Die Geschichte der Steve Vai Signature-Gitarre
Warum Ibanez?
Die Ibanez JEM feiert ihr 30-jähriges Jubiläum. Grund genug, sich die Geschichte dieser E-Gitarre, die Ibanez dem Saitenvirtuosen Steve Vai 1987 auf den Leib schneiderte, genauer anzuschauen. Eingangs gleich folgende Frage: Warum bekam ausgerechnet Ibanez den Zuschlag, dieses Instrument zu bauen? Antwort: Weil sie ihr eigenes Firmenego hinten anstellen konnten. Total japanisch irgendwie. Die Fähigkeit, sich selbst klein zu machen, um der Sache willen. Das hatte wohl keine der erfolgsverwöhnten amerikanischen Gitarrenfirmen drauf.
Aber der Reihe nach
Zu Beginn der 80er Jahre verkaufte die US-Gitarrenfirma Kramer mehr elektrische Gitarren als Gibson. Die Les Paul war angesichts der angesagten Superstrats – zu deren erfolgreichsten Herstellern Kramer gehörte – faktisch tot. Abgemeldet! Und wen hatten die im Boot? Eddie van Halen! Damals die unangefochtene Nummer 1.
Was ist eine „Superstrat“? Die Mindestanforderungen, die an eine Stratocaster vor etwa 35 Jahren gestellt wurden, um „super“ zu sein, waren: Stegtonabnehmer durch einen Humbucker ersetzen, das Vintage-Vibrato gegen ein Floyd-Rose-System tauschen (Klemmsattel nicht vergessen) und den alten Bunddraht gegen dicke Dunlop 6100 Jumbobünde wechseln.
Die Superstrats der 80er Jahre
Manche Hersteller bastelten noch ein wenig an der Korpusform oder am Kopfplattendesign herum. Zu jener Zeit waren die sogenannten „Eishockeyschläger-Kopfplatten“, inspiriert von der Gibson Explorer, sehr angesagt. Dieses Design wurde übrigens erst durch die Verwendung der Floyd Rose Vibratos möglich, weil die Saiten am Sattel abgeklemmt wurden. Ob danach eine Kopfplatte folgte oder welche Form diese hatte, spielte für die Funktionalität keine Rolle. Andere blieben beim ursprünglichen Design der Stratocaster (wo gegen Fender allerdings erfolgreich klagte) und fügten lediglich die oben genannten „Superzutaten“ hinzu.
Die Mutter der Ibanez JEM : the Green Meanie
So auch Charvel/Jackson. Deren Besitzer Grover Jackson lieh Steve Vai eine solche Superstrat, die später Berühmtheit unter dem Namen Green Meanie erlangen sollte. Eine traditionell geformte Stratocaster mit Ahornhals und Ahorngriffbrett, Floyd-Rose-Vibrato, einem Humbucker in der Stegposition, einem Singlecoil in der mittleren und einem Humbucker in der Halsposition. Alle Tonabnehmer waren schön brav und traditionell auf einem weißen Schlagbrett montiert. Herr Vai ließ den Korpus aus Linde in einem auffälligen Grün lackieren und modifizierte im Laufe der Zeit weiter munter drauf los. Er malträtierte die Gitarre nach eigenen Angaben mit Schraubenzieher und Hammer, ließ das untere Cutaway entlang der Form des Schlagbretts wegfräsen, sodass er besseren Zugang zu den hohen Bünden bekam und so weiter und so fort. Grover Jackson sollte die Gitarre nie zurück bekommen.
The Dave Lee Roth Years
Als Steve Vai 1986 in der Band von Dave Lee Roth den Job des Gitarristen bekam, wurde er quasi zum Nachfolger Eddie van Halens. Fürwahr kein leichter Job, Mitte der 80er. Und da ich zu den älteren Semestern zähle, kann ich mich lebhaft daran erinnern, wie ein paar Musikerfreunde und ich Steve Vai zum ersten Mal hörten. Einer von uns hatte das Debutalbum „Eat Em And Smile“ erstanden und wir lauschten dem Gitarre/Gesang Dialog zwischen Roth und Vai zu Beginn des Album-Openers „Yankee Rose“. Uns fiel schlicht die Kinnlade runter. Wer hätte gedacht, dass es da draußen einen gibt, der noch schneller shreddet, komplizierter tappt und exzessiver das Floyd Rose missbraucht als Edward Van Halen? Unser King Edward war entthront! Von einem 26-jährigen, schwarzhaarigen Berklee Sudenten aus Long Island, von dem bis dato keiner – außer den Hardcore Frank Zappa Fans unter uns – je gehört hatte.
Die Gitarre, mit der Steve Vai dieses Doppelplatinalbum einspielte, war seine heftig malträtierte „Green Meanie“. Irgendwann im Laufe der ausgedehnten Tourneen riss der Gitarrenderwisch das komplette Vibratosystem aus dem weichen Lindenkorpus und Tom Anderson musste ihm eine Ersatzgitarre nach dem Vorbild der Charvel/Jackson bauen, mit der er die Tour dann beendete.
Die neue Nummer 1: Steve Vai
1987, ein Jahr später, war Steve Vai der heißeste Gitarrist auf dem Planeten und jede, wirklich jede Gitarrenfirma wollte ihm ein Signature-Modell bauen. Ibanez hatten ihm bereits zu Weihnachten 1986 eine Gitarre unter den Christbaum gelegt, sozusagen um mal vorstellig zu werden. Das Modell war eine Maxxas, ein eher kurzlebiges Ibanez-Design in einer abstoßenden grün/rosa Schlangenlederlackierung. Mit der späteren JEM-Gitarre hatte die Ibanez Maxxas die 24 Bünde, die Pickup-Kombination Humbucker-Singlecoil-Humbucker und das Floyd-Rose-Vibrato in der Ibanez-Lizenz Edge gemein.
Mike Shimada, der damalige Präsident von Hoshimo USA (Ibanez Hersteller) behauptet, man habe Steve Vai genau beobachtet und wusste zu dieser Zeit bereits, welche Spezifikationen seine Gitarre haben müsste. Naja, so ganz hatte Ibanez die Vorstellungen des jungen Gitarrengotts nicht getroffen. Er bedankte sich für das Weihnachtsgeschenk und schickte ihnen einen Prototyp. Dieser Prototyp war möglicherweise bereits nicht mehr die Green Meanie Kopie von Tom Anderson, sondern stammte von einem Jugendfreund Vais, Joe Despagni. Dieser besaß nämlich einen Customshop unter dem Namen JEM-Guitars und kann daher zumindest als Taufpate der Ibanez JEM gesehen werden
And the Winner is: Ibanez!
So handhabte Mr. Vai sämtliche Endorsement Anfragen dieser Zeit. Er ließ die Gitarrenfirma wissen, dass er eine genaue Vorstellung besäße, wie seine Signature-Gitarre auszusehen habe, schickte ihnen die genauen Spezifikationen oder sogar die Gitarre selbst. Fünf Wochen später lieferte ihm Ibanez USA seine Ibanez JEM, wie wir sie heute noch kennen und Steve Vai war mehr als nur zufrieden. Und damit sei auch die Eingangsfrage erklärt. Im Gegensatz zu den amerikanischen Mitbewerbern hatten Ibanez kein eigenes, bereits vorhandenes Serienmodell mit Steve Vais Namen auf der Kopfplatte abgeliefert, sondern die Wünsche des angesagtesten Gitarristen der Zeit 1 zu 1 erfüllt und umgesetzt. Diese waren:
- einteiliger Ahornhals/Ahorngriffbrett mit 24 Bünden, in der Stratocaster Mensur von 648 mm
- Korpus aus Linde (American Basswood)
- Floyd-Rose-Vibratosystem, in diesem Fall das Lizenzprodukt. Hier waren sie Feinstimmer in einem Winkel angebracht, in dem sie die rechte Hand weniger störten.
- Schlagbrett (Pickguard) mit Humbucker-Singlecoil-Humbucker-Bestückung
Bis hier hin hatte die Gitarre keine wirkliche Neuerung zu bieten. Entgegen anderslautender Berichte, über die ich in meiner Recherche stolperte, war die Ibanez JEM zum Beispiel keineswegs die erste Seriengitarre mit Lindenkorpus. Ibanez hatte 1985 eine Roadstar im Programm mit Lindenkorpus und tieferer Korpusausfräsung, um deren 24 Bünde besser erreichen zu können.
What is new? Die Innovationen der Ibanez JEM
Neu war allerdings die Verschaltung der drei Tonabnehmer. In Position 2 und 4 legte der handelsübliche Fünfwegeschalter eine Spule des jeweiligen Humbuckers an Masse. Der daraus resultierende Klang zwei parallel geschalteter Singlecoils erinnerte tatsächlich an die beliebte Zwischenposition der Original Stratocaster. Natürlich klingt nur eine Stratocaster wie eine Stratocaster, aber das ist konstruktionsbedingt, somit Physik und daher nicht zu ändern. Dass Tolle an dieser Schaltung war und ist, dass der Gitarrist den guten alten 5-Weg-Schalter benutzt, wie auf seiner alten Strat! Keine Push-Push-, Push-Pull- oder Mini-Switches, um einen Humbucker zu „splitten“. Man hatte einfach so fünf Sounds, die zumindest für Steve Vai das „Best of both worlds“ darstellten.
Die Bund-Zwischenräume ab dem 21. Bund wurden ausgefräst (Scallopped Frets)
Da hatte die Ibanez JEM ebenfalls eine echte Neuerung zu bieten. Die Bünde liegen in diesen Lagen sowieso so eng beieinander, dass keine richtige Holzberührung stattfindet, da kann man sie auch gleich „scalloppen“, was Tapping und flinkes Solieren in diesen Lagen sehr unterstützt. Apropos unterfräsen: Ein Manko des hier bereits oft erwähnten Floyd-Rose-Vibratos war, dass Tonhöhenänderungen nach oben nur sehr moderat, vergleichbar mit einem frei schwingenden Vintage-Vibrato, möglich waren. Das System stieß, bewegte man es in Richtung Korpus, schnell an seine Grenzen und lag auf diesem auf. Der Gitarrenvirtuose wollte aber das freie Vibrieren nach oben fest in sein Spielvokabular aufnehmen, daher der Schraubenzieher und der Hammer, die bereits bei seiner dahingeschiedenen Green Meanie den Vibratoblock „unterfrästen“.
Die Ibanez JEM hatte dieses Ausstattungsmerkmal in einer sehr auffälligen Art in Form des sogenannten Lions Claw. In einer ebenfalls poppigen Komplementärfarbe lackiert, wurde hier, die Spuren einer Raubtiertatze imitierend, das Edge-Vibrato unterfräßt und ließ sich nun auf der G-Saite bis zu 7 Halbtöne nach oben ziehen. Und davon machte Mr. Vai auch exzessiv Gebrauch!
Wer kommt denn bitte auf die Idee, Satriani über die Vai-Gitarren schreiben zu lassen!?
;-)
Aber ein sehr schöner Artikel.
Eigentllich sollte jede Gitarre einen Affengriff haben.
Meine Traumklampf! Leider nie geklappt sie zu kaufen. Aber ich lebe noch und das ist das wichtigste. Tolle Erinnerungen werden hier wach, und lang ist es her….
Wir alle waren unfassbar heiß auf sie … auch für mich damals allerdings unbezahlbar … Klasse Artikel vom Kollegen Dr. Ott :)
@Stephan Güte Servus Cheffe. Soll ich dir meine 7VWH mal ausleihen? Vielleicht zerstört das den Mythos, vielleicht willst Du sie mir dann aber auch abkaufen. ;-) Jetzt haste ja jenug Jeld