Perfekter Stereo-Sound für Live: Wie baue ich ein Stereo-Rig?
Heute wollen wir uns einer besonderen Unterart eines Live-Setups für Gitarristen widmen, dem Stereo-Rig. Wie sich der Unterschied zu einem traditionellen Setup definiert und was die Vor- und Nachteile dieses Systems sind, soll dieser Workshop behandeln.
Workshop: Gitarrenverstärker Stereo Rig – Historie
Um es direkt vorne weg zu schicken: Bei einem Stereo-Rig handelt es sich nicht um ein Wet-Dry-Wet-System, bei dem 3 Boxen/Stacks so verschaltet wurden, dass die Center-Box das trockene Gitarrensignal überträgt und die beiden äußeren Boxen sich um Stereo-Effekte z. B. im Bereich Delay und Reverb kümmern. Ein Stereo-Rig besteht aus 2 Boxen, die über entsprechende Endstufen immer mit unterschiedlichen Signalen gespeist und deren Signalweg im Vorfeld entsprechend aufgesplittet werden.
Ich kann mich irren, aber meines Wissens nach war der Roland Jazz Chorus JC-120 Combo, der 1975 eingeführt wurde, der erste Verstärker, der aufgrund seines echten Stereo-Chorus-Effekts im großen Maßstab von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Bei optimaler Positionierung konnte man sehr schön den Chorus-Effekt zwischen den beiden Lautsprechern wandern hören, was seiner Zeit des Öfteren für offene Münder sorgte.
In den Achtzigern, die dank New Wave u. ä. im Gitarrensektor sehr häufig mit dünnen und FX-technisch überbordenden Sounds auf sich aufmerksam machten, gehörte es geradezu zum „guten Ton“, mit 20 HE Racks zum Gig zu erscheinen, die dann bis zum Anschlag mit 19“ Outgear vollgepumpt waren. Firmen wie z. B. Rocktron verdanken ihre ganze Firma der damaligen Moderichtung. Spätestens der Grunge-Hype eliminierte diese Form der Signalübertragung bis auf einen winzigen Bodensatz, aus der aber im Laufe der letzten Dekaden wieder neue Saat entstanden ist.
Workshop: Gitarrenverstärker Stereo Rig – Aufbau
Dank der räumlichen Wahrnehmungsfähigkeit des menschlichen Gehörs arbeitet das Stereo-Rig nach dem Prinzip, Stereo-Effekte, die man mit dem Monosignal des Instrumentes mischt, durch hartes L/R-Panning im Raum zu verteilen. Ähnlich wie bei einer Monitorsituation im Tonstudio oder bei Kopfhörerbetrieb kann man so Modulationseffekten wie Chorus, Flanger oder Phaser oder Raumeffekten wie Delay oder Reverb einen zusätzlichen Effekt in der X-Achse geben. Das Gitarrensignal an sich, ob verzerrt oder nicht, wird aber nicht in die Breite gezogen, was nicht bedeutet, dass man dies über ein separates Delay nicht machen kann. Dazu später mehr.
Vorteile
Der Gitarrensound erhält in einem Stereo-Setup deutlich mehr Tiefe und räumliche Staffelung. Insbesondere cleane oder dezent verzerrte Sounds, die in der Spielweise von z. B. U2 oder Simple Minds mit vielen Arpeggien das Delay umspielen, profitieren ungemein von einem Stereo-Setup, da es durch Einbindung des Raums das Signal auflockert und besser definiert.
Zudem füllt der wuchtigere Sound-Löcher, die je nach Besetzung der Band zwangsweise entstehen. Nicht umsonst sind es primär klassische Trios (G, B, Dr), wahlweise mit oder ohne zusätzlichen Sänger, die sich mit dem Stereo-Rig auseinandersetzen. Gerade in dieser Besetzung findet ein umfangreicheres Setup einen perfekten Nährboden und vor allem die nötige Luft, um sich in der ganzen Fülle zu entfalten.
Nachteile
Während man ein Stereo-Rig im Studio problemlos mikrofonieren und räumlich im Mix platzieren kann, gibt es für den Proberaum/Live-Betrieb gleich mehrere Punkte, die den vollen Funktionsumfang einschränken können. Fangen wir mit dem offensichtlichen Punkt des Transportes an. Zumindest was den Boxenbereich angeht, benötigen wir 2 unabhängige Endstufen und mindestens 2 identische Boxen. Höre ich da Stimmen, die mir sagen, dass sich nahezu jedes moderne 4×12 Cabinet zwischen Mono und Stereo umschalten lässt? Das ist richtig, aber in diesem Fall ist der Stereoeffekt für die Direktabstrahlung wie bei dem Roland Jazz Chorus auf ein Minimum beschränkt. Das Stereodreieck ein paar Zentimeter verlassen und vorbei ist es mit dem räumlichen Effekt.
Auf die Stereowiedergabe der P.A. hat dies bei doppelter Mikrofonierung keine Auswirkung, allerdings kämpft auch der FOH bei hartem Panning mit dem gewünschten Effekt der Stereowiedergabe. Nur ein Bruchteil des Publikums steht im optimalen Abstrahlwinkel der P.A., der überwiegende Teil hört mehr oder minder nur eine Seite der P.A. Dies führt z. B. bei Delay-Effekten dazu, dass eine ungleichmäßige Wiedergabe der Signalwiederholungen für den Zuhörer abgegeben wird. Der FOH kann dies angleichen, indem er das Panning mehr mittig fährt, was aber auch wieder eine Aufhebung des Stereo-Setups mit sich bringt.
Auch die Verkabelung und die Auswahl der Effektgeräte (wohlgemerkt, ohne Stereo-FX bleibt alles immer mono) nehmen deutlich zu. Zwar haben mittlerweile viele Bodenpedale und nahezu alle 19“ Geräte eine Stereooption, was jedoch auf alles verkabelt werden will, sprich die Anzahl der Kabel verdoppelt sich ebenfalls.
Ein weiterer Feind des Stereo-Rigs sind Brummschleifen aller Art. Angefangen bei den Netzgeräten der Bodenpedale über die Halteschienen im 19“ Zoll Rack bis hin zur galvanischen Trennung der beiden Endstufen, man kann gut und gerne Tage damit verbringen, entsprechende Fehlerquellen zu suchen und diese zu eliminieren. Und selbst wenn es einem dann endlich gelungen ist, die Nebengeräusche zu eliminieren, eine Show auf einer anderen Bühne wie z. B. der Markthalle in Hamburg oder gar ein Auftritt im Ausland und das System legt von vorne los.
Für wen lohnt sich die Anschaffung eines Stereo Rigs?
Optimal gestaltet sich ein Stereo-Rig in einer Besetzung, die aus möglichst wenigen Musikern besteht wie bereits die genannte klassische Rockbesetzung mit nur einer Gitarre. Bereits bei einem zusätzlichen Keyboarder, dessen Signale nahezu immer Stereo gefahren werden, kommt man sich bereits je nach Mix in Sachen Durchsetzungsfähigkeit dezent ins Gehege. Was komplett ausscheidet, ist eine Besetzung mit 2 Gitarren, die über weite Strecken ähnliche Parts spielen, sprich die klassische Hardrock/Metal-Variante. Hier kann man nur verlieren, wobei die Krönung der Kontraproduktivität 2 Gitarristen mit Stereo-Rig darstellen würde. Hier reißt sich der FOH die Haare zu Recht büschelweise aus.
Die technischen Spezifikationen eines Stereo-Rigs
Eins vorneweg, bevor mir jetzt wieder einer mit Kemper und Konsorten kommt, diese Empfehlung gilt für klassisch analoge Signalführung. Für den perfekten Stereo-Sound benötigt ihr mindestens 2 identische Lautsprecher/Cabinets und 2 identische Endstufen. Hinzu kommt noch die Vorstufe eurer Wahl. Diese Bausteine lassen sich am einfachsten in 19 Zoll Bauweise umsetzen. Der Markt verfügt über eine reichhaltige Auswahl an entsprechenden Vor- und Endstufen, Pre- und Poweramps, die, sofern sie vom gleichen Hersteller kommen, auch meistens in Sachen Klanggestaltung und Signalpegel aufeinander abgestimmt sind. Hier gibt es auch die geringste Brummschleifenproblematik, da sich beide Endstufen in einem Gehäuse befinden und die entsprechenden Erdungsprobleme nicht stattfinden.
Zwischen diesen beiden Bausteine fügt ihr nun euer bei Bedarf bereits verzerrtes Gitarrensignal ein, welches Mono-In und Stereo-Out sein muss. Achtung, wenn ihr ein weiteres Effektgerät hinter dem ersten platzieren wollt, denkt daran, ab diesem Punkt muss euer bereits Stereo-In und Stereo-Out besitzen, sonst ist es vorbei mit dem Stereosignal des ersten Effektgerätes.
Die zweite Möglichkeit besteht z. B. darin, zwei identische Stacks Combos klassisch über den Input zu versorgen und dabei vorzugsweise den cleanen Kanal als Basis zu nehmen. Alle Verzerrungen etc. werden über vorgeschaltete Pedale generiert, Modulations- und Raumpedale entsprechend hinter den Overdrive/Distortion-Pedalen. Achtung, wenn ihr eure Pedale in die beiden Amps führt, ist darauf zu achten, dass die beiden Amps galvanisch getrennt werden, sonst brummt einer der beiden Verstärker erbärmlich. Dies ist mit einem Splitter, wie man ihn z. B. bei Lehle erhält, möglich. AUF KEINEN FALL sollte man die hemdsärmelige Methode mittels Abkleben eines Schutzleiters an einem Netzstecker versuchen, es besteht im Schadensfall LEBENSGEFAHR!
Als dritte Möglichkeit kann man bei entsprechendem Ausgangspegel auch die Endstufen der Verstärker direkt ansprechen, indem man den Return des FX-Loops benutzt und somit die Vorstufe des Verstärkers umgeht. Einige Preamps bieten genügend Pegel für diesen Betrieb, hier gilt es je nach Hersteller auszuprobieren.
Nur die unteren speaker mit Deeflex versehen? Geht das denn ohne soundabstriche?
@lerxt Ganz im Gegenteil, nur so kann die Deeflexx ihre Stärken am besten ausspielen.