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Interview: Ralf Wengenmayr, Komponist „Schuh des Manitu“

Soundtracks für "Bully" Herbig

15. Februar 2005

Ralf Wengenmayr, Jahrgang 65, studierte 1981 Piano und Komposition an der Universität in Augsburg. Zwischen 1984 und 1994 verdiente er sein erstes Geld als Musiker und als Bar-Pianist bei Touren durch ganz Deutschland. Im Tross der Original Brodway Show WEST SIDE STORY tourte er 1987 als Pianist durch ganz Europa und wurde 1988 für die Weltausstellung in Brisbane/Australien engagiert. Erst 1989 verschlug es ihn schließlich zur Filmmusik und damit auch wieder nach Deutschland.

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Seit 1994 gehen die Scores zahlreicher Fernsehproduktionen auf sein Konto und 1998 folgte der erste Kinofilm JUIMMY THE KID. Die Jahrtausendwende brachte aber schließlich den Durchbruch mit den Kinofilmen wie ERKAN & STEFAN, DER SCHUH DES MANITOU und aktuell TRAUMSCHIFF SURPRISE.

Peter:
Hallo Ralf, als Komponist von zwei der erfolgreichsten deutschen Produktionen aller Zeiten bist Du natürlich über Nacht auch bei Filmmusik-Liebhabern berühmt geworden. Wie kam es zu den Aufträgen von SCHUH DES MANITU und TRAUMSCHIFFF SURPRISE?

Ralf:
“Der Schuh des Manitu” und “Traumschiff Surprise” war die Weiterführung einer erfolgreichen Zusammenarbeit, die mit Bully’s Kinodebut “Erkan und Stefan” begann. Der Kontakt kam damals über eine Agentur zustande, deren Aufgabe es war, Bully mit Beispielen orchestraler Musik hiesiger Komponisten zu versorgen. Als wir uns beim ersten Treffen über Filmmusik unterhielten, stellte sich schnell heraus, dass sich die Liste unserer „Top Ten“-Scores nur unwesentlich unterscheidet. Abgesehen davon schien ihm meine Musik auch ganz gut zu gefallen.

Peter:
“Bulli” hatte sicher als Regisseur des Projekts konkrete Vorstellungen vom Score. Wie hat er Dir seine Ideen vermittelt? Gab es evtl. Soundtracks anderer Filme, die er Dir als Beispiel mitgebracht hat?

Ralf:
Da es sich beim “Schuh” und beim “Traumschiff” ganz offensichtlich um Persiflagen bekannter Filme handelt, gab es natürlich klare Vorstellungen und Beispiele, wie die Musik klingen sollte. Bully unterlegt seine Schnittfassungen ständig mit bereits vorhandener Musik. Diese Methode ist in der Branche sehr verbreitet und wird als “Temp” (temporäre) –Musik bezeichnet. Sie dient dazu, dem Komponisten einen Anhaltspunkt zu geben, welche Funktion die Musik übernehmen soll. Leider gibt es aber nur all zu viele, die die falsche Musik anlegen und dem Komponisten dadurch sein kreatives Schaffen nur unnötig erschweren. Bully zählt dabei zu den rühmlichen Ausnahmen. Er versteht es wie kaum ein anderer, dass Musik ein wesentlicher Bestandteil eines Filmes ist. Dies führt sogar dazu, dass oftmals nicht die Musik zum Film geschnitten wird, sondern der Film zur Musik. Ich glaube, dass diese Tatsache maßgeblich zum Erfolg eines Filmes beiträgt. Wenn das Tempo des Bildschnittes und der dazugehörigen Musik nicht stimmt, verlieren selbst die schönsten Bilder ihre Wirkung.

Peter:
Wann hast Du damit begonnen, die ersten Themen zu skizzieren? Manche berühmten Komponisten bestehen ja darauf, erst einmal Rohschnitt des Film zu sehen, andere fangen bereits in der Pre-Production mit der Komposition an.

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Ralf:
Prinzipiell versuche ich, Hauptthemen im Voraus zu komponieren, weil sie zum einen dem Regisseur die Möglichkeit geben, sich während den Dreharbeiten am Set in die richtige Stimmung versetzen zu lassen und weil es mir zum anderen das beruhigende Gefühl gibt, mich während der knapp bemessenen Arbeitszeit nach Erhalt des Feinschnitts bis zum Sendetermin nicht mit der schweren und oft quälenden Suche nach einem geeigneten Thema beschäftigen zu müssen. Beim “Schuh des Manitu” beispielsweise entstand das Main-Theme bereits während der Arbeit zum Drehbuch. Während den Dreharbeiten lief dann meine Musik im Background und es entstanden dadurch Szenen, die im Drehbuch so gar nicht geplant waren. Diese Arbeitsweise setzt voraus, dass dem Komponisten genügend Zeit für seine Arbeit zur Verfügung gestellt wird – und das geschieht in den seltensten Fällen!

Peter:
In TRAUMSCHIFF SURPRISE war auch Stefan Raab stark in den musikalischen Part involviert. Hattet ihr viele Berührungspunkte, wenn ja – wie war die Zusammenarbeit mit Stefan Raab?

Ralf:
Stefan war für die Produktion der Songs verantwortlich, ich für den kompletten Score! In der Hinsicht gab es nicht wirklich eine Zusammenarbeit. Ich habe nur am Ende der Abschiedsszene seine Spieluhrmelodie aufgegriffen und diese mit einer, in akribischer Arbeit dafür gesampelten Spieluhr eingespielt. Stefan weiß das offensichtlich nicht zu schätzen, ich warte bis heute auf ein „Dankesschön“ dafür, dass ich ihm zusätzlicheGEMA-Tantiemen ermöglicht habe :-)

Peter:
Mit welchem Equipment (Software, Synthesizern, Mixer, etc.) produzierst Du die Scores?

Ralf:
Hauptzentrale meines Studios ist mein Mac Dualprozessor G5 inklusive Apple’s (ehemals Emagic ) Logic Pro, mit dem ich sowohl alle erdenklichen Software-Synthesizer, als auch meine Gigasampler steuere. Gemischt wird momentan noch mit 3 Yamaha 02/R Pulten; Ende des Jahres werden diese aber durch ein Yamaha DM 2000 Pult ersetzt. Prinzipiell stelle ich fest, dass mit wachsendem Erfolg mein Studio immer kleiner wird! Als Synthesizer-Freak der ersten Stunde dachte ich, dass genau das Gegenteil eintreten würde, bin aber im Laufe der Zeit eines besseren belehrt worden. Die Computertechnologie ist so weit fortgeschritten, dass Hardware problemlos durch Software-Emulationen ersetzt werden kann.

Peter:
Wie wurden die orchestralen Passagen produziert?

Ralf:
Die Layoutversionen wurden mit der VSL-Orchestra Library auf dem Rechner eingespielt, bevor sie dann im März dieses Jahres mit dem Slowakischen Radio Symphonie Orchester in Bratislava aufgenommen wurden. Die Rahmenbedingungen waren im Vergleich zu großen Hollywoodfilmen katastrophal. Das Budget war begrenzt, die Aufnahmezeit dementsprechend viel zu kurz und die Anspannung enorm. Trotz dieser widrigen Umstände war der Ehrgeiz bei allen Beteiligten ungebrochen. Allan Wilson, der bereits bei Danny Elfman’s Score zu „Sleepy Hollow“ genügend Zeit hatte, das Orchester stressfrei zu dirigieren, kam bei diesen Voraussetzungen ganz schön ins Schwitzen, schaffte es aber dank seiner langjährigen Routine, das Orchester bei guter Laune zu halten.

Peter:
Zuletzt noch: Wer sind Deine persönlichen Vorbilder unter den Filmmusik-Komponisten – und warum?

Ralf:
Favoriten unter den Filmmusik-Kollegen gibt es einige, aber alle profitieren ausnahmslos vom schier unerschöpflich kreativen Reichtum der klassischen Musikgeschichte. Es sind Namen wie Holst, Stravinsky, Ravel, Wagner, Mahler, usw., die auf immer und ewig Pate für die meisten Filmkomponisten stehen werden, weil sie gewisse Gefühle, Bilder und Stimmungen in einer musikalischen Perfektion ausdrücken, wie man es nicht besser machen könnte. Diese Namen würde ich als Urväter der Filmmusik bezeichnen und zähle sie deshalb zu meinen absoluten Vorbildern.

Peter:
Gibt es auch noch einen “Pop-, Jazz- oder Rock-Wengenmayr” oder hast Du Dich ganz der Filmmusik verschrieben?

Ralf:
Es gibt durchaus poppige oder jazzige Filmmusiken, so gesehen schließt das eine das andere nicht aus! Ich hoffe aber, dass ich mich bald wieder dem widmen kann, mit dem ich begonnen habe – dem Songwriting. Die Stilrichtung war und ist dabei zweitrangig, weil ich als Filmkomponist so oder so allen musikalischen Stilbereichen aufgeschlossen bin. Was fehlt, sind die Interpreten – die Stars, oder diejenigen, die mit einem gesunden Menschenverstand behaupten können, dass sie das Zeug zum Star haben. Wer also Interesse hat, seine Stimme in einer meiner nächsten Filmmusikproduktionen zu verewigen, sollte mir mailen. Songs werden mehr denn je als fester Bestandteil einer Filmmusik verwendet. Unter “www.ralfwengenmayr.com” gibt’s die Adresse – versprechen kann ich aber nix!

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