Vintage Synthesizers auf der Musikmesse
Ob die Frankfurter Musikmesse 2009 punkto Vintage Synthesizer – oder genauer gesagt – Knobby Synthesizer viel Neues zu bieten hatte, sei dahingestellt. Auffallend ist jedenfalls zu beobachten, dass sich im Reigen der Großen – Korg, Roland, Yamaha – nach wie vor nicht viel Neues tut. Mit Knobby haben es die Großen ohnehin nicht so ganz.
So dürfen sich Hardware-Freaks und Klangtüftler auf die wachsende Zahl der Kleinunternehmer und Synthesizer-Idealisten konzentrieren. Ob Matthias Schmidt (Curetronic), Dieter Doepfer, John Bowen oder Kazike … um nur einige zu nennen.
Doch beginnen wir ganz klassisch. Bei EMC / Moog.
Noch gibt es das neue Taurus Pedal ja nicht, doch wer mal die Gitarre mit Moogfilter befingern möchte – jederzeit gerne! Bei Kaufinteresse lohnt sich das Warten, denn bald soll es die Moog-Gitarre in neuer Ausführung zum deutlich günstigeren Preis geben. Oder aber man versucht sich an dem (nach wie vor sehr inspirierenden) Moog Voyager. Auch Oldschool möglich – doch bitte schnell sein, lange wird es den Minimoog OS nicht mehr im Laden geben. Dafür hat EMC jedoch den Vertrieb von Radikal Technologies (Spectralis Synthesizer) übernommen.
Wir bleiben kurz bei amerikanischen Anbietern und begegnen John Bowen. Ich traf ihn vor 2 Jahren erstmals bei der Messe. Damals wußte ich nicht, wer er war. Diesmal verschätzte ich mich in seinem Alter. Nicht zu seinen Gunsten, doch John hat es mit amerikanischer Höflichkeit überhört. Immerhin: Sein SOLARIS ist zu 95% fertig gestellt. Und der Klang? Genial! Die Oszillatoren des Solaris bieten klassische Wellenformen (wohlgemerkt: virtuell analog), alle Microwave Wellenformsätze und auch jene des Prophet VS. Ob nun „Rotor“ (automatisches Durchlaufen aller 4 Oszillatoren) oder „Joystick“ (z.B. zum Durchfahren der Wellenformsätze) – der Solaris scheint Kreativität pur zu sein. Ich überlege bereits, den Oberheim Xpander zu verkaufen – ein John Bowen Instrument muss her! Doch heißt es noch etwas Geduld haben. Vor Herbst 2009 wird es nicht zur Auslieferung kommen …
Der Sprung über den Atlantik bringt uns zunächst nach Portugal. Dort landen wir bei Kazike und seinem Club Of The Knobs. „The return of the Mammouth“ ist das Motto des Unternehmens …
Kazike ist allerdings nicht der Einzige im Team. Die Frontplatten der wunderschönen Moog Modularsystem-Nachbauten stammen aus Padua in Italien – von Nicola Santi. Und das „Gehirn“ einiger der genialen Club Of The Knobs-Module stammt aus Deutschland: von Georg Mahr. Das Ergebnis der gesamten Kooperation sind Modularsysteme der Extraklasse.
Einerseits strikt Moog Modular (System 3C gefällig? Einfach bestellen!), andererseits – auf Wunsch – klassische Systeme durchwachsen mit neuen, aufregenden Modulen. Wie etwa dem „Extended Rhythm Controller“ …
Ein Schritt ins tiefere Europa führt uns zunächst in die Schweiz. Viele Messebesucher haben in Halle 8 sicher keinen Synthesizer vermutet (und das Objekt der Begierde daher wohl auch nicht gesehen). Doch Martin Hollingers AIRBÖURNE Synthesizer samt Sequenzer war ein Besuch wert! Martin ist durch sein herrliches Synthorama-Museum allseits ein Begriff. Der schweizer Synth-Freak und Techniker widmet sich seit einigen Jahren (seit 6, um genau zu sein) dem Projekt eines eigenen Synthesizers. Mit dabei ist ein Sequenzer, der wohl weltweit seinesgleichen sucht. Der Airböurne Matrix-Sequenzer bietet pro Spur bis zu 96 Steps und kann in einzelne Sektionen eingeteilt werden, die sich beliebig oft wiederholen lassen. Hold und Legato lassen sich ebenso programmieren, wie die individuelle Zuweisung jedes der 4 Hauptspuren (Tracks) zu bestimmten Funktionen des Synthesizers möglich ist. Neben dem hier vorgestellten ersten Airböurne Synthesizer (2 Racks) mit Sequenzer (1 Rack) wird Martin noch einen zweites, identisches System bauen. Das Paket gibt es für ca. 25.000 Euro. Wer also etwas Taschengeld im Börserl übrig hat … Kontakt: Martin Hollinger – synthorama(at)bluewin.ch.
Von der Schweiz aus ist es nur ein kleiner Sprung über die Berge: Deutschland hat (wie erwartet) ein schönes Aufgebot an elektronischen Delikatessen zu bieten. Dieter DOEPFER stellt seinen DARK ENERGY Synthesizer vor. Typisch für Doepfer – handlich und klein, mit externem Netzteil. Untypisch das Design: schwarz mit Moog-ähnlichen Knöpfen. Ein kleiner Imagewechsel, so viel steht fest. Das A-100 Modularsystem wächst indes in beängstigende Höhe. Nun gibt es spezielle Upper-Kabinette mit abgewinkelten (und verstellbaren) Halterungen. Neben einer Vielzahl neuer Module ist – vielleicht als zeitgleiche Entwicklung zum Dark Energy – auch eine MINI SYNTHESIZER VOICE hinzu gekommen. Dieter hat sich so bereits einen echten Four Voice gebaut. Die Vorverdrahtung der Schaltkreise macht wirklich viel Sinn, denn Standard-Verkabelungen à la VCO-VCF-VCA sind nun nicht mehr via Patchkabel nötig.
Neben Doepfers extrem umfangreichen A-100 Modulen ist auch die Zahl der von anderen Unternehmen erhältlichen 3 HE („Eurorack“) Modulen weiter steigend. Ob von Cwejman, Analog Systems, Plan B oder weiteren Herstellern: Die Möglichkeiten betreffend Zusammenstellung eines individuellen Modularsystems sind heute vielfältiger denn je …
Von 5 Höheneinheiten sprechend kommen wir zu Matthias Schmidt. Der Erbauer des CURETRONIC Modularsystemen hat uns gleich vorweg freundlicherweise eine ganze handvoll Patchkabel zum Klangforschen zur Verfügung gestellt …
Matthias hat jedoch auch die Vorherrschaft von Eurorack-Modulen erkannt. Mit einem speziellen Adapter-Modul ist es nun möglich, alle gängigen 3 HE Module in das Curetronic System zu schrauben. Die nötige Stromversorgung ist ebenso vorhanden wie Übersetzungsbuchsen von 3,5 auf 6,3 Millimeter.
KLANGWABE nennt sich die bunte Variante in seinem Modularangebot. Nach dem Motto „Wie viele Ecken braucht ein Synthesizer?“ ist die Klangwabe auch für Leute mit Sinn für theatralische Bewegungen wie geschaffen. Die einzelnen Module können beliebig zusammengeschoben werden, wobei sich das Auge stets der schönen Farbenpracht erfreuen darf. Erhältlich ist die Klangwabe in Schneiders Büro.
genoQs Machines bleibt seinen beiden Hardware-Sequenzern OCTOPUS und NEMO treu. Ersteren gibt es nun auch in Rackform (für „on the road“) mit Beinamen THE SHELL.
Nach wie vor interessant ist das bekannte EBBE UND FLUT Filterrack des Berliner Herstellers Schippmann. Der angeschlossene Yamaha RX-5 Drumcomputer war nach Durchwandern der Ebbe und Flut Filter klanglich nicht wieder zu erkennen …
Auch das Vintage-Rack rund um MINIMAX ASB und PRO-12 ASB gab es wieder zu sehen. Amazona hat darüber schon ausführlich berichtet und dabei auch mit den originalen Instrumenten verglichen.
Abschließend noch eine kleine Hommage an Axel Hartmann. Am Stand der DESIGN BOX (interessanterweise in Halle 5.0 und nicht 5.1) waren einige der großen Klassiker des deutschen Industriedesigns rund um den elektronischen Instrumentenbau zu sehen. Vom Waldorf Wave über Moog Voyager und Alesis Andromeda bis hin zum neuen Blofeld Keyboard (das – zugegeben – sehr schlicht gehalten ist) zeigten die ausgestellten Exponate und das aufgelegte Werbeheft einen eindrucksvollen Querschnitt über einen Teil der besonders styligen Keyboards vergangener Jahre …
Toller Bericht!
Vor allem auf den Solaris freue ich mich schon lange. Schön mal wieder etwas davon zu hören. Ausehen tut das Teil ja schonmal echt scharf ^^
MFG
Dennis