Bluetooth 6 - was es kann, was es bringt
Die Spezifikationen von Bluetooth 6 wurden am 3. September 2024 veröffentlicht. Was bringen sie Neues und spielt die sechste Version der Übertragungstechnologie auch bei Musikanwendungen eine tragende Rolle? Wir haben die wichtigsten Informationen dazu für euch zusammengestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Bluetooth – Geschichte
- Was bringt Bluetooth 6 Neues?
- 1. Channel Sounding – Kanalsondierung oder Kanalpeilung
- 2. Decision-Based Advertising Filtering – entscheidungsbasierte Angebotfilter
- 3. Monitoring Advertisers – Angebotsüberwachung
- 4. ISOAL Enhancement – isosynchrone Anpassung
- 5. Link-Layer Extended Feature Set – Link-Layer Erweiterte Eigenschaften
- 6. Frame Space Update – Frame-Sendeabstand
Bluetooth – Geschichte
Bluetooth wurde 1998 zum ersten Mal der Welt vorgestellt und sollte bei wenig Stromverbrauch (2,5 Milliwatt) zur drahtlosen bidirektionalen Datenübertragung auf kurzen Entfernungen (unter 10 Meter) dienen. Übertragen wird mit Funkwellen im UHF-Bereich (Ultrahochfrequenzbereich) von ca. 2,4 bis 2,5 GHz.
Aber erst 2002 ratifizierte das IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) den Standard 802.15.1-2002 (BT 1.1) und machte den Alleingängen bei der Implementation der einzelnen Hersteller ein Ende. Seitdem hat Bluetooth 14 Revisionen erfahren, inklusive der aktuellen.
Die Bezeichnung Bluetooth geht im übrigen auf das Buch von Frans G. Bengtsson „The Long Ships“(engl.), eine historische Novelle über den dänischen König Harald „Bluetooth“ Gormsson (Haraldr Blátǫnn Gormsson) zurück, der im 10. Jahrhundert lebte. Ein Bild des Runengrabsteins des Königs beeindruckte Jim Kardach, Mitarbeiter von Intel und Gründer der Bluetooth SIG (Special Interest Group), wohl so sehr, dass er die Bezeichnung 1997 vorschlug.
Wie eingangs erwähnt, sind die Spezifikationen für Bluetooth 6 seit Anfang September bekannt und diese können auch für Musikanwendungen interessant sein. Bisher waren zum z. B. für kabellosen MIDI-Betrieb spezielle Geräte, meistens von CME Pro, nötig, um die Latenz einigermaßen in Schach zu halten, während Audio bei Kopfhöreranwendungen in Frage kam, wo Latenzfreiheit und bestenfalls CD-Audioqualität jetzt nicht die maßgebliche Rolle spielen. Ob und wie sich das ändert, wollen wir hier nachverfolgen.
Was bringt Bluetooth 6 Neues?
Die tiefergehenden technischen Spezifikationen wurden von der Bluetooth SIG veröffentlicht. Den Link dazu findet ihr im Anhang dieses Artikels.
Natürlich ist auch BT 6 wieder zu allen Vorgängerversionen rückwärtskompatibel.
1. Channel Sounding – Kanalsondierung oder Kanalpeilung
BT 6 ermöglicht zunächst einmal das genaue Messen der Entfernung zwischen Geräten. Als erstes profitieren davon natürlich alle „Finden“-Anwendungen (Find Me). Dabei kommt auch noch eine neue Sicherheitsebene hinzu, die dafür sorgt, dass nur autorisierte Nutzer den Schlüsselbund finden können. Aber es kann auch festgelegt werden, wer in welchem Bereich um den Sender herum Zugriff auf diverse Dienste erhält.
Das ist dann nicht nur die Sicherheitstür, vor der man tatsächlich stehen muss, um sie öffnen zu können, sondern auch z. B. Listening-Spots bei Ausstellungen oder anderen Veranstaltungen, wo bestimmte Inhalte nur in bestimmten Zonen verfügbar sein sollen. Vielleicht auch, dass der BT-LE MIDI-Controller nur den Synthesizer kontrolliert, der gerade am nächsten ist.
2. Decision-Based Advertising Filtering – entscheidungsbasierte Angebotfilter
Die Eigenschaft von Bluetooth LE erweitertem Angebot erlaubt das Übermitteln von Datenpaketen auf dem primären und sekundären Sendekanal, d. h. entscheidungsbasierte Angebotsfilter erlauben dem Empfangsgerät, das ein Datenpaket auf dem Hauptkanal empfangen hat, zu entscheiden, ob es sich lohnt, auch auf dem sekundären Kanal nach dazu passenden Datenpaketen zu suchen. Das reduziert die Suchzeit nach Daten auf dem Sekundärkanal, da Pakete, die mit der aktuell aktiven Applikation nichts zu tun haben, einfach ausgesondert werden.
3. Monitoring Advertisers – Angebotsüberwachung
Ein Empfängergerät kann angewiesen werden, Duplikate von Angebotspakete herauszufiltern. Damit wird dann nur noch jeweils ein Angebotspaket von jedem individuellen Einzelgerät akzeptiert. Aber das hatte bisher einen Haken. Die Effizienz wird zwar erhöht, aber der Sender hat keine Möglichkeit mehr festzustellen, ob der Empfänger noch in Reichweite ist und das Sendegerät kann auf der Suche nach dem Empfänger in einer energieintensiven Suchschleife hängen bleiben.
Die neue Angebotsüberwachung teilt dem Sendergerät hingegen mit, wann ein Empfänger sich außer Reichweite befindet. Das sind vor allem Maßnahmen , um den Energieverbrauch zu optimieren, wenn eine Störung der Verbindung auftritt.
4. ISOAL Enhancement – isosynchrone Anpassung
Das ISOAL (Isochronous Adaptation Layer) erlaubt, große Datenpakete mit Fehlerkorrektur (Frames) in kleineren Paketen im Link-Layer (LL, dazu gleich mehr) zu übermitteln. Also z. B. ein 24 Bit Paket in drei 8 Bit Paketen zu übermitteln und dafür zu sorgen, dass die Pakete auch in der richtigen Reihenfolge ankommen bzw. entlang der Zeitlinie, auf der sie abgeschickt wurden, sortiert werden.
Die Datenpakete können dabei mit Fehlerkorrektur (Frame) versehen sein oder ohne (unframed). Mit Fehlerkorrektur erhöht sich natürlich wieder die Latenz, da mehr Daten übermittelt werden müssen.
Das verhält sich hier ähnlich zum isosynchronen USB-Modus, wie er für alle USB-Audiointerfaces verwendet wird. Hier findet auch keine Fehlerkorrektur statt, weswegen eine reibungslose Datenübermittlung extrem wichtig ist, um Datenausfälle zu vermeiden. Nur dass bei Bluetooth 6 nun wahlweise auch mit Fehlerkorrektur gearbeitet werden kann.
Bei BT 6.0 wurde nun der ISOAL durch einen neuen Frame-Modus verbessert, der die Übertragung von Datenpaketen mit Fehlerkorrektur verbessert „die besonders anfällig für Latenzen sind“. Gemeint sind dann wohl speziell Audio- und Videodaten. Das macht BT 6 aber noch lange nicht zur Alternative zu kabelgebundenen Interfaces.
5. Link-Layer Extended Feature Set – Link-Layer Erweiterte Eigenschaften
Die Geräte können eigenständig Informationen über den Link-Layer austauschen, um sich über Eigenschaften zu einigen die sie beide unterstützen. Diese festgeschriebene Eigenschaftsliste wurde erheblich erweitert.
6. Frame Space Update – Frame-Sendeabstand
Bisher war der Sendeabstand zwischen den Paketen auf 150 µs (Mikrosekunden) festgelegt. Dieser Abstand kann nun verhandelt werden und kürzer oder länger als 150 µs sein.
Auch hier können die Geräte miteinander aushandeln, welcher der optimale Übertragungstakt ist, was zu höheren Geschwindigkeiten oder niedrigeren Latenzen führen kann. Im Idealfall beides.
Ich habe mich auch bei CME registriert, um deren Fortschritte bei BT-Audio, für einspielende Musiker bisher eher eine Katastrophe, mitzubekommen, die scheinen da ganz vorne mit dabei zu sein. Wenn das Protokoll diesbezüglich flexibler wird, könnte das ja schon ausreichen. Da muss die Geschwindigkeit nicht unbedingt höher werden.
Bisher war alles ohne Kabel eine Katastrophe. Ich glaube nicht daß BT6 was daran ändern kann. Weckt mich auf wenn wir samplegenaues Timing haben, da ist auch Midi noch weit von entfernt.
@Kazimoto Bei mir ist auch alles (bis auf die PlayStation 4) verkabelt: Maus und Tastatur am PC, PC an DSL-Box (über LAN-Kabel), Backup-Festplatte (über USB), Drucker an PC (über USB), Scanner an PC (über USB). Funktioniert alles seit Jahren störungsfrei.
Eine sehr gute Freundin von mir hat ihren Drucker über WLAN angeschlossen … das funktioniert nie auf Anhieb. Man muss immer hin laufen und noch mal irgendwo eine Taste drücken und beten und/oder auf den Kopf stellen und hoffen, dass die Mondphase passt und tralala. Auch die Bluetooth-Verbindung von ihrem Handy (Android) zu ihrem Fernsehgerät, um mal eben schnell von ihr aufgenommene Videos am Fernsehgerät zu zeigen, funktioniert nur so lala. Mal eben schnell ist da nie was gezeigt. Und die Verbindung von ihrem Smartphone zu ihrem Auto, um im Auto die Google-Maps-Funktion nutzen zu könne, hat erst nach einem Update des Autos (!) funktioniert.
Alles Marketing/Werbe-Versprechen, die in der Praxis nicht durchdacht sind. Im Prinzip alles Mist.
@Flowwater tolle Geschichten….
Null informationswert sowas.
drucker am wlan ist doch standard.
Trotzdem geb ich dir Recht.
computer sind hochkomplexe Maschinen jn mt der Zeit lässt die Performance für den verwunderten Laien immer mehr nach.
Jeder benutzt sie, aber der Wissenstand ist viel zu niedrig.
Das alles einfach so funktioniert ist ein Mythos.
@SINUS Da sind die Erfahrungen unterschiedlich. Kabelgebundene Lösungen funktionieren i.d.R. wesentlich besser. Einen Jitter von 3-11ms würde ich nicht mehr akzeptieren wollen, andere nennen es „Human Touch“. 😉
Gerade im Audio-Bereich vermisse ich einen in 6.0 festgeschriebenen verlustfreien Standard. CD-Audio (44.100 Samples pro Sekunde mit 16 Bit und Stereo, ca. 1,4 MBit/s) sollte bei den aktuellen Datenraten überhaupt kein Thema mehr sein.
So weit ich informiert bin, sind alle verwendeten Codecs verlustbehaftet (SBC, MP3, AAC, aptX). Das ist für Kopfhörer am Handy oder vom Handy zum Smart-TV alles wunderbar … aber für uns Musiker wäre ein entsprechender Standard schick gewesen. Nun ist eine Kompression über Bluetooth aus einer verlustfreien Quelle – wenn man auf dem Smartphone zum Beispiel FLAC hat – noch nicht das Thema. Aber – zum Beispiel – bei MP3 etc. muss das erst dekodiert und dann vor der Übertragung neu kodiert werden, was Artefakte erzeugen kann. Zumindest wenn das Ziel nicht auch wie in diesem Beispiel MP3 unterstützt.
Außerdem sehe ich, dass der Standard immer komplexer wird. Was wiederum der Kompatibilität nicht gut tut.
@Flowwater 100%! 😂
Wäre schön wenn man mal endlich mit Bluetooth 6 Musik machen könnte. Die Latenzen sind absolut übel und zum Einspielen nicht zu gebrauchen.
@Tripod Kann ich nicht bestätigen. Mein iPad Pro von 2019 sendet unter 10ms an den Rechner. Keine hörbare Latenz und seit Jahren zuverlässig. Das letzte bisschen Latenz regelt die Eingangsquantisierung.
Falls es bei deinem Bluetoothgerät um Android geht: Da kann Bluetooth selbst nix rausreißen. Android ist einfach nicht aufs Producing ausgelegt und müsste von Grund auf neu gecoded werden, um niedrige Latenzen zu ermöglichen.
@Padbangers Danke für die Infos.
Ich habe das unter Windows mit Sennheiser Bluetooth Kopfhörern probiert. Also DAW gestartet und ein Plugin gespielt, das war wirklich nicht brauchbar von der Latenz. Gefühlt würde ich da eher auf 60-100ms tippen. Alles was so bis 20ms geht habe ich kein Problem, aber darüber wird es unangenehm.
@Tripod Mit Windows geht nichts, absoluter Kernschrott. Mac und speziell Arch/Manjaro-Linux sind da besser. Vielleicht weiß Bluebell mehr was Linux angeht?
@Kazimoto Ja, dann muss ich wohl mit Kabel leben, gibt schlimmeres.
@Tripod Ist eben safe, da ist nichts schlimmes dran. Nur Windows, daran würde ich langfristig was ändern. 😁
@Tripod , für die gesamte Latenz sind zwei Sachen wichtig. Das Treibermodell mit dem z.B Cubase unter Win arbeitet. Hier gibts ASIO und „Kernel-Streaming“, „WaveOut“, „WaveRT“, „KS“, „WASAPI“, „MME“, „DirectSound“ und „DirectX“ zusammengefasst als „WDM“. Und da ist dann auch schon das Problem, nicht alle dieser Varianten sind für Echtzeit Audio und MIDI geeignet. Hinzukommt das BT auch Latenz behaftet ist. Hinzukommt das BT Audio je nach Anwendungsfall apdaptiv, synchron oder asynchron übertragen werden. Smart wäre von MS, wenn man sich auf eine Technik und ein Treibermodell einigen würde. Das würde aber ein Redesign von Win erfordern und da sehe ich blau. Man bekommt Windows schon für Echtzeit Audioanwendungen hin aber entweder schreibst dir ein Skript oder nach jedem Win Update kannst die Einstellungen erneut vornehmen.
@TobyB Danke für die ausführliche Erklärung. Nein mit Windows selbst habe ich keinerlei Latenzprobleme, ASIO und WASAPI sind dort meine Favoriten. Eine merkbare Verzögerung merke ich erst wenn ich Audio über Bluetooth dazuschalte. Ansonsten mit Kabel Kopfhörer, MIDI-Keyboard und Cubase höre spüre ich keinerlei Latenz wenn ich was einspiele. Ich habe das mal versucht zu messen und glaube alles unter 20ms nehme ich als latenzfrei oder sehr latenzarm war. Man muss ja auch bedenken, dass mit Monitoren schon jeder Meter Abstand 3ms Latenz dazu addiert, die fallen bei mir durch Kopfhörer weg.
@Tripod , Bluetooth, Audio und Windows sind noch mal ein extra Thema. Unter W10 war es so das der generische BT Audiotreiber so grottig wär das mit vielen BT Headsets die Leute Kopfweh bekamen. Selbst Apple AirPods klangen übel. Unter W11 stimmt nun zwar der Sound aber die Latenz ist für die Füsse. Man kann sich in das Thema einarbeiten, Microsoft Learn, Einrichten eines Gerätes für die Echtzeitleistung. Im Zweifelsfalle, weil Lebenszeit auch eine Ressource ist, würd ich lieber zur Kabelvariante greifen. 😎
@TobyB Ja, ich bleibe erstmal beim Kabel. Zur Not gibt es noch Drahtlose Lösungen die OS und Bluetooth unabhängig sind.