Teil 2 über den Producer-Tycoon Conny Plank
Inhaltsverzeichnis
Conny Planks Krautrock/Jazzrock-Jahre (1974-1978)
Die erste Produktion in Connys Studio in Wolperath war am 17./18.Mai mit der Jazzrock-Formation Pork Pie (Jasper van’t Hof, Charlie Mariano) mit ihrem Album „Transitory“.
Überhaupt beherrschten die ersten Jahre Krautrock und Jazz(rock) den Produktionsplan in Wolperath, ergänzt durch erste elektronische Gehversuche, wie etwa Kraftwerks „Autobahn“ oder etwas außergewöhnlichere Platten wie die von Cluster oder Neu!, die die Grenzen des Krautrocks überschritten. Bis auf Pork Pie (Jasper van’t Hof ist Niederländer) und später dann Brian Eno (der aber wiederum auch mit Cluster ein Album bei Plank aufnahm) kam Planks Kundschaft in dieser Zeit aber fast durchgehend aus Deutschland.
Kraan produzierte mit Plank gleich fünf Scheiben („Andy Nogger“ (Jul 74), „Live“ (Okt 74)„Let it Out“ (Jul 75), „Wiederhören“ (1977) und „Flyday“ (1978), Hoelderlin, die ihren Erstling 1972 noch bei Dierks in Stommeln aufnahmen, kamen für die beiden Nachfolger „Hoelderlin“ (Feb 75) und „Clowns & Clouds“ (Jan 76) zu Conny Plank, Guru Guru (die ja bereits schon in Hamburg mit Conny Plank drei Alben produziert hatten) folgten Plank nach Köln, um dort „Manni und seine Freunde“ (Apr 75) und „Tango Fango“ (Feb 76) aufzunehmen, und auch Grobschnitt („Jumbo“, (Mai bis Jul 75), „Rockpommels Land“ (Nov 76 bis Feb 77)), Jane („Lady Jane“ (Nov 74 bis Jan 75), „Live at Home“ (1976)) oder Bröselmaschine („Peter Bursch und die Bröselmaschine“ (Feb bis Jul 75)) waren a) alte Bekannte und b) der deutschen (im weitesten Sinne) Krautrockszene zuzurechnen.
Ein zweiter großer Block an Produktionen in dieser Zeit kommt aus den Rother-Dinger-Moebius-Roedelius-Connections, also Bands wie Neu!, Cluster, La Düsseldorf und Harmonia sowie diverse Solo-Projekte der Genannten, die Plank Zeit seines (recht kurzen) Lebens treu blieben. „Man kann Conny nicht von den Bands trennen, die er aufgenommen hat, weil sie zusammengehören.“ stellte Michael Rother irgendwann fest. Mit Neu! hatte er bereits 1972 zwei Alben mit Plank in Hamburg aufgenommen, Ende 1974 / Anfang 75 dann folgte das dritte und letzte („Neu! 75“), bevor sich die Band endgültig auflöste – die bereits geschilderten Querelen untereinander waren zu groß geworden. Auf dem Album, das bis heute als eines der vielfältigsten Krautrock-Alben gilt, spielte dann übrigens auch Conny Planks Assistent Hans Lampe mit.
Nach dem Ende von Neu! tat sich Michael Rother mit den Cluster-Musikern Dieter Moebius und Hans-Joachim Roedelius in der Formation „Harmonia“ zusammen. Brian Eno nannte Harmonia mal „die wichtigste Rockgruppe der Welt“, und die Red Hot Chilli Peppers outeten sich als Fans und holten Michael Rother zum Jam auf die Bühne. Die beiden Alben, „Musik“, (1974) und „Deluxe“ (1975) entstanden zwar im Harmonia Studio in Forst, zumindest das letzte, mehr synthesizerlastige (und meilenweit vom Krautrock entfernt) aber mischte Conny Plank mit seinem Mixmobil vor Ort.
Nach dem Ende von Harmonia nahm Michael Rother dann in den Folgejahren noch drei Solo-Alben bei Conny Plank auf: „Flammende Herzen“ (1977), „Sterntaler“ (Sep bis Nov 77, erschienen 1978) und „Katzenmusik“ (Mrz bis Juli 1979). Klaus Dinger wiederum, der zweite Neu!-Musiker, gründete mit seinem Bruder Thomas und Connys Assistenten Hans Lampe (der ja schon beim letzten Neu!-Album dabei war), die Gruppe „La Düsseldorf“, deren Musik von langen instrumentalen Stücken, versetzt mit Klangkollagen und Sprachfetzen, geprägt war (und die David Bowie, der sie sehr bewunderte, in einem Interview mal als „…the soundtrack of the eighties“ bezeichnete).
Der Erstling („La Düsseldorf“) wurde von September 75 bis Dezember 75 in Wolperath aufgenommen; besonders der zweite Titel (der auch „La Düsseldorf“ heißt und mit Fangesängen aus der Brehmstraße beginnt) wird hier in meiner Heimatstadt auch heute noch gerne gehört und gehört in Düsseldorf fast schon zum Brauchtum. Klaus Dinger erzählte später: „Conny Plank war ganz einmalig, er war wahnsinnig wichtig für alle meine Projekte, Ob Neu! oder La Düsseldorf. Ohne Conny wäre das alles nicht möglich gewesen, auch nicht meine Neondian. Conny hatte wohl ein Herz für Wahnsinnige“ (ElektriCity S.384)
Mit seinen Freunden von Cluster produzierte Conny Plank weitere Alben. Das Ambient-Album „Sowiesoso“ entstand 1976 mit kleinem Equipment im Cluster-eigenen Studio in Forst im Weserbergland, mit Conny Plank und Brian Eno als Produzenten, ein Jahr später dann gab es in Connys Studio mit „Cluster & Eno“ die erste Coproduktion von Cluster und Brian Eno. Letzterer erwies sich für Plank als enorm wichtiger Kontakt: Nicht nur, weil er Christa beim Kartoffelschälen half, er vermittelte später auch zahlreiche Bands aus aller Welt an Conny. So brachte er zum Beispiel 1978 Devo aus Cleveland nach Wolperath, wo sie ihren Klassiker „Are We Not Men?“ aufnahmen.
Aber dazu später mehr. Eno fühlte sich einfach wohl auf Connys Hof: „In den Aufnahmepausen drehte er (Eno) auf einem kleinen Kinderklapprad seine Runden auf Connys Hof. Nachlässig mit den viel zu engen und zerbeulten Adidas-Jogginghosen bekleidet.“ – erinnert sich Eberhard Kranemann später (ElektriCity, S.142). Aber auch musikalisch waren Plank und Eno auf einer Wellenlänge; auch sein fünftes Album (das gleichzeitig sein letztes Rock-Album war) „Before & After Science“ ließ Eno 1977 bei Conny Plank produzieren, im März 1978 dann auch sein sechstes „Ambient 1: Music for Airports“, das aus sich überschneidenden Tonbandloops verschiedener Länge zusammengestellt wurde, mehr Klanginstallation denn herkömmliches Album. Eno selber bezeichnete sich später als „Planks Meisterschüler“, der viel von Plank gelernt habe. Das dort angehäufte Wissen nutzte er später für Produktionen für David Bowie und U2. Beides Musiker/Bands, die bei Conny Plank anklopften, die der aber nicht haben wollte. Aber darauf komme ich später noch einmal.
Habe ich was vergessen? Natürlich: die „Autobahn“ von Kraftwerk, das Album, das viele zuerst mit Conny Plank verbinden. Der Entstehungsgeschichte dieses wegweisenden Albums hatte ich bereits einen eigenen ausführlichen Artikel gewidmet. Aufgenommen im Kling Klang Studio und abgemischt in Wolperath, gilt es als die Geburtsstunde des Elektro-Pop, an der Conny Plank einen nicht zu unterschätzenden Anteil hatte. Vom Motorikstil von Neu!s „Hallogallo“, den Plank mit entwickelt hatte und der frappierend an Autobahn erinnert, war ja bereits die Rede.
Und so mancher glaubt, dass erst Plank aus dem Album das gemacht hat, was es am Ende geworden ist: „Autobahn ist für mich einer der ursprünglichsten Kraftwerk-Titel, und in einer bemerkenswerten Weise hat Konrad denen in seiner Funktion als Produzent oder Engineer zu diesem epochalen Sound verholfen.“ (Kranemann, ElectriCity S.97). Das mag übertrieben sein, aber zumindest hatte er ihnen dabei geholfen – wie so vielen anderen Bands zuvor auch – ihren Weg zu finden. Irrtümlich wird Conny Plank oft als Produzent von Autobahn genannt, richtig ist aber, dass er hier lediglich als Toningenieur tätig war, was ja auch auf den Credits so vermerkt ist. Der Musikjournalist David Stubbs schrieb: „Conny Plank muss ihnen geholfen haben, diese Vision zu entwickeln und sich auf das Wesentliche in ihrer Musik zu besinnen. Obwohl er die späteren Platten nicht produziert hat, glaube ich, dass er eine zwar stille und vielleicht nicht anerkannte, aber maßgebliche Rolle spielte bei der Entwicklung von Kraftwerks Vision.“ Nicht zu vergessen war es Plank, der den Verkehrsleitkegel, das Erkennungszeichen von Kraftwerk, erfand. Aber das nur nebenbei.
Conny Planks Produktionsliste 1974 – 1978
Hier eine (unvollständige) Übersicht der Plank’schen Produktionen aus dieser Zeit, soweit ich sie ermitteln konnte. Die ein oder andere fehlt da sicher. Die Angaben zu Planks Rolle bei den Produktionen stammt von den Credits der jeweiligen Alben.
Release | Recorded | Interpret | Albumtitel | Planks Rolle |
1974 | 17.5., 18.5.74 | Pork Pie | Transitory | |
1974 | Nov 74 | Kraftwerk | Autobahn | Prod, Eng |
1974 | Cluster | Zuckerzeit | ? | |
1974 | New Phonic Art | Free Improvisation | Mix, Eng, Live Elec | |
1974 | Jul 74 | Kraan | Andy Nogger | Eng |
1974 | Jun Jul 74 | Sameti | Hungry for Love | Eng, Mix |
1974 | Okt 74 | Kraan | Live | Eng, Mix |
1974 | Dez 74 | Arktis | Arktis | |
1975 | Dez 74 / Jan 75 | Neu! | Neu! 75 | Prod, Eng |
1975 | Harmonia | Deluxe | Prod | |
1975 | Feb 75 | Hoelderlin | Hoelderlin | Prod, Voice, Synth |
1975 | Jul 75 | Kraan | Let it Out | Eng, Mix |
1975 | Apr 75 | Guru Guru | Mani und seine Freunde | Eng, Gtr, Voice |
1975 | 1975 | Lazy Farmer | Lazy Farmer | Eng |
1975 | Nov 74 – Jan 75 | Jane | Lady Jane | Eng |
1975 | Ramses | La Layla | Prod, Eng | |
1975 | Mai-Jul 75 | Grobschnitt | Jumbo | Remix |
1975 | Sep-Okt 75 | Harlis | Harlis | Prod, Eng, Mix |
1975 | Feb-Juli 75 | Bröselmaschine | Peter Bursch | |
1975 | Apr 75 | Globe Unity Orchestra | Bavarian Calypso (Single) | |
1976 | Sep-Dez 75 | La Düsseldorf | La Düsseldorf | Prod, Eng |
1976 | 1976 | Cluster | Sowiesoso | Prod |
1976 | Oct 75 | Ramses | La Leyla | Prod, Eng |
1976 | Jan 76 | Hoelderlin | Clowns & Clouds | Eng |
1976 | Feb 76 | Guru Guru | Tango Fango | Mix, Tech. Advisor |
1976 | Jane | Live at Home | Eng, Mix | |
1976 | Bullfrog | Bullfrog | Prod, Eng, Mix | |
1977 | Helmut Koellen | You Wont See Me | Eng | |
1977 | Dez 77 | Brian Eno | Before and After Science | Eng |
1977 | Jun 77 | Brian Eno, Cluster | Cluster & Eno | Prod, Eng, Cover Design |
1977 | Jun-Sep 76 | Michael Rother | Flammende Herzen | Prod, Eng |
1977 | Fritz Müller Rock | Fritz Müller Rock | ||
1977 | Jan / Jul 77 | New Triumvirat | Pompeii | Eng |
1977 | Nov76 – Feb 77 | Grobschnitt | Rockpommel’s Land | Eng, ReMix |
1977 | Kraan | Wiederhören | Eng, Mix | |
1977 | Feb 77 | Steve Lacy / Mal Waldron | One-Upmanship | Eng |
1977 | Aug 77 | Bullfrog | High in Spirits | Mix |
1978 | Jun 77 | Eno Moebius Roedelius | After The Heat | Prod, Eng |
1978 | Sep – Nov 77 | Michael Rother | Sterntaler | Prod, Eng |
1978 | Mrz 78 | Brian Eno | Ambient 1: Music for Airports | Eng |
Conny Plank als Musiker
Neben all den Produktionen fand Conny Plank auch hin und wieder Zeit, selber ein wenig Musik zu machen. Ihr erinnert euch: Plank spielte in den späten 50er Jahren Gitarre und Trompete in diversen Dixieland- und Jazzbands, bevor es ihn an das Mischpult verschlug. Schaut man sich die Credits seiner Produktionen an, so wird er da – neben seiner Tätigkeit als Producer/Engineer – hin und wieder auch als Musiker aufgeführt. Wie weit da seine Mitarbeit reichte, ob das nur ein paar Overdubs waren, um Lücken zu füllen oder ob er da tatsächlich eine tragende Rolle spielte, das lässt sich heute nicht mehr sagen. Bei Gianna Nannini taucht er gleich auf vier Alben auch mit dem lapidaren Vermerk „Synthesizer“ auf, während er auf zwei Guru Guru-Alben als Gitarrist und Keyboarder aufgeführt wird. Auch andere Krautrocker wie Hoelderlin (Voice, Synth auf „Hoelderlin“), Os Mundi (Gitarre auf „43 Minuten“) oder Lilienthal (Voice, Synth, Gitarre auf „Lilienthal“) buchten ihn auch als Musiker.
Gefragt war überdies der Emulator II, den Conny als einer der ersten in seinem Studio stehen hatte, und den er schon 1984 (da erschien der Sampler von E-mu Systems) auf dem Album „Der Osten ist rot“ von Holger Czukay – und drei Jahre später auf dessen Album „Rome Remains Rome“ spielte. Auch bei Belfegore Erstling „Belfegore“, ebenfalls 1984 produziert, werden Plank und sein Emulator II in den Credits geführt.
Mit Dieter Moebius zusammen nahm Plank unter dem Duo-Namen „Moebius & Plank“ auch fünf eigene Alben auf, wobei sich die beiden immer auch noch Gastmusiker aus ihrem Freundeskreis dazu holten. So war bei „Rastakraut Pasta“ (1979) Holger Czukay am Bass mit dabei, während bei „Zero Set“ (1982) Guru Guru-Drummer Mani Neumeier trommelte. Der war dann auch bei „Begegnungen I“ (1984) und „Begegnungen II“ (1985) mit dabei, ebenso wie Brian Eno. Das letzte Album des Duos Plank/Moebius war „En Route“ (1986, erstmals 1995 veröffentlicht), ein für damalige Zeiten wilder Mix aus diversen Synthies, Synclavier, Fairlight, Geräuschen und Rhythmusmaschinen, der heute erstaunlich zeitgemäß klingt.
Mit seinem langjährigen Freund und musikalischen Begleiter Eberhard Kranemann nahm Plank 1977 das Album „Fritz Müller Rock“ auf, zu dem er den psychedelischen Krautrock-Titel „I’m sitting by the seaside“ beisteuerte und zu einem weiteren („Ich kauf mir ne Gitarre“) den Text verfasste.
Auch für Arno Steffens NDW-Platte „Schlager“ (1983 – „Ist doch alles supergut, ne?“) schrieb Plank einige Tracks, und übernahm auch hier und da die Vocals (auch seine Lebensgefährtin Christa kommt dort wieder als Sängerin zum Einsatz). Ja, Plank war wirklich vielseitig talentiert und für jeden Musikstil offen.
Auf der Bühne stand Conny Plank dagegen nur einmal – die große Öffentlichkeit war nicht so sein Ding. Im Herbst 1986 war er zusammen mit Dieter Moebius und Arno Steffen im Auftrag des Goethe-Instituts in Südamerika unterwegs, wo die drei als Trio einige Konzerte – oder besser „Live Performances“ – gaben, die man zuvor ein wenig in Connys Studio einstudiert hatte. Plank spielte dabei einen Yamaha DX7 und Trompete und zusätzlich Hintergrundmusik von einem 8-Spur-Tonband ein. Aufnahmen von dem Konzert in Mexiko wurden später auf dem 4er-Boxset „Who’s that man – A tribute to Conny Plank“ veröffentlicht (erschienen 2013).
1978 – 1983: (Internationale) Größen – Ultravox, Devo, Eurythmics
Waren es bis Anfang 1978 fast ausschließlich deutsche Bands, die Plank produzierte, kam es im Mai zu einem „Bruch“ mit dieser Tradition. Mit Ultravox kam eine internationale New Wave- und Synth-Pop-Band nach Wolperath. Die hatten ihre ersten beiden Alben (Ultravox!, Ha!-Ha!-Ha!) ein Jahr zuvor noch mit Brian Eno (ja, die Eno-Connection mal wieder) und Steve Lillywhite in London produziert, bevor sie für die Produktion ihres dritten Albums, „Systems of Romance“, in Connys Studio kamen. Der – wie an anderer Stelle schon erwähnt – so gar nicht zufrieden war mit dem, was sie ihm da präsentierten, und ihnen riet, so lange ins nahegelegene Schwimmbad zu gehen, bis sie eine brauchbare Idee hätten. Systems of Romance war klanglich dann schon anders als die beiden Vorgänger, setzte mehr auf Synthesizer und ließ erahnen, wie sich die Band später mal anhören würde. Conny Plank hatte das schlummernde Potential entdeckt und angefangen, es herauszumeißeln. Der kommerzielle Durchbruch blieb aber noch aus.
Der kam dann zwei Jahre später (nach der Neuformierung der Band, und nachdem Plank mit Ultravox die Compilation „Three Into One“ produziert hatte) mit dem heute noch „ohrwurmigen“ Album „Vienna“, das in London produziert, aber bei Conny Plank abgemischt wurde. Für die Aufnahmen war Plank extra nach London gereist. So erzählt Midge Ure später über den Titelsong des Albums: „Wir spielten eine erste rohe Idee von Vienna. Wir gingen für Conny durch den Song, er saß im Studio und hörte zu. Danach saßen wir zusammen und redeten darüber, was dieser Song eigentlich ist oder sein könnte. Wir sprachen in musikalischen Begriffen, aber Conny antwortete uns in Soundbegriffen. Er sagte, was ich sehe, mir vorstelle, ist ein alter Mann in einem leeren Ballsaal, der hinter einem Klavier sitzt. Er hat 40 Jahre die gleiche Melodie gespielt, und er ist müde. Dann gingen wir ins Studio und nahmen den Song auf. In der Regie spielte er uns die Aufnahme vor. Und da war der Klaviersound, den er entworfen hatte. Dieses traurige, langsame, müde Klavierstück. Nicht wir haben uns das ausgedacht, sondern er.“
Nerdwissen: Ultravox nannte sich anfangs noch „Ultravox!“, wobei das Ausrufezeichen eine Hommage an Neu! war. Auch so schließt sich der Kreis zu Plank.
Der Song war 73 Wochen in den englischen Charts, wo er bis auf Platz 3 kletterte. In den nächsten Jahren produzierte Plank mit Ultravox, die immer wieder mal zu ihm zurückkehrten, noch drei weitere Alben („Rage in Eden“ (1981), die Compilation „The Collection“ (1984) und „U-Vox“ (1986). Midge Ure war extrem angetan von Planks Art zu arbeiten: „Wenn man in Wolperath war, änderte sich die Herangehensweise Musik zu machen völlig (…) Conny war so anders als frühere Produzenten, mit denen ich gearbeitet hatte. Weil er in Sounds sprach und dachte. Er dachte die ganze Zeit über Sounds nach.“ Dazu passt auch diese Anekdote, die Midge Ure zum Besten gab: Ultravox hatte sich für den Song „All in One Day“ vom Album „U-Vox“ extra von George Martin für viel Geld ein bombastisches Orchesterarrangement schreiben lassen. Das Conny Plank dann kurzerhand durch einen Verzerrer schickte, weil es seiner Meinung nach so einfach besser klingen würde.
Einem weiteren internationalen Act, den er 1978 mit produzierte, war die US-New-Wave-Band Devo. Die hatten 1977 ein Demotape an David Bowie, Iggy Pop und Brian Eno geschickt. Die waren alle drei interessiert, aber letztlich kümmerte sich Brian Eno darum, der die Band auf eigene Kosten im Februar nach Köln fliegen ließ und dort zusammen mit Plank das erste Album von Devo (die bis dahin noch gar keinen Plattenvertrag hatten), „Are We Not Men? We Are Devo!“ aufnahm. Angeblich hat dabei an den Wochenende auch David Bowie geholfen, der zu der Zeit mit den Dreharbeiten zu „Just a Gigolo“ beschäftigt war. Allerdings würde ich Planks Rolle hier nicht zu hoch hängen wollen, auch wenn oft behauptet wird, er habe Devo auf die Beine geholfen. Berichten zufolge hat sich in erster Linie Eno mit der Band herumgeschlagen, die nach eigener Aussage später „Enos Ideen gegenüber offen resistent“ waren. „He (Eno) made up synth parts and really cool sounds for almost every part of the album, but we used them on three or four songs”. So wurde das Album dann eher von Brian Eno in Conny Studio produziert. Zudem wurde ein Großteil der Tracks später dann auch noch von David Bowie neu abgemischt. Aber immerhin begann das Studio in Wolperath nun, sich auch international einen Namen zu machen.
Ein weiterer großer Name, der in Wolperath seine ersten großen Gehversuche machte, waren die Eurythmics. 1979 spielten Annie Lennox und Dave Stewart noch in einer Band namens „The Tourists“, deren gleichnamiger Erstling bei Conny Plank im Studio entstand. 1980 dann löste sich die Band auf, und Lennox und Stewart gründeten die Eurythmics. Sie erinnerten sich an Plank und kamen zu ihm, um auch das erste Eurythmics-Album bei ihm zu produzieren. Von Februar bis Juni 1981 entstand „In the Garden“. Robert Görl, der zu der Zeit mit DAF ebenfalls bei Plank war, erinnert sich: „Die Eurythmics waren ja vorher The Tourists und auch schon kommerziell erfolgreich. Aber von dieser Radio-Mucke wollten sie weg und cooler werden. Also sind sie zum Plank und wollten ein neues Konzept. Conny holte sich dann von Gabi und mir das Einverständnis, dass die Ex-Tourists, also Dave Stewart und Annie, uns zwei Tage im Studio zuschauen dürfen. Da fing es gleich an zu knistern zwischen uns.“
So waren dann auch zahlreiche Gastmusiker aus dem Plank-Universum mit auf der Platte vertreten, wie Robert Görl (DAF), Jaki Liebezeit und Holger Czukay (Can), aber auch Blondie-Drummer Clem Burke. „The ex-Tourists pack their bags and leave the safe pastures of pure English pop for the electronic delights of Cologne and superstar producer Connie Plank”, schrieb das Magazin Smash Hits in einer Rezension der Scheibe recht wohlwollend – der kommerzielle Erfolg hielt sich aber in Grenzen. Trotzdem war Dave Stewart weiterhin begeistert von Plank: Bei anderen Produzenten dürfe man nicht mal das Pult berühren, bei Conny dagegen hätte es keine Regeln gegeben. Auch wenn die Eurythmics das Folge-Album „Sweet Dreams“ nicht in Wolperath produzieren ließen, kehrten sie doch 1986 zu Plank zurück, um einen Song („Let’s Go“) für ihr fünftes Album „Revenge“ aufzunehmen (der Rest wurde in Paris im Grand Armée produziert). „Er hat sich damit beschäftigt, zeitlose Musik zu machen. Die Essenz von etwas einzufangen und sie in einen Kontext zu setzen. Und der Kontext war die Welt des Klangs“, sagte Stewart später über Plank. Noch einmal gab es später, 1987, ein Wiedersehen mit Lennox/Stewart, als Plank die Band nach Japan begleitete, um sie dort live aufzunehmen.
Hier eine Übersicht:
Release | Recorded | Interpret | Albumtitel | Planks Rolle |
1978 | 10 77 – 02 78 | Devo | Are We Not Men? We Are Devo! | Eng |
1978 | 05 78 | Ultravox | Systems of Romance | Prod, Eng |
1979 | Ultravox | Three Into One | Prod | |
1979 | The Tourists | The Tourists | Prod | |
1980 | Ultravox | Vienna | Prod | |
1981 | 02-06 81 | Eurythmics | In the garden | Prod |
1981 | 06-10 81 | Ultravox | Rage in Eden | Co-Prod, Eng |
Danke für den Artikel, gerade als neu-Düsseldorfer (15 Jahre ;)) war das eine tolle Lektüre.
schöner bericht aus der guten, alten zeit, da wird einem ganz nostalgisch ums herz. immer wieder interessant, wie wichtig equipment damals war – meine erste band hat mich 1979 auch nur genommen, weil ich einen synthesizer hatte. heute hat jeder alles (wenn auch meist nur virtuell), und das ist einerseits schön, andererseits zeigt die conny-plank-story aber auch, dass kreativität sich manchmal besser aus der beschränkung entwickelt.
Wäre echt spannend gewesen, was Conny mit fortschreitender Technik angefangen hätte.
Vielleicht wäre es ihm aber auch total langweilig geworden!?!
Spannender Artikel! Dankeschön. Frage: Hannes wader taucht in der Überschrift auf und dann nicht mehr?
@LSF Oops, sorry – da fehlen in der Liste die Einträge, dass Conny Plank im Mai 1977 mit Hannes Wader die Live-LP „Hannes Wader singt Arbeiterlieder“ aufgenommen hat, (1977 auf einem Volksfest in Gelsenkirchen), und 1978 dann die LP „Hannes Wader singt Shanties“. Hatte ich am Ende vergessen, das noch einzutragen, danke für den Hinweis.
@m.steinwachs Plank hat auch das Colonia Duett live aufgenommen. Hier ein anderer Live-Auftritt: https://www.youtube.com/watch?v=Ya3KWtYbiYw
@Dirk Matten Danke für den Nachtrag, lieber Dirk. Die Angaben zu Live-Aufnahmen sind meist nicht so leicht zu finden wie die zu den Studio-Aufnahmen. Conny Plank war ja viel mit seinem Aufnahmemobil unterwegs, aber oft fehlen dann die Hinweise darauf im Netz. Daher hat meine Liste da (wie gesagt) keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber ich werde weiter sammeln und die Artikel bei Bedarf ergänzen.
@m.steinwachs Ich besitze die Schallplatte und da ist mir der Name aufgefallen.
@m.steinwachs Noch was, Conny Plank ist 87 bei Aufnahmen mit Annette Humpe/Interzone verstorben? Habe ich das in meinen „Alte Männer“-Erinnerungen richtig abgespeichert?
@LSF Das kommt dann im dritten Teil. Er ist im Dezember 1987 während der Aufnahme mit Heiner Pudelko (Interzone) verstorben, der sein erstes Solo Album bei ihm aufnahm; Annette Humpe war Pudelkos Managerin.
Daß Conny Plank an Bröselmaschine beteiligt war wusste ich nicht. Peter Bursch wohnt hier um die Ecke und ich muss jetzt erstmal Basiswissen nachholen, als Lokalpatriot echt peinlich. Ein toller Artikel übrigens!
Klasse Fortsetzung. Bin sehr gespannt auf Teil III 🙏
Ich bin von Teil 1 und 2 noch so geflasht und kann (noch) kein Statement abgeben…
wann erscheint Teil 3…?
@paolostylo Samstag, 6 Uhr