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Phase-Distortion-Synthese: Einfach erklärt

Phase-Distortion-Synthese in Theorie und Praxis

30. April 2025
Phase-Distortion-Synthese Einfach erklärt Workshop Aufmacher

Phase-Distortion-Synthese: Einfach erklärt

In den Achtzigern lösten digitale Synthesizer eine Revolution auf dem Markt aus: FM-, LA- und – unser heutiges Thema – Phase-Distortion-Synthese konkurrierten um die Gunst der Massen. Aufgrund ihrer digitalen Natur waren sie kostengünstiger zu produzieren und so war der Phase-Distortion-Synthesizer Casio CZ-101 einer der ersten polyphonen Synthesizer unter 500 US-Dollar (das entspräche heute etwa 1.540 US-Dollar). Das machte polyphone Synthesizer auch für den wachsenden Heimstudio-Markt attraktiv.

FM-Synthese in Form der Phasenmodulation à la Yamaha sowie Nachfolger der LA-Synthese in Form von ROMplern gibt es heute noch – beispielsweise in der MONTAGE-Serie von Yamaha. Die Phase-Distortion-Synthese hingegen scheint nahezu verschwunden zu sein. Doch was ist das eigentlich – und besteht eine Verwandtschaft zur erwähnten Phasenmodulation eines DX7?

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Kurz & knapp

  • Flexibler Sound: obertonreiche Klanggestaltung durch PD-Synthese mit einfachen Mitteln
  • Eigenständiger Charakter: keine FM-Kopie, sondern eigene Klangfarbe
  • Modulation pur: LFOs und Hüllkurven sorgen für Bewegung im Sound
  • Breite & Tiefe: Layering schafft lebendige, räumliche Klänge
  • Einsteigerfreundlich: Klar strukturierter Freeware-Synth Nakst Regency zum Lernen
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Wie funktioniert Phase-Distortion-Synthese?

Zunächst einmal: Nicht jeder Klang der Phase-Distortion-Synthese klingt verzerrt. Der Begriff „Distortion“ bezieht sich in diesem Fall auf die Art und Weise, wie die Phase eine Schwingungsform durchläuft. Auch diesmal möchte ich unnötige mathematische Erklärungen vermeiden.

Generell handelt es sich bei der angewandten Phase-Distortion-Synthese um eine digitale Syntheseform, die durch DDS-Oszillatoren realisiert wird. DDS steht dabei für „Direct Digital Synthesis“ und beschreibt Phasenakkumulationsoszillatoren – das klingt komplizierter, als es ist.

Um das Prinzip der Phase-Distortion-Synthese zu verdeutlichen, ziehen wir erneut unseren vertrauten Sinusgraphen heran.

Phase-Distortion-Synthese erklärt: Vom Kreis zur Sinuskurve – Abbildung

Abbildung nach CC BY-SA 4.0 aus https://de.wikipedia.org/wiki/Sinus_und_Kosinus

Die Phase kann als Punkt auf einer Kreisumrundung verstanden werden, weshalb sie auch häufig im Gradmaß angegeben wird. Eine Phase von 180° bedeutet, dass die Umrundung zur Hälfte abgeschlossen ist; 90° entsprechen einem Viertel des Kreises usw.

Ein DDS-Oszillator verfügt über ein Register, in das der jeweilige Phasenwert geschrieben wird. Dieser Wert dient als Index, um aus einer Tabelle den entsprechenden Ergebniswert auszulesen. Diese Tabelle beschreibt typischerweise eine Sinuskurve – insofern steckt also auch ein wenig Wavetable-Synthese in der Phase-Distortion-Synthese.

Bleiben wir bei der Gradangabe: Nehmen wir an, dass in regelmäßigen Abständen jeweils ein Grad zur aktuellen Phase addiert – oder besser gesagt: akkumuliert – wird. Dies geschieht so lange, bis 360° erreicht sind. Da 360° einem vollständigen Umlauf entsprechen und somit wieder 0° gleichkommen, beginnt der Zyklus von vorn – der Kreis schließt sich.

Wie lassen sich nun unterschiedliche Frequenzen erzeugen? Ganz einfach: Indem wir entweder das Zeitintervall verändern, in dem ein neuer Wert zur Phase addiert wird oder den Betrag der hinzugefügten Gradwerte anpassen.

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Damit sind wir bereits sehr nah am Prinzip der Phase-Distortion-Synthese. Ich erwähnte, dass stets ein bestimmter Betrag zur Phase addiert wird. Wenn wir diesen Vorgang grafisch darstellen würden, erhielten wir eine einfache, gleichmäßig ansteigende Gerade mit der Steigung 1 – bis zum Wert von 359°, an dem der Akkumulator zurückgesetzt wird und die Akkumulation erneut beginnt.

Phasenfunktion Beispiel A

Wie funktioniert Phase-Distortion-Synthese - phase function 1

Wie funktioniert Phase-Distortion-Synthese: Sinuskurve unverzerrt

Was die Phase-Distortion-Synthese nun tut, ist Folgendes: Sie verändert diese einfache Gerade und macht sie an bestimmten Stellen steiler oder flacher – wir „verzerren“ also die Phasenfunktion. Daher stammt auch der Name Phase-Distortion-Synthese. Durch diese Verzerrung verändert sich natürlich auch die Form des ausgelesenen Sinus, der entsprechend ebenfalls zunehmend verzerrt erscheint.

Bildlich könnt ihr euch das so vorstellen, als würde der Sekundenzeiger einer Uhr mal schneller, mal langsamer laufen. Je nachdem, wie die Phasenfunktion gestaltet ist, entstehen dadurch unterschiedliche Ausgabeformen. Hier zwei Beispiele:

Phasenfunktion Beispiel B

Phase-Distortion-Synthese: Veränderte Phasenfunktion

Wie funktioniert Phase-Distortion-Synthese - phase output 2

Phasenfunktion Beispiel C

Wie funktioniert Phase-Distortion-Synthese - phase function 3

Phase-Distortion-Synthese: Ergebnis der Verzerrung durch Phasenfunktion 3

„Aber Herr Goldschmitz“, werdet ihr euch jetzt fragen, „ist das nicht im Prinzip dasselbe wie die Phasenmodulation aus dem FM-Workshop?“ Tatsächlich lässt sich die Phase-Distortion-Synthese als Spezialfall der Phasenmodulation (Phase Modulation, kurz PM) betrachten – mit einem entscheidenden Unterschied: Der Modulator, den man hier mit der Phasenfunktion gleichsetzen kann, hat stets dieselbe Frequenz wie der Carrier, also wie der gespeicherte Sinus in der DDS-Oszillator-Tabelle.

Das bedeutet, dass – im Unterschied zur Frequenzmodulation – keine neuen Seitenbänder erzeugt werden, die nicht ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz darstellen. Stattdessen wird ausschließlich das bestehende harmonische Spektrum verändert. In der folgenden Abbildung wird das anschaulich dargestellt.

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - PDS Spektrum - 9

Zielfunktion

Installation des Freeware Phase-Distortion-Synths Nakst Regency

Genug der trockenen Theorie – jetzt wollen wir uns ganz konkret mit der Phase-Distortion-Synthese beschäftigen. Dafür eignet sich der Freeware-Synth Nakst Regency hervorragend, denn er ist mit Windows (ab Version 7), macOS (ab Version 10.14) sowie Linux kompatibel. Aus lizenzrechtlichen Gründen wird jedoch kein VST-Format angeboten. Der Synthesizer steht ausschließlich im Standalone-, CLAP-, AU- sowie FL-Studio-Native-Format zur Verfügung.

Regency ist schlicht, aber übersichtlich aufgebaut. Er verfügt sogar über einen Preset-Browser mit Favoriten- und Sortierfunktion – allerdings ohne Suchfunktion.

Für unseren Workshop zur Phase-Distortion-Synthese habe ich ein Init-Preset erstellt, da das mitgelieferte Preset bereits zu viele ablenkende Einstellungen enthält. Ihr könnt es euch hier herunterladen.

init.synthpatch

ZIP-Datei

Entpackt das Preset und kopiert es in den Benutzer-Preset-Ordner. Diesen findet ihr, indem ihr oben im Plug-in-Fenster auf den Preset-Namen klickt und im Dropdown-Menü die Option „Show Patches Browser“ auswählt.

Oberfläche des Nakst Regency

Die Benutzeroberfläche des Nakst Regency ist übersichtlich und schnell erklärt:
Die ersten beiden Reihen bestehen jeweils aus drei Phase-Distortion-Oszillatoren. Daneben befinden sich ein Filter, die globale Tonhöhensteuerung sowie die Lautstärke-Hüllkurve.

In der dritten Reihe folgen drei Hüllkurven und drei LFOs. Die unterste Reihe bietet eine effektive Effektsektion in Form einer Dreierkette. Zusätzlich stehen bei den Hüllkurven zwei frei definierbare Funktionsgeneratoren zur Verfügung, ebenso wie eine kleine Modulationsmatrix mit drei frei belegbaren Einträgen.

Freeware Phase-Distortion-Synthesizer Nakst Regency Screenshot

Zunächst interessiert uns nur die oberste Reihe – genauer gesagt: GEN LAYER 1 – und dort ausschließlich der erste Phase-Distortion-Oszillator. Die zuvor beschriebene Phasenfunktion wird hier grafisch in einem Fenster dargestellt. In unserem Init-Patch zur Phase-Distortion-Synthese ist dies eine einfache lineare Phasenfunktion.

Der Einfluss dieser Funktion auf den Phasenakkumulator kann über den Regler DIST AMT (Distortion Amount) stufenlos eingestellt werden.

Allerdings werden wir – wie im Init-Patch zu sehen – keinen hörbaren Effekt bemerken, wenn wir diesen Regler aufdrehen. Genau das ist in diesem Fall auch zu erwarten: Die dargestellte Funktion zeigt einen kontinuierlich linearen Sägezahnverlauf, der die ohnehin linear ansteigende Phase nicht verändert. Entsprechend bleibt auch die lineare Auslesung der Sinus-Tabelle unbeeinflusst.

Was ihr in dem Fenster seht, ist die Zielfunktion, während die Startfunktion (bei DIST AMT = 0 %) stets der einfache aufsteigende Sägezahn ist. Ich persönlich hätte es hilfreich gefunden, wenn sich die grafische Darstellung der Funktion dynamisch mit der Position des DIST-AMT-Reglers verändern würde.

Erstellen eigener Phase-Distortion-Funktionen

  • OK – wie Sie sehen, hören Sie nichts. Das wollen wir nun ändern! Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Zielfunktion der Phase-Distortion-Synthese zu verändern:
    durch manuelles Erstellen neuer Funktionspunkte,
  • durch Auswahl einer vordefinierten Phase-Distortion-Funktion über den kleinen „State“-Taster,
  • durch Laden einer Wave-Datei oder
  • durch Eingabe einer Funktionsgleichung (z. B. sin(x)).

Manuelles Erstellen neuer Funktionspunkte

Starten wir mit Methode Nummer 1: dem manuellen Erstellen neuer Funktionspunkte.

Sobald ihr mit der Maus auf das Funktionsfenster zeigt, erscheinen die Bearbeitungspunkte der Funktion. Die quadratischen Markierungen definieren den Anfangs- und Endpunkt eines Funktionssegments. Der dazwischenliegende Kreis dient dazu, einen Kurvenverlauf zwischen diesen beiden Punkten einzustellen – also die Form der Verzerrung zu beeinflussen.

Spielt nun eine gehaltene Note, stellt DIST AMT auf 100 % und beginnt, die Phasenfunktion zu verändern. Ihr werdet sofort hören, wie sich der Obertongehalt des Klangs verändert.

Wenn ihr auch visuell nachvollziehen möchtet, wie sich die Schwingungsform und das Frequenzspektrum verändern, fügt einfach ein Oszilloskop- und ein FFT-Analyse-Plug-in hinter den Nakst Regency in eurer Effektkette ein. Solche Tools gehören zur Grundausstattung jeder gut sortierten DAW.

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - PFkt einfach gebogen

Mit einem Rechtsklick auf die Funktionskurve könnt ihr weitere Segmente hinzufügen. Diese lassen sich anschließend frei verschieben und in ihrer Krümmung anpassen. In diesem Beispiel wurden drei Segmente verwendet.

Probiert einfach verschiedene Phasenfunktionen aus, um ein Gefühl für deren Wirkung zu bekommen. Allgemein lässt sich sagen: Funktionen mit engen Spitzen erzeugen nasale, obertonreiche Schwingungsformen, während weichere, bauchige Verläufe weniger Obertöne enthalten und eher bassig oder rund klingen.

Auswählen einer Phase-Distortion-Funktion

Wenn ihr euch für die zweite Methode entscheidet und eine vorgefertigte Phase-Distortion-Funktion auswählt, werdet ihr feststellen, dass auch diese lediglich aus mehreren Segmenten bestehen. Sie lassen sich daher gut als Ausgangspunkt für eigene Kreationen nutzen.

Gefällt euch eine Funktion, könnt ihr sie über den Menüeintrag „Save as unit preset …“ speichern. So steht sie euch später bequem über das Dropdown-Menü wieder zur Verfügung.

Ganz unten seht ihr den Eintrag „curved stair“, das ist eine selbst erstelle Phasenfunktion

Laden einer Wave-Datei

Das Importieren einer WAV-Datei ist denkbar einfach: Wählt im State-Menü den Eintrag „From audio file …“ und sucht anschließend nach einer geeigneten WAV-Datei auf eurem Rechner.

Besonders gut eignen sich sogenannte Single-Cycle-Schwingungsformen, aber auch kurze Ausschnitte aus längeren Samples können interessante Phasenverläufe ergeben. Nakst Regency versucht stets, im Rahmen seiner Möglichkeiten eine sinnvolle Annäherung an die Quelle zu berechnen.

Im folgenden Beispiel seht ihr etwa ein Sample einer Roland MC-202, das über mehrere Zyklen hinweg aufgenommen wurde.

Quelle des Wave-Imports

Ergbnis des Wave-Imports

Durch unsere bisherigen Experimente habt ihr bereits eine Vorstellung davon, wie solche Funktionen klingen können. Auch importierte Phasenfunktionen lassen sich nachträglich bearbeiten und individuell anpassen.

Auch längere Samples anderer Herkunft – zum Beispiel Drum-Loops – lassen sich importieren. Das resultierende Ergebnis hat jedoch klanglich in der Regel nichts mit dem ursprünglichen Sample zu tun.

Quelle des Wave-Imports

Ergebnis des Wave-Imports

Eingabe einer Funktionsgleichung

Für alle, die es gerne etwas nerdiger mögen: Ihr könnt auch direkt eine mathematische Funktionsformel eingeben. Hier seht ihr zum Beispiel das Ergebnis von sin(x * 4).

Auch in diesem Fall gilt: Die erzeugte Funktion lässt sich anschließend manuell weiterbearbeiten und anpassen.

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - funktions formel sinXx4

Achtung Nerd! Extrem nerdig könnt ihr auch eigene Funktionen eingeben

Phase-Distortion-Synthese: Modulation des Distortion Amounts

Nachdem wir uns nun mit den Grundlagen der Phase-Distortion-Synthese (kurz: PSD) – also den Phasenfunktionen und ihrem Einfluss auf den Klang – beschäftigt haben, bringen wir im nächsten Schritt Bewegung ins Klangbild: mithilfe der Modulationsoptionen.

Grundsätzlich gilt: Hüllkurven eignen sich hervorragend für perkussive Verläufe, während LFOs (Low Frequency Oscillators) für schwebende, zyklische Modulationen ideal sind.

Widmen wir uns also den LFOs. Das naheliegendste Modulationsziel ist der DIST-AMT-Regler. Dafür wähle ich im ersten Oszillator von GEN LAYER 1 die Phasenfunktion „Ramp Down“, im zweiten „Pulse (25 %)“ und im dritten „Pulse (75 %)“.

Anschließend weise ich LFO 1 bis 3 jeweils einem der DIST-AMT-Regler zu. Klickt dazu auf den gewünschten LFO und wählt in einem freien Slot den Eintrag „(assign)“ aus. Die Benutzeroberfläche wird abgedunkelt, und ihr könnt nun bequem alle verfügbaren Modulationsziele auswählen.

Ich deaktiviere für jeden LFO die Beat-Sync-Funktion und stelle jeweils eine Modulationsrate zwischen 0,5 Hz und 5 Hz ein. Das Ergebnis klingt beispielsweise so:

Patch: 3 LFOS.synthpatch

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - Patch - 3 LFOs_

Mehr Stereobreite durch GEN LAYER 2

Das klingt schon mal interessant – aber jetzt wollen wir dem Ganzen noch etwas Stereobreite verleihen. Eine naheliegende Methode dafür ist es, ähnliche Einstellungen im GEN LAYER 2 vorzunehmen und die beiden Layers dann hart nach links und rechts zu pannen.

Patch: 3 LFOs x2.synthpatch

Im GEN LAYER 2 könnt ihr entweder manuell dieselben Phasenfunktionen wie im ersten Layer einstellen oder einfach über die Funktion „Copy 1/1 Curve“ (bzw. „1/2“, „1/3“ etc.) die Kurven aus GEN LAYER 1 übernehmen.

Wichtig: Die LFOs sollten hier gezielt abweichend zugewiesen werden, damit sich die Modulation auf der linken und rechten Seite unterscheidet – das sorgt für einen hörbaren Stereoeffekt.

In diesem Beispiel habe ich zudem:

  • die LFO-Raten im GEN LAYER 2 etwas langsamer gewählt und
  • die Lautstärken beider Seiten leicht angepasst, um ein ausgewogenes Stereobild zu erzeugen.

Patch: 3 LFOs x2 RND.synthpatch

Um noch mehr Obertöne ins Spiel zu bringen, wähle ich für alle Oszillatoren zufällige Phasenfunktionen wie „Random Spikes“ oder „Random Hills“. Die bereits eingerichteten Modulationseinstellungen bleiben dabei unverändert bestehen.

Das Ergebnis ist ein deutlich komplexerer und lebendigerer Klang mit ausgeprägterem Obertonspektrum – und könnte zum Beispiel so klingen:

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - Patch - 3 LFOs x2 RND_

Patch: 3 LFOs x2 RND FX.synthpatch

Schummeln wir ein wenig – und veredeln den Klang mit ein paar Effekten.

Phase-Distortion-Synthese: SYNC – doch ein bisschen FM?

Wenn ihr euch die Einstellungen der GEN LAYER genauer anschaut, entdeckt ihr dort auch den Regler SYNC AMT. Aber was genau bewirkt dieser Parameter?

Um das herauszufinden, laden wir zunächst wieder unser Init-Patch.

Spielt nun einen Ton und bewegt langsam den SYNC-AMT-Regler. Ihr werdet hören, wie sich die Obertöne nach und nach verändern – fast so, als würden sie sich gegenseitig ablösen. Zwischendurch klingt die Schwingungsform auch etwas sägezahnartiger. Was passiert hier genau?

Wenn SYNC AMT auf 0 % steht, ist die Phasenfunktion exakt so lang wie ein vollständiger Sinusdurchlauf – also 360°. Erhöht ihr den Wert, wird die Phasenakkumulation beschleunigt: Sie erreicht 360° bereits vor dem Ende des Grundtons und beginnt daraufhin wieder bei 0°.

Das bedeutet: Der Sinuszyklus wird „abgeschnitten“ und startet abrupt neu. Dieser abrupte Neuanfang ist für den sägezahnartigen Charakter des Klangs verantwortlich. Sobald der Zyklus der Grundfrequenz abgeschlossen ist, wird auch der Phasenakkumulator zurückgesetzt – ein Verhalten, das an klassische Hard-Sync-Techniken erinnert und klanglich durchaus in Richtung FM-Modulation geht.

Bewegt den SYNC-AMT-Regler weiter nach oben. Bei einem Wert von ca. 38 % hört ihr plötzlich wieder einen reinen Sinus – allerdings eine Oktave höher. Und das ist genau richtig so: Denn die Phasenfunktion enthält nun zwei lineare Verläufe, die jeweils den kompletten Bereich von 0° bis 360° durchlaufen. Wo zuvor ein Sinuszyklus war, befinden sich jetzt zwei – und das ergibt zwangsläufig eine Verdopplung der Frequenz, also eine Oktave.

Fahrt ihr den SYNC AMT-Wert weiter nach oben, könnt ihr alle Obertöne systematisch „durchfahren“. Immer dann, wenn ihr exakt drei, vier, fünf, sechs, sieben oder acht vollständige Funktionsdurchläufe in den 360°-Rahmen quetscht, entstehen harmonische Obertöne entsprechend der jeweiligen Vielfachen der Grundfrequenz.

Dieser Effekt lässt sich besonders gut für singende Flächenklänge nutzen – wie im folgenden Beispiel mit Modulation:

Patch: Sync Pad FX.synthpatch

Und um die Frage aus dem Titel zu beantworten: Nein, bei der Phase-Distortion-Synthese entstehen keine neuen Seitenbänder, da die Phasenfunktion stets neu gestartet wird, sobald der Zyklus der Grundfrequenz abgeschlossen ist. Das unterscheidet sie fundamental von klassischer Frequenzmodulation.

Von hier aus könnt ihr nun mit weiteren Phasenfunktionen experimentieren und euch an euren neu erlernten Synthesefähigkeiten erfreuen. Probiert zum Beispiel die Sinus- oder Rechteckfunktion aus – und spielt dabei mit dem DIST-AMT-Regler, um deren Wirkung gezielt zu steuern.

Im letzten Patch-Beispiel habe ich zusätzlich die Modulationsmatrix verwendet:

  • die LFO-Frequenz wird hier über Aftertouch gesteuert (Nakst Regency versteht auch polyphonen Aftertouch)
  • die Modulationstiefe des SYNC AMT über die Velocity der gespielten Note

Hier zeigt sich für mich ganz deutlich der eigene Charakter der Phase-Distortion-Synthese – eine eigenständige Klangästhetik, die ab sofort eine weitere Farbe auf eurer klanglichen Palette darstellen kann.

Patch: Sync Pad sin sqr.synthpatch

Wie funktioniert Phase Distortion Synthese - Patch - Sync Pad Sin Sqr_

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    CDRowell AHU

    🎩
    Chapeau!

    Danke für diesen tollen Workshop und den Tipp mit der sehr brauchbaren Freeware Phase-Distortion-Synths Nakst Regency!

    Sehr schön erklärt wie die Phase im Verlauf gestört wird. Interessant ist, damals hatte ich den Casio CZ-101 längere Zeit untermeinen Fittichen, aber der Begriff Phase Distorsion kommt mir jetzt doch „neu“ vor…🥴 Danke fürs refreshing.🫣

    Wie ihr Autoren eure jahrzehnte lange Erfahrung in solchen Artikeln mit anscheinender Leichtigkeit präsentiert macht amazona immer wieder zur Fundgrube! DAAAAANKE!🤫

  2. Profilbild
    dflt AHU

    Vielen Dank für den Super Workshop! Dann kann ich mir die Tage doch nochmal den Arturia CZ V hervorkramen :D

  3. Profilbild
    Sudad G

    Schöner Workshop! Nach dem Hören des Klangbeispiels Nr. 5 sollte ich mir doch noch mal meinen Arturia CZ V zur Brust nehmen. Fand bisher immer FM-Synthese interessanter oder meist besser klingend, aber man lernt nie aus.

  4. Profilbild
    camarillo

    Danke für den schönen Artikel!

    Zum Preis ( < 500$): Ich stand 1985 vor der Wahl, mir vom Konfirmationsgeld entweder einen Casio CZ-101, einen CZ- 1000, einen Poly-800 oder ein Yamaha Saxophon (YTS-23?) zu kaufen. Der CZ-101 hatte damals einen Ladenpreis von 1190,- DM, CZ-1000, Poly-800 und das Saxophon kosteten alle 1590,- DM. Wegen des Sequencers ist es dann der Poly-800 geworden, den ich auch heute noch benutze.

    • Profilbild
      Schneum

      @camarillo Gute Wahl.
      Der Poly800 hat sicherlich Schwächen, gemessen an dem, was man von einem klassischen Analogen heutzutage so erwartet, aber der CZ-3000, den ich kurz besaß, war einfach nur in allen Belangen entsetzlich…
      Warum nur habe ich mir den gekauft? selbst der einfachste und umständlichste Yamaha FM Synth, sogar der CX5m wäre eine bessere Wahl gewesen…seufz.

      • Profilbild
        camarillo

        @Schneum Der Poly-800 war für mich damals auch rückblickend sicherlich die richtige Wahl, weil ich mangels Tasteninstrumenterfahrung ohne den Sequencer quasi gar nichts hinbekommen hätte. Klanglich würde für mich heute der CZ-1000 allemal gewinnen – damals eigentlich auch – dazu kommt dann bei den CZs echte Polyphonie, MIDI Mono-Mode. Die einfachsten FM Synths waren damals preislich schon in der nächsten Liga und somit für mich unerreichbar. (Das sieht im Vergleich zum CZ-3000 vermutlich anders aus.)

        Ich habe immer das Gefühl, dass die CZs einfach eine eigene Ecke im Synthiversum besetzt haben: Wer DX7 haben wollte, ist damit genauso wenig glücklich geworden, wie jemand, der sich klassisch analoge Klänge aus der Oberheim, Roland oder Sequential Circuits Ecke gewünscht hat.

        Meinen Poly-800 mag ich immer noch sehr, zumal der mit seiner Cheesiness durchaus immer noch einen eigenen Charakter hat. Vergangene Woche habe ich mit Freude seinen 40. gefeiert :-)

  5. Profilbild
    bluebell AHU

    Ich hatte vor vielen Monden den Casio CZ-1000 zur Ansicht. Er hat mich nicht überzeugt, aber vielleicht habe ich ihm Unrecht getan und seine Möglichkeiten nicht ausgelotet.

    Ich habe ihn zurückgegeben und dafür den Korg DW-8000 genommen.

  6. Profilbild
    Filterpad AHU

    So ein Softwaresynthesizer wäre doch mal was für Native Instruments. Also an Ideen für einen Anständigen mangelt es nicht. Wenn es davon sogar ein free Plug-in gibt kann der Aufwand nicht immens sein. Aber nein! Native Instruments hängt sich lieber weiter an der Play-Series dran. Schade Marmelade. Ein neuer FM und erster Phase Distortion. Das wär’s!

      • Profilbild
        Filterpad AHU

        @Kazimoto ok ok sehr interessant 😶 Das war die Idee zum C15? Ok echt interessante Neuigkeiten. Spannend! Phase22. Muss ich gleich mal nachschauen. Danke der sehr spannenden Geschichten. Wenn ich den jetzt bei mir in Reaktor finde, dann schäme ich mich wirklich zu Boden. 🫣

    • Profilbild
      Flowwater AHU

      @Filterpad Arturia hat den »CZ V« im Angebot, der die Synthesizer der Casio »CZ«-Serie nachahmt. Und – ausgehend von dem Kommentar von @Kazimoto – gibt es von NI auch den »Kontour«, der ebenfalls von Stephan Schmitt entwickelt wurde. Den hätte ich mir sogar schon längst mal gekauft … wenn das »Native Access« noch auf meinem PC laufen würde (da kann ich NI aber nun teilweise verstehen, dass das nicht mehr geht). Ginge das, besäße ich vermutlich auch schon längst »Kontakt« (weniger wegen Sampling denn der Synthese-Fähigkeiten).

      Wegen der Sample-Library-Synthesizer von Native Instruments: Ich finde das auch eine bedenkliche Entwicklung. Auf der anderen Seite geht Arturia mit den »Augmented (irgendwas)« einen ähnliches Weg. Allerdings zum Glück nicht auf ein Thema oder ein Genre bezogen wie bei NI, sondern auf Instrumente. Und, was soll ich sagen … den »Augmented Mallets Play« gab es ja mal kostenlos und den habe ich auch ausprobiert … das Ding bringt schon Spaß, und die Sounds kann man bereits im PlugIn so verbiegen, dass nicht jeder sofort mit dem Finger und hämisch auf’s PlugIn zeigt.

  7. Profilbild
    Flowwater AHU

    Ich kopiere mal schamlos den Text von @CDRowell:

    🎩
    Chapeau!

    Endlich habe ich mal kapiert, wie diese »Phase Distortion Synthese« eigentlich abläuft (mit meinen Worten: Tabelle mit Sinuswerten, aber der Auslesepunkt aus dieser Tabelle wird noch einmal linear … puh, wie sage ich das … »transformiert«). Sehr geil, vielen Dank für die Erklärung!

    Und außerdem habe ich noch ein weiteres spannendes PlugIn kennen gelernt, von dem ich bisher noch nie etwas gehört habe. 🙂👍

  8. Profilbild
    network southwest

    Toll erklärt, jetzt habe ich das endlich mal verstanden, lieben Dank. Ich hatte vor mehr als 30 Jahren mal einen Hohner HS2-E, war ein klasse Flächenleger.

  9. Profilbild
    Codeman1965 AHU

    Danke für diesen Workshop, hätte ich vor 30 Jahren gebraucht…! 😀

    Damals hat ein „Band“-Kollege den CZ-1000 gehabt, den konnte ich ihm durch einen Casio-Mitarbeiter mit Personalrabatt besorgen.
    Das war schon was Anderes, und wirklich beherrscht haben wir ihn alle nicht.
    Wir hatten damals Yamaha DX, aus dem wir mit viiieeel Zeitaufwand gute Sachen herausbekommen haben, und einiges an Analogem. Die PD hat immer dazu verführt, ihn durch seine Struktur (DCO, DCW, DCA) wie ’nen Analogen mit zwei Oscis zu behandeln, und das hat seine Möglichkeiten ja nicht im entferntesten ausgereizt…

    Ein gut erhaltener CZ steht immer noch auf meiner Wunschliste, aber die gibt es nicht mehr so oft.
    Und durch diesen Artikel hier habe ich doch das eine oder andere Aha-Erlebnis.

    Hat mich jetzt wieder unruhig gemacht… 🤔🙂👍

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