist, dass du ein großer Fan von analoger Technik bist. Was macht für dich den Unterschied zwischen Hard- und Software aus, und wo greifst du tatsächlich lieber auf ein Plug-in zurück?
Peter:
Ja, neben der reinen analogen Welt, die ich so „gefressen“ habe, verstehe ich die digitale auch. Die Plug-ins ticken nicht anders, sie klingen anders, aber sie ticken nicht anders, wenn sie gut gemacht sind. Ich finde, beide Welten können gleichberechtigt parallel existieren und sollten es auch. Und ich würde aus keiner dieser Welten ein Dogma machen wollen. Ich finde diese Hybrid-Situation genial.
Es gibt bestimmte analoge Komponenten, wie Hardware, die ich liebe, ich weiß, was sie tun, und ich nutze sie auch dafür. Aber wenn ich zum Beispiel abgedrehte Delays will, skurrilste Effekte haben möchte, nutze ich gerne abgefahrene Plug-ins. Also ich hole mir auch Inspirationen, und ich finde das toll. Oder bestimmte Phasing- oder Flanger-Tools, all das. Effekte im Rechner mit Plug-ins zu kreieren, finde ich total spannend.
Klanglich ist es so: Natürlich, ich habe nur einen Fairchild, ich habe nicht fünf Fairchilds. Es ist so, dass ich die für mich beste Klon-Variante nehme und damit arbeite, weil ich die Verzerrung mag, die Sättigung. Das machen die Plug-ins nicht, sie zerren zwar, aber sie haben kein Charisma. Und deswegen finde ich beide Welten wirklich gleichberechtigt.
Natürlich, weil ich ja nicht so viele Geräte habe. Es gibt einen EQ, den es so in der Form nicht als Plug-in gibt. Das ist ein Sontec, der ist fast 50 Jahre alt, und das ist mein Tool, weil die Höhen bekommst du mit keinem Plug-in so schön, finde ich.
Deswegen muss man gut ausloten und abwägen, was für einen selbst gut ist. Man muss ja nicht immer nur analog gehen – das ist Quatsch.
Sonja:
Was hältst du von Auto-Tune?
Peter:
Ich finde, wenn es gezielt eingesetzt wird, als Tool, mag ich es sehr. Ich rede jetzt nicht davon, wenn es als Effekt ganz bewusst künstlerisch eingesetzt wird, über das Überreagieren von Auto-Tune. Auto-Tune als solches – ja, es kontrolliere und nicht bloß pauschal über die ganze Spur lege. Ich bin auch kein Fan davon, wie es klingt, Aber es ist ein hilfreiches Tool und eine Unterstützung, definitiv.
Sonja:
Welches Gerät würdest du unheimlich gerne besitzen und nutzen?
Peter:
Im Zuge der ganzen Digitalisierung gibt es softwaregesteuerte Steckfelder, analoge Steckfelder. Du musst dir vorstellen, ein Studio wie meins hat analoge Geräte, die laufen auf dem Steckfeld auf. Das ist dann so wie früher die Telefon-Patches. Dann hast du da unheimlich viele Patch-Punkte, und du steckst deine Geräte dort. Und da gibt es etwas, unter anderem von Paul Wolff – es gibt auch andere Anbieter, aber ich finde das halt geil: eine Patch-Bay, die Software kontrolliert ist, ein Traum, eine Erleichterung.
Paul Wolff hat angefangen mit API-Pulten und hat auch mein Pult gemacht, und der ist sehr innovativ. Und das wäre so ein Teil, das ist recht teuer, wenn man die Masse bedienen will, die man zu belegen hat, und es ist auch irre aufwändig. Das hält mich noch davon ab. Du musst einen Techniker holen, der alle Punkte hinten am Steckwerk ablötet und neu auflötet. Da geht dann viel Geld und Zeit ins Land. Aber das ist etwas, von dem ich jetzt denke, wenn du mich so fragst, das ich gerne hätte.
Die ultimativen Tipps für das Home-Recording
Sonja:
Worauf sollten Musiker beim Home-Recording achten? Und hast du Empfehlungen für gutes Equipment für das eigene Heimstudio?
Peter:
Zuerst einmal ist es auch hier wichtig, dass man sich eine Situation schafft, der man vertraut, also eine Hörsituation, die in deinem Ambiente so gut wie möglich ist und diese zu verstehen. Das ist, glaube ich, das Wichtigste.
Und dann, wenn man einsteigen will, gibt es eine Sache, die mich am meisten gestört hat bei den Home-Recordings, und das war der Sound des Gesangs. Man sollte sich beim Gesang mehr Liebe und Zeit nehmen. Wenn du in einem Wohnzimmer den Gesang machst, dann hast du einen Raum auf der Spur, den bekommst du nicht weg. Und ehrlich, ich mag das nicht. Wenn du auf dem Signal Räume hast, die schon so charakteristisch sind, das wird dich immer verfolgen. Darauf sollte man achten.
Und an Geräten, wenn man Marken nennen will, dann ist da zum Beispiel Antelope. Die finde ich toll. Die machen sowohl Dinge für die professionelle Ebene, aber decken auch viel in dem Home-Recording-Bereich ab. Auch wirklich bezahlbar. SSL mittlerweile auch. Und das ist auch gut. Also mein Assistent, Alex, der hat so ein SSL 6. Das ist sehr vielseitig und recht handlich. Das ist eine Kiste, die ist so kompakt und irre fähig. Und dann auch Elysia, da gibt es diese qube-Serie. Das ist gut und auch wirklich bezahlbar. Da muss man jetzt nicht tief in die Tasche greifen.
Peter Schmidt (Ballsaal-Studios) über die
Auswirkungen von Spotify und die Diskussionen über MP3
Sonja:
Kostenlose und illegale Downloads, Spotify und Co. haben die Einnahmequellen der Musiker extrem beeinflusst. Wirkt sich das auch auf deine Arbeit aus?
Peter:
Also man hat sofort gemerkt, als die digitalen Streams die anderen Medien überholt haben. Ich kann jetzt nicht mehr die Jahreszahl sagen, aber es war damals so, dass die Budgets in den Keller gingen. Die Plattenfirmen versuchten bis dahin, Verträge zu machen, und dann kam die Kehrtwende um 360°, um noch an Konzerten zu verdienen. Die Budgets gingen runter, was dazu geführt hat, dass einige Künstler sich die Produktionen nicht mehr leisten konnten.
Und Spotify und Co. machen halt, was sie wollen. Sie haben wirklich dazu beigetragen, dass das Ganze noch mehr in den Keller geht. Und ich finde, dadurch, dass die Künstler bei 1.000.000 Streams mal 0,0038 Cent verdienen – was ist das?!
Was ich aber sagen muss, ist: Das ist nun mal eine Entwicklung unserer Zeit. Wir leben in dieser Welt, wir leben in dieser Zeit, und wir müssen damit leben, wir müssen uns damit arrangieren. Dennoch finde ich, es ist an der Zeit, auch als Musiker zu versuchen, wieder neue Wege zu gehen. Also nicht immer zu versuchen, in den Playlisten stattzufinden, sondern eigene Wege zu gehen. Das würde vielleicht dazu führen, dass man wieder in ältere Strukturen zurückgeht, die nicht veraltet sind, sondern die auch etwas Tolles waren.
Corona hat der ganzen Situation dann den Rest gegeben, weißt du. Es gibt Dinge, die übers Handy und über andere Quellen, über den Stream immer noch besser klingen als andere. Ich glaube, das liegt auch daran, dass man sich darauf einlassen muss und auch diese Quellen als Abhörquellen benutzen muss, um dem gerecht zu werden. Weil so hören die Leute heute Musik.
Als Mixer in Deutschland wirst du ohnehin nicht reich. Aber das ist auch nicht der Antrieb bei mir gewesen, eher die Motivation, Spaß zu haben an dem, was du machst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Musiker Spaß haben, wenn sie versuchen, Sounds und Songs zu kopieren, die dann hoffentlich in der Playlist stattfinden.
Sonja:
Auf YouTube entbrennt immer wieder die Diskussion, dass Soundfiles nicht aussagekräftig seien, weil sie viel zu stark komprimiert würden. Und auch das MP3-Format steht oft in der Kritik. Ich finde das sehr spannend, weil die Mehrheit der Musikkonsumenten die Musik über die Boxen/Kopfhörer von Mobiltelefonen hört. Wie stehst du zu dieser Sache?
Peter:
Also,MP3 klingt nicht beschissen. Es ist aber die Frage, wie du es konvertierst, mit welcher Software. Ich bevorzuge zurzeit RX von iZotope. Damit sollte man sich beschäftigen. Ich finde MP3s mit 120 Kbit/s super. Natürlich nicht zu vergleichen mit einer Hi-Res 96/24, aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich denke: „Das klingt ja vollkommen mies.“ Und, ich kann es nur wiederholen, es ist wichtig, das zu bedienen. Also wir als Mixer müssen das bedienen, weil wir eben wissen, wie es konsumiert wird.
Und es ist eher mein Anspruch, besser zu klingen, deswegen höre ich meine Mixe auch während der Arbeit über Listento von Audiomovers auf meinem Handy ab. Wenn die Mixe wirklich gut sind, hörst du das. Klar, du hast halt keinen Bass, weil physikalisch bedingt kein Bass aus dem Handy kommt, aber du hörst ihn, du hörst seine Funktion. Und das ist dann eher ein Ansatz, wo ich denke, ja okay, dann lass uns mal gucken, wie wir das Ganze gut zum Klingen bringen über ein Handy. Da gibt es Mittel und Wege.
Sonja:
Gibt es einen Auftrag, den du definitiv nicht annehmen würdest?
Peter:
Wenn mich die Stimme nicht berührt, dann bin ich der Falsche. Aber generell, anfänglich bin ich immer offen für alles. Wenn Anfragen kommen, höre ich mir das natürlich an. Und wenn musikalisch jetzt nicht so unbedingt mein Ding ist, aber die Leute mir gefallen, das Team, dann mache ich das auch. Ich finde, das ist eigentlich das Wichtigere. Man muss die Leute mögen, man muss kommunizieren können, da muss irgendetwas sein. Dann kann man, glaube ich, jede Musik machen. Trotzdem, Gesang ist ganz, ganz wichtig. Und da merke ich schon gleich bei den ersten Worten, ob es passt.
Sonja:
Und wenn du deinen Lebensunterhalt nicht mit der Musik verdienen dürftest, was würdest du stattdessen tun?
Peter:
Ich war immer fasziniert von der Filmwelt. Ich finde das großartig. Sie berührt mich. Ich bekomme davon auch viel mit, da der Zwillingsbruder meines besten Freundes Regisseur ist, eine gute Freundin Kostümbildnerin und eine andere Freundin wiederum Gewandmeisterin beim Film. Ich könnte stundenlang an so einem Set sitzen und mir das angucken, ich finde das faszinierend.
Sonja:
Du hast mir verraten, dass du eine Frage hast, auf die du in den vergangenen Jahrzehnten nie eine Antwort bekommen hast. Wie lautet sie?
Peter:
Genau. In Ländern wie Amerika oder England haben Mixer ein ganz anderes Standing. Dort bekommen sie oft automatisch Verträge, sogenannte Mixer-Punkteverträge, und die werden dir einfach zugeschickt, ohne dass man danach fragen muss. In Deutschland dagegen gilt ein Mixer bei Institutionen wie der GVL, also der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, als Techniker und nicht als Künstler. Ich frage mich, warum das in Deutschland nicht anders funktioniert.
In den 90ern haben wir sogar mit Anwälten versucht, etwas zu ändern, aber wir sind nicht weitergekommen. Bei deutschen Plattenfirmen wird dieser Punkt einfach nicht wirklich betrachtet. Es geht mir nicht um Anerkennung im Sinne von „Danke, das hast du gut gemacht!“, sondern darum, dass ein Mixer großen Einfluss auf das Endprodukt hat und viel zum Gesamtwerk beiträgt. Ich verstehe nicht, warum Mixer nicht als Künstler anerkannt werden. Das möchte ich verändern.
Mixer bringen ihre Intuition und Ideen ein und setzen dies künstlerisch im Mix um. Das ist eine künstlerische Tätigkeit, und darauf gibt es keine Antwort, die mir jemand geben konnte.
Sonja:
Hast du noch einen ultimativen musikalischen Tipp für unsere Leser?
Peter:
Nicht zu viel nachdenken in dem Moment, wo es losgehen soll, sondern immer am Start sein. Also das Gefühl für die Situation zu entwickeln. Chris Kimsey, dem ich assistiert habe, der Produzent, der drei Stones-Alben gemacht hat, hat mir damals erzählt: „Peter, wenn Mick Jagger ins Studio kommt, da kannst du keinen Soundcheck machen. Der will dann singen. Punkt. Aus. Er kommt erst ins Studio, wenn er arbeitet, er hängt dort nicht ab. Und wenn du dann nicht am Start bist, hast du verschissen. Und darum geht es. Das habe ich nie vergessen. Du musst in der Situation am Ort und am Platz sein und das einfangen. Das, was da gerade passiert. Und es ist egal, was da für eine Technik ist. Du musst es einfach machen.“
Und wir haben auch Fetzen vom iPhone gehabt, auf die Vocals bezogen und haben die eingebaut in die Lead-Vocals. Das gab es immer wieder. Und das finde ich halt toll. Keine Angst zu haben. Und es kommt letztendlich auch darauf an, einzufangen, was du nach draußen bringen willst. Du willst ja deine Gefühle, das Schöne von diesem Song als Erlebnis mit den Menschen da draußen teilen. Das kannst du nur machen, wenn du in dem Moment ehrlich zu dir selbst bist und genau das machst, was dir gerade über die Lippen kommt. Es muss auch nicht alles nochmal in einem Studio umgesetzt werden. Wie oft kommt das vor, dass das nach hinten losgeht? Ein Meister auf dem Gebiet, den Moment einzufangen, ist Moses Schneider. Er arbeitete u. a. mit Tocotronic, den Beatsteaks, TURBOSTAAT usw. Wir haben an über 30 Alben gemeinsam gearbeitet.
Ich möchte mich von ganzem Herzen für dieses tolle Interview bedanken. Peter hat mich auf eine Reise in seine Welt mitgenommen und ich hoffe, ihr wart genauso gefesselt von seinen Erzählungen, wie ich es war. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass diejenigen, die hinter dem Sound der großen Stars stehen, in Zukunft vielleicht auch in Deutschland die Beachtung erfahren, die ihnen gebührt.
Was Peter produziert ist wahrhaftig nicht meine Musik: Klassischer Deutschrock,- und Pop. Lindenberg, Rosenstolz? Nee nee! Übrigens dachte ich das P. Plate Rosenstolz produziert hat. Vermutlich war es so und Peter S. hat es dann gemischt? So könnte man es sich vorstellen. Trotzdem Respekt wer es schafft im Business Fuß zu fassen. Gelingt denke ich nicht vielen, wie man bei mir sehen kann. 😂
Vielen Dank für dieses sehr interessante Interview. Grundsätzlich geht es hier nicht um den persönlichen Musikgeschmack, es geht um die Profession, die Leidenschaft und um die Jahrzehnte langen Erfahrungen im Musik Business und der Technik im Wandel der Zeit. Herr Peter Schmidt gehört zur deutschen Musikgeschichte. Ich wäre liebend gern beim Interview dabei gewesen. Vielen Dank. 🙏