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Alles Wissenswerte zum Bandübernahmevertrag

Was genau ist ein Bandübernahmevertrag

10. Juni 2003

Früher oder später kommt jeder, der sich als aktiver Musikschaffender mit Instrumenten wie Synthesizer, Sampler oder Computer beschäftigt, mit der Musikindustrie als Verwerter der eigenen musikalischen Ergüsse in Kontakt. Der Bandübernahmevertrag (BÜV) spielt dabei eine besondere Rolle.

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Um diesen Artikel anschaulich zu halten, stelle ich das Thema an Hand eines branchenüblichen Mustervertrags des deutschen Musikverlegerverbandes dar. Bandübernahmeverträge ähneln sich unabhängig von den Vertragsparteien, sofern der Vertragsgegenstand der gleiche bleibt.

1. Vertragsparteien und Vertragsgegenstand

Der Produzent ist die Person, die die Musikaufnahme als Vertragsgegenstand liefert. In der heutigen Situation ist der Produzent dabei oft auch der Komponist, Musiker und Toningenieur. Ein Technomusiker, der in seinem Homestudio einige Tracks für eine Maxi zusammenschraubt, ist in diesem Sinne ein Produzent. Letztlich ist derjenige Produzent, der die Vertragsaufnahmen durchführen lässt und bezahlt, um sie dann z.B. der Tonträgerfirma zur weiteren Verwertung gegen Lizenzen zu überlassen. Es muss also keine Person, sondern kann auch eine Firma sein. Der Produzent ist nicht der Komponist oder der Tontechniker noch müsste er je in einem Tonstudio gewesen sein.

Diese Aufnahmen werden dann einem A&R Verantwortlichen einer Tonträgerfirma vorgespielt. Die Tonträgerfirma, oder Label, als zweite Partei übernimmt die Vertragsaufnahme als Lizenznehmer, sofern die Tonträgerfirma eine lukrative Verwertungsmöglichkeit der Aufnahmen sieht.
Die Vertragsaufnahme ist ein fertiges Produkt, dass so in einem Presswerk vervielfältigt werden kann. Das Masterband wird von der Tonträgerfirma zur Vervielfältigung benutzt, bleibt aber Eigentum des Produzenten. Ein BÜV kann sich auf einen Song oder auf mehrere, erst in Zukunft zu produzierende Platten erstrecken. Wenn der letzte Fall zutrifft, sollte sich ein Produzententeam vorher überlegen, was passiert, wenn man getrennte Wege gehen will!

2. Übertragene Rechte

Wichtig für die Ausgestaltung des Vertrags ist, welchen Stellenwert die Tonträgerfirma in der Branche hat. Ist es eine Major-Company oder ein Independent-Label (Indie)? Die Möglichkeiten der Verwertung machen hier den Unterschied. Als Faustregel gilt: da die Möglichkeiten – auch Geld zu verdienen – einer Major-Company viel größer sind, müssen hier mehr Rechte übertragen werden. Verträge sind hier kaum im Inhalt verhandelbar. Anders bei einem Indie: hier kann man sich ein deutlich größeres Mitspracherecht einräumen lassen und somit seine Rechte besser kontrollieren. Grund dafür sind die geringeren Chancen auf eine weit reichende Verwertung.

Die Möglichkeiten einer weit reichenden Verwertung hängen vom Song oder den Songs ab. Daher die Unterscheidung, ob ein Song kommerziell sei oder nicht. Will man in der Liga von Dieter Bohlen oder R. Kelly spielen, sollte man sich einen kräftigen Partner suchen. Der BÜV als Anschauungsobjekt dieses Artikels ist tendenziell ein Majorvertrag.

Hier wird das Recht übertragen, so ziemlich jedes vorstellbare Medium als Tonträger zu nutzten. Bei manchen Indies ist das einzige Medium die Vinyl-Maxi. Darauf sollte sich dann der Vertrag beschränken. Unter Bildtonträgern versteht man Musikvideos oder Musik-DVDs mit Bildern oder Clips. Eine Major-Company wird sich nie auf einen Produzenten einlassen, der mit der Verwertung über Musikvideos nicht einverstanden ist. Dieses Medium ist der Major-Company einfach zu wichtig.

Der Produzent sollte bei einem BÜV darauf achten, dass die Einnahmen durch die GEMA oder GVL unberührt bleiben. Mancher BÜV sieht ohne Rechtfertigung eine Abtretung dieser Einnahmen an die Tonträgerfirma vor. Auch sollte die GEMA-Anmeldung der Aufnahmen durch die Tonträgerfirma vereinbart werden, so dass die GEMA-Vergütung bei Veröffentlichung von der Tonträgerfirma abgeführt wird. Die Rechte an den Vertragsaufnahmen sollten automatisch an den Produzenten zurückfallen, wenn die Tonträgerfirma nicht innerhalb einer gewissen Zeit die Verwertung vornimmt oder die Verwertung beendet.

Dass sich Partnerfirmen der Tonträgerfirma an der Verwertung beteiligen, sollte einen Produzenten nicht abschrecken. Oft wird dadurch erst eine weit reichende Verwertung ermöglicht, von der beide Vertragsparteien profitieren. Diese Verwertung kann zum einen die Auskopplungen auf Compilations wie Bravo Hits u. ä., zum anderen aber auch eine Neuveröffentlichung durch einen Major-Partner sein. Auf der anderen Seite sollte der Produzent das Recht haben, Ver änderungen an seinen Vertragsaufnahmen bei Coverversionen und Remixen zu verweigern.

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3. Garantierte Rechte und Exklusivität

Es versteht sich von selbst, dass der Produzent die Recht an den Vertragsaufnahmen hat und nicht an andere abgetreten haben darf. Diese Regel schützt die Tonträgerfirma vor Ansprüchen der möglichen Rechtinhaber sowie ihren wirtschaftlichen Erfolg, indem sie das Monopol auf die Aufnahmen erhält. Die Tonträgerfirma erhält vom Produzenten das Recht, die Aufnahmen exklusive, also allein, zu verwerten. Da die Tonträgerfirma in die Vervielfältigung und der Verbreitung der Aufnahmen investiert, ist das nur fair. Bei BÜV handelt es sich häufig um Titelexklusivität im Gegensatz zur Personenexklusivität, bei der sich der Produzent als Person ausschließlich an die Tonträgerfirma bindet.

4. Masterbänder

Der Produzent ist verpflichtet, Aufnahmen zu liefern, die keine weitere Bearbeitung (Post-Production oder Pre-Mastering) erfordern. Bei Verträgen mit Major-Companies sind die Produzenten sicherlich professionell genug, um diese Bedingung zu erfüllen. Major-Companies erwarten oft bereits perfekt produzierte Deoms. Indie-Firmen wissen, dass meist die Qualität der Aufnahmen nicht zur Vervielfältigung ausreicht. Nach diesem Vertrag trägt der Produzent die Kosten der Post-Production, was einen Techno-Home-Recorder bei der ersten Abrechnung schocken könnte, sofern keine Regelung existiert. Im allgemeinen übernehmen die Indie-Labels aber diese Kosten stillschweigend.

5. Künstlernamen und Abbildungen, Werbung und Promotion

Die Tonträgerfirma muss mittels des Künstlernamens und dessen Abbildungen werben können. Der Produzent muss aber darauf achten, dass kein Handel mit Merchandising Artikeln hierdurch zugelassen wird, sofern nicht entsprechend die Zustimmung des Künstlers und eine angemessne Beteiligung vereinbart wurde. Der Produzent und dessen Künstler müssen sich aktiv an Maßnahmen zur Bewerbung beteiligen, aber die Kosten bspw. eines Fotoshootings darf ihnen nicht aufgebürdet werden. Auch in diesen Regelungen wird der Unterschied zwischen den Erfordernissen einer Major-Company zu einem Indie deutlich.

6. Vergütung und Abzüge, Abschläge und Verrechnungen

Die Bezahlung des Produzenten erfolgt sehr häufig als Umsatzbeteiligung und selten als Pauschale wie bei Remixen. In den USA werden häufiger als hierzulande Pauschalen gezahlt. Durch eine Umsatzbeteiligung wälzt die Tonträgerfirma einen Teil des unternehmerischen Risikos auf den Produzenten ab.

In Deutschland orientiert sich die Umsatzbeteiligung fast immer am Händlerabgabepreis (HAP). Dieser variiert aber zwischen den Tonträgerfirma wie auch zwischen den Händlern. Deswegen ist die Umsatzbeteiligung am HAP für den Produzenten schlecht nachvollziehbar. Üblich sind Beteiligungen von 14% bis 21% des HAP für jeden verkauften Tonträger.

Eine weitere Form der Umsatzbeteiligung ist ein Festbetrag pro verkauftem Tonträger. Beteiligungen von ca. 0,30 bis 0,60 EUR pro Maxi und 1,- EUR pro CD sind durchaus im Rahmen von Indielabels. Diese Regelung ist nicht nur einfach nachzuvollziehen sondern reduziert auch den bürokratischen Aufwand des Labels. Zu den Umsatzbeteiligungen aus dem Indiesektor gehört ebenfalls die hälftige Gewinnteilung zwischen Tonträgerfirma und Produzenten. Problematisch für den Produzenten ist die Notwendigkeit, erst die Herstellungskosten der Tonträgerfirma eingespielt zu haben. Gewinn meint schließlich Umsatz minus Kosten. Vom Handel retournierte Tonträger gelten allgemein als nicht verkauft und kommen wieder in den Handel. Sie werden erst beim Verkauf an einen Endkunden dem Produzenten vergütet. Unverkäufliche Promotionexemplare werden dem Produzenten meist nicht vergütet.

Abzüge von der Umsatzbeteiligung werden für besonders arbeitsintensive Vertriebswege wie den Export geltend gemacht oder für besonders aufwendig beworbene Tonträger. Aber auch Vertriebswege wie Mail Order werden mit Abzügen belegt, auch wenn mir das nicht einleuchten will, da deren durchschnittlicher HAP oft schon niedriger liegt. Eklatant ungerecht wird diese Regelung bei Sondervertriebswegen im Hause der Tonträgerfirma. Können sehr viele Kopien einer Auflage an den Großhandel verkauft werden, so wird wegen des geringeren HAPs auch dort noch ein Abzug vorgenommen. Da aber bei großen Auflagen die Kosten des einzelnen Tonträgers sinken und über den Großhandel große Auflagen erst vertrieben werden können, macht diese Regel nur mäßigen Sinn.

Beim Hüllen- und Technikabzug ist Vorsicht geboten. Bis zu 25% der Vergütung wird hierbei abgezogen. Teilweise wurden solche Klauseln von Gerichten auch schon für unwirksam erklärt. Sinn machen sie keinen, da Tonträger irgendwie verpackt werden müssen. Also kann man diese Kosten in der Kalkulation bereits über die Prozente vom HAP für den Produzenten berücksichtigen.
Vermittelt die Tonträgerfirma weitere Lizenzierungen an andere Label, werden die Bezüge des Produzenten ebenso gekürzt. Da mit der Lizenzierung für die Tonträgerfirma Kosten entstehen, die Tonträgerfirma aber auch Abzüge hinnehmen muss, ist diese Regelung nur fair.

Zahlt die Tonträgerfirma dem Produzenten einen Vorschuss auf Aufnahmen, so werden diese gewöhnlich mit den Umsätzen aus diesen Aufnahmen verrechnet. Die Tonträgerfirma gewährt somit dem Produzenten lediglich ein Darlehen, das im schlimmsten Fall vom Produzenten nach Vertragsende zurückgezahlt werden muss, sofern die Aufnahmen den Vorschuss nicht eingespielt haben. Am besten für den Produzenten ist es natürlich, wenn ein nicht rüchzahlbarer Vorschuss vereinbart wird. Major-Companies wollen keine, viele Indies können keine oder nur geringe Vorschüsse zahlen.

7. Abrechnung und Zahlung

Eine halbjährlicher Abrechnungsturnus ist absolut üblich. Der Zahlbetrag für den Produzenten sollte so schnell wie möglich nach der Abrechnung fällig und beglichen werden. Die Tonträgerfirma ist verpflichtet, eine nachvollziehbare und verständliche Abrechnung zu erstellen. Bei Major-Verträgen sollte man die Verrechenbarkeit von Verlusten mit Gewinnen verschiedener Tonträgern in den Abrechnungen verhindern. Indiefirmen haben dafür meistens keine Kapitaldecke.

Für erwartete Retouren wird oft Geld zurückgehalten, da diese Tonträger noch nicht an den Endkunden verkauft wurden. Das ist fair, aber diese Rückstellungen sollten in der nächsten Abrechnung aufgelöst werden. Ein Abrechnung kann sinnlos werden, wenn die Kosten der Abrechnung den Zahlbetrag an den Produzenten übersteigen. Oft gilt eine 50 EUR Grenze, bis es zur Abrechnung kommt.

Die Prüfung der Abrechnung sollte bei einem Indie durch den Produzenten selbst oder durch einen kundigen Dritten möglich sein, da sonst die Kosten der Prüfung die Auszahlungssumme um ein Vielfaches übersteigen können. Bei einem Major sind die Abrechnungen zu komplex, dass ein Buchprüfer dafür herangezogen werden muss. Für den Fall der fehlerhaften Abrechnung sollte die Tonträgerfirma die Prüfungskosten tragen. Die Widerspruchsfrist sollte allgemein drei Jahre betragen.

8. Vertragsgebiet und Laufzeit

Auch in diesen Punkten muss man Unterschiede zwischen Majors und Indies machen: bei Majors wird das Vertragsgebiet weltweit und die Vertragsdauer eher lang sein, um eine gute Vermarktung, auch im Backkatalog, zu ermöglichen. Manche Indies beschränken sich auf bestimmte Regionen, so dass man für weitere Regionen andere Partner suchen muss. Durch die Schnelllebigkeit der Indie Produkte wird oft eine Laufzeit von 5 bis 10 Jahren vereinbart. Eine Vertragslaufzeit gemäß der gesetzliche Schutzfrist für Produzenten von 50 Jahren ab Veröffentlichung ist oft übertrieben lang.

Optionen, also das Recht auf eine Folgeproduktion, verlängern den Vertrag. Dieses Recht steht der Tonträgerfirma zu, nicht aber dem Produzenten. Die Anzahl der Optionen und die Frist der Optionsausübung durch die Tonträgerfirma sollte begrenzt sein, damit ein neuer Vertrag ausgehandelt werden kann.

Wichtig sind ebenso Regelungen für das Vertragsende, z. B. durch Insolvenz eines Vertragspartners oder grobe Pflichtverletzungen.

9. Sonstiges

Der Vertrag sollte unterschrieben und paraphiert, also mit Namenskürzeln auf jeder Seite versehen werden als Zeichen, dass man sich mit dem Text wirklich auseinander gesetzt hat. Weiterhin gilt die Salvatorische Klausel, nach der ein Vertrag bei einzelnen, unwirksamen Regelungen ansonsten weiter gelten kann. Dass Änderungen des Vertrags schriftlich erfolgen sollen, versteht sich aus Gründen der Beweisbarkeit von selbst.

Mit der nötigen Geduld, sich durch die Fachsprache des Juristendeutsch zu kämpfen, und dem Wissen darüber, was man selber erreichen will und kann sowie, was der andere will und kann, steht der Verwertung eigener Songs nichts im Wege. Am Ende sollen Verträge dazu dienen, sich in Zukunft zu vertragen.

Danksagung:

Für die Durchsicht auf juristische Richtigkeit: Dr. jur. Jan Bernd Nordemann, LL.M. (Rechtsanwalt bei Boehmert und Boehmert, Potsdam; spezialisiert in Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie Urheberrecht, Marken- und Presserecht; hält Vorlesungen über Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht an der Humboldt-Universität Berlin, www.boehmert.de).

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