Twisted Tools go for Reaktor
Reaktor von Native Instruments ist eines der aufregendsten Musikprogramme, die zur Zeit erhältlich sind. Dafür gibt es viele Gründe. Die umfassende Werksbibliothek ist dabei ebenso maßgebend wie die lebendige User-Library, die von enthusiastischen Reaktor-Nutzern mit Instrumenten bereichert wird, die man bei Plug-in Formaten, geschweige denn Stand Alone-Anwendungen, kaum zu finden vermag. Das Beste dabei ist aber, dass die User-Library völlig kostenlos ist. Dennoch benötigen einige Entwicklungen mehr Zeit und Arbeit, die sich manchmal nur durch irgendeine Art von „Rückholung der Investition“ rechtfertigen lassen. So hat z.B. Native Instruments begonnen, zusätzliche Ensembles zu verkaufen. Waren Electronic Instruments I und II noch zaghafte Anfänge, hat sich das Bild seit Einführung des Reaktor-Player doch gewandelt.
Da blieb es nur ein Frage der Zeit, bis auch andere Reaktor Nutzer auf den Gedanken kamen, Ensembles zu verkaufen, auch wenn sich deren Zahl bisher noch an einer Hand abzählen lässt. Den größten kommerziellen Durchbruch außerhalb des Native Instruments-Vertriebs dürfte dabei bisher das Duo Twisted Tools erreicht haben, das auch unter dem Zweitnamen sonictwist bereits länger bekannt ist. Mit harter Arbeit, Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen haben Josh Hinden und Igor Shilov ihr liebstes Hobby, das Entwickeln von Reaktor-Ensembles, in ein Unternehmen verwandelt. Ihre Reaktor Ensembles und Instrumente setzen dabei nicht nur neue innovative Maßstäbe für das, was mit Reaktor alles möglich ist, auch die Programmierqualität ist auf höchstem Niveau. Eine Erfolgsstory? Aber sicher und eine Ermutigung für alle, die sich für Reaktor interessieren, selbst mit dem Basteln zu beginnen und die Software nicht nur als Preset-Schleuder zu benutzen. Doch lassen wir die beiden Twisted Tools-Gründer selbst zu Wort kommen, um uns zu erzählen, wie alles kam.
AMAZONA.de:
Hallo Josh und Igor, erzählt uns bitte etwas über die Gründung von Twisted Tools.
IGOR:
Josh und ich gründeten Twisted Tools vor ungefähr 18 Monaten. Das Unternehmen besteht zwar nur aus uns zwei Leuten, aber wir bekommen viel Ermutigung und Unterstützung von unseren Freunden und Fans. Ein paar Jahre zuvor kontaktierte mich Josh, weil er ein Fan meiner damaligen Arbeiten war. Er fragte nach Hilfe für sein Projekt, das lose auf einer meiner Arbeiten aufbaute. So fingen wir an, uns über Google-Chat zu unterhalten und uns nebenbei besser kennen zu lernen. An einem bestimmte Punkt sagten wir uns, dass es ein coole Sache sei, zusammen ein Unternehmen aufzuziehen und solche Ideen, über die wir immer gechattet haben, zu verkaufen. Zu meiner Person: Ich studierte Linguistik an der Universität und arbeitete als Englisch-Dolmetscher, was uns jetzt bei Twistet Tools in vielen Bereichen zu Gute kommt. Während meiner Studienzeit beschäftigte ich mich ein wenig mit DAWs. Dann entdeckte ich Reaktor, und der Rest ist Geschichte. Twisted Tools ist jetzt meine Hauptbeschäftigung.
JOSH:
Ich denke, der Grund, warum wir begannen über ein gemeinsames Unternehmen nachzudenken war, dass wir auf alles auf ziemlich gleiche Weise sehen. Aber wir schaffen es immer noch, eigenständige Ideen auf den Tisch zu bringen. Ich bin Musiker für Elektronische Musik und Lehrer, deswegen gehen ich meistens von der Anwendersicht aus an den Designprozess eines Instrumentes heran. Igor hingegen arbeitet die meiste Zeit von der Konstruktionsperspektive aus, sieht also quasi von innen nach außen. In der Zusammenarbeit funktioniert das recht gut. Wir benutzen immer noch Google-Chat als unseren primären Kommunikationskanal. Eigentlich erledigen wir unsere ganze Arbeiten über den Chat. Ich glaube, das hilft uns, den Fokus zu behalten. Eine Menge Leute fragen uns, warum wir nicht Audio- oder Video-Chat benutzen, aber ich denke wirklich, dass wir etwas verlieren würden, wenn wir es täten.
Als zweites Standbein bin ich noch immer Course Director of Computer Music Production an einem College für Digitale Künste in San Francisco. Ansonsten fließen meine ganzen kreativen Energien in Twisted Tools ein, obwohl ich auch mal wieder gerne selber Musik machen würde.
AMAZONA.de:
Wie lang seit ihr jetzt aktiv bei der Entwicklung von Reaktor Ensembles, und warum habt ihr damit angefangen?
JOSH:
Igor baut seit fünf oder sechs Jahren Ensemble, ich habe in den letzten Jahren hin und wieder einfacherer Ensemble entwickelt, aber ich würde mich nicht als einen echten Entwickler ansehen. Ich schraube herum und verstehe die Grundlagen. Aber nichts Vergleichbares wie Igor, der wahrscheinlich 20 Jahre mehr Erfahrung hat, würde man die Stunden zählen.
Es hat alles mit Reaktor 3 angefangen und dem Durcharbeiten und Benutzen der mitgelieferten Werks-Ensembles. Es gibt so viele interessante und einzigartige Möglichkeiten in Reaktor, dass ich mich gar nicht mehr genau erinnern kann, was genau meine Interesse daran weckte. Wenn man Reaktor zum ersten Mal öffnet und auf eine erste Testfahrt geht, da kann einem schon die Kinnlade herunterklappen. Dann wechselst man in die Strukturübersicht und beginnt zu erkennen, was da für ein Potential dahinter steckt. Der regelrechte Zwang, die Ensembles zu modifizieren, schleicht sich unweigerlich in dein Gehirn, und bevor du dich versiehst, fängst du an, Sachen zum Spaß zusammen zu schrauben. Das ist wie ein süchtig machendes Puzzle, das Klänge erzeugt.