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Report: Push Turn Move, Bildband & Sachbuch

Pflichtlektüre für Knöpfchen-Drücker & Fader-Schieber

27. Januar 2018

Push Turn Move. Ein Buch über Synthesizer? Geht das? Ja. Nein. Vielleicht. Es ist auch egal, denn das Buch mit dem Titel „Push Turn Move“ möchte gar kein Buch über Synthesizer sein, auch wenn der erste Eindruck so wirken könnte.

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Dieses Buch ist vieles nicht. Es ist keine Übersicht über alle Instrumente oder Controller der elektronischen Musik, es ist auch kein Katalog für Vintage Gear und sowieso geht es auch nicht ausschließlich um den Sound. Manchmal geht es überhaupt nicht um den Sound und sowieso bin ich mir sicher, jeder wird irgendein für ihn unersetzliches Instrument überhaupt nicht in diesem Buch erwähnt finden.

Das ist auch überhaupt nicht schlimm. Das Internet bietet das alles. Reviews, Tutorial Videos, Foren mit Hunderten von Seiten und Informationen zu gefühlt allem. Hier kann man sich dumm und dämlich suchen, viel finden, meist Dinge, die man gar nicht gesucht hat anstatt der Info, die man eigentlich spezifisch braucht. Das alles in ein Buch zu bringen, das wäre unmöglich.

Die Idee hinter „Push Turn Move“ aber ist eine andere und wie so viele schöne Dinge, hat auch diese Idee einen persönlich motivierten Hintergrund. Manchmal braucht es einen, der etwas sucht, nicht findet, vermisst und dann selbst macht. So muss es Kim Bjørn gegangen sein, zumindest beschreibt er es so.

Dazu muss man vielleicht eine Sache vorher wissen. Es ist nicht das erste Buch von Kim Bjørn. Es ist das siebte. Nur, die ersten sechs hatten weniger mit Musiktechnik zu tun. Kim Bjørn beschreibt sich selbst als „electronic musician, composer and designer“. „Digital Design Expert“, so lautet die Schlagzeile seiner Homepage und seine ersten sechs Bücher handeln tatsächlich von Visual Design und Aesthetics. Er ist Dozent an der dänischen Hochschule für Media und Journalismus und gibt Workshops in diesem kreativen Feld.

Nach den ersten sechs Büchern ist das siebte Buch nun das erste, das seine beiden Leidenschaften kombiniert: elektronische Instrumente und Design. Das verrät auch der gesamte Buchtitel „Push Turn Move – interface design in electronic music“.

Auf 352 Seiten präsentiert sich das Buch als Sachbuch, als Bildband und als Geschichtszeuge mit unterhaltsamen Einblicken in viele Aspekte abseits von Sound.

Push Turn Move

Push Turn Move – das Buch

Ein Blick in das Buch – Push Turn Move

Das Vorwort gibt dabei kein Geringerer als Jean-Michel Jarre zum Besten, nur ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man es hier ernst meint. In Push Turn Move folgen noch 350 der 352 Seiten voller Inhalt. Inhalt über alles, was man lieben kann: Controller, Synthesizer, Sequencer, DAWs, Plug-ins oder modulare Systeme.

Push Turn Move

Jean-Michel Jarre hat das Vorwort

Das Inhaltsverzeichnis von Push Turn Move haut einen ziemlich um. Eine Seite nur Inhaltsverzeichnis für Content, eine Seite für Interviews. Dabei gibt es schon einen recht guten Überblick über das, was einen erwartet.

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User mit einem Hinblick auf die Person, die vor dem Gerät steht mit Unterpunkten wie dem Design, dem Workflow und der Interaktion und dem Feedback, aber auch mit Unterpunkten wie „Usable“ und „Enjoyable“.

Sound als zweites großes Kapitel in Push Turn Move beschreibt nicht, wie man vermuten könnte, den Sound als Klang, sondern die Entstehung, wie aber auch die grafische Darstellung. Als Leser macht man Halt an den Stationen „Sound & Frequency“, „Amplitude & Volume“ oder „Notes & Scales“. Man liest über Oszillatoren und Schwingungsformen, über Hüllkurven, ADSR und Volume Levels. Über Ableton als Programm, welches die Darstellung von Tracks oder Teilen durch die Clip-Ansicht revolutionierte und kann eintauchen in das Interview mit Gerhard Behles, Ed Macovaz und Jesse Terry von Ableton.

Push Turn Move

Sound and Frequency mit Fingerlab DM2

Nach dem recht kurzen Kapitel geht es wieder in die Vollen mit Control. Hier wird die breite Palette an Bedienelementen beleuchtet. Vom Knopf zum Poti, zum Fader. Pads und Keys, aber auch kapazitive Sensoren wie aber auch Displays. Jeweils ein kleines Vorwort läutet die einzelnen Kapitel ein. Ich gebe zu, ich bastel viel, repariere viele Geräte, aber nach diesem Buch ist ein Poti für mich nicht mehr nur ein Poti mit Ohm-Wert und Hersteller, sondern es ist ein Push-Encoder oder ein Rotary-Switch, ein 270-Grad unipolares Poti oder ein bipolarer 270 Grad Encoder. Vielleicht ist es auch ein Endlos-Encoder. So, und das war nur die Hardware-Ebene. Auf Software-Ebene folgt dann noch das absolute Poti mit oder ohne Snap, Pass-Through mit Pick-Up oder das relative Poti. Ähnlich geht es eigentlich weiter mit dem Themenpunkt Fader oder Slider, Buttons und Switches und zu diesem Thema dem Interview mit Daniel Troberg, Artist und CEO der US Division von Elektron. Weiter geht es mit Pads und Keys, vom Novation Launchpad über die MPC Touch bis zu einem nterview mit Amos Gaynes, Steve Dunnington und Eric Church.
Wohlgemerkt: Wir sind jetzt erst auf Seite 91 von Push Turn Move angekommen!

In großen Schritten geht es weiter über Joysticks wie am Korg Sigma, Touchstrips wie am Tempest oder kapazitive Spielereien wie am Pressure Points von Make Noise.

Damit erreicht man das Ende vom Kapitel Control, nur um in das Kapitel Layout mit Unterpunkten wie Contrast, Grouping, Alignement, Size, Ergonomics, Signal Flow oder Colour einzusteigen.

Das Vorwort hat Brian Eno.

„The Trouble begins with a design philosophy that equates more options with greater freedom“.

 

Ok, das ist jetzt ein wenig philosophisch, lassen wir den Brian also kurz Brian sein und blättern wir weiter. Jetzt wird es wieder handfest und es wird sich über das Layout ausgelassen. Anschaulich werden die Unterpunkte erklärt. Herhalten müssen Produkte wie Moog Sub Phatty für „logical contrast“, Vermona PERfourMER MKII, Modor NF-1, Virus TI Polar, Moog Voyager, Yamaha TQ5, Behringer DeepMind12, Akai MPC, Teenage Engineering Pocket Operator, Oberheim Two-Voice Pro, ein Pioneer DJ DJM-2000Nexus oder auch ein Arturia DrumBrute. Nein, damit sind noch nicht alle Produkte erwähnt. Für den Punkt „Signal Flow“ müssen dann ein Korg MS-20, ein Jomox T-Resonator oder ein Dave Smith Instruments P12 herhalten, für den Punkt „Ergonomics“ gibt es dann die AKAI MPC X vor die Nase und für den Punkt „Visual Feedback“ den bunten Synthstrom Audible Deluge samt Interview mit Rohan Hill – einem der leitenden Ingenieure.

Push Turn Move

Kapitel „Layout“ – Ein Interview mit Axel Hartmann – Gründer von Designbox, ex-in-house Designer von Waldorf

Vorletzter Punkt und der letzte große: Concept. Nicht nur das Layout und die Bedieneroberfläche ist an einem elektronischen Instrument interessant, sondern auch, oder besonders, die Konzeption von diesem. Ist es doch die Konzeption, die für oder am Ende gegen einen Einsatz im eigenen Setup spricht und hinter der viele Ideen und Einflüsse stecken. Wie zu erwarten hat auch dieses Kapitel viele Unterpunkte, seien es DAWs, Mixer, DJ-Produkte, MPC oder modulare Systeme. Es geht um Hybrid, Multitouch, konfigurierbar, fix oder DIY.

Es geht um DAW.Interfaces wie Cakewalk Sonar, um Propellerhead, um TB-303, um Jupiter-8, um TR-8 oder TR-808, um Obscurium von Sugar Bytes oder Seq von Polyend, Linn Instruments, Tempest oder Arturia MatrixBrute. Es geht um Mixing, Desktop Mixing, Mini Mixing, Eurorack Mixing, MIDI Mixing, Performance Mixing, DAW Mixing oder Konsolen Mixing. Und so, wie es um Mixing in so vielen Variationen geht, geht es auch um jeden anderen Punkt. Mapping, Hybrid, Multitouch und Expressive Playing.

Push Turn Move

Hands-On Sound Control. Ein Interview mit Richard Devine

Es geht um so viel, dass es in einem Artikel nicht zusammengefasst werden kann, so viel, dass schon fast die Unterpunkte in einem Kapitel neu gesammelt werden könnten unter Unter-Kapiteln.

Mit dem letzten Punkt Time gibt es eine kleine Zeitreise durch die Veränderung der Nutzung von Instrumenten über die Zeit. Von vor 1750 bis dato reicht die Zeitspanne und wird begleitet von relevanten Produkten für die jeweiligen Zeitabschnitte, analog oder digital. Es ist nur eine Auswahl, denn alleine für ein Jahrzehnt könnte man zu diesem Thema schon eine komplette wissenschaftliche Arbeit schreiben.

Angereichert ist das Buch Push Turn Move mit rund 45 Interviews. Einige wurden erwähnt, dazu gibt es aber zu Beginn des Buches eine eigene Übersicht. Es sind viele. Wirklich viele. Bekannte und Unbekannte. Von Dave Smith bis hin zum GUI-Designer. Der klassische Kopf, den man also in der Regel nie sieht.

Push Turn Move

Auch Skinnerbox kommen zu Wort…

Push Turn Move Kickstarter

Eine kleine Geschichte zur Realisierung. Tatsächlich wurde Push Turn Move durch eine Kickstarter-Kampagne realisiert. Rund 1430 Unterstützer haben insgesamt 650.572 Dänische Kronen bereitgestellt, rund 88.000 Euro. Mit dem Geld dürfte die Umsetzung des Buches und die sicherlich nicht geringen Druckkosten realisiert worden sein. Man kann den neuen Möglichkeiten von Finanzierung ja eigentlich nur dankbar sein.
Schön ist, dass in den Zeiten von der nahezu durchgehend kostenlosen Bereitstellung von Content im Welt des Internets eine Kickstarter-Kampagne in genau diesem Medium eine solche Menge an Menschen akquiriert, um ein Print-Medium dieses Umfangs zu finanzieren.

Push Turn Move

Virtual streamlined modular – Adulus

Der Nachfolger

Inzwischen haben die Jungs mit PATCH & TWEAK ein neues Werk auf den markt gebracht. Hier der Link zu unserer Rezension.

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Fazit

„Push Turn Move – interface design in electronic music“ ist ein Buch, welches in der Tat eine etwas ungewöhnliche Aufgabe hat, die Kombination von elektronischen Musikinstrumenten und Design, Konzeption und Bedienung.
Dabei werden zu vielen kleinen Punkten kleine Geschichten erzählt, Informationen gestreut und Wissen vermittelt. Regelmäßige Interviews mit Entwicklern, Herstellern oder Nutzern verbreitern die Range an interessantem Inhalt und geben noch tiefere Einblicke in das Geschehen hinter der Oberfläche. Dabei wird es nie langweilig, es ist jedoch auch, zumindest in meinen Augen, nie zu tief, zu spezifisch oder zu nerdig.

Auch wenn dieses Buch viele Bilder beinhaltet und das Design veranschaulicht, es ist kein Bilderbuch. Es ist auch keine kurze Abendlektüre. An diesem Buch liest man Stunden, eher Tage und sicher sogar Wochen.
Dazu ist das Buch einfach auch schön gemacht. Was würde man anderes erwarten von einem „Berufs-Designer“. Ja die Aufmachung ist schön, die Qualität des Papiers und des Drucks ist super. Man bekommt einfach wirklich ein gutes Buch, auch haptisch.

Mit 75,- Euro ist sogar für ein Bildband/Sachbuch nicht gerade günstig. Sicher aber wird es davon keine Auflage im hunderttausender Bereich geben. Bevor man allerdings anfängt darüber nachzudenken, ob die investierte Arbeit den Preis wert ist (ist sie sicherlich), kann man eines direkt festhalten: Die Zeit, die man mit dem Buch verbringt, die neuen Informationen, Einblicke und den Spaß, den man mit diesem Buch hat, alles dies ist den Preis absolut wert.
Deswegen gibt es auch ein Best-Buy. Einfach aus der Laune heraus. Das Buch macht einfach Spaß, es schlägt nicht in eine Kerbe, die schon von vielen anderen getroffen wurde, sondern bringt Neues in gesammelter (Buch-) Form zu einem nach Hause, zum genießen und schmöckern, wenn die Finger vom vielen Drehen und Drücken weh tun.

Preis

  • Ladenpreis: 75,- Euro
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Forum
  1. Profilbild
    syntics AHU

    Tolle Rezension! Da schwingt die Begeisterung mit, die auch ich beim ersten Durchblättern empfunden habe. Für an Design Interessierte in jedem Falle ein Augenschmaus und auch in der notwendigen Tiefe, um sich einen Überblick über den Status quo von Instrumentendesign unterschiedlichster Kategorien zu verschaffen. Mir ist bisher kein Werk in derartigem Umfang bekannt. Dieses Buch wird sicher zu einem Standardwerk, trotz des hohen, aber völlig gerechtfertigten Preises.

    • Profilbild
      Bolle / Johann Boll RED

      @syntics Vielen Dank. Ja es macht echt Spaß. Der Preis ist hoch, ohne Frage. Man ist es gewohnt für Bildbände etc. mal 50,- € zu zahlen. 75,- € ist schon ein Brocken..auf der anderen Seite, es ist halt auch nicht nur ein Bildband, sondern auch ein Text-Werk mit viel Arbeit, die sicherlich viele Stunden mehr Arbeit gekostet hat, als „nur“ ein Bildband. Und da diese auch viele Stunden mehr Spaß bringt, nehme ich den Preis so hin…

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Wie krank doch diese Welt ist…
    ein Fetisch-Buch…
    Das mit den Pornos verstehe ich ja noch
    aber Synth-Porno ;o)
    dafür bekommt man heute schon einen halbwegs brauchbaren gebrauchten Synth
    und nicht nur Bilderchen davon.

  3. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    In deutscher Übersetzung und für 20 – 30 Euro weniger würde ich es auch kaufen.

  4. Profilbild
    Synthie-Fire AHU

    Ich kann das Buch echt jedem ans Herz legen, der sich für Synths interessiert.
    Habe einige Synthbücher aber als ich das in den Händen hatte, war mir klar das es sowas bisher noch nicht gab.
    Es hat mich echt umgehauen.Es macht Spaß beim lesen und durch die schönen Bilder auch einfach mal zum blättern geeignet.
    Das Buch ist echt der Hammer und man sollte sich es echt gönnen. Ihr habt es euch verdient :-).
    ( Nein ich bekomme keine Provision, aber ich bin so begeistert davon und verstehe das es ein Best Buy Award gab)

  5. Profilbild
    RFIS

    Ich habe mich damals an der Kickstarter-Kampagne beteiligt, weil ich davon überzeugt war, dass hier ein cooles Werk entsteht! Als ich dann das Buch das erste Mal in den Händen gehalten habe, war mir klar, dass dies kein kleines Projekt war. Den Preis finde ich darum absolut gerechtfertigt.

      • Profilbild
        Bolle / Johann Boll RED

        @digital-synthologie Danke für den Kommentar. Ich hatte mich bisher nicht getraut irgendwas zu Schreiben.

        Aber jetzt hab ich den Mut. Also, meine Antworten:

        „Nö“
        „Ja, nennt sich Google. Viel Spaß beim monatelangen Selbst-Recherchieren“
        „Support your local…“

      • Profilbild
        Dirk Matten RED

        @Joghurt FOK:
        Na, ich wer‘ Ihnen sagen, viel wird er ja nicht bringen, viel bringt er nicht, nee, wenn er viel bringt, denn bringt er höchstens, na, das bringt er nicht – der bringt weniger. Der bringt höchstens – wenn er will, wissen Sie. Wenn – wenn er will, dann macht er’s, wenn nicht, dann will er gar nicht, nee.

        WB:
        Ach – ach, denn will er nich?

        FOK:
        Nee – wenn er’s nicht macht, dann hat er nicht gewollt oder er konnte nicht.

        WB:
        Er konnte nicht?? – Ach, wie unangenehm. – Na ja. – Naja, so’n Pferd is ja schließlich auch nur ’n Mensch.

        Wilhelm Bendow – Auf der Rennbahn

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