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Workshop Modular Synthesizer: LFOs

Modular: Die Zeit 2

15. September 2018

 LFOs

LFOs

Der letzte Teil der Amazona Modular-Serie geht näher auf LFOs und auf einen amerikanischen Komponisten namens John Cage ein.

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Niederfrequenz-Oszillatoren gehören zu den wichtigsten Steuermodulen für zeitliche Verläufe. Sie machen auch deutlich, dass sich in wesentlichen Bereichen von Modularsystemen in den letzten 45 (!) Jahren nicht viel verändert hat. Nun gut, dies mag vielleicht etwas provokant formuliert sein. Ein Don Buchla oder Serge Tcherepnin würde dem ebenso wenig zustimmen wie ein Dieter Doepfer oder Grant Richter (Wiard, Anm.). Doch ist es bemerkenswert festzustellen, dass von Robert Moogs ersten Modularsystemen (ca. 1964) bis heute die „Eckpfeiler“ der wichtigsten klangerzeugenden bzw. klangformenden Module unverändert geblieben sind.

 LFOs

Doepfer A-100 Modularsystem

Low Frequency Oscillator

Der LFO erfüllt in seiner ursprünglichen Funktion die Aufgabe, langsame Schwingungen zu Modulationszwecken zu erzeugen. Das ist keine neue Erkenntnis und dürfte hinlänglich bekannt sein. Ob zu leichten Tonhöhenveränderungen (Vibrati, um z.B. das Klangverhalten von Blas- und Streichinstrumenten nachzuahmen) oder für langsame Filter-Sweeps: Der LFO ist in seiner grundsätzlichen Funktion so etwas wie die Butter auf dem Brot und unverzichtbares Werkzeug für eine Vielzahl musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten. Von der klassischen Sinus- oder Dreieckswelle abgesehen, ist es vor allem auch die Pulswelle, die dem LFO besonderes klangveränderndes Potenzial erlaubt. So lassen sich etwa „automatisierte“ Oktavsprünge generieren, die einer einfach programmierten und regelmäßigen Sequenz gleichkommen bzw. an simple Arpeggio-Muster erinnern. Mit einem Voltage Inverter könnte man hier sehr elegant mit jedem „Oktavsprung nach oben“ automatisch das Filter schließen (Gegenbewegung) oder – statt eines dumpferen Klanges – mittels VCA Modulation die Lautstärke beispielsweise halbieren.

Das Schöne an LFOs in Modularsystemen ist die Tatsache, dass sich die vorhandenen Steuerspannungen für „alle“ verfügbaren Modulationsziele verwenden lassen. Dabei kann man zwischen „grundlegenden“ und „erweiterten“ CV-Eingängen unterscheiden.

Grundlegende Steuerung: Tonhöhe (VCO Pitch), Pulsbreite (VCO PWM), Filter Frequenz (VCF Cutoff) und Lautstärke (VCA Modulation).

Erweiterte Steuerung: Hüllkurvenzeiten (VC ADSR), weitere LFO-Geschwindigkeiten und LFO-Pulsbreiten (VC LFO), Mischungsverhältnis von Audio- oder Modulations-Signalen (VC Mixer), Stereo-Panorama (VC PAN), Geschwindigkeit von Sequenzern, Glide-/Portamento-Zeiten und vieles mehr.

 LFOs

Technosaurus Selector LFO (Ausschnitt)

Neben verschiedenen Wellenformen (Sinus, Dreieck, Sägezahn, Puls) bietet der „klassische“ LFO einen Frequenzbereich von ca. 0,01 bis 20 Hz. Damit arbeitet er – seinem Namen entsprechend – unterhalb des menschlichen Hörbereichs (ca. 20 – 20000 Hz) und ist als Modulations-Oszillator (im Gegensatz zum Audio-Oszillator) zu verstehen. Wie schon bei den Ausführungen rund um die Hüllkurve sei jedoch darauf hingewiesen, dass gerade die „Grenzbereiche“ der LFO-Geschwindigkeit bzw. LFO-Frequenz interessant sind.

Vor allem ein sehr (!) langsamer LFO ist möglicherweise äußerst wichtig. Er erlaubt weit gezogene Tonhöhenveränderungen, Filter-Verläufe oder Lautstärke-Änderungen der Extraklasse. Das kontinuierliche Öffnen bzw. Schließen eines satt klingenden Filters bei einer Periodendauer von 2 Minuten dürfte deutlich mehr musikalische Energie hervorbringen als das nervöse Auf und Ab der Cutoff bei einer Modulationsrate von 10 Hertz. Doch das lässt sich natürlich nicht verallgemeinern und hängt immer vom musikalischen Kontext ab.

Ein wirklich „langsamer“ LFO ist unverzichtbar, weil es für ihn praktisch keinen Ersatz gibt. Der „schnelle“ LFO hingegen könnte immer durch einen gewöhnlichen Audio-Oszillator getauscht werden, falls nötig. Das führt uns wieder zurück zu den Anfängen der Modularsynthesizer rund um Bob Moog.

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Moogs „LFO“ ist zwar vorhanden, aber als solcher nicht sofort zu erkennen. Es war offensichtlich in den Anfängen der Modularsysteme keineswegs angedacht, die schnellen von den langsamen Schwingungen zu trennen und letztere in ein separates Modul zu verpacken. Stattdessen wird ein VCO in den LOW Modus geschaltet und so eben als Niederfrequenz-Oszillator verwendet. Das birgt nun – allgemein gesprochen – Chance und Risiko gleichermaßen: Die Chance besteht darin, dass man den VCO nach freiem Belieben und in allen Frequenzbereichen verwenden kann (z.B. eben nicht im LOW Modus, sondern bei 4’ oder 2’, etc.). Eine Modulation von 5000 Schwingungen pro Sekunde ermöglicht klangliche Eindrücke und Effekte, von denen jeder gewöhnliche „LFO“ weit entfernt ist. Das Risiko solcher „kombinierter“ VCO/LFO Module besteht allerdings darin, dass der interessante, zuvor genannte „sehr langsame“ Frequenzbereich unter Umständen nicht mehr ausreichend abgedeckt wird. Statt der gewünschten „1 Schwingung pro Minute“ (ca. 0,015 Hz) ist dann „3 Schwingungen Pro Minute“ (0,05 Hz) der langsamste zu erreichende Wert. (Auch wenn es nicht viel klingt: Wir sprechen von der mehr als dreifachen Geschwindigkeit).

4 Minuten 33 Sekunden bis ASLAP – John Cage und die Zeit

Einer der herausragendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts – der Amerikaner John Cage – hat sich seit jeher mit Grenzbereichen des Klanges und der musikalischen Aufführungspraxis beschäftigt. Seine „Sonatas for Prepared Piano“ bedienen sich eines Klaviers, dessen Saiten zur Klangveränderung mit Schrauben, Metall- und Gummiteilen, Münzen, etc. belegt und nicht nur gespielt, sondern auch gezupft oder in ganz anderer Weise zum Tönen gebracht werden.

 LFOs

Experimentelle Klänge am Klavier

Kein Wunder, dass – neben dem „experimentellen“ Klangbild – auch „Die Zeit“ für Cage eine besondere Rolle gespielt hat.

Sein Stück 4′ 33“ – 4 Minuten 33 Sekunden bedarf besonderer Erwähnung. Dazu folgende Szene: Der Pianist betritt den Konzertsaal, Spannung liegt in der Luft, das Publikum harrt der musikalischen Darbietung. Der Künstler setzt sich an den Flügel … und spielt nicht! Er sitzt exakt 4 Minuten 33 Sekunden einfach nur da, steht wieder auf und geht. Die „Musik“ – und das ist Cages Gedanke – liegt nun in der Reaktion des Publikums, in jenem Geschehen, das sich in den 4 Minuten 33 Sekunden des pianistischen Nichtstuns entfaltet. Zunächst wohl peinliche Stille, dann leises Räuspern, verlegenes Husten, etwas Murmeln, vielleicht ein „Buh“ Ruf, etwas fällt auf den Boden, etc. Zwei Dinge sind mit „4 Minuten 33 Sekunden“ nämlich gewiss: Das Sich-bewußt-Werden des Publikums, wie „lange“ diese Zeit (Stille) von viereinhalb Minuten dauert (sie kann seeeehr lange werden) – und dass diese „Komposition“ mit jeder Aufführung eine andere, unvorhersehbare „Darbietung“ sein wird!

John Cage (Quelle: www.blockmuseum.northwestern.edu)

Als quasi gegenteiliges Extrem schrieb der von 1912 bis 1992 lebende Komponist ein Stück, dessen Aufführung 639 Jahre dauern wird (bzw. jetzt nur noch 631 Jahre, nachdem das Werk bereits 2001 begonnen hat): ASLAP („As Slow As Possible“).

So langsam wie möglich


„Kein Tag, keine Nacht ohne Klang – 639 Jahre soll er den Raum erfüllen. Vor 639 Jahren wurde in Halberstadt eine Orgel gebaut, mit der die Geschichte der modernen Tasteninstrumente begann. Das Orgelkonzert in der Burchardikirche spiegelt diese Geschichte in die Zukunft. 639 Jahre soll das Konzert dauern und die Orgel dabei langsam wachsen. Die Aufführung hat gerade erst begonnen. Die ersten drei Tasten wurden vor einem Jahr angeschlagen.“
(Beitrag aus: www.3sat.de – siehe Link unter „Verweise“)

Inzwischen ist ASLAP natürlich ein Stückchen fortgeschritten. Immerhin ist die Komposition zumindest schon beim sechsten Ton angelangt (oder gar schon weiter) …

Längstes Musikstück der Welt erlebt Klangwechsel


„Das auf 639 Jahre angelegte, längste Musikstück der Welt hat […] an der John-Cage-Orgel in Halberstadt einen der seltenen Klangwechsel erlebt. Es war der sechste in der Geschichte der im Jahr 2001 begonnenen Aufführung des Stücks.“
(Beitrag aus: www.zeit.de – siehe Link unter „Verweise“).

Wer also zufällig in Halberstadt (grob gesagt zwischen Leipzig und Hannover) vorbeikommt, sollte sich die bereits existierenden Töne des „längsten Musikstückes der Welt“ nicht entgehen lassen und ihnen – in Gedenken an John Cage – sein Ohr leihen. Aber kein Stress … es kann auch nächstes Jahr sein, oder 2025, wie es gerade passt …

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Dr.Funk

    Damit endet die Amazona Modular Serie????????
    Da gibt es doch noch viel mehr als Ossis, Höllenkurven, Kaffee-Filter und Langsam-Lauf-Kräcker zu besprechen!
    Ansonsten natürlich: Lob, Lob, Lob, Lob, Lob, Lob, Lob, Lob….

  2. Profilbild
    Tyrell RED

    Hallo Theo, Hut ab, das war wieder einmal der absolute Hammer!!! Technisches Fachwissen gepaart mit allgemein verständlicher Schreibe!! Der Umfang jedes Teils ist geradezu gigantisch. Auch von meiner Seite: Ganz ganz große Lob!!!

  3. Profilbild
    Dr.Funk

    Die Serie ist vorbei! Bisher 4 Kommentare??? Hallo??? Bei so nem ärmlichen Feedback kann ich dann auch verstehen, daß die Serie beendet wird…scheint ja wirklich keinen außer uns paar Freaks zu interessieren…Von mir nochmal ein ganz DICKES LOB!!!

  4. Profilbild
    changeling AHU

    Der Artikel ist sehr interessant und birgt auch einige interessante Tips. Was ich an der Serie allerdings etwas merkwürdig finde, ist dass nur Doepfer-Module besprochen werden. Gerade bei einem LFO-Artikel hätte ich mir die Erwähnung vom ‚King of LFOs‘, dem uLFO von Bubblesound und anderen komplexeren LFOs wie z.B. dem Vulcan Modulator von Livewire gewünscht.

  5. Profilbild
    Son of MooG AHU

    Kleiner Hinweis: beim VC-LFO von Analogue Systems handelt es sich um den RS-80, nicht RS-60 (der ist ein ADSR-Generator).
    Mein Lieblings-LFO ist der Studio Electronics/Eowave STE.16, der leider nicht mehr angeboten wird. Auch der VC LFO ist nicht mehr erhältlich…

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