Was du als Band zu guter Probenarbeit wissen musst
Was sich einfach anhört, ist es meistens überhaupt nicht: Das Gestalten einer guten Bandprobe. Man trifft sich, packt die Instrumente aus, spielt die zu übenden Songs, die jeder zu Hause vorbereitet hat, trinkt gemeinsam ein Bier und dann geht es irgendwann auf die Bühne – soweit die Theorie. In der Praxis sieht das ganz anders aus und vieles steht und fällt schon mit Dingen, an die man vielleicht gar nicht sofort denkt.
Inhaltsverzeichnis
Band: Proberaumgestaltung
Alles fängt mit der Gestaltung des Proberaums an. Dabei spreche ich jetzt gar nicht unbedingt von der Akustik. Eine halbwegs taugliche Akustik für einen Proberaum setze ich einfach mal stillschweigend voraus. Der Raum ist also so gut es geht mittels geeigneter Materialien (keine Eierkartons) von störenden Reflexionen befreit und jetzt geht es an das Aufbauen der Instrumente.
Manche Bands stellen sich im Proberaum genauso auf wie auf der Bühne. Was vielleicht zum Einüben der Bühnen-Performance oder zum Beeindrucken von Gästen auf der Besuchercouch sinnvoll ist, ist aber für eine gute Probenatmosphäre nicht unbedingt sinnvoll. Eine gute Probe lebt nämlich von der Kommunikation und gerade diese ist immer dann gut, wenn man sich gegenseitig auch sehen kann. Schlagzeuger oder Keyboarder, die durchgängig auf die Rücken der Bandkollegen starren, die in vorderster Reihe „abgehen“, werden die Kommunikation mit den anderen Bandmitgliedern vielleicht nicht so angenehm finden, denn diese findet nicht nur zwischen den Songs statt, sondern gerade auch dabei.
Eine Aufstellung, bei der sich alle während der Bandprobe durchgängig ins Gesicht sehen können, ist wesentlich vorteilhafter und angenehmer. Auch Mimik und Zeichensprache spielen nämlich eine Rolle und diese kann man nur dann wahrnehmen, wenn jeder auch den anderen entsprechend sieht. Eine gute Aufstellung positioniert alle anderen Musiker in einem Halbkreis um den Schlagzeuger herum, sodass ihm alle zugewandt sind.
Beschallung der Bandprobe
Die nächste Frage, die sich stellt, ist die nach der Beschallung. Manche Bands proben mit ihrer Auftritts-PA (sofern sie selbst eine besitzen), andere nutzen Bühnenmonitore (Wedges) und wieder andere proben mit Kopfhörern. Ich habe in den 35 Jahren meiner Banderfahrung alles „durchgemacht“ und muss sagen, dass die schlechteste Lösung die Probe über eine PA darstellt. Das hat mehrere Gründe:
Die PA ist zur Beschallung des Publikums gedacht und zur Ausrichtung auf das Publikum. Lautsprecher stehen deshalb auf Stativen oder sind auf Subwoofern mit oder ohne Distanzstangen positioniert. Stellt man einen solchen Lautsprecher in den Proberaum, steht die Band zwangsläufig vor dem Lautsprecher und die Gefahr von Rückkopplungen steigt immens an. Außerdem ist die Beschallung kleiner Proberäume mit einer PA schwierig bis unmöglich, da sich aufgrund der Raumgeometrie schnell akustische Probleme ergeben. Der Abstand PA-Lautsprecher zu den Ohren der Musiker ist außerdem im Proberaum wesentlich geringer als der Abstand zum Publikum bei Konzerten. Gehörschäden sind vorprogrammiert.
Besser ist es, Bühnenmonitore zu nutzen. Diese sind nicht auf Ohrhöhe, sondern liegen auf dem Boden. Sie beschallen den jeweiligen Musiker zielgerichtet und bei ordentlicher Aufstellung zum Mikrofon lassen sich Rückkopplungen gut unterdrücken.
Noch wesentlich besser ist das Verwenden von Kopfhörern oder In-Ear-Monitoring (IEM). Auf diese Weise bleibt der Pegel im Proberaum gering. Für die Kommunikation untereinander ist es aber unverzichtbar, ins Mikrofon zu sprechen, wenn man anderen etwas mitteilen möchte. Dazu benötigt jeder Musiker ein Mikrofon (auch die Nichtsänger).
Lautstärke bei der Bandprobe gering halten
Ein wesentlicher Vorteil des Probens mit Kopfhörern ist nämlich, dass auch der persönliche Schallpegel gering gehalten werden kann. Konzentriertes Arbeiten bei hohen Schallpegeln ist kaum möglich und wer lange Zeit einem zu hohen Schallpegel ausgesetzt ist, wird auch schneller aggressiv. Gerade dann, wenn mal bei einer Probe etwas nicht nach Plan verläuft, entbrennen schnell hitzige Diskussionen. Gepaart mit einem dauerhaft hohen Schallpegel kommt man selten zu guten Ergebnissen.
Bezieht bei euren Überlegungen auch unbedingt den Schallpegel aus Instrumentenverstärkern oder des Schlagzeugs mit ein. Niemand benötigt im Proberaum auch noch mikrofonierte Instrumentenverstärker oder gar ein mikrofoniertes Drum-Set. Probt man mit Kopfhörern, kann man gut auf den DI-Ausgang oder Recording-Ausgang des Verstärkers zurückgreifen. Schlagzeuger mit akustischem Set sind meistens ohnehin laut genug, sodass man hier auf Mikrofone verzichten kann. Möchte man trotzdem das Schlagzeug auf den Kopfhörern hören, reicht ein Mikrofon in der Bass-Drum und ein oder zwei Overhead-Mikrofone. Haltet den Aufwand gering.
Probt man mit Monitoren, gehört dort nur das drauf, was nicht anderweitig verstärkt wird: Gesang und Keyboards, gegebenenfalls die Akustikgitarre. Spielen Gitarristen mit einem digitalen Verstärker wie dem Kemper, kann die E-Gitarre selbstverständlich auf den Monitor gelegt werden. Es ergibt aber keinen Sinn, den aufgerissenen Marshall Stack noch zu mikrofonieren und das Gitarrensignal zusätzlich über die Wedges laufen zu lassen.
Vorbereitung der Bandprobe
Eine Probe wird dann effektiv, wenn alle Musiker gut vorbereitet zur Probe erscheinen. Das bedeutet: Jeder kennt den zu probenden Song und seinen eigenen Part. Die Probe ist nicht der Ort für das individuelle Üben. Das eigene Üben findet bitte zu Hause statt und nicht im Proberaum.
Wichtig ist, dass alle Musiker die gleichen Informationen besitzen. Wird mit Leadsheets gespielt, sollten alle das gleiche Leadsheet nutzen oder zumindest die Sheets eine gemeinsame Grundlage haben. Niemand hat was davon, wenn sich Akkorde unterscheiden oder Abläufe nicht gleich sind. Hat zum Beispiel der Keyboarder für sich ein Sheet erstellt, kann er dieses den anderen Musikern zur Verfügung stellen, die dann auf dieser Basis aufbauen und daraus ihr eigenes Sheet schreiben. Oder ihr vergleicht eure Sheets, bevor ihr den Song probt. Sänger legen bitte die gewünschte Tonart vor der ersten Probe fest. Nichts ist ärgerlicher als Musiker mit vorbereiteten Leadsheets, die dann erfahren, dass der Song doch in eine andere Tonart transponiert werden muss.
Verteilt vor der Probe unbedingt eine für alle gültige Aufnahme des zu probenden Songs an alle. Handelt es sich um eine Coverband, einigt euch auf eine Version und schickt zum Beispiel einen YouTube-Link dieser Version als gültige Basis für die Probe an alle Musiker. Spielt ihr eure eigenen Songs, sollte zumindest ein einfaches Demo mit Akustikgitarre und Gesang oder Klavier und Gesang vorliegen, sodass schon vor der Probe alle Musiker einen Eindruck von dem Material haben und sich vielleicht schon einmal Gedanken um ihre Parts oder die weitere Entwicklung des Songs machen können.
Ablauf der Bandprobe
Viele Bands verquatschen einen Großteil der Probenzeit. Die Probe ist kein geselliger Abend mit Freunden, sondern Arbeitszeit für die Band. Genau so sollte man sie auch gestalten. Das bedeutet aber nicht, dass man keinen Spaß haben darf. Ganz im Gegenteil. Aber eine Probe soll am Ende des Tages produktiv sein und dafür muss man eine gute Arbeitsatmosphäre schaffen. Startet lieber zügig in die Probe und hebt euch private Gespräche für die Zeit nach der produktiven Probenphase auf. Oder baut eine Pause in eine längere Probe ein. Wichtig ist, sich zügig mit allen Bandmitgliedern nach der Ankunft an die Arbeit zu machen.
Besprecht zu Beginn der Probe, was die wesentlichen Punkte sind, die bei dem zu probenden Song zu beachten sind: Form, Tonartwechsel, bestimmte Sounds, Dynamik etc. sollten vorab besprochen werden. Wer jetzt anfängt, an seinem Kemper oder den Keyboards alle Sounds „durchzusteppen“, schmeißt die Probe. Hat man die passenden Sounds nicht vorab herausgesucht und festgelegt, spielt man mit einem ähnlichen Sound und erledigt diesen Job außerhalb der Probe.
Spielt nun den Song einmal durch. Auch bei eigenen Songs sollte man ein bis zwei Durchläufe starten, um ein Gespür für den Song zu bekommen und erste Ideen einzufangen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, produktiv miteinander zu arbeiten. Sprecht nun genau ab, wer was und wann tut. Ein Song beginnt mit dem Einzähler! Ich habe unzählige Bands gesehen (und selbst in welchen gespielt), bei denen im Prinzip der Song nach dem Einzähler schon gelaufen war, was dann entweder zu einem Abbruch führte oder zu einer sehr wackeligen Performance. Übt gerade diesen wichtigen Übergang. Hier sollte alles auf den Punkt genau gespielt sein.
Arbeitet euch nun durch die einzelnen Formteile des Songs. Gibt es irgendwo ein Problem, muss dieses gelöst werden. Eine Lösung bedarf aber einer vorherigen Analyse, was das Problem überhaupt verursacht. Ohne Schuldzuweisungen muss geklärt werden, wo es hakt. Wiederholt schwierige Parts so oft, bis sie fließen und jeder sich sicher ist. Das kostet Zeit, doch diese Zeit sollte man sich wirklich nehmen. Belohnt wird die Band später durch ein viel besseres Endergebnis.
Haltet am Ende der Bandprobe euren aktuellen Status unbedingt als Aufnahme fest. Dazu reicht eine Smartphone-Aufnahme. Diese kann dann als MP3 verschickt werden und jeder kann mit der Aufnahme zu Hause weiter an dem Song arbeiten und bei der nächsten Probe ist die Aufnahme die Grundlage für die weitere Arbeit.
Probenfrequenz
Wie beim Üben eines Instruments ist Regelmäßigkeit wichtig. Wer die Zeit erübrigen kann, zweimal wöchentlich mit der Band zu proben, sollte das auch tun. Eine Bandprobe wöchentlich sollte es mindestens sein. Nur durch diese Regelmäßigkeit reifen die Songs und es stellt sich die Routine ein, die man für eine gute Bühnenshow, bei der es um mehr als nur die musikalische Seite geht, dringend benötigt.
Anders ist das bei vielen professionellen Bands. Hier bereiten sich die Musiker auch alle selbstständig zu Hause vor. Manchmal gibt es bei Produktionen von Solokünstlern, die mit Band auf Tour gehen wollen, einen Musical Director (MD), der für alle Musiker die Aufnahmen und Leadsheets bereitstellt und die Kommunikation im Vorfeld übernimmt. Nach Abschluss der individuellen Vorbereitungsphase findet dann eine gemeinsame Tagesprobe (oder mehrere) statt. Auch viele professionelle Coverbands proben sehr viel seltener als andere Bands. Neue Songs werden gemeinsam beim Soundcheck gespielt, jeder bereitet sich selbstständig vor. Diese Arbeitsweise ist durchaus gängig, für viele Hobbymusiker jedoch nicht umsetzbar und auch nicht ratsam (siehe oben). Hier haben die Musiker eine weitaus engere Beziehung zueinander als die oftmals sogar wechselnden Musiker professioneller Tour-Produktionen von Künstlern ohne eigene Band.
Bands, die gemeinsam komponieren oder arrangieren, sollten ohnehin viel Zeit gemeinsam verbringen, um einen guten Workflow zu entwickeln. Durch das Miteinander entstehen Ergebnisse, die man allein nur selten zustande bringt. Das sich gegenseitige Beeinflussen und Inspirieren spielt hier eine große Rolle.
Aufgaben verteilen
Jeder Mensch hat unterschiedliche Begabungen und somit kann es mehr als sinnvoll sein, diese auch für die Probenarbeit und die Vorbereitung der Proben zu nutzen. Einige Musiker sind Organisationstalente, die vielleicht den Überblick darüber behalten, welche Songs wann geprobt wurden und wo noch Arbeit hineingesteckt werden muss. Anderen fällt es nicht schwer, Akkorde von bekannten Songs herauszuhören oder Leadsheets zu schreiben. Ein anderer übernimmt die Band-Kommunikation unter der Woche oder moderiert die Bandprobe. Jeder hat seinen Aufgabenbereich, in den er sich einbringt und in den sich möglichst wenig andere Leute einmischen.
Wie wahr, wie wahr – ein ehrlicher (konstruktiver) Artikel, sehr gut Markus.
Trotzdem, ich weiß nun, warum ich nur noch zu Hause und allein für mich Musik mache. 😎
Sehr guter Beitrag!
Als Ergänzung möchte ich anfügen: Die Cleanness eines OPTISCH ANSPECHENDEN Proberaums ist wichtig! War in meinem Leben in so vielen „Löchern“ die mit verranzten, aussortierten Orienteppichen ausgelegt waren (hatte immer mal damit gerechnet, das der Bodenbelag aufgrund seiner Bioflora lebt und wegläuft), gefühlte 200 ausgesoffene Bierpullen in den Ecken, volle Aschenbecher und randvolle Plastikmülltüten für eine üble Deodorierung der ganzen Szene sorgten – und die Muffigkeit, die aus alten Gitarrenboxen duftete, unterstützen.
Solche Dungeons betrete ich nie wieder, auch nicht mit Maske!
PS: Leider ist das immer noch Realität heute, besonders im Amateurbereich…🤷🏼♂️
@edeling Ja, diese Proberäume kenne ich auch noch von früher (man kam nach der Probe nach Hause und roch leicht angeschimmelt 😁).
Bin zwar immer noch im Amateurbereich angesiedelt, inzwischen aber bei den grau melierten und es-im-Leben-zu-was-gebracht-habenden – und wenn die guten Röhren-Amps für 1.500,- EUR im Proberaum lagern, da achtet man auch etwas mehr auf Sauberkeit und Hygiene 👍…
@edeling Ja, so einen Proberaum durfte ich auch mal betreten, weil ich da was für eine Band rekorden sollte. Man konnte gar nicht laufen, überall standen Bierflaschen rum (angeblich von der anderen Band die den Raum mitnutzt) und überall Kippen und anderer Dreck. Ich wollte mich da am liebsten gar nicht irgendwo auf deren Sofa setzen oder meine Jacke hinlegen. Echt gruselig sowas.
Lesenswertes Stück, vielen Dank. Meine Band-Zeit liegt bald 30 Jahre zurück, konnte sie aber in vielen Punkten lebhaft wiederfinden. :)