Das große Synthesizer Festival in Frankreich
Der Report zum SynthFest France 2025 darf sich zurecht Mega-Report nennen. Als unser Autor mir per E-Mail schrieb, dass der Report fertig sei und über 9000 Wörter lang, dachte ich zunächst an einen Tippfehler. 9000 Wörter! Wer soll das lesen? Vor meinen Augen erschienen Smartphone-Leser, die viele Stunden mit dem Scrollen auf ihrem kleinen Touchdisplay verbringen, um dann am Abend mit einem steifen und verkrampften Finger und blutroten Augen die Notaufnahme der lokalen Klink zu besuchen. Die alte Fernsehwerbung aus den 80ern zum Rubik’s Cube, in der einem Nutzer der „Zauberwürfel“ aus dem Gehirn operiert wird, manifestierte sich in meinen Überlegungen. Nein, das können wir unseren Lesern nicht antun. Und doch …
… wurde der Artikel von mir nur auf zwei Teile aufgeteilt, die ghleichzeitig erscheinen werden. Beim Durchschauen des Artikels bot sich diese Zweiteilung an. Im ersten Teil geht es um den Fachbesuchertag, im zweiten Teil dann um die riesige Ausstellung und die Konzerte. Die vielen Bilder, die von unserem Autor geschossen wurden, sprechen für sich.
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, beim Anschauen der Fotos und beim Scrollen … AMAZONA übernimmt keine Haftung für den Zeigefinger.
Markus
SynthFest France 2025
Frankreich is calling: AMAZONA.de mit einem Mega-Report zum SynthFest France 2025. Das Land, das Pioniere der elektronischen Musik wie Pierre Schaeffer, Pierre Henry oder auch Jean-Michel Jarre hervorgebracht hat, lud erneut zu seinem jährlichen Synthesizer-Meeting ein. In der schönen Stadt Nantes, im Département Loire-Atlantique, gut zwei Stunden Flugzeit von Frankfurt oder München entfernt, fand die diesjährige Ausgabe des SynthFest France statt.
Erster Tag: Anreise und Veranstaltungsort
Eine Veranstaltung, die bereits zum zwölften Mal die französische, aber auch die internationale Synthesizer-Community zusammenbrachte. Nach 2023 darf ich euch nun ein zweites Mal – sowohl schriftlich als auch bildlich – mit auf die Veranstaltung nehmen.
Meine Reise startete bereits am Mittwoch von Wien aus und führte mich mit einem kurzen Zwischenstopp in der bayerischen Landeshauptstadt weiter, wo ich zufällig Holger Drenkelfort von Sonic Core traf, der das gleiche Ziel hatte.
Nach drei Stunden Flugzeit und einigen Kilometern auf dem fast endlos wirkenden Münchner Flughafen setzte sich die Reise bei schönstem, sonnigen Frühlingswetter direkt fort ins Hotel nach Nantes-Saint-Herblain – einem Ort, umgeben von Shoppingcentern und einem schwedischen Möbelgiganten mit Vorliebe für Fleischbällchen.
Das SynthFest France 2025 fand – wie in den vergangenen Jahren – im Odyssée in Orvault, einer Nachbargemeinde von Nantes, statt, die etwa zehn Autominuten vom Hotel entfernt lag.
Dank morgendlicher und abendlicher Fahrgemeinschaften konnte man die Location kostengünstig erreichen. Das Odyssée ist ein Veranstaltungsgebäude mit einem großen Ausstellungsraum, einem Theater und einem kleineren, zusätzlichen Gebäude namens „Canopée“, das man mit wenigen Schritten in der nicht synthetischen Luft erreichen konnte.
Fachbesuchertag
Anders als in den vergangenen Jahren begann das SynthFest France 2025 für mich bereits am Donnerstagnachmittag. Grund dafür war das veränderte Konzept der Edition 2025.
Die Organisatoren hatten sich in diesem Jahr dazu entschieden, einen Fachbesuchertag in das Programm einzubauen, an dem sich Pressevertreter und Fachleute aus der Musikindustrie in angenehmer privater Atmosphäre mit Ausstellern und Gästen austauschen konnten.
Dieser neue Programmpunkt erstreckte sich vom Donnerstagnachmittag bis zum Einlass des Publikums am Freitag, dem 11. April, um 14 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt begann auch offiziell das SynthFest France 2025 für alle Besucher, das bis Sonntag, den 13. April andauerte. Reichlich Zeit, um sich alle Aussteller und deren Entwicklungen ausführlich anzusehen.
Auch wenn der Fachbesuchernachmittag durch das verspätete Aufbauen der Aussteller etwas holprig begonnen hatte, entwickelte sich dieses Extra zu einer sehr angenehmen Idee. Am Abend lud das Organisationsteam zu einem Begrüßungsempfang ein, bei dem sie die jüngsten Entwicklungen des SynthFest France mit den teilnehmenden Fachbesuchern teilten. Wie in den vergangenen Jahren wurde das Event von einer Handvoll engagierter, sympathischer Damen und Herren auf Non-Profit-Basis organisiert.
Nicht zu vergessen ist die jährliche Tombola, bei der zahlreiche von den Entwicklern gespendete Synthesizer und andere Tools verlost wurden – eine Aktion, mit der das Event zu fast einem Drittel finanziert wird. Der Hauptpreis in diesem Jahr war der Arturia PolyBrute 12.
Zusätzlich gab es ein gemeinsames Abendessen im Zelt, bei dem sich die verschiedenen Akteure – Entwicklerfirmen, Händler, Distributoren und kreative Schaffende – kennenlernen und austauschen konnten.
Gegen 22 Uhr ging es dann wieder zurück ins Hotelzimmer – mit Blick auf meinen schwedischen, möblierten Freund.
Der Fachbesuchertag setzte sich pünktlich um 10 Uhr morgens fort, und zu diesem Zeitpunkt standen bereits 90 % der Ausstellung. Die Aussteller warteten voller Tatendrang auf neugierige Besucher und Pressenasen wie meine Wenigkeit.
Um 11 Uhr fand im „Canopée“-Bereich ein spannender Talk mit Romain Giannetti von Kiviak Instruments statt. Er gab anderen Entwicklern unter anderem Einblicke in die Realisierung des WOFI-Samplers, die Nutzung von Kickstarter sowie die Verhandlungen mit internationalen Händlern wie Thomann.
Eine schöne Idee der Veranstalter, mit der die Entwickler noch stärker ins Zentrum des SynthFest-Geschehens eingebunden werden konnten. Oft dienen solche Events dazu, Entwicklern den direkten Kontakt zu Endkunden zu ermöglichen und Produkte der Presse oder Distributoren vorzustellen.
Meistens bleiben Gespräche unter Entwicklern auf der Strecke und werden später digital fortgesetzt. Ich hoffe, dass das SynthFest France an dieser Reihe von Talks festhält und sie in den kommenden Jahren weiter ausbaut.
Kaum hatte der zweite Teil des Fachbesucher-Halbtages begonnen, war er auch schon wieder vorbei. Pünktlich um 14 Uhr wurden die Tore des Odyssée für das große Publikum geöffnet.
Vier eigenständige Bereiche standen den Besuchern während der zweieinhalb Tage zur Verfügung: Im großen Saal fand die primäre Ausstellung statt, die aufgrund der hohen Nachfrage erstmals auf den Canopée-Bereich erweitert wurde.
Die beiden Flächen wurden von voll- und semikommerziellen („artisanalen“) Firmen genutzt. Neben den üblichen großen Playern (Arturia, Korg, Yamaha, Roland) konnten die Besucher viele Produkte kleiner internationaler Entwickler sowie von Menschen entdecken, die rein aus Passion in ihrer Freizeit oder gar im Ruhestand Synthesizer entwickeln, ohne das primäre Ziel, diese groß zu vermarkten.
Zusätzlich bot das SynthFest kostenlose Tische für Musiker an, auf denen sie ihre Live-Setups und Projekte dem Publikum präsentieren konnten – eine sehr schöne Idee, die dem Ganzen ein anderes Flair verleiht als beispielsweise die Superbooth.
Einen ausführlichen Rundgang mit allen Ständen und dem sehr lebendigen Geschehen am Samstagnachmittag findet ihr im verlinkten Video.
Im Theater fand im 30-Minuten-Takt ein gesprächs- und konzertähnliches Rahmenprogramm mit Vorstellungen, Performances und Talks statt.
Frédéric Meslin von Fred’s Lab stellte beispielsweise seinen neuesten Synthesizer, den Manatee, in einer reinen Performance vor und beantwortete anschließend Fragen aus dem Publikum. Ein ähnliches Konzept verfolgte auch Kodamo, die ihre digitalen Synthesizer Essence FM und MASK 1 präsentierten.
Viele der Vorstellungen sind bereits online auf YouTube verfügbar und können dort nachgeschaut werden. Kenntnisse der französischen Sprache sind dabei definitiv von Vorteil.
Nahm man den rechten Ausgang des Theaters, gelangte man mit wenigen Schritten ins Canopée. Neben weiteren Ausstellern fand man hier den traditionellen Vintage-Bereich, der das Herz jedes Vintage-Synthesizer-Liebhabers höher schlagen ließ.
Auf einer Seite hatte Olivier Grall (Synthé Grall) seine Zelte aufgeschlagen. Traditionell widmet er jedes SynthFest einer anderen Firma. 2023 war es Yamaha, inklusive des legendären CS-80. Im vergangenen Jahr gab es ein großes Vintage-Korg-Fest mit vielen beeindruckenden Geräten aus den letzten fünfzig Jahren der japanischen Firma.

Oliver Grall mit einer Sonderanfertigung der Brüder Ruben und Serge Fernandez (RSF) aus dem Jahr 1977 für den Musiker Benoit Widemann.
In diesem Jahr gab es ein besonderes Schmankerl: einen Rückblick auf die französische Firma der Brüder Ruben und Serge Fernandez, besser bekannt als RSF. Zu sehen waren mehrere vollständige Kobol-Systeme mit den dazugehörigen Expandern (II, Preset und Mixer), dem Kobol-Keyboard sowie der obskuren RSF Blackbox.
Auf einem separaten Tisch stand zudem ein super seltenes Polyclavier-Keyboard – eine Art Controller, mit dem man alle Kobol-Systeme anspielen konnte.
Aus Transport- und technischen Gründen wurde auf die Ausstellung eines Polykobol verzichtet.
Ein absolutes Highlight für mich war der RSF Modular-Synthesizer, der in den späten 1970er-Jahren veröffentlicht wurde. Er wurde nur auf Anfrage gebaut und jedes Instrument ist heute ein Unikat, da jedes Exemplar ein anderes Modul-Setting besitzt.
Eine Besonderheit des ausgestellten Systems war ein einzigartig klingender Doppel-Analog-Phaser, der ausschließlich in diesem Modular-Synth verbaut wurde.
Man kann sagen, dass mit diesem Stand für viele RSF-Synthesizer-Fans ein wahrer Traum in Erfüllung ging. Persönlich habe ich noch nie so viele RSF-Instrumente auf einmal gesehen wie an diesen Tagen.
Als Randnotiz: Olivier Grall ist nicht nur Sammler, sondern stellt seine Instrumente auch Sounddesignern zur Verfügung. Außerdem unterstützte er Behringer bei der Entwicklung des RSF-Kobol-Expander-Klons als Berater sowie Alpha- und Beta-Tester, um den neuen Synthesizer möglichst originalgetreu abzugleichen.
Jeden Tag zwischen 15:00 und 15:30 Uhr hielt Olivier Grall zudem einen Vortrag für das Publikum über die RSF-Synthesizer, angereichert mit vielen Anekdoten und Klangbeispielen.
Am Nebentisch hatte Yves Usson, Entwickler der Arturia-Brute-Synthesizer, einen Moog-Modular-Klon von Mos-Lab aufgebaut. Mit etwas Glück wird Mos-Lab im nächsten Jahr persönlich vor Ort sein und sein E-Mu-Modularsystem-Klon präsentieren.
Und um das RSF-Thema zu vollenden, brachte auch Yves eines seiner kompletten RSF-Kobol-Systeme mit.
Yves Usson ist weiterhin aktiv in der Synthesizer-Welt. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Pierre-Jean Tardiveau von SynTesla an einer Reihe neuer Eurorack-Module im Steampunk-Look sowie an einem weiteren, größeren und noch geheimen modularen Projekt.
Drehte man sich einmal nach rechts, nahm die Vintage-Synthesizer-Extravaganza nochmals richtig Fahrt auf. Hier präsentierten drei Synthesizer-Privatleute eine beachtliche Sammlung an Synthesizern, Drum-Machines und weiteren Geräten aus den letzten fünfzig Jahren.
Besonders schön war, dass man die Instrumente nicht nur bestaunen und fotografieren, sondern auch antesten konnte – eine Seltenheit. Bei Fragen standen die Besitzer mit Rat und Tat zur Seite.
Zu sehen und auszuprobieren waren unter anderem ein ARP 2600 in alter und neuer Ausführung, zwei EMS VCS3, ein modifizierter Sequential Pro-One im Desktop-Format sowie eine Auswahl diverser legendärer Drum-Machines von Roland und Korg.
Einer der Aussteller war Alexis Faucomprez, der hauptberuflich singende Sägen in allen möglichen Formen herstellt und in seiner Freizeit ein großes Herz für Vintage-Synthesizer hat.
Besondere Schmuckstücke waren hier die Roland Rhythm 33 und 77, die ich in der freien Wildbahn noch nie gesehen hatte.
Der Vintage-Bereich am SynthFest France 2025 war einmal mehr ein echtes Highlight. Das lag vor allem daran, dass es sich nicht um eine typische „Don’t touch it“-Ausstellung handelte, sondern vielmehr um ein großes Spielzimmer für Vintage-Freunde.
Die Edition 2025 führte zudem einen vierten Bereich ein: In einem neu eingerichteten Zelt vor der Ausstellungshalle und in einem weiteren kleinen Raum des Canopée wurden „Masterclasses“ zu verschiedenen Themenschwerpunkten angeboten.
Knarf vom französischen YouTube-Kanal Les Sondiers gab einen Einblick in den Workflow seines hybriden Studios in Verbindung mit Ableton Live.
Über die gesamten Tage hinweg wurden zudem Masterclasses zu den DAWs Ableton Live, Bitwig und FL Studio angeboten.
Freunde modularer Synthesizer wurden natürlich nicht vergessen. Die französische Modular-Boutique ModularSquare aus Paris bot Einsteigerkurse in die bunte und faszinierende Welt der Module und des Kabelsteckens an.
Zwei Foodtrucks, die hausgemachte Burger sowie Crêpes in allen süßen und herzhaften Variationen anboten, sorgten für den nötigen Energieschub während der Veranstaltungstage.
Zudem versorgte eine reichhaltig bestückte Bar mit tollem Personal und fairen Preisen die Besucher kontinuierlich mit Getränken. So kam es nie zur Dehydration – auch wenn die Synthesizer-Gespräche einmal länger ausarteten.
Vorläufiges Fazit zum Fachbesuchertag
Der erste Tag war bereits sehr gelungen, was insbesondere den tollen Begegnungen und Gesprächen geschuldet war. Widmen wir uns nun der Ausstellung und der Konzerte. Den langen Bericht über die Aussteller und Konzerte mit vielen Fotos der Exponate findet ihr hier.
🤣👍 Da habe ich den SynthFest France Teil 2 doch glatt zuerst gelesen!
Diese Einblicke sind wirklich Gold wert. Ersparen sicherlich keine Reise zur Veranstaltung SynthFest France, um es richtig zu erleben.
Wieso will ich denn gleich immer alles Synthesizer anfassen? Sowas auch…
Danke für diese wunderbaren Artikel!
chapeau bas
Superbooth in France. Sehr interessant! Im Vergleich zu Teil 2 ist dieser Teil 1 eher kurz ausgefallen. Spannend das ein Mask 1 präsentiert wird. Dieser Franzose ist doch schon einige Jahre im Handel erhältlich. Seit Ende März 2023 um genau zu sein. Gefällt mir übrigens nicht schlecht als etwas besonderer Synthesizer. Der RSF im Bild ist ja maximal hässlich. Erst dachte ich an was neues, aber das aussehen kommt wohl von fast 50 Jahren Bühnenerfahrung bei diesem Gerät, so wie ich es verstanden habe. Teil 2 der Reportage habe ich mir auch schon angesehen. Fazit: Es gibt für die nächsten mehreren Tage zwei Beschäftigungen: Amazona Artikel lesen zum Synthfest France und natürlich der Superbooth Berlin, die morgen startet. Und die andere Beschäftigung ist den Rauch der sixtinischen Kapelle Rom anzuglotzen im TV. Letzteres ist maximal langweilig, aber bedeutsam.
Super Artikel! Nur so kann doch ein derartiges Event der breiten Masse vorgestellt werden….
Also wenn so ein Artikel für heutige Verhältnisse schon zu lang und ausführlich ist, hab ich echt die Hoffnungen in die Menschheit verloren.
Verhältnis von Text zu Bildern ist doch gut, und das Event scheint Superbooth character zu haben. Wahrscheinlich nur nicht inmitten eines fetten Besuchermagneten wie Berlin.
Bin auf jeden Fall froh, dass das Feedback neben mir auch ähnlich ist und es doch noch genug Leute gibt, die das gerne lesen.
Also im Büro heisst es auch andauernd „Email zu lang, keine Zeit“, aber dann hängen sie alle in 100 Meetings und labern sich unnötigen Quatsch um die Ohren… Alle zu Faul einfach geworden für die gute alte Schrift… :D
Na dieser RSF war ja auch nur eine spezielle Sonderanfertigung in den 70er.
Der Geschmack ist da wohl auch sehr geprägt davon. Die RSF Ecke sieht sonst sehr, sehr lecker aus.
Interessante Reportage auch Teil 1, vielen Dank.