Der Mann hinter einer musikalischen Revolution

Portrait von Orville H. Gibson (1856–1918)
(Quelle: Gibson Corporate Press Kit – http://www.gibson.com/press/press_history.asp)
Orville Gibson ist der Mann hinter einer Marke, die die Welt der Musik wie kaum ein anderer prägte und bis heute prägt. Doch kaum jemand weiß eigentlich wirklich, wer der Namensgeber einer Gitarrenmarke war, die bis heute die Welt der Gitarristen bereichert.
Inhaltsverzeichnis
Bereits im Jahr 1856 erblickte er in dem kleinen Örtchen Chateaugay im Bundesstaat New York das Licht der Welt. Wie die Kindheit und Jugend von Orville und seinen vier älteren Geschwistern verlief, ist nicht klar belegt. Sicher ist jedoch, dass der er sich sehr für die Musik interessierte.
Als er im Alter von 19 Jahren nach Kalamazoo umzog, galt er bereits als erfahrener Musiker an Gitarre und im Gesang. Der Ort in Michigan, der bereits in den 1870er-Jahren als Hochburg für Musiker galt, sollte später zur Heimat der berühmtesten Gitarrenmarken der Welt werden.
Vom Schuhverkäufer zum Helden aller Gitarristen
In der Zeit um 1880 wurden traditionelle Mandolinen in der Musikszene in Kalamazoo zunehmend beliebter. Inspiriert von der plötzlichen Popularität des Instruments, gründete Gibson mehrere eigene Mandolinenensembles und trat mit ihnen auf.
Im August 1893 wurde J. Walter McLouth, Leiter des Grand Opera House aus Jackson während einer dieser Auftritte auf Gibson aufmerksam. McLouth plante, ein ganzes Mandolinenorchester aufzubauen, war jedoch mit den Eigenschaften der damals erhältlichen Mandolinen unzufrieden und bat Gibson auf der Grundlage seiner Kenntnisse als Musiker individuelle Instrumente zu entwerfen.
Heute würde man Orville H. Gibson wohl als klassischen Quereinsteiger bezeichnen, denn ursprünglich arbeitete die Ikone der Gitarristen als Verkäufer (soweit meine Quellen es hergaben, waren es wohl Schuhe, die er an den Mann und an die Frau brachte). Die Fähigkeiten eines Instrumentenbauers brachte er sich – so die Überlieferungen – autodidaktisch bei.

Gibson Manolinen im National Music Museum, Vermillion, South Dakota, Quelle: David Becker, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons
Seine Mission war es fortan, mit einem feinen Gehör, einem guten Gespür für Musikalität und handwerklichem Geschick Instrumente zu bauen, den Markt nachhaltig veränderten.
Ab dem Jahr 1895 widmete Gibson sich dann vollständig dem Bau von Musikinstrumenten und so erblickte die erste Mandoline aus der Werkstatt von Orville Gibson das Licht der Bühnen von Kalamazoo. Durch eine Decke und einen Boden mit einer Wölbung, wie man sie auch bei Violinen finden konnte, erzeugten die von Gibson entworfenen Instrumente mehr Körper und eine bessere Durchsetzungskraft auf der Bühne. Das Patent für dieses erste Gibson-Instrument ist auf das Jahr 1898 datiert.
Von der kleinen Werkstatt zur Gibson Mandolin-Guitar Mfg. Co. Ltd.
Der Umstand, dass die von Gibson entwickelten Instrumente aufgrund der aufwändigen Verarbeitung qualitativ sehr hochwertig, haltbar und vor allem lauter waren als die bisher verfügbaren Alternativen, machte sie zu wahren Verkaufsschlagern.
Für die Entwicklung einer 12-saitigen Harfen-Gitarre erhielt Orville Gibson im Jahr 1898 eine Ehrenmitgliedschaft und eine Goldmedaille der Pariser Erfinderakademie.
Bereits im Jahr 1902 war die Nachfrage nach den von Gibson gebauten Instrumenten nicht mehr im Alleingang zu bewältigen.
Als Investoren dem damals 37-Jährigen für seine Patent- und Namensrechte 2.500,- US-Dollar boten (ein Betrag, der laut Inflationsrechner heute etwa 95.000,- US-Dollar entsprechen würde), schlug Gibson ein. Er selbst war in der Gibson Mandolin-Guitar Mfg. Co. Ltd. zunächst als technischer Berater tätig, und gab sein Wissen hier an die Mitarbeiter weiter.
Nach kurzer Zeit zog Gibson sich jedoch aus dem Unternehmen zurück und widmete sich in seiner privaten Werkstatt fortan dem Bau von Geigen. Hinsichtlich des Grundes für sein Ausscheiden sind die verfügbaren Angaben nicht eindeutig. Überliefert ist aber, dass Gibson auch weiterhin eine Lizenzgebühr auf alle Instrumente und zusätzliche monatliche Zahlungen von der Gibson Mandolin-Guitar Mfg. Co. Ltd. erhalten haben soll.
Die Gibson Mandolin-Guitar Company
Die Gibson Mandolin-Guitar Mfg. Co. Ltd. wuchs unterdessen beständig weiter und wurde nach einer Umstrukturierung im Jahr 1906 zur Gibson Mandolin-Guitar Company. Im Jahr 1912 waren bereits 60 Mitarbeiter für das Unternehmen tätig, das damals einen Jahresumsatz von 75.000,- US-Dollar verzeichnete (im Jahr 2025 würde diese Summe etwa 2.678.875,- US-Dollar entsprechen).
Gibsons Ansatz wurde in den 1920er-Jahren von dem Ingenieur und Akustiker Lloyd Loar weiterentwickelt und so entstand beispielsweise die Gibson L-5. Die erste Jazzgitarre mit F-Löchern und gewölbter Decke brachte Gibson an der Spitze der akustischen Gitarrenentwicklung.

Patentanmeldung der Gibson Mandoline 1898, No.598,245. US Patent Office. Quelle: https://patents.google.com/patent/US598245A/en
Den fulminanten Aufstieg des Unternehmens nach den 1920er-Jahren erlebte Orville Gibson leider nicht mehr mit. Er verstarb im Altern von 62 Jahren an den Folgen einer Herzerkrankung und hinterließ der Welt der Gitarristen ein Vermächtnis, das bis heute Seinesgleichen sucht.
Ein weiterer Meilenstein folgte dann in den 1950er-Jahren, als Gibson den Sprung in die Welt der elektrischen Gitarren wagte. In Zusammenarbeit mit dem Gitarristen und Erfinder Les Paul entwickelte Gibson die legendäre Gibson Les Paul – ein Instrument, das bis heute zu den ikonischsten E-Gitarren der Musikgeschichte zählt.
Die Gibson Les Paul und kommerzielle Herausforderungen
In den 1950er-Jahren warteten Konkurrenten wie Fender mit neuen Modellen auf und veränderten den Markt. Als Reaktion darauf griff Gibson die Idee eines Gitarrenmodells auf, die Les Paul dem Unternehmen bereits erfolglos angeboten hatte. 1952 erblickte die erste Gibson Les Paul das Licht der Welt. Doch zu dem heiligen Gral, zu dem dieses Modell heute avanciert ist, wurde sie damals nicht sofort.
In den 1960er- und 1970er-Jahren herrschte allerorts ein neuer kreativer Ansatz und Gibson entwickelte Charakter-Modelle wie die SG, die Flying V, die Explorer und die ES-335, die für unterschiedliche Ansprüche die optimale Lösung bieten sollten.

Jimmy Page gehört zu den bekanntesten Gibson-Fans: Hier seine Gibson Les Paul Standard ca.1959-1960 (Quelle: Eden, Janine and Jim from New York City, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons)
Vor allem die SG verdrängte die Les Paul zunächst von ihrem Podest. Doch Ende der 1960er-Jahre, als Gitarristen wie Eric Clapton, Jimmy Page, Mike Bloomfield oder Peter Green alte Les Pauls spielten, erlebte das Modell eine Renaissance und wurde zur Ikone des Rock.
Gibson stand und steht für klangliche Wärme, Sustain und – vor allem in der heutigen Zeit – ein besonderes Vintage-Gefühl. Die Instrumente wirken luxuriös und richten sich an Musiker, die einen satten, tragenden Ton suchen.
Viele Jahre galt Gibson für unzählige Rock- und Bluesmusiker zunächst als der unangefochtene Goldstandard.
In den 1980er-Jahren überschwemmten jedoch günstige Kopien aus Japan den Markt und das Unternehmen Gibson geriet in Schieflage. Der Verkauf des Unternehmens an eine Investorengruppe führte unter der Leitung von Henry Juszkiewicz im Jahr 1986 zu massiven Umstrukturierungen und Modernisierungsmaßnahmen innerhalb der Gibson Company.
Dennoch meldete Gibson im Jahr 2018 Insolvenz an. Abermals wagte man einen Neustart unter neuer Führung. Ganz im Sinne von Orville Gibson mit einem klareren Fokus auf das Erbe und die handwerkliche Qualität, für die die Marke einst berühmt war.
Jedem Star seine Gibson Gitarre
Heute gibt es kaum ein Genre, in dem Gibson Gitarren nicht ihren festen Platz haben. Die 1959er Les Paul von Jimmy Page ist eine Legende und wer könnte sich Guns N‘ Roses-Gitarrist Slash ohne seine Les Paul vorstellen?
Kaum ein Gitarrist, der nicht weiß, wer oder was gemeint ist, wenn in Musikerkreisen von „Lucille“ die Rede ist – ganz klar die ES-335 von B.B. King.
Tony Iommi von Black Sabbath machte die SG zu einem Symbol des Heavy-Metals und auch Angus Young setzte auf dieses Modell.
Orville Gibson – sein Vermächtnis
Was in der kleinen Werkstatt von Orville H. Gibson in Kalamazoo begann, wurde zu einer der einflussreichsten Gitarrenmarken in der Musikgeschichte. Dabei war Orville Gibson, der sich sein Handwerk autodidaktisch beibrachte, mehr als nur ein Gitarrenbauer. Er verband traditionelles Handwerk mit visionärem Design und erschuf so eine Marke, die für besondere eine klangliche und qualitativ hochwertige Identität steht.
Ob in Blues, Jazz, Rock, Metal oder Pop – Gibson-Instrumente sind überall präsent. Und während sich die Musikwelt weiterentwickelt, bleibt der Name Gibson (vielleicht auch dank der Rückbesinnung auf eben diese Werte in der jüngsten Vergangenheit) ein Synonym für Qualität, Innovation und zeitlose Klangkunst. Ganz im Sinne seines Gründers, der einst einfach nur ein besseres Instrument schaffen wollte.

































‚… im Alter von 19 Jahren … galt er bereits als erfahrener Musiker an Gitarre und Mikrofon‘ – insofern beeindruckend, als das gesangsmikro erst jahre später erfunden wurde. 1875 gab es nur erste schallwandler für telefone. 😉
@mdesign Im Artikel steht Gesang. Lies es nochmal. Von Mikro ist nicht die Rede.
@Tit4tat dann wurde das geändert. sehr gut.
Hmm, ich möchte meinen das die Musik die mit der Flying V gemacht wurde, quasi der Nucleus morderner Pop Musik ist, Albert King, Dave Davis waren nun keine Unbekannten.Ich weiss nicht wieviele Stax Platten ich mit Flying V Sound habe. Das die Les Paul bei ihrer Vorstellung kein Erfolg wurde, lag vermutlich eher an der Familienfreundlichen Perfomance von Les Paul und Mary Ford. Wenn man sich mal „No Place like home“ auf youtube geben möchte, dann klingt doch noch arg Texas Hillibillie durch. Ich würde meinen der Les Paul fehlte zu der Zeit noch der gescheite Player.
@TobyB Es lag wohl eher daran ,daß das Schifferklavier nach wie vor das beliebteste Instrument war und es noch ein paar Jahre dauer würde um von der Gitarre verdrängt zu werden. Les Paul war übrigens ein unglaubliche guter Gitarrist.